Donnerstag, 12. November 2020

Turons Senf zu "Cupid's Errant Arrow" [LD, S1Nr05]


Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Cupid's Errant Arrow", die fünfte Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Lower Decks" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Folgen bereits gesehen hat.



Einleitung.
Wer einen Einblick in das Schaffen des "Lower Decks"-Erfinders Mike McMahan erhalten möchte, kann sich seinen bisher einzigen Star-Trek-Serienbeitrag ansehen, den er im Rahmen der "Short Treks" geleistet hat. Mit der auf Harcourt Fenton Mudd zentrierten Folge "The Escape Artist" hat er so etwas wie eine Art Bewerbungsmappe für sein späteres Engagement abgegeben.
Natürlich haben wir diese ganz spezielle Episode ausführlich besprochen und dabei positive, aber auch negative Trends festgestellt, die sich tatsächlich auch in "Lower Decks" wiederfinden lassen.
Während auf der einen Seite ein Hang zu einem außergewöhnlichen Blickwinkel, eine humorvolle Annäherung im Rahmen des altbekannten Kanon-Materials und die effiziente Nutzung eines zeitlich begrenzten Spielraums zu Buche stehen, muss man auf der anderen Seite vor allem einen recht fahrlässigen Beugungswillen bemängeln, der den offiziellen Kanon immer wieder dann ereilt, wenn es zum vermeintlich besseren Handlungsverlauf beitragen würde.
Nach mittlerweile fünf Folgen ist "Lower Decks" nun den Kinderschuhen eigentlich entwachsen, aber nachdem in der letzten Episode der Kanon über die Gebühr strapaziert wurde, bleibt nach der Hälfte der Staffel die Frage offen, ob die Serie diesen Wesenszug kultivieren wird oder ihre Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn zu meistern beginnt.
Die Messlatte könnte jedenfalls kaum höher hängen…


Story.
Beckett Mariner kann es nicht fassen: Ihr übereifriger Sternenflottenkamerad, Freund und Kupferstecher Bradward Boimler hat eine echte Freundin!
Nicht nur, dass sie den Rang eines Lieutenants bekleidet, an Bord der supermodernen USS Vancouver dient und äußerst attraktiv ist – sie scheint auch noch die suß-säuselnden Gefühlsäußerungen zu erwidern, die Boimler ihr unentwegt entgegenbringt.
Das erregt natürlich den Verdacht Mariners und während sich ihr Kollege Sorgen wegen eines attraktiven Ex-Freundes seiner neuen Flamme macht, hängt sie viel radikaleren Gedanken an: Kann es sein, dass Boimler einem fremden Einfluss in Menschengestalt ausgesetzt ist?
Derweil fällt D'Vana Tendi und Samanthan Rutherford die ehrenvolle Aufgabe zu, auf der USS Vancouver auszuhelfen, wo sich einer von beiden durch seine engagierte Arbeit in den Besitz des neuesten Trikordermodells bringen kann. Doch als sich beide gleichzeitig dieses Privileg verdienen wird plötzlich klar, dass mit diesem Hauptgewinn auch eine Versetzung von der klapprigen, aber charaktervollen USS Cerritos auf die abenteuerreiche USS Vancouver verbunden ist…


Lobenswerte Aspekte.

Folgenanlage.
Die fünfte Episode von "Lower Decks" beginnt bereits großartig mit einer Großaufnahme auf einen aquatischen Planeten namens Mixtus III und dessen Monden. Wir erhalten ferner einen guten Einblick in die (für zwanzig Minuten Folgenlaufzeit) erstaunlich vielschichtige Gesellschaft der Welt, in der objektbezogene Religion, gezeitenbasierte Landwirtschaft und ein architektonischer Hang zu bauchigen Türmen eine besondere Rolle zu spielen scheinen. Vor allem aber ist die fremde Zivilisation in ihren Problemen der unsrigen ähnlicher, als man denken mag. Neben einem gut betuchten Planetenbesitzer, der nicht bereit ist, seinen Immobilienbesitz zu opfern nur weil zahlreiche andere Personen ansonsten leiden könnten, war es vor allem ein Satz, der meine besondere Aufmerksamkeit auf sich zog:

"Moons can't plummet! That's something the gouvernment made up to control us!"

Meine bescheidene Übersetzung dazu:

"Monde stürzen nicht einfach so ab! Das wurde von der Regierung erfunden um uns besser kontrollieren zu können!"

Damit ist "Lower Decks" die erste Star-Trek-Serie, die sich aktiv gegen die plötzliche Renaissance von Verschwörungstheorien positioniert und ein wunderbares Beispiel dafür, wie Science Fiction die Probleme der Gegenwart nimmt, um sie in einer fiktiven Zukunft zum Gegenstand der Auseinandersetzung zu machen.
Die Folge selbst bedient sich einiger bekannter Themen aus dem Star-Trek-Universum. So ist die Grundidee der Episode, dass fremde Wesen in Gestalt von Sternenflottenoffizieren ihr Unwesen treiben ein gängiges Erzählmuster, das bereits in zahlreichen Folgen wie z.B. "Das Letzte seiner Art" (TOS), "Mission ohne Gedächtnis" (TNG), "Im Lichte des Infernos" (DS9), "Renaissance-Mensch" (Voyager) oder "Beobachtungseffekt" (Enterprise) angerissen wurde – von Charakteren wie Martia, Thomas Riker, Shinzon, Seska, Sim oder der Spiegeluniversums-Version von Philippa Georgiou ganz zu schweigen. "Cupid's Errant Arrow" greift diese Vielzahl an Vorlagen geschickt auf, ohne sich allerdings in bloßer Wiederholung zu verlieren. Stattdessen gelingt das Kunststück, dieser Ansammlung an Vorlagen eine ganz eigene Interpretation beizufügen, um sich selbst damit geschickt weitere Legitimation durch die gekonnte Adaption eines traditionsreichen Star-Trek-Themas zu verleihen.
Aber auch der zweite Handlungsstrang der Folge, in dem Tendi und Rutherford erkennen, dass ihr Herz allen Fehlern des Schiffes zum Trotz an der USS Cerritos hängt, spielt mit einem ähnlichen Sujet, denn obwohl Beförderungen und Versetzungen zum Alltag einer Organisation wie der Sternenflotte gehören dürfte, bleibt es doch erstaunlich, wie häufig man in Star-Trek-Serien die immer gleiche Besatzung vorfindet, obwohl Charakteren wie William Riker mehr als einmal der Aufstieg durch einen Positionswechsel z.B. ins Amt einen aktiven Captains angeboten wird. Dass dieses Thema nun bereits in den unteren Dienstgraden diskutiert wird beschert dem Erzählgegenstand des "Unterdecks" zusätzliche Tiefe.
Vor allem aber kultiviert man den Status des Underdogs der Mannschaftsränge an Bord der USS Cerritos durch die Zurschaustellung eines modernen, besser ausgestatteten und elitärer anmutenden Schiffes namens USS Vancouver, wobei der Umstand, dass man dies auch als Vergleich des traditionellen Star-Trek-Produktionsstandortes Kalifornien (Cerritos ist wie Hollywood ein Vorort Los Angeles') mit dem neuen, kanadischen Drehort Toronto (Vancouver zählt zusammen mit Toronto zu den großen Namen innerhalb der kanadischen Filmindustrie) interpretieren kann, wohl keineswegs zufällig sein dürfte. Dass die Hauptcharaktere aber ein rostiges Schiff mit all seinen Macken lieben können, ohne ständig neidvoll auf die fabrikneuen Modelle zu schielen, die aus den Sternenflottenwerften gespuckt werden, macht die Crew um Mariner, Boimler, Tendi und Rutherford nur noch nachvollziehbarer und ihre Abenteuer als kleinstes Rädchen im großen Getriebe noch gegensätzlicher zum Hochglanz von "TNG", "Voyager" oder gar "Discovery".
Bemerkenswert bleibt zudem, dass "Cupid's Errant Arrow" sowohl in der Darstellung von Gewalt, als auch in der Verwendung von Vulgärsprache heraussticht. Während insbesondere der Rückblick auf Mariners Dienstzeit an Bord der USS Quito in diesem Zusammenhang Erwähnung finden muss, bleibt im gleichen Atemzug darauf hinzuweisen, dass ausgerechnet Captain Carol Freeman in ihrer diplomatischen Mission gleich zweimal die F-Bombe platzen lässt. Beides scheint dazu zu dienen, abermals den Verdacht abzuschütteln, dass man auf ein minderjähriges Publikum abzielen würde. In welcher Richtung man sich selbst tatsächlich einordnet, kann man schon eher in der Wahl des Gaststars erkennen, der in dieser Episode den unbenannten Captain der Vancouver einspricht. Hier gelang etwa der Coup, mit Lauren Tom die englische Stimme des Futurama-Charakters Amy Wong zu verpflichten. Die Synchronschauspielerin der Freundin Boimlers hingegen zeugt von ähnlichem Sendungsbewusstsein: Niemand geringes als Gillian Jacobs, die man als Britta Perry aus "Community" kennen könnte, sprach hier die temporäre Gespielin des männlichen Serienstars ein.


Kanonfutter.
Wo sich derart viele thematische Anleihen in andere Star-Trek-Ableger ballen, erscheint es nur folgerichtig, dass auch zahlreiche direkte Querbezüge zu finden sind. So werden Q, der Captain-Picard-Tag, das Chicago der Zwanziger Jahre, James T. Kirk, Trip Tucker, der Salzvampir vom Planeten M-113, ein Welchselbalg, die Edo, Data, sein Zwillingsbruder Lore, "Die Thronfolgerin", physisch veränderte cardassianische Spione, Transporterklone, die Suliban, die Oberste Direktive, durchgedrehte Holodeckcharaktere, Breen, Riker und eine Dyson-Sphäre erwähnt. Zudem kann man die Olympic Class, die Uniformen aus "Der erste Kontakt", Lursa, B'Etor, Lal (in ihrer ursprünglichen Form) und George (oder Gracie) sehen.
Zudem finden sich abermals geschickt platzierte Referenzen auf die unbeliebte Zeichentrick-Stiefschwester TAS. Während man Mariner von einer Phylosianerin erzählen hört, kann man auf ihrem Verschwörungs-Korkbrett auch einen Vendorianer entdecken.
Zwei Darstellungen verdienen allerdings noch einmal gesonderte Erwähnung.
Die cardassianische Station, an die die USS Quito andockt, wird zwar nicht direkt beim Namen genannt, aber vom Serien-Schöpfer Mike McMahan höchstpersönlich als Deep Space 9 identifiziert und markiert trotz der vielen aktuellen Star-TrekPruduktionen die erste Sichtung der Station seit dem Ende der Serie im Jahre 1999. McMahan deutete bereits an, in der nächsten Staffel "Lower Decks" den Fokus seiner Serie durch Handlungen zu erweitern, die auch andere Serien wie "Enterprise", "Voyager" oder eben "Deep Space Nine" umfassen. Das kleine Aufblitzen der wohlbekannten Station kann also als Versprechen an die Zukunft gewertet werden.
Die andere erwähnenswerte Sichtung betrifft den Teddy-Bären, den Boimler seiner Freundin mitbringt, denn dieser trägt einen Visor und eine goldgelbe Uniform, was ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit einem bestimmten Chefingenieur der Enterprise verleiht. Merkwürdig ist dabei ein Phänomen, dass anno dazumal bereits bei "Star Trek: Picard" festzustellen war, wo ein Kuscheltier namens Squoodgy die Fans zu letztendlich erfolglosen Internetsuchen animierte: Es fehlt an vernünftigem, aktuellen Star-Trek-Merchandise und die Reaktionszeiten bleiben trotz modernem Marketing deutlich zu lang. Denn während es im offiziellen Fanshop ebenso zahlreiche wie unoriginelle Trinkgefäße, Bekleidungsstücke oder Aufkleber gibt, fehlen ausgefallenere Stücke wie die Picard-Facepalm-Statuette, Squoodgy oder der Geordi-Bär in dieser reichlich uninspirierten Sammlung auch weiterhin. CBS scheint abermals den Trend der Zeit zu verschlafen und Bastelplattformen wie Etsy zu überlassen, nur um ungleich schneller agierende Hausfrauen anschließend mit gleichermaßen unnötigen, wie im Vorfeld vermeidbaren Urheberrechtsklagen überhäufen zu können.


Kritikwürdiger Aspekt.


Kanonbrüche und Logiklöcher.
Nachdem in der letzten Woche einige schwerwiegendere Widersprüche fabriziert worden waren, bleibt festzuhalten, dass nur einige, wenig gehaltvolle Mängel in diese Episode Einzug hielten.
Ein paar davon sollen an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
So wird Boimlers Tollpatschigkeit wegen eine holografische Planetendarstellung durcheinandergebracht, obwohl es möglich sein müsste, die Darstellung weniger interaktionsfähig zu gestalten. Der Komik der Situation aber war dieser Umstand dienlich.
Ebenso verhält es sich mit der Andorianerin, die den recht menschlichen Vornamen Jennifer trägt, aber auch hier bleibt festzuhalten, dass diese improvisierte Namensnennung humoristische Wurzeln offenbart und eigentlich auch nichts dagegen spricht, dem nicht-menschlichen Charakter einen irdischen Namen zu geben – schließlich sind ja auch in Deutschland fremdsprachige Namen wie Justin, Kevin oder Jaqueline keineswegs eine Seltenheit.
Aber es gibt auch drei Punkte, die eine besseren Erklärung verdient hätten.
So verwundert es beispielsweise, dass Boimler über einen Monat nicht bemerkt, dass er einen Parasiten im Haupthaar trägt. Spätestens beim Duschen, Schlafen oder Kämmen hätte ihm der blinde Passagier auffallen können.
Zudem mutet es fragwürdig an, dass Boimler den 'millionsten Eintrag' zu seiner Freundin aufnehmen konnte, ohne dass der Zuschauer einen von ihnen in vorangegangenen Folgen bemerkt hätte. Schließlich gibt es in "Cupid's Errant Arrow" einen Fähnrich zu sehen, der in der nächsten Episode eine größere Rolle spielen wird und bei so viel zu Schau getragener Sorgfalt in Detailfragen wäre eine Erwähnung seiner Freundin zumindest in einem Nebensatz sicherlich im Bereich des Möglichen gewesen.
Den einzigen wirklich kanonischen Widerspruch jedoch fabriziert ausgerechnet jene denkwürdige Szene, in der uns ein Rückblick auf die an Deep Space 9 angedockte USS Quito zurückführt. Das Schiff kann nämlich erst nach "Gestern, Heute, Morgen" (2370) in Dienst gestellt worden sein und die Uniformen legen sogar nahe, dass die Ereignisse frühestens um den achten Kinofilm (2373) angesetzt wurden.
Dennoch drehen sich die Erzählungen Mariners mit ihrer Freundin Angie um die Ereignisse des TNG-Zweiteilers "Angriff der Borg" (2369) und suggerieren, dass deren Ereignisse nicht mehr als eine Woche zurückliegen würden.


Fazit.
Die fünfte Folge der Serie markiert einen würdigen Staffelmittelpunkt, der kaum Wünsche offenlässt. Die Episode zementiert thematisch die Zugehörigkeit zur Franchise, kultiviert den Status eines Underdogs und unterstreicht seine Ambitionen auf ein erwachsenes Publikum. Dies alles garniert sie mit einem erneuten Feuerwerk an Kanon-Referenzen, das die kaum erwähnenswerten Ausrutscher lässig überspielt. Es ist "Lower Decks" in Höchstform und schon jetzt eine der Folgen, die zu ihren Vorzeigeepisoden gezählt werden dürfte.

Bewertung.
Star Trek in Höchstform.






Schluss.

Wenn man mitten in der Staffel noch einmal ein Ausrufezeichen setzen wollte, dann ist dies den Machern von "Lower Decks" mit dieser Episode zweifelslos gelungen.
Die Serie scheint einen Lernprozess zu beschreiben und es bleibt McMahan zugute zu halten, dass sich keineswegs ein Muster erkennen ließe, durch das sich die Serie gar mit dem eingangs erwähnten "Short Trek" in eine Traditionslinie stellen ließe.
Stattdessen zeigt sie ein erkennbares Einfühlungsvermögen in die Materie "Star Trek" die gar die Frage aufkommen lässt, warum sich ein derartiges Fingerspitzengefühl in anderen aktuellen Star-Trek-Produktionen nur in Einzelfällen finden lässt.
Mit McMahan hat sich jedenfalls ein ideenreicher Produzent gefunden, der nicht nur sein Handwerk, sondern auch die Franchise versteht.
Von daher gilt es für die Fans, über den Zeichentrickcharakter dieser Serie hinwegzusehen, denn "Lower Decks" nutzt die Möglichkeiten einer animierten Serie so geschickt aus, dass die qualitativen Grenzen zu Realserien längst eingerissen sind.
Letzten Endes bleibt damit "The Escape Artist" kein Gradmesser für eine Serie, deren Messlatte nur von ihr selbst von Mal zu Mal höher gehängt wird.


Denkwürdige Zitate.

"Ooh, you smell that, Tendi? Each Ship on the fleet has it's own scent! I think the Cerritos smells like toasting Marshmellows on a cool night…"
Samanthan Rutherford

"No I think she's a secret alien who's going to eat you! Or a Romulan spy or a salt succubus or an android or a changeling or one of those sexy people in rompers that murders you just for going on the grass!!"
Beckett Mariner zu Bradward Boimler

"The Vancouver is awesome. The fluidic processors, the tritanium hull bracketts, the door whoosh…"
"Whooosh!"
"Honestly, the Cerritos might be falling apart, but that's kind of awesome, too! It's our job to keep it together."
"Yeah, and the way she shakes and creaks and moans at Warp seven? I bet the Vancouver doesn't do that!"
"With those inertial dampers? You got to be kidding me!"
D'Vana Tendi und Rutherford

"Don't kick my PADD, that's an order!"
Ron Docent

"Bitch, you're the parasite!"
"Exactly what a parasite would say… Parasite!"
Mariner und Barb Brinson

"The impact on the environment would effect both of us! We'd have to move our whole civilization!!"
"I know, but how can… Wait! Both? What do you, what do you mean? Both?! How many people are in your civilization?!"
"Me and my wife!?"
"There are two f***ing people on your whole f***ing planet?!"
"Well, yeah, we're rich…"
"Implode the moon."
"Yes, Captain!"
"You maniacs! We just redid the floors!"
Captain Carol Freeman, ein Repräsentant von Mixtus II und ein Brückenoffizier der Vancouver

"You don't know what it's like here! It's so stressful! So epic! It's all "tow this space station' and ' calibrate the Dyson sphere' and 'Go back in time to kill the guy that was worse than Hitler'! Oh I just want to be back on a smaller ship, doing simpler work! I don't want to be epic anymore!"
Docent


Weiterführende Leseliste.

Staffel 1.

01. Rezension zu "Second Contact"
02. Rezension zu  "Envoy"
03. Rezension zu "Temporal Edict"
04. Rezension zu "Moist Vessel"
05. Rezension zu "Cupid's Errant Arrow"
06. Rezension zu "Terminal Provocations"
07. Rezension zu "Much Ado About Boimler"
08. Rezension zu "Veritas"
09. Rezension zu "Crisis Point"
10. Rezension zu "No Small Parts"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Seltsame Energien"

Dienstag, 10. November 2020

Eaglmoss Discovery Nr.22: Sektion 31 Stealth-Schiff



Einleitung

Die Sektion 31 ist ein Geheimdienst der Sternenflotte, der hauptsächlich im Untergrund operiert und kein richtiges Hauptquartier besitzt. Ziel der Sektion 31 ist der Erhalt und der Schutz der Föderation und diese Organisation besitzt keinerlei Skrupel, dafür auch zu morden und zu intrigieren. Offiziell existiert sie überhaupt nicht und wer es mit ihr zu tun bekommt, sollte dies ziemlich schnell bereuen.
Diese Regeln gelten anscheinend nicht im Universum von "Star Trek - Discovery", denn hier operiert der Geheimdienst ziemlich offen und besitzt sogar eine eigene Flotte von Raumschiffen, die den regulären Sternenflottenschiffen technologisch einhundert Jahre überlegen sind. Der beliebteste Schiffstyp ist ein dreieckförmiges Modell von mittlerer Größe, das komplett schwarz lackiert ist und über einen Tarnmodus verfügt. In diesem Modus werden die Warpgondeln nach unten geklappt, um das Schiff kompakter zu gestalten und multispektrale Holoemitter erzeugen dann eine Tarnung, die das Schiff zum Beispiel optisch in einen Asteroiden verwandeln können. Diese Technologie scheint die Sektion 31 von den Romulanern abgekupfert zu haben, die im Jahr 2154 versuchten, mit ähnlich ausgerüsteten Drohnen-Schiffen einen Krieg zu provozieren. Der Tarnmodus ist aber nicht die einzige technologische Besonderheit dieser Stealth-Schiffe, denn die Computersysteme verwenden eine Bedienoberfläche, die eigentlich erst im 24. Jahrhundert zum Standard werden sollte. Die Brücke befindet sich ebenfalls hier ganz oben auf Deck Eins und besteht aus zwei Etagen. Der kommandierende Offizier hat aber keinen zentral plazierten Sessel, sondern steht auf der oberen Ebene und befehligt sein Schiff über eine Konsole, die vor denn Frontfenstern steht. Die übrigen Crewmitglieder kontrollieren die Systeme ihres Schiffes hingegen über Konsolen die an den Wänden angereiht wurden. Bei Bedarf könnten diese Schiffe ihre Warp-Signatur maskieren, um eine Entdeckung zu verhindern. Sollte es notwendig sein, kann sogar Schiffsenergie über ein periskopartiges Gerät umgeleitet werden, aber bei der Benutzung sollte man vorsichtig sein, da dieses bei Fehlfunktionen auch mal gerne die Augen des Benutzers ausstechen kann. Richtige Namen haben diese Raumschiffe nicht, sondern nur Kennnummern. Bekannte Stealth-Schiffe sind die NCIA-93 und die NI-1101.

Die Stealth-Schiffe der Sektion 31 sind klein, aber sehr leistungsfähig.

Die Brücke ist nicht so eingerichtet, wie es bei Sternenflottenschiffen üblich ist (Bilder: Memory Alpha).

Das Modell

Vorab bitte ich um Verzeihung, dass es diesmal keine Bilderstrecke des Modells gibt. Ich habe vergessen, welche zu machen, bevor ich mein Modell hier und da neu bemalt habe und es soll ja im Originalzustand zu sehen sein.

Das Modell ist erstaunlich gut umgesetzt worden und zeigt auch die Details, die das Computermodell vorgibt. So ist es natürlich auch komplett in schwarz gehalten und das einzig andersfarbige sind die Fenster. Dabei wurde allerdings vergessen, die großen Fenster der Brücke zu bedrucken. Erstaunlicherweise haben die Warpgondeln blaue Klarteile bekommen, die gegen das Licht gehalten, richtig Klasse aussehen. Aber dafür wurden die Impulstriebwerke nur farbig dargestellt.

 


Die Halterung

Über zwei recht kurz gehaltene Klammern wird das Modell in der Halterung fixiert und sitzt wieder mal viel zu locker, so das es leicht herausfallen kann.



 

Begleitheft

Es gibt die üblichen Skizzen aus der Ideenphase.


 

Spezifikationen

 

Daten zum Modell

 

Länge x Breite: ca. 201 mm x 140 mm
Höhe mit Stand: ca. 93 mm
Material: Kunststoff und Metall
Hersteller: Eaglemoss Collections 2019


Bewertung und Fazit

Ein ungewöhnliches Raumschiff als Modell, das recht gut umgesetzt wurde.




Samstag, 7. November 2020

Turons Senf zu "Vergiss mich nicht" [DIS, S3Nr04]


Spoilerwarnung.
Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Vergiss mich nicht", die vierte Folge der dritten Staffel von "Star Trek: Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und andere Episoden bereits gesehen hat.



Einleitung.
"Star Trek: Discovery" ist gekommen, um zu bleiben.
Nachdem bereits bekannt wurde, dass die Serie bis mindestens 2027 fest im CBS-Produktionsplan verankert ist, folgten dieser Absichtserklärung nun Taten: Während die dritte Staffel gerade einmal mit der Ausstrahlung begonnen hat, startet auch schon ganz offiziell die Produktionsphase der vierten Season.
Dabei sind die Zeiten alles andere als günstig. Zwar sind die Corona-Fallzahlen im kanadischen Drehort Toronto bedeutend niedriger als in den meisten deutschen Metropolen, aber dennoch müssen Autoren, Designer und Komponisten getrennt voneinander im Homeoffice an der kommenden Staffel feilen.
Sicherlich kommt ihnen zugute, dass sie mit diesen erschwerten Bedingungen bereits hinlänglich vertraut sind, aber dennoch wird das Abdrehen, das im letzten Jahr noch unmittelbar vor dem Ausbruch beendet werden konnte, völlig neue Herausforderungen mit sich bringen. Nicht nur, dass sich die Darsteller in Quarantäne begeben und mehrfach pro Woche Tests über sich ergehen lassen müssen; viele der Sets werden von nun an eher am Computer erzeugt werden, um das Risiko für alle Beteiligten möglichst gering zu halten.
Doch ist dieser Aufwand die Mühe wert?


Story.
Um an die verschütteten Erinnerungen des verstorbenen Admirals Senna Tal zu gelangen, sieht Adira nur eine Chance: Sie muss zum Planeten Trill gelangen, um dort ihrem Symbionten die Möglichkeit geben zu können, den gordischen Gedächtnisknoten platzen zu lassen.
Zu ihrem Glück kann sie dabei auf die Hilfe der Besatzung der USS Discovery hoffen, deren Sporenantrieb es ihr ermöglicht, die Grenzen der intergalaktischen Mobilität zu überwinden. So findet sie sich zusammen mit Michael Burnham nur wenig später tatsächlich auf der Oberfläche des idyllischen Planeten wieder. Doch der offenherzige Empfang schlägt schnell in Ablehnung um: Als Mensch wird ihr weder das Recht gewährt, einen Trill-Symbionten zu tragen, noch eine der heiligen Brutstätten der Spezies aufzusuchen.
So werden sie zum Spielball unterschiedlicher Interessen und finden sich am Ende allen Widerständen zum Trotz in den Höhlen von Mak'ala wieder, wo sich Adira ihrer eigenen, mit unangenehmen Erinnerungen verbundenen Vergangenheit stellen muss...


Lobenswerte Aspekte.

Folgenanlage.
Zu meiner eigenen Überraschung starte ich diese Rezension mit diesem Abschnitt an genau dieser Stelle, was nicht zuletzt deshalb recht außergewöhnlich anmutet, weil dieser Punkt in vergangenen Rezensionen leider viel zu oft unter "Kritikwürdige Aspekte" einsortiert werden musste.
Nun aber gibt es einen erstaunlichen Wechsel.
"Vergiss mich nicht" verfügt über ein unbestreitbares Star-Trek-Feeling, transportiert offenkundig Hoffnung und zeigt sich trotz der düsteren Zukunft nur wenig dystopisch.
Doch damit nicht genug!
Sie nimmt sich ausgiebig Zeit ihre beiden Geschichten zu erzählen, trägt beinahe einen Einzelepisodencharakter und widmet sich in diesem Rahmen auch nur einem "Planet der Woche". Und das ist einer, der für Star-Trek-Fans und Wellensittichhalter gleichermaßen einen ganz besonderen Klang hat: Trill!
Die paradiesische Welt ist zwar mit dem altbekannten kanadischem Nadelbaumwald (Island scheint aufgrund seines rauen Wetters eher die Kulisse für Orte außerhalb von Recht und Ordnung zu bieten), aber zeitgleich auch mit einer dezent aufpolierten Version der Höhlen von Mak'ala gesegnet. Im Gegensatz zum zurückliegenden Blitzbesuch auf Erden ist es der Handlung sogar vergönnt, sich zumindest teilweise auf der Oberfläche dieser Welt auszutoben.
Diese exotische Außenmission bleibt dabei allerdings nicht das einzige Thema der Folge. Auf der Suche nach der verlorenen Föderation findet die Besatzung auch den verschollenen Teamgeist wieder, den sie zuvor bei der Reise durch das Wurmloch unachtsam in einer Schublade vergessen hatte und weckt mit nicht immer harmonischen, aber dafür stets eindringlichen Einblicken ins Besatzungsleben ein Wir-Gefühl, das es so selbst in der vorherigen Staffel in dieser Form nicht zu sehen gab.
Dieses Star-Trek-Grundrezept entfaltet unweigerlich seine volle Wirkung und findet in den Domänen anderer Schwesterserien weiteren Nährboden.
So verbindet "Vergiss mich nicht" die Story bereits recht früh im Staffelverlauf mit der künstlichen Intelligenz namens "Zora", die bereits im Short Trek "Calypso" ihren langen Schatten voraus geworfen hatte und früher oder später ohnehin Einzug ins Geschehen gehalten hätte. Die Verbindung mit der Sphäre wahrt zudem die Tuchfühlung mit der letzten Staffel, die ansonsten nach nur vier Folgen bereits Jahrtausende entfernt scheint.



Dieser muntere Reigen an Querbezügen lässt sich problemlos weiterspinnen. Die gemeinsame Filmnacht mit lizenzfreien Schwarz-Weiß-Klassikern gab es schon bei "Star Trek: Enterprise", einen femininen Schiffscomputer mit eigener Persönlichkeit oder grellbunte Kostüme von Eingeborenen sah man schon in der Originalserie und die Idee, dass die Kombination von Außenweltlern mit Trill-Symbionten eine problematische Historie bietet, spielt der TNG-Folge "Odan, der Sonderbotschafter" (mit ihrem von den späteren Trill abweichenden Makeup) in die Hände. Am offensichtlichsten aber kuschelt sich die Folge an "Star Trek: Deep Space Nine" an. Nicht nur, dass man der Serie zunehmend den Status einer "Weltraumseifenoper" streitig macht (ich möchte an dieser Stelle als Unterscheidungsmöglichkeit die Verwendung des ähnlichen Begriffes 'Weltraumtelenovela' für "Discovery" empfehlen); sie bedient sich auch unverblümt an jener Trill-Darstellung, die dort im Lauf von sieben Staffeln Maßstäbe gesetzt hat.
Dass die Folge in diesem Zusammenhang viel Wert darauf legt, sich an Vorbildern zu orientieren, ohne sich wie in einer Second-Hand-Grabbelkiste zu bedienen, bestätigt einen weiteren Aufwärtstrend der letzten Folgen.
Zumal das beinahe gemächliche Erzähltempo oasenhaft eine Rast in dieser hektischen Zukunft ermöglicht und von den Autoren nicht mutwillig unterbrochen wird: Selbst als sich Michael Burnham die Möglichkeit bietet, ihre Suus-Mahna-Fähigkeiten in einer aufwändigen Zweikampfchoreografie auch auf dem Planeten Trill unter Beweis zu stellen, wird der Prozess frei nach dem Motto "Have Phaser, Will Travel" auf angenehme Weise abgekürzt.
Hinzu kommt, dass gesunder Menschenverstand ebenso Einzug in die Serie zu halten beginnt. Sarus weitsichtige Idee etwa, eine Alternative zu Stamets' Alleinvertretungsanspruch bei der Benutzung des Pilzantriebs zu finden, war seit zwei Staffeln überfällig (auch wenn 'dunkle Materie' als Zaubermittel mittlerweile einen Status übernommen zu haben scheint, der Midi-Chlorianern in einer anderen großen Science-Fiction-Franchise nahekommt).
Wirklich neu und bemerkenswert bleibt die Art und Weise, mit der "Discovery" heiße Eisen händelt und dem Zuschauer nahebringt, was man hier am Beispiel des historischen Transgender-Einbezugs besonders gut sehen kann. Der kleine, aber feine Unterschied zu vorangegangenen 'Skandalfolgen' ist nämlich nahezu revolutionär: Während gesellschaftspolitische Themen wie der erste Kuss zwischen Menschen mit schwarzer und weißer Hautfarbe ebenso wie der Kuss zwischen zwei Frauen optisch und thematisch zu einem Höhepunkt stilisiert wurden, auf den die Episoden zugeschnitten wurden, erfolgt der - übrigens ebenfalls erstaunlich durchdachte - Einbezug von Gray ohne Schlaglicht und Trommelwirbel, sondern wird als ganz normaler Teil des ganz normalen Lebens eingebunden. Es präsentiert sich als Aspekt des Alltags in einer lebenswerten Zukunft, ohne dass man den damit einhergehenden Ballast unserer Gegenwart (in Form von Hasskommentaren u.ä.) erahnen könnte.
Als wäre das noch nicht tagesaktuell genug, treibt der Isolationismus auch auf Trill sein Unwesen und hat die einst so liberale Spezies in Befürworter von Rassentrennung und religiösem Chauvinismus werden lassen. Die Bezüge auf die heutige Welt und vor allem die innere Zerrissenheit Amerikas sind dabei so deutlich, dass es schon einer aktiver Realitätsverweigerung bedarf, um diesen Seitenhieb nicht als Kritik an den Zuständen in den USA zu interpretieren.
Sicherlich wäre auf erzählerischer Ebene eine andere Position reizvoller gewesen. Was etwa wäre geschehen, wenn sich am Ende mal nicht alle Beteiligten als so einsichtig und harmoniebereit entpuppen würden wie in bislang noch jeder Episode dieser recht jungen Staffel?
Was wäre, wenn ein planetarer Vertreter dem persönlichen Vorteil und dem eigenen Ego zuliebe der Discovery seine kalte Schulter zeigt?
Auf diesen Winkelzug wartet der Zuschauer noch vergebens, denn bis dato endet jede Folge mit neuen potentiellen Verbündeten, deren Idealismus trotz herber Rückschläge schnell wieder entflammt wird.
Ähnlich seicht fällt auch das recht Kitsch-beladene Teenager-Liebesdrama zwischen den Waisenkindern (!) Adira und Grey aus, das in einem Finale gipfelt, das griechische Tragödien im direkten Vergleich zu bloßem Hausflurtratsch degradiert. Aber auch wenn es für mein ganz persönliches Empfinden ziemlich dick aufgetragen war, hat es dennoch seine Daseinsberechtigung, denn am Ende des Tages bleibt sie im Vergleich zu Kirks kurzlebiger Beziehung zu Miramanee, Datas Techtelmechtel mit Tasha Yar oder Deanna Trois folgenloser Affäre mit Worf noch immer vergleichsweise glaubwürdig.



Besetzung.
Nachdem die letzten paar Episoden in punkto Besetzung sehr unterschiedlich gewichtet waren, kehrt diese Folge zu einem altbekannten Mantra zurück. Es stellt abermals Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) mit aller Macht in den Mittelpunkt.
Das geschieht streckenweise jedoch unter Zuhilfenahme von äußerst fragwürdigen Mitteln: Zuerst wird ihr die Teilnahme an der Außenmission auf Trill übergestülpt und dann obliegt es ihr allein ins kalte Trill-Wasser zu springen und Adira zu retten - weil die Wächter der Höhlen von Mak'ala gerade ihren Rettungsschwimmernachweis zuhause vergessen haben oder der Praktikant die überstrapazierten Buttermilchfilter immer erst Dienstags reinigt. Wieder einmal wird durch diesen ständigen Fokus auf Burnham die Idee, die gesamte Besatzung mit ins Serien-Boot zu holen ad absurdum geführt, denn es hätte keinen großen Unterschied gemacht, wenn Hugh Culber, Saru oder gar Linus an ihrer statt auf die Planetenoberfläche gelangt wäre. Im Gegenteil - als Anfeindungsadressat hätte sich Burnham bei Sarus Thanksgiving-Dinner deutlich besser geeignet als Stamets. Doch vielleicht wollte man auf diese Weise weitere Krokodilstränen verhindern, denn es bleibt bemerkenswert, wie sympathisch ihr Charakter wirkt, wenn sie häufiger lächelt und auf das Weinen verzichtet.
Während Burnham also ein weiteres Mal nicht von der Pole Position zu verdrängen ist, schicken sich gleich zwei Neueinsteiger an, die beiden Plätze kurz dahinter unter sich auszumachen.
Sowohl Adira (Blu del Barrio) als auch Grey Tal (Ian Alexander) verlieren sich vielleicht ein wenig zu sehr in einer erschreckend harmlosen Pubertäts-Romanze (Adira dürfte zu diesem Zeitpunkt vierzehn gewesen sein), aber beiden Darstellern gelingt es, ihre Rollen überzeugend umzusetzen. Beide meistern die Sprünge zwischen Realität und Erinnerung, ohne dass es zu nennenswerten Brüchen kommt. Die finale Idee, Adira als Crewmitglied mit einem heißen Draht zur Technologie von gestern als auch morgen einzuführen und ihr einen Vorwirt und Ex-Liebhaber beratend zur Seite zu stellen, ist im Hinblick auf Vorbilder wie Ezri Dax und Joran oder Luke Skywalker und Obi-Wan Kenobi durchaus nachvollziehbar und birgt auf jeden Fall einiges Potential für künftige Episoden.



Hinter diesen drei absoluten Gewinnern der Folge kommt abermals - in einem gebührenden Abstand - die Crew zu Wort.
Saru (Doug Jones) spielt bestenfalls zweite Geige und misst sich noch immer mit Christopher Pike - so sehr, dass sein eigener Führungsstil darunter zu leiden beginnt. Sein Plan zur Crewzusammenführung scheitert mit Bravour und ihm kommt in dieser Folge eine erstaunlich passive Rolle zu: Sowohl beim gemeinsamen Abendmahl, der Übernahme des Schiffscomputers durch die Sphäre und dem unautorisierten Filmabend im Shuttlehangar versäumt er es, aktiv einzugreifen. Die ihm von Tilly angedichtete "Führungsqualität" lässt in dieser Folge jedenfalls noch eine Menge Luft nach oben.
Sylvia Tilly (May Wiseman) unterstreicht ihre Relevanz innerhalb des komplizierten Mannschaftskollektivs, indem sie eine neue Aufgabe erhält und die Moral in Burnhams Abwesenheit aufrecht erhält. Dafür rutscht sie aber auch wieder in die Fäkalsprache hinab und liefert den Startpunkt für den Moment, ab dem das gemeinschaftliche Fastenbrechen aus dem Ruder läuft.
Ähnlich zwiespältig verhält es sich mit Paul Stamets (Anthony Rapp). Einerseits streitet er sich rücksichtslos, nur um sich wieder versöhnlich zu zeigen. Er gibt sich ablehnend, nur um wenig später erstaunlich offen für Neues zu sein. Und er wirkt egoistisch, ohne die Interessen der anderen aus den Augen zu verlieren.
Kurzum: Stamets ist wieder der alte ambivalente Charakter, auf den vor allem Tilly mäßigend einzuwirken versteht. Allerdings wäre es für seinen schweren Streit bedeutend günstiger gewesen, wenn man ihm und Keyla Detmer (Emily Coutts) zuvor ein wenig Grundlage oder zumindest irgendeine Form der vorherigen Interaktion geboten hätte, denn zwei Personen derart persönlich miteinander zanken zu sehen, ohne dass sie im Vorfeld von zwei Staffeln auch nur ein Wort gewechselt hätten, wirkte doch ein wenig weit hergeholt.
Auch Philippa Georgiou (Michelle Yeoh) ist ohne die Chance an Prügeleien teilzuhaben auf den Posten des bloßen Sprücheklopfers herabgesunken, während Rachael Ancheril trotz ihrer Nennung im Vorspann mit ihrem Dialoganteil in einer Liga mit Patrick Kwok-Choon, Oyin Oladejo, Ronnie Rowe jr., Sara Mitich, Raven Dauda oder David Benjamin Tomlinson spielt. Tig Notaro taucht sogar überhaupt nicht auf.
Das einzige Crewmitglied der Discovery, dass es versteht, einige spektakuläre Ausrufezeichen zu setzen, bleibt Hugh Culber. So darf er mit seinem Logbuch gar die ganze Folge einführen, den Zuschauer unter seine Fittiche nehmen und bewegt sich endlich einmal wie ein echter Hauptcharakter durch die Episode. Er macht seine Sache ausgesprochen gut und besetzt ohne es zu ahnen die Rolle eines Counselors.
Der Vollständigkeit halber gilt es ebenfalls, auch die Trill-Charaktere dieser Episode zu erwähnen. Allerdings bleiben sie durch die Bank weg merkwürdig eindimensional und werden von den Ereignissen der Episode förmlich überrumpelt. Zumeist sind sie Statisten, Modeopfer oder Sparingspartner mit ein wenig Text, die allesamt dazu dienen, die Hauptcharaktere in ein besseres Licht zu rücken. Das ist besonders im Hinblick auf die Wächter bedauernswert, die in DS9 als verschrobene, aber hilfreiche Hüter der Symbionten inszeniert wurden und nun plötzlich tatenlos dabei zusehen, wie eine wildfremde Person mit dreckigen Schuhen in einen ihrer heiligen Tümpel springt. Dass der hadernde Höhlenhausmeister sogar darauf verzichtet, selbst miteinzutauchen, um der Außenstehenden die verwirrende Symbolik zu erklären, die ihm geläufiger sein dürfte als einer Frau aus dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert, unterstreicht nur umso mehr, dass es sich bei Xi, Pav und Vos weniger um Rollen, als viel mehr um Staffage handelte.


Kritikwürdige Aspekte.

Kanonbrüche und Logiklöcher.
"Discovery" wäre nicht "Discovery", wenn es nicht das letzte Stück Sorgfalt vermissen lassen würde, was Kanontauglichkeit und interne Logik angeht.
Wobei ich an dieser Stelle den ein oder anderen eventuell unnötigen Vorwurf wenigstens ein wenig relativieren will:
Natürlich drängt sich der Verdacht auf, dass Adira und Burnham anstatt sich hinunterzubeamen vorrangig deshalb mit einem Shuttle geflogen sind, um den Drehbuchautoren die Möglichkeit zu bieten, einen Hinterhalt einbauen zu können. Tatsächlich aber wurden in "Odan der Sonderbotschafter" schwerwiegende Probleme beschrieben, die Symbionten bei einem Transportereinsatz entstehen könnten. Da der Wirt in dieser Episode temporär auf William Riker überging und auch Odan und Kareel selbst nicht unbedingt wie Trill aussahen, sind ähnliche Probleme vor allem bei Nicht-Trill durchaus denkbar. Insbesondere mit den veralteten Transportersystemen der USS Discovery könnte es zu Komplikationen kommen, die Culber bei der Vorbereitung der eigentlich ihm aufgetragenen Außenmission berücksichtigt haben könnte.
Aber Adira hat bereits in der letzten Episode keine Scheu gezeigt, die (ungleich moderneren) Transporter der Erde zu nutzen und es bleibt abzuwarten, ob dieser vermeintlich gute Ansatz im Verlauf der nächsten Episoden nicht doch als typische Gedankenlosigkeit der Autoren gewertet werden muss.
Ähnlich verhält es sich mit der Behauptung, dass es seit 2.000 Jahren keine erfolgreiche Verbindung mit einem Symbionten und einem Außenweltler gegeben hätte. Zwar sind die Ereignisse der eingangs erwähnten TNG-Episode erst achthundertzweiundzwanzig Jahre her, doch die dortigen Ereignisse als "erfolgreiche Vereinigung" zu bezeichnen, wäre wohl in der Tat ein wenig weit hergeholt. Andererseits ähneln weder Odan noch Kareel (wie bereits angedeutet) jenen Trill, wie wir sie in dieser Episode zu Gesicht bekommen.


Aber es gibt auch weitere, schwerwiegendere Anzeichen, dass die Autoren ausgerechnet beim Herzstück der Episode - den Trill und ihrer Kultur - gleichermaßen Akribie und Schlendrian walten ließen.
So sieht man gegen Ende der Trillbadszene alle sechs vorherigen Wirte des Tal-Symbionten einen spontanen Therapiekreis bilden. Unter ihnen ein Captain in der Uniform, die in "Star Trek: Picard" (ab 2399) Verwendung findet. Rechnet man Grey Tal aufgrund seiner nur kurzen Amtszeit einmal heraus und berücksichtigt, dass Senna bereits zwei Jahren vor Folgenbeginn verstorben ist, so ergibt dies in den siebenhundertachtundachtzig Jahren dazwischen eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa einhundertachtundfünfzig Jahren pro Symbiont. Das ist eine Menge Holz, denn das hohe Alter Sennas suggeriert im Umkehrschluss, dass der Großteil der anderen Wirte recht jung aus dem Leben geschieden sein dürfte. Schade, denn mit ein oder zwei zusätzlichen Statisten hätte man diese Diskrepanz leichter überbrücken können.
Am meisten stört mich jedoch, wie sehr der "Brand" so viele Trill auf dem kalten Fuß erwischt haben soll. Wie kann es sein, dass die Gesellschaft gar kurz vor dem 'Kollaps' steht?
Eine der Grunderkenntnisse der DS9-Episode "Das Equilibrium" - die die Autoren definitiv gesehen haben müssen um sich auf diese Art mit Trill auseinanderzusetzen - ist, dass viel mehr Bewohner des Planeten in der Lage sind, Symbionten aufzunehmen als es Symbionten gibt. Die Aussage, dass es nicht genügend geeignete Wirte gäbe, ist also schlichtweg falsch und sollte den herrschenden Schichten des Planeten wenigstens dann wieder in den Sinn kommen, wenn ihre eigene Gesellschaftsordnung Auflösungserscheinungen zu zeigen beginnt.
Das Ärgerliche daran bleibt aber, dass man das mit einem Nebensatz hätte aufklären können. So wäre zum Beispiel ein Virus unter den Symbionten kurz nach dem "Brand" für eine plötzlich isolierte Welt ohne die Möglichkeit Hilfe zu holen, in der Tat ein traumatisierendes, globales Ereignis gewesen und hätte den Handlungen der Willkommensdelegation sogar mehr Hintergrund, Tiefe und Dramatik verliehen.
So aber hinterlässt die Folge den Zuschauer mit dem etwas schalen Gefühl, dass man sich beim Umgang mit dem Kanon vorrangig die Rosinen herauspickt, ohne sonderlich darauf Acht zu geben, nicht weitere Widersprüche zu fabrizieren.



Synchronisation.
Wo Hugh Culber mehr Platz bekommt, kann man auch mehr von Benjamin Stöwe hören. Obwohl ich normalerweise eher ein Anhänger der originalen Tonspur bin, war ich erstaunt, wie untrennbar beides mittlerweile miteinander verbunden ist und wie sehr Culber von Stöwes Stimme profitiert.
Daneben gibt es abermals einen gelungenen, situationsbedingten Wechsel zwischen Duzen und Siezen, auch wenn letztere Form an Bord des Schiffes stets die Oberhand zu behalten scheint und noch immer einige Situationen (wie z.B. den Streit) durch unangemessene Förmlichkeit ein wenig entrückt.
Auch einige andere Aspekte wie der wohlklingende britische Dialekt des veränderten Schiffscomputers geht leider verloren und die Übertragung der Haiku-Reime ins Deutsche muss man gar als Ausfall werten.




Fazit.
"Vergiss mich nicht" ist der bisherige Höhepunkt der Staffel. Die Episode nimmt sich einfühlsam der Trill an, glänzt durch einen für Discovery-Verhältnisse bemerkenswert durchdachten Aufbau und spiegelt sogar ein Stückweit die Zeichen der Zeit wieder. Sie nimmt sich ausgiebig Zeit zum Erzählen, führt Star Treks ersten Transgender-Charakter ein und macht eindeutig Lust auf mehr.
Auf der anderen Seite krankt die Folge aber auch an altbekannten Makeln: Sie bietet nur schwache Antagonisten, lässt abermals die Gewissenhaftigkeit beim Umgang mit dem Kanon vermissen und ist so sehr auf Michael Burnham zugeschnitten, dass die Glaubwürdigkeit darunter zu leiden beginnt.

Bewertung.
Eigentlich viereinhalb.







Schluss.

Das Jahr 2020 mag ein denkbar schlechtes Jahr gewesen sein. Zwischen Corona, den Rassenunruhen in den USA oder dem Tod von Persönlichkeiten wie Albert Uderzo, Ennio Morricone oder Sean Connery wird es den Zeitgenossen als eines der schrecklichsten Jahre ihres Lebens in Erinnerung bleiben.
Umso erstaunlicher, wie lohnenswert das Jahr für Star-Trek-Fans blieb, denn in diesen düsteren Zeitraum erschienen mit "Star Trek: Picard" und "Star Trek: Lower Decks" zwei sehenswerte neue Serien. Und als wäre das nicht bereits mehr als in den Dürrezeiten zuvor, krönt "Star Trek: Discovery" dieses erste Jahr in der Geschichte der Franchise, in denen drei unterschiedliche Serien laufen.
Dabei kommt diesen Serien in diesem Jahr eine ganz besondere Bedeutung zu.
Denn während sich die Welt um uns herum am Abgrund dreht und sich auf schwindelerregende Weise mehr und mehr unserer Kontrolle entzieht, bietet Star Trek in mannigfaltiger Form ein vertrautes Rückzugsgebiet, in dessen Sphären man dem Alltag für ein paar Augenblicke entfliehen kann. Zweifelsfrei kann man darüber inhaltlich schimpfen und streiten, aber es bleibt wohl unbestritten, dass dieses schwierige Jahr noch unerträglicher wäre, wenn es gar kein Star Trek gäbe.



Denkwürdige Zitate.

"Fünf Worte lassen alle weitermachen: 'Wenn wir die Föderation finden'."
Hugh Culber

"Hören Sie zu: Hier geht es nicht darum, ob Wissenschaft 'cool' ist. Hier geht es um das Leben von jedem Wesen und jeder Person. Ich weiß, Sie meinen es gut, aber bitte verschwenden Sie nicht weiter meine Zeit."
Paul Stamets

"Der Tiger in mir weiß Ihre Sorge zu schätzen, Doktor."
Saru

"Profitieren würde die Crew von: Bewegung. Meditation. Weniger Pflichten..."
"Abgesehen von den Standard-Parametern."
"Yoga. Hyperbare Kammer. Therapeutische Malbücher. Interstellares Shopping."
der Schiffscomputer und Saru

"Wenigstens war der Wein gut."
Philippa Georgiou





Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil I"
02. Rezension zu "Fern der Heimat"
03. Rezension zu "Bewohner der Erde"
04. Rezension zu "Vergiss mich nicht"
05. Rezension zu "Bewährungsprobe"
06. Rezension zu "Aasgeier"
07. Rezension zu "Wiedervereinigung, Teil III"
08. Rezension zu "Das Schutzgebiet"
09. Rezension zu "Terra Firma, Teil I"
10. Rezension zu "Terra Firma, Teil II"
11. Rezension zu "Sukal"
12. Rezension zu "Es gibt Gezeiten..."
13. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil II"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"