Spoilerwarnung.
Dieser Artikel enthält massive Spoiler auf "Die geheimnisvolle Box", die sechste Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Picard" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Folgen bereits gesehen hat.
Einleitung.
In dieser Woche erschien ein weiteres Interview mit Patrick Stewart. Das allein rechtfertigt sicherlich noch keine sonderlich große Schlagzeile, aber sein Videoauftritt für das WiRED-Magazin in der Rubrik "…Answers the Web Most Searched Questions" ("… beantwortet die am meisten im Netzt gesuchten Fragen") gibt äußerst private Einblicke in sein Leben. So erzählt er beispielsweise, wie er Ian McKellen kennenlernte, dass er kein Veganer ist und dass er weder mit Martha noch mit Kristen Stewart verwandt sei.
Vor allem aber nutzt er die Gelegenheit, sich als Person ein Stück weit vom Picard-Image zu lösen (vielleicht ja nicht zuletzt, weil eine der Frage lautete, ob er tatsächlich mit einem bat'leth zum Ritter geschlagen wurde).
So betonte er ausdrücklich nicht nur seine britische, sondern explizit auch englische Herkunft, gab Einblicke in seinen ursprünglichen West-Riding-Dialekt und verriet, dass er nur selten Earl Grey, sondern viel lieber Yorkshire Gold trinken würde.
Nach diesem Einblick kann man sich nicht ganz zu Unrecht fragen, wieviel Patrick Stewart eigentlich in "Star Trek: Picard" steckt?
Story.
Die La Sirena hat Kurs auf das Artefakt genommen, wo laut den letzten Informationen von Bruce Maddox Dahjs Zwillingsschwester Soji Asha untergekommen sein soll, um die gemeinsame Kollaboration von Romulanern und Föderation zu erforschen.
Doch auf dem geschäftigen Borgkubus hat der Tal-Shiar-Agent Narek längst seinen finalen Plan zur Enttarnung der Produktionsstätte der Maddox-Androiden in die Tat umgesetzt. Just als sich der Sternenflottenadmiral im Ruhestand für eine Audienz mit dem Leiter der Einrichtung auf den Kubus herabbeamt, überredet er Soji dazu, sich einer romulanischen Meditiationstechnik zu unterziehen, die dazu dienen soll, ihre Träume und ihre kürzlich gewachsenen Identitätszweifel genauer zu ergründen.
Tatsächlich gelingt es dem findigen Romulaner, die gewünschten Informationen aus seiner Geliebten herauszukitzeln. Doch just als er sein Ziel erreicht und Picard zusammen mit Hugh das leere Quartier der gesuchten Wissenschaftlerin betritt, setzt der Romulaner ein strahlungsintensive Substanz frei, um die kurze Existenz der perfekten Androidin endgültig zu beenden…
Lobenswerte Aspekte.
Besetzung.
Von wenigen Ausfällen abgesehen bleibt abermals die Hauptdarstellerriege der beste Grund für Lobeshymnen in höchster Tonart.
Abermals obliegt Sir Patrick Stewart die Ehre, das Feld mit einer außergewöhnlich guten Performance anzuführen. Denn der Brite hat nichts verlernt; in mehreren Momenten, die die Zuschauer förmlich mitleiden lassen, werden sie Zeugen des für Jean-Luc Picard noch immer präsenten inneren Kampfes gegen seine frühere Assimilation durch die Borg. Stewart mag alt sein, aber Picard sieht noch älter aus, wenn er mit den Borg konfrontiert wird. Er zeigt deutliche Anzeichen einer postraumatischen Belastungsstörung (PTSD) und spielt diesen Part mit einer Überzeugungskraft, die über jeden Zweifel erhaben ist. Er erweckt im Alleingang Erinnerungen an "Familienangelegenheiten", "Ich bin Hugh" oder vor allem "Star Trek: Der erste Kontakt" und schafft es, mit seiner glaubwürdigen Darstellung eines noch immer zutiefst verletzten Menschen der Folge damit zusätzliche Tiefe zu verleihen. Dennoch verdeutlicht er zeitgleich auch, wie zerbrechlich die Schultern sind, auf denen diese Serie ruht.
Ihm muss in dieser Auflistung Santiago Cabreras folgen, der als Kind davon träumte Profifussballer zu werden – ein Umstand, der sich in der Serie niederschlägt, als man ihn mit dem 'runden Leder' jonglieren sieht.
Und in etwa so, wie Jonathan Archer Wasserball verfolgt, Benjamin Sisko Baseball spielt oder Jean-Luc Picard fechtet, findet nun eine weitere Sportart scheinbar ihren Weg in den offiziellen Kanon. Das passt durchaus zu einem südamerikanischen oder spanischen Charakter wie Cristóbal Rios und lässt höchstens die Frage offen, welchen Verein er am meisten mag (nah, es ist der Club Universidad Católica aus der chilenischen Heimat des Schauspielers).
Rios entpuppt sich nicht nur als Empath und Frauenversteher, sondern mehr und mehr auch als Crewmitglied, das nach Picard das meiste Sternenflottenblut in sich trägt. Abgesehen von einigen formellen Verhaltensmustern (vor allem in den zurückliegenden Folgen), zeigt sich das vor allem in der Art und Weise, wie fürsorglich er sich um seine 'Besatzung' kümmert. Es verdeutlicht die offensichtlichen Qualitäten eines ersten Offiziers; einer Rolle, die der Charakter auch nach dem Desaster auf der Ibn Majid aufrechterhält. Der einzige dunkle Punkt auf dieser weißen Dienstweste entsteht allerdings, als er mit einem seiner Crewmitglieder schläft, auch wenn das ein offensichtlicher Zug ist, um im Geist der Serienmodernität zusätzliches Drama in die Handlung der Serie zu streuen.
Seine romantischen Anwandlungen gelten nämlich ausgerechnet jener Dr. Agnes Jurati, die in der letzten Folge vor allem deshalb auffiel, weil sie so abrupt das Leben ihres früheren Mentors und Liebhabers Bruce Maddox beendete. Allison Pills Charakter schlägt seither bedeutend ernsthaftere Töne an und vermittelt recht gut das innerliche Leid, das ihr Mord in ihr ausgelöst hat, auch wenn sie sich redliche Mühe gibt, ihre Tat und ihre Absichten nicht zu offenbaren.
Die dialogtechnische Lücke des Erklärbären und Sprücheklopfers füllt nun Evan Evagora aus, dessen Part des romulanischen Ninja-Kriegers Elnor dafür aufgrund seiner jugendlichen Naivität und seines Hangs zu unbedingter Offenheit weitaus glaubwürdiger wirkt. Allerdings erscheint er gerade deswegen auch ein wenig deplatziert auf dem Schiff und kann eigentlich erst Akzente setzen, als er sich erwartungsgemäß dem Wunsch Picards widersetzt, um in einem Anflug von Heldenmut (der in einem Cliffhanger endet) den Tag zu retten.
Raffi Musiker hingegen gibt zweifelsohne Grund zur Sorge. Ich persönlich finde den Rückfall der gebrochenen Frau zu Alkohol und Drogen nicht nur absolut nachvollziehbar, sondern auch von Michelle Hurd grandios umgesetzt. Sie zeigt, dass sie trotz aller Beeinträchtigungen noch immer zielgenau ihren Job verrichten kann und ihre Fähigkeiten dürften in den kommenden Episoden sicherlich noch von größerer Bedeutung sein.
Auf dem Borgkubus kommt sich Soji Asha dank Narek selbst auf die Spur und Isa Briones schafft es, ihr Entsetzen und ihre Verzweiflung gut zu vermitteln. Abermals brilliert sie durch Data-hafte Gesten und durch eine Befreiungsszene, die an ähnliche Momente in "Kill Bill vol. 2" erinnert.
Dennoch bleibt die größte schauspielerische Leistung dieser Episode nach Patrick Stewart seinem Landsmann Harry Treadaway vorbehalten. Narek - beziehungsweise Hrai Yan – erzielt nicht nur auf gerissene Weise den Erfolg, der seiner Schwester vorenthalten blieb, sondern wirkt dabei von Dienstpflicht und persönlichen Gefühlen zerrissen. Auch er kommt sich bei der Selbstfindungshilfe selbst auf die Schliche und es sollte doch mit Fek'Ihr zu tun haben, wenn wir im weiteren Verlauf von "Star Trek: Picard" von ihm nichts mehr sehen sollten, denn er zählt spätesten jetzt zu den tieferen Charakteren der Serie.
Sein romulanischer Rubik's Cube war dabei ein großartig eingesetztes Stilmittel, das allerdings ruhig ein paar Episoden früher hätte etabliert werden können.
Besonders im Gegensatz zu ihm wirkt seine Schwester Narissa Rizzo irgendwo zwischen erstaunlich inkompetent bis schlichtweg dumm. Nicht, dass Peyton List ihre Sache aus schauspielerischer Sicht schlecht machen würde, aber ihre Rolle, die zuerst schießt, bevor sie Fragen stellt, bleibt auch bei ihrem vierten Auftritt unfassbar flach und konstant unoriginell.
Jonathan Del Arcos zweiter Gastauftritt als Hugh wurde feinfühlig umgesetzt, aber selbst wenn kurzzeitig so etwas wie eine Agenda für die XBs anklingt (vgl. Denkwürdige Zitate), bleibt die Rolle doch unter ihren Möglichkeiten und kann – ähnlich wie Elnor – erst in den Schlussminuten tatsächlich für etwas Bewegung im allgemeinen Geschehen sorgen.
Eine Erwähnung ehrenhalber verdiente sich in dieser Episode schließlich auch noch Sojis Löwenkuscheltier, das mit 'Squoodgy' endlich einen Namen erhielt. Mal schauen, wann die Star-Trek-Merchandiseabteilung das Potential dieses possierlichen Tierchens erkennt und verschiedene Versionen davon als Fanartikel zu verkaufen beginnt. Ich wäre jedenfalls langsam geneigt, eines davon zu erwerben…
Strickmuster.
Maja Vrvilo hat als Regisseurin bereits mit dem Short Trek "Runaway" (zwei Sterne von uns) und der Discovery-Episode "Der Zeitsturm" (vier Sterne von uns) auf sich aufmerksam machen können. In "Die geheimnisvolle Box" greift sich nicht die Tonart der letzten Woche auf, sondern fällt in eine Stimmung zurück, die bereits die vorangegangenen Folgen dominiert hat: Es gibt klar verteilte Feindbilder, einen Patrick Stewart in Höchstform, einige an Gruselklassiker angelehnte Szenenbilder (z.B. in den Traumsequenzen), abwechslungsreiche Kameraperspektiven, einen großartigen Soundtrack und reihenweise Nostalgiemomente.
Vor allem aber ist die Episode nicht nur von einer mitreißenden Spannung geprägt, sondern startet endlich in Richtung Zielgerade. Oder um an dieser Stelle einmal Fehlfarben zu paraphrasieren:
"Es geht voran!"
Dafür nimmt sich Vrvilo erstaunlich viel Zeit; nicht nur, dass der Prolog erstaunlich lang ausfällt - auch die Folge nimmt sich plötzlich ganze zehn Minuten mehr heraus, als ihre Vorgänger es taten. Die Handlung konzentriert sich währenddessen – von einigen Szenen auf der La Sirena abgesehen – vor allem auf den zuletzt vernachlässigten Borgkubus, der sich nun (genauso wie die scheinbar unverzichtbar gewordenen Lens Flares) fulminant zurück im Fokus des Zuschauers katapultiert.
Das Drehbuch kreist um zwei große konzeptionelle Aspekte.
Auf der einen Seite finden wir die Konflikte zwischen den Charakteren, die nun zu handfesten Problemen kulminieren. Raffis Konflikt mit ihrem Sohn führen zu einer innerlichen Leere und damit zu einem Rückfall zu Drogen und Alkoholkonsum. Picards Konflikt mit dem ungestümen Elnor endet damit, dass er sich entgegen der Wünsche des Sternenflottenadmirals auf den Kubus beamt. Und der größte Konflikt der Folge zwischen Narek und Soji steigert sich gar zu einem Höhepunkt, an dem ersterer letztere unter Tränen umzubringen versucht.
Dem entgegen stehen als Kontrast die vielen Nostalgiemomente, auch wenn die positive Besetzung von 'Nostalgie' der Sache vielleicht nicht unbedingt gerecht wird. Zwar sehen wir einige rührende Szenen der Deassimilation früherer Borgdrohnen und ein sehr herzliches Wiedersehen zwischen Hugh und Picard, aber wir werden genauso Zeuge eines (genialen) Schnittes zwischen Picard und seinem Borg-Alter-Ego Locutus, beklemmender Flashbacks auf Picards Zeit im Kollektiv und einige Szenen, in den Realität und Angst vor einer erneuten Assimilation verschwimmen.
Doch egal ob gut oder böse - beiden Komponenten gelingt es, an eine der erfolgreichsten und prägnantesten Erzählstränge TNGs anzuknüpfen, der viele Zuschauer in eine Vergangenheit zurückholt, in der Star Trek etwas ganz Besonderes geschaffen hat.
Zusätzlich zu den konzeptionellen Aspekten kommen zwei erzählerischen Ansätzen größere Bedeutung zu: In der ohnehin bislang extrem symbolhaltigen Serie geht es dieses Mal um Vergangenheit auf der einen Seite und Verletzlichkeit auf der anderen.
So muss sich Picard mit seinen traumatischen Erlebnissen bei den Borg auseinandersetzen, Jurati muss ihren Mord an Maddox verarbeiten, Hugh feiert ein Wiedersehen mit dem Mann, der ihn aus den Klauen des Kollektivs entrissen hat, Raffi versucht den Geistern der Vergangenheit durch eine Flucht in bewusstseinserweiternde Substanzen zu entfliehen und Soji muss sich mehr oder minder unfreiwillig mit ihrer noch nicht allzu weit zurückliegenden Entstehungszeit auseinandersetzen.
Das passiert natürlich nicht ohne Wunden davonzutragen. Die Verletzlichkeiten werden auf unterschiedliche Weise demonstriert; entweder in Traumata (Picard), Gewissensbissen (Jurati, Raffi, Narek) oder ganz offensichtlichen Wunden und Enttäuschung (Soji).
Diese Vielzahl unterschiedlicher Stränge bringt Vrvilo geschickt unter einen Hut. Die einzelnen Elemente greifen präzise ineinander und ergeben letztendlich eine regelrecht ausbalancierte Folge, die für ein serielles Konzept erstaunlich geschlossen und doch wie Teil eines Ganzen wirkt. Trotz der Länge gibt es keinerlei Überlängen und selbst wenn die Folge unabstreitbar die Handlung vorantreibt und mit einem weiteren Cliffhanger endet, so gelingt es ihr doch auch als Einzelstück in Erinnerung zu bleiben.
Am Ende bringt "Die geheimnisvolle Box" gar noch einen weiteren Handlungsort ins Spiel, nachdem die bisher wenig abwechslungsreichen Schauplätze (das Artefakt, Erde, das Artefakt, Vashti, das Artefakt, Freecloud, das Artefakt, La Sirena und natürlich der von den Romulanern erbeutete Borgkus) langsam ein wenig eintönig geworden sind.
So richtet sich der allgemeine Blick erwartungsvoll auf Nepenthe, zumal dort die Rikers auf einen Besuch ihres ehemaligen Captains warten.
Kritikwürdiger Aspekt.
Kanonbrüche und Logiklöcher.
So langsam ist deutlich zu merken, dass wir uns dem Ende der ersten Staffel nähern, denn viele Dinge werden allmählich klarer und wirken weniger mysteriös als noch zu Beginn der Serie. Wir wissen längst, wer Dahj und Soji zusammengeschraubt hat, haben eine etwas genauere Vorstellung von dem, was auf dem Bogkubus abläuft und wissen eigentlich seit der dritten Folge, dass Jurati ein doppeltes Spiel treibt. Alle Charaktere sind zusammengetrommelt, die große Reise Picards hat begonnen und inzwischen auch schon erste Resultate erbracht.
Vieles macht mehr Sinn als noch am Anfang (z.B. die Mutter-KI von Soji und Dahj, Juratis Auftauchen im Chateau Picard, Raffis Wunsch nach Freecloud reisen zu wollen), auch wenn die ein (Jurati und Rios finden zueinander) oder andere (Elnors Herunterbeamen auf den Borgkubus) Entwicklung dieser Folge recht vorhersehbar wirkte.
Hinzu kommt, dass dem geneigten Fan abermals tolle Kanonhappen vorgeworfen wurden. Abgesehen von Rückbezügen auf Kinofilme wie "Der erste Kontakt" (die Borg, Szenenbilder aus Picards Föderationsgooglesuche) oder "Nemesis" (vor allem das Gift aus der 'geheimnisvollen Box') und natürlich diversen TNG-Folgen mit zentralem Borg-Inhalt (z.B. "Angriffsziel Erde", "In den Händen der Borg", "Ich bin Hugh") kommt dieses Mal tatsächlich wieder Voyager eine größere Bedeutung zu. Abgesehen von der eher gut versteckten Flotter-Brotdose war es die äußerst gelungene Anspielung auf die aus "Das oberste Gesetz" bekannten Sikarianer an einer Stelle, an der andere vielleicht bestenfalls Stargate erkennen würden (allerdings bleibt etwas verwunderlich, warum er den Speziesnamen, und nicht deren Borgbezeichnung wie etwa Spezies 0815 nennt). Zudem mochte ich die zarte Anspielung, dass es einen weiblichen Praetor (Sela? Donatra? Tal'aura?) geben könnte (vgl. Denkwürdige Zitate).
Vor allem aber setzt die Episode gekonnt den Ausbau der Romulaner zu einer vielschichtigeren Spezies fort, der das Volk bereits seit dem Beginn der Serie ereilte und in "Unbedingte Offenheit" seinen Höhepunkt erreichte. So wie einst die Klingonen in TNG radikal, aber auf spannende Weise inhaltlich neu ausgerichtet wurden, geschieht nun das gleiche mit den Romulanern, die der offizielle Kanon bislang nur selten mit tiefen kulturellen Einblicken abseits des Militärs bedacht hatte.
Aber natürlich gibt es auch den ein oder anderen Moment, der mit dem Kanon nicht so recht übereinzustimmen scheint.
Dass etwa die romulanische Namensgebung stark an den Short Trek 'Calypso' erinnert, mag ja noch einige nette Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Bevölkerung in einer weit entfernten Zukunft ziehen lassen, aber bereits seit der Originalserie wissen wir, dass nicht das Verlassen der Neutralen Zone einen Kriegsakt bedeutet, sondern bereits das Betreten. Immerhin gibt man sich konsequent Mühe, die romulanische Neutrale Zone als Relikt der Vergangenheit darzustellen, so dass man hier gekonnt größere Fettnäpfen vermeiden kann.
Es sind also eher eine Reihe von kleineren und größeren Drehbuch-Unstimmigkeiten, die das ansonsten sehr stimmige Gesamtbild trüben.
So scheint jeder (bis auf den bislang in der Isolation eines Nonnenordens aufgewachsenen Elnor) über den von den Romulanern erbeuteten Borgkubus Bescheid zu wissen.
Picard möchte – wie ein Großteil der heutigen Internetnutzer auch – lieber eine Bildersuche zu machen, als Texte lesen zu wollen. Kopfbälle – dieser Tage aufgrund ihrer Langzeitwirkungen wieder im Gespräch – scheinen es unbeschadet in die Zukunft geschafft zu haben.
Und obwohl der Tal Shiar eng mit der Sternenflotte zusammenarbeitet, kommt scheinbar niemand an Bord des Artefakts auf die Idee, Picard bei seinem Besuch einen Sicherheitsangehörigen aufzubürden oder ihn zumindest genau zu überwachen (bei einem XB wie Picard wäre das durchaus vertretbar und sogar mit dessen eigener Sicherheit zu rechtfertigen gewesen).
Natürlich sind weitere kleinere Widersprüche zwar unglücklich, aber immerhin mit dramatischen Entscheidungen zu rechtfertigen: Warum etwa Soji zum Schlafen ihre Kette trägt, warum Picard in eine scheinbar verlassene Ecke des Borgwürfels gebeamt wird, warum Hugh die Tür zur Königinnenkammer offenlässt. Warum man derlei kleinere Fragen besser als künstlerische Freiheit betrachtet, wird deutlich, wenn man sich eine der besten Szenen der Folge vor Augen hält:
Als nämlich Picard bei seiner Google-Suche ein Bild von sich selbst als Locutus findet, ist dieses gespiegelt (das Gesichtsimplantat befindet sich damit auf der falschen Seite). Klingt im ersten Moment sicherlich wie ein Fehler, aber wäre das nicht der Fall gewesen, so hätte auch die Einstellung nicht funktioniert, in der man das Holobild mit dem Antlitz Picards übereinandergelegt hat.
Je mehr man über solche vermeintlichen Fehler nachdenkt, desto weniger kann man es zum Vorwurf gereichen.
Je mehr man über solche vermeintlichen Fehler nachdenkt, desto weniger kann man es zum Vorwurf gereichen.
Zwei andere Sachen müssen an dieser Stelle jedoch noch einmal explizit kritisiert werden.
Mal ehrlich: Nach einem erfolgreichem Com-Telefonat zu klatschen ist in etwa so cool wie Leute, die das gleiche bei Flugzeuglandungen machen. Da mag die Crew durchaus der mit schweren Privatproblemen kämpfenden Raffi ihre Unterstützung zeigen wollen, aber am Ende war diese bereits in ihrer Anlage fragwürdige Aktion für alle Beteiligten einfach nur peinlich und für den geneigten Star-Trek-Anhänger schlichtweg fremdschamwürdig.
Zum anderen fand ich Elnors Zurückbleiben auf dem Kubus nicht weiter tragisch.
Nicht, dass ich mir seinen Tod wünschen würde, aber auf diese Weise bekommt die Besatzung der La Sirena in der nächsten Episode immerhin etwas Spannendes zu tun (wie etwa ihren Kameraden herauszubeamen und zu entkommen), während der romulanische Schwertkämpfer sich und seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann (um Picards Flucht durch ausreichend Zeit zum Herunterfahren des Portals zu decken und Hugh zu retten).
Allerdings bleibt der fade Beigeschmack des Umstandes bestehen, der Elnor an Bord des Artefakt gelangen konnte. An einem Ort, in dem selbst die Gespräche der Arbeitskräfte penibel überwacht werden und Sicherheitsvorkehrungen selbst dann bestehen, wenn man meditieren gehen will, wirkt dieses Detail entweder wie der endgültige Beweis für die völlige Inkompetenz des Tal Shiars als Organisation (was dem bisherigen Bild in Picard weiter gerecht werden würde), oder für ein ziemlich schweres Versäumnis in der Drehbuchanlage.
Synchronisation.
Die Probleme mit der Synchronisation fangen bereits im Titel an, denn "Die geheimnisvolle Box" ist etwas ungünstig gewählt. Ich kann natürlich nachvollziehen, dass man aufgrund der Lippenbewegungen dem Begriff 'box' Vorrang vor der 'Schachtel' gewährt hat, aber 'geheimnisvoll' ist eine doch schlechte Übersetzung von 'impossible'. Derlei Übersetzungsnachlässigkeiten ziehen sich durch die gesamte Folge (z.B. bei "raushalten" für "in-butting" oder "Kern" für "centre").
Andererseits liegt es in der Natur der Dinge, dass gewisse Nuancen in der Übersetzung verloren gehen und es gibt durchaus Anzeichen für Besserung! Zwar wird noch immer gesiezt als würde es kein Morgen geben, aber immerhin kann kurz vor dem Koitus offenbar darauf verzichtet werden. Zudem ist es löblich, dass mit Leon Boden Hughs Originalstimme verpflichtet werden konnte.
Fazit.
Insbesondere nach dem Ausrutscher in der letzten Episode wirkt "Die geheimnisvolle Box" wie eine Rückbesinnung auf alte Stärken. Die ausgewogene Folge glänzt durch mitreißende Spannung, die herausragenden schauspielerischen Leistungen vor allem von Patrick Stewart und Harry Treadaway und beschwört einen gelungenen Ausgleich zwischen Konflikt und Nostalgie herauf, dem man sich nur schwer entziehen kann.
Bislang bildet sie dadurch eine der besten Episoden der noch jungen Serie, an der es lediglich Kleinigkeiten zu bemängeln gäbe.
Bewertung.
Ein Grund für vorsichtigen Optimismus.
Schluss.
Patrick Stewart ist ein Schauspieler und keine Rolle.
Nichtsdestotrotz ist er ein Darsteller, dessen Kultstatus auch auf seine Beteiligung Star Trek zurückgeht.
So mag das Interview sicherlich auch dazu gedient haben, eine Grenze zwischen Patrick Stewart und einer seiner bekanntesten Rollen zu ziehen, doch es zeigte ebenfalls auf, wie sehr Star Trek ein Teil seines Lebens ist, der ihn immerhin seit 32 Jahren begleitet.
Er nutzt die Gelegenheit, auf seine Show aufmerksam zu machen und beantwortet Fragen, die sich so mancher Zuschauer beim Ansehen der Serie sicherlich auch gestellt hat (z.B. wie er in so guter körperlicher Verfassung bleibt oder ob er ein Weingut besitzen würde).
Doch die wichtigen Antworten gab Stewart diese Woche in "Star Trek: Picard" .
Insbesondere seine Leistungen in dieser Folge, die direkt an seine Darstellungen in "Der erste Kontakt" anschlossen, beweisen hinlänglich, was für ein hochkarätiger Schauspieler er noch immer ist und das es zu den Privilegien unserer Zeit gehört, diese Serie ansehen zu können, in die Stewart nicht nur sein Herzblut, sondern auch seine politischen Ansichten gesteckt hat. Hoffen wir, dass er uns zwei weitere Staffeln erhalten bleibt, denn wie sagte Stewart selbst so schön?
"The Show goes on!"
Denkwürdige Zitate.
"Geändert? Die Borg?? Sie assimilieren ohne Mitleid ganze Zivilisationen, ganze Systeme in nur wenigen Stunden! Die ändern sich nicht! Sie metastasieren."
Jean-Luc Picard
"Er kann es nicht sehen. Er sieht nicht, dass Sie auch etwas quält, was Sie lieber vergessen würden."
Elnor zu Jurati
"Wieso gefällt's Ihnen hier draußen?"
"Im Weltraum? Oder..."
"Es ist kalt und verlassen und es will einen töten..."
Agnes Jurati und Cristóbal Rios
"Stimmt was nicht?"
"Ich habe eine Superkraft. Ich kann Fehler bemerken während ich sie mache."
"Das ist nicht wirklich eine Superkraft."
Jurati und Rios
"Es ist keine Fehlfunktion. Es ist eine Verwundbarkeit."
Narek über Sojis Träume
"Das Kollektiv vergisst niemals einen der ihrigen."
Picard
"Die Spannung zwischen Ihnen behagt mir nicht."
Elnor zu Jurati und Rios
"Die Romulaner sind seit zweihundertfünfzig Jahren mies gelaunt."
Captain Emily Bosch
"Ich mein Du kennst doch Picard: Man redet auf ihn ein wie ein störrischer Esel, aber will nicht hören!"
Raffi Musiker
"Ich will nicht am falschen Ende eines Disruptorengeschützes stehen, Emmy. Hey, ich meine, ich hab immer noch vor mich zu Tode zu saufen!"
Raffi
"Und Raffi, das sage ich Dir jetzt als alte Freundin: Du wirst Dich nie wieder bei mir melden."
Emmy
"Niemand macht alles richt, Raf."
Rios
"Mein Schwur zählt mehr als eine diplomatische Authorisierung."
Elnor
"Und was auch passiert: Du verlässt auf keinen Fall das Schiff. Ist das klar?"
Picard zu Elnor
"Ich habe es nicht geglaubt - bis jetzt. Willkommen zum Borg-Rückgewinnungsprojekt. Ich weiß nicht warum Sie hier sind, aber was Sei auch brauchen, ich werde Ihnen helfen."
Hugh zu Picard
"Was Sie hier machen ist gut. Niemand verlangt Perfektion. Nach diesen vielen Jahren zeigen Sie, was diese Borg in Wahrheit sind, unter der Maske: Sie sind Opfer, keine Monster."
"Und trotzdem sind wir die meistgehassten Wesen in der Galaxis, genauso hilflos und versklavt wie zuvor. Nur dass unsere Königin jetzt Romulanerin ist."
"Danke, dass Sie mir das gezeigt haben."
"Niemand könnte es besser verstehen als Sie. Und wenn sich gerade Picard für freie Borg einsetzen würde, könnte das Aufsehen erregen, nicht wahr?"
Picard und Hugh
"Locutus?"
ehemalige Borgdrohne
"Wo ist der Junge?"
Rios
"Elnor, ich lasse Dich nicht noch einmal zurück."
"Es erfüllt mich mit Freude das Sie das sagen. Aber Sie sind so weit gekommen; die werden Sie vernichten, Picard. Gehen Sie!"
Picard und Elnor
"Bitte meine Freunde, wählt das Leben."
Elnor
Weiterführende Leseliste.
01. Rezension zu "Gedenken"
02. Rezension zu "Karten und Legenden"
03. Rezension zu "Das Ende ist der Anfang"
04. Rezension zu "Unbedingte Offenheit"
05. Rezension zu "Keine Gnade"
06. Rezension zu "Die Geheimnisvolle Box"
07. Rezension zu "Nepenthe"
08. Rezension zu "Bruchstücke"
09. Rezension zu "Et in Arcadia Ego, Teil Eins"
10. Rezension zu "Et In Arcadia Ego, Teil Zwei"