Freitag, 13. November 2020

Turons Senf zu "Bewährungsprobe" [DIS, S3Nr05]


Spoilerwarnung.
Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Bewährungsprobe", die fünfte Folge der dritten Staffel von "Star Trek: Discvovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Episoden bereits gesehen hat.


Einleitung.
Vor einigen Tagen hatte ich die Ehre eines zweiten Gastauftrittes in meinem erklärten Lieblings-Star-Trek-Podcast "Infinity and Beyond", wo ich meiner Rezensions-Expertise freien Lauf lassen konnte.
Während wir aber die noch junge Staffel gemeinsam unter die Lupe nahmen, stellte mir der Gastgeber Chief Reynolds eine Frage, die mich ein wenig auf dem kalten Fuß erwischt hat:
Sind die Föderationsvertreter der Zukunft die Bösewichte dieser Staffel?
Wer will, kann meine genaue Antwort gern noch einmal nachhören, aber ich habe es vermieden, eine direkte Prognose dazu abzugeben. Zu unstet waren die Entwicklungen der Serie bisher, um anhand von Indizien auf den Verlauf einer ganzen Staffel zu schließen.
Vielleicht war das ganz gut so, denn wen trifft die Crew der USS Discovery just in dieser fünften Episode?
Genau, die Überreste jener einstmals ausgedehnten Weltraumorganisation, die sich geradezu als Gegenspieler anbieten würde…


Story.
Die USS Discovery läuft endlich in den sicheren Hafen der wiederentdeckten Sternenflotte ein!
Doch obwohl die Besatzung lange von diesem Moment geträumt hat, muss sie vor Ort feststellen, dass ihr keineswegs der rote Teppich ausgerollt wird. Die generelle Stimmung dem Schiff und seiner Besatzung gegenüber rangiert stattdessen von überheblich über reserviert bis hin zu ablehnend.
Michael Burnham wird schnell klar, dass sich das inmitten einer modernen Flotte antiquiert wirkende Schiff erst noch beweisen muss und schlägt in ihrer Verzweiflung vor, die Vorteile der Discovery zu nutzen, um zu einem Bibliotheksschiff zu fliegen, in dem man biologische Proben zur Synthetisierung gegen eine unbekannte Erkrankung zu finden hofft.
Doch auf der USS Tikhov angekommen muss die Crew der Discovery erkennen, dass der Erfolg ihrer "Bewährungsprobe" davon abhängt, rechtzeitig das Rätsel um die tote barzanische Besatzung zu lösen…


Lobenswerte Aspekte.

Folgenaufbau.
Zum zweiten Mal in Folgen kommt man nicht umhin, allem voran den Aufbau der Folge lobend zu erwähnen, denn erneut gelingt es der Autorenriege, den Makel vergangener Staffeln abzustreifen und eine Folge abzuliefern, die recht hohen Anforderungen genügt.
Vielleicht hängt dies aber auch mit einer teilweisen Abkehr vom seriellen Erzählstil und der Rückbesinnung auf die Vorzüge episodenhaften Storytellings zusammen. Zwar werden einige clevere Anknüpfungspunkte für spätere Folgen gelegt, doch im Großen und Ganzen scheint die Staffel sich auf ein behutsameres Tempo und wochenweise Appetithäppchen zu konzentrieren, die jeweils in der Lage sind, fest auf eigenen Beinen zu stehen. Aber genießen wir das, so lange wir können, denn die Vielzahl an gestreuten Hinweise legt deutlich nahe, dass in den verbleibenden acht Episoden noch einmal ordentlich die Post abgehen wird:
Wir können gespannt auf den Zusammenhang zwischen dem Musikstück und dem großen Dilithiumbrand warten, dem Ausbruch des schwelenden Konflikts zwischen Saru und seiner an der Grenze zur Insubordination wandelnden Nummer Eins entgegenfiebern, der langwierigen Genesung Detmers beiwohnen oder dem unvermeidbaren Aufeinandertreffen mit dem Unterweltboss und Smaragdketten-Eigner Osyraa harren (der als Widersacher dem Aufwärtstrend folgend hoffentlich ein wenig vielschichtiger ausfällt als Lorca im Spiegeluniversum, Leland nach der Assimilation durch Control oder Zareh im Bergbau-Saloon der zweiten Folge).
Aber nicht nur mit der Aussicht auf eine turbulente Zukunft versteht die Folge zu glänzen, sondern auch mit einer spannungsgeladenen Gegenwart.
Dass die USS Discovery nämlich nicht gerade mit Blumenstrauß und Präsentkorb begrüßt wird, sondern ihren Wert erst einmal fulminant unter Beweis stellen muss, scheint in Anbetracht der weit klaffenden Technologielücke nur nachvollziehbar (man stelle sich nur vor, dass ein Stadtbürger Athens in Washington DC auftaucht, um die vom rechten Weg abgerückte USA zurück in den Schoß der Demokratie zu führen!). Auch den deutlich schwächeren B-Plot der Handlung ziert immerhin ein typisches Sternenflottendilemma im Spannungsfeld unterschiedlicher Kulturen und deren nicht immer konfliktfreien Zusammenarbeit. Alles in Allem bleibt der Sternenflottengeist deutlich spürbar und auch wenn er so oft in die Dialoge gezerrt wird, dass es mitunter dick aufgetragen wird (zum Beispiel durch einen überambitionierten Vergleich mit dem Renaissance-Menschen Giotto di Bondone), erzeugt diese "Bewährungsprobe" auf jeden Fall eine Aufbruchstimmung, die den Zuschauer in seinen Bann schlägt.
Doch das "Morgen" und "Heute" wäre ohne ein passendes "Gestern" einfach nicht komplett…


Kanonfutter.
Mit seiner fünften Folge fackelt die dritte Staffel von "Star Trek: Discovery" plötzlich ein Referenz-Feuerwerk zu Ehren des größeren Star-Trek-Universums ab, das innerhalb dieser Serie seinesgleichen sucht. Eine Vielzahl von gut platzierten Querverweisen bedenkt den Begriff der Nummer Eins, die an Co-Cos Spezies aus "Star Trek Beyond" erinnernden Kili, den First-Contact-Day und seine Spiegeluniversumsentsprechung, das Sigma-Draconis-System, das Orion-Syndikat und seine andorianischen Schergen, die Geschichte des Spiegeluniversums, Sulus Ziehpflanze Beauregard (im Deutschen auch "Gertrude"), die barzanische Sprache, die persönlichen Schilde aus TAS sowie eine bis in den Gamma- und Delta-Quadranten reichende Raumkarte mit einem würdevoll erhobenen Platz in der Episode. Und das die Anwesenheit der Discovery gemäß dem temporalen Abkommen eine Straftat ist (vgl. Denkwürdige Zitate), gibt nicht nur der Situation zusätzliche Würze, sondern wird auch all jenen Fans ein Kopfnicken abringen, die bei, Thema Zeitreisen von Kopfschmerzen verschont bleiben.
Die beiden stilvollsten Fußnoten lassen sich allerdings in der Föderationsblase finden, die das gut versteckte Hauptquartier umgibt.
Während der Hinweis auf die elfte Inkarnation eines Sternenflottenschiffes mit dem klangvollen Namen "USS Voyager" eine Hommage blieb, die kaum einem Zuschauer entgangen sein dürfte, ist die Existenz eines Schiffes mit dem Namen USS Nog (die man verpassen kann, wenn man im falschen Moment blinzelt) einer Fan-Petition zu verdanken, in der dazu aufgerufen wurde, den 2019 verstorbenen Darsteller Aaron Eisenberg und sein Engagement für Star Trek in entsprechender Weise zu würdigen.
Abseits von diesen Nennungen scheint das Design der Zukunft (z.B. in punkto Schiffskonstruktion oder Uniform-Look) etwas unspektakulär, aber es handelt sich immerhin nicht um ein seelenloses Copy/Paste wie noch im Finale von "Star Trek: Picard". So mag dieses Abbild von Föderation und Sternenflotte am Ende wohl weder beim Zuschauer, noch bei der Discovery-Besatzung ein wirkliches Zuhause-Gefühl auslösen, aber die Vielzahl an Referenzen zeigt deutlich auf, dass die Flucht des Serienschwerpunkts nach vorn eine gute Idee war.
Und die Autoren nabeln sich keineswegs von der eigenen Serienvergangenheit ab, sondern üben sich in einem angenehm selbstironischen Umgang mit dieser Historie: So unterstellt das MHN namens Eli Burnham nachweisliche Überemotionalität und zahlreiche Crewmitglieder erhalten in (abermals an DS9 erinnernde) Einzelbefragungen die Möglichkeit, mit pointierten Kommentaren die Ereignisse zurückliegender Folgen aufs Korn zu nehmen.
Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang das Verhör der Spiegeluniversums-Touristin Philippa Georgiou, die erstmals in dieser Staffel ihr durchaus vorhandenes Potential andeutet. Waren wir vielleicht Zeuge eines Bewerbungsgesprächs, das die Handlung der angekündigten Sektion-31-Serie in eine gemeinsame Zukunft mit der Discovery legt?
Schließlich gibt sich die Folge auffallend viel Mühe, all diese Anknüpfungspunkte zu nutzen, um ein "Worldbuilding" in dieser weit entfernten Zukunft zu forcieren. So nimmt man sich erstmals der zeitlichen Nähe zu den temporalen Machenschaften Crewman Daniels an und beschreibt den Zustand einer lädierten Föderation, die von einstmals dreihundertundfünfzig Mitgliedswelten gerade einmal achtunddreißig übrigbehalten hat. Es gibt also eine Menge zu tun, wenn man frischen Wind in diese gebeutelte Organisation bringen will…


Besetzung.
"Bewährungsprobe" gibt sich redlich Mühe, die gesamte Crew einem Almabtrieb gleich mindestens einmal vor die Kamera zu scheuchen. Aber während die Auftritte von Emily Coutts (Detmer), Oyin Oladeyo (Owasekun), Ronnie Rowe jr. (Bryce), Patrick Kwook-Choon (Rhys), Sara Mitich (Nilsson), David Benjamin Tomlinson (Linus) oder Blu del Barrio (Adira Tal) bestenfalls einen überschaubaren Charakter aufwiesen, markierte die Folge die lang erwartete Rückkehr von Tig Notaro als Jett Reno. Sie glänzt vor allem durch ihre Chemie mit Sylvia Tilly (Mary Wiseman) und Paul Stamets (Anthony Rapp), auch wenn die Dialogmenge nur unwesentlich über dem Durchschnitt der eingangs genannten Besatzungsmitglieder lag.
Gleiches gilt für Hugh Culber (Wilson Cruz), der zwar an der Außenmission teilnehmen darf, aber dem es verwehrt bleibt, im Zuge dieser Gelegenheit Ausrufezeichen zu setzen. Immerhin kann er während der Verhörszene ein deutliches Ausrufezeichen setzen.
So gesehen kann Doug Jones dankbar sein, dass Saru sich kürzlich zum Captain aufgeschwungen hat, denn damit waren ihm (zum Beispiel für das einleitende Logbuch) ein paar mehr Zeilen vergönnt, in denen mit der Andeutung auf weiterhin bestehende Konflikte mit Michael Burnham immerhin Grund zur Hoffnung besteht, dass dies zukünftig so bleiben dürfte. Ihn zugunsten Burnhams zurückzulassen bleibt allerdings ein Statement für die Rangfolge der Charaktere innerhalb der Serienhierarchie.
Positiv anzumerken bleibt außerdem, dass der Großteil der Gaststars dieser Episode weniger eindimensional wirkte als all ihre Kollegen aus vorangegangenen Folgen (von Book vielleicht einmal abgesehen). Oded Fehr als Admiral Charles Vance und Vanessa Jackson als Sicherheitschefin Audrey Willa blieb innerhalb ihrer kurzen Auftrittszeit ein wenig Raum für persönliches Wachstum vergönnt. Herausragende Bedeutung kommt hingegen dem Kult-Regisseur David Cronenberg zu, der nicht nur als Träger der Buddy-Holly-Gedächtnisbrille ehrenhalber Ausrufezeichen setzte, sondern auch als Star-Trek-Antwort auf den Einbezug Werner Herzogs in "The Mandalorian" gewertet werden kann. Zudem kitzelt er als Kovich viel von dem heraus, was Michelle Yeohs ersten wirklich bemerkenswerten Auftritt ohne aufwändige Zweikampfchoreografie zu etwas ganz Besonderem macht. Nur Jake Epsteins Doktor Attis bildet die berühmte Ausnahme von der Regel; sein Charakter bleibt – wie der mit ihm verbundene Handlungsabschnitt auch – weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Nach diesen lobenden Worten müssen an dieser Stelle aber auch die beiden problematischen Darstellungen der "Bewährungsprobe" angesprochen werden.
Allen voran Rachael Ancheril, die zwar zu Beginn der Staffel durch die Nennung im Vorspann geadelt, nun aber heimlich still und leise vor die Tür gesetzt wurde. Ihr Charakter Nhan fiel einer Entwicklung zum Opfer, die ich an dieser Stelle einmal als "Airiam-Effekt" beschreiben will:
Zuerst wird ihr Charakter innerhalb der Folge auf überhasteter Weise mit zuvor unbekannter Tiefe versehen und ihr Arbeitspensum erhöht sich so sehr, dass sie sogar an der Seite des unbestrittenen Hauptdarstellers auf eine Außenmission geht. Als wäre das noch nicht genug erhält auch ihre Spezies urplötzlich so viel Hintergrund und Substanz wie seit ihrer Ersterwähnung in "Der Barzan-Handel" nicht mehr. Die Zuschauer, die sich an erstaunlich parallele Entwicklungen bei der kybernetisch verbesserten Schiffskameradin Airiam erinnern, wissen daher wahrscheinlich schon, dass Nhan damit aber die Rückkehr an Bord verwehrt bleibt.
Zwar bleibt ihr der Leinwandtod ihrer Freundin erspart, doch mit ihrem Verbleib auf der USS Tikhov geht auch ihr sofortiger Abschied aus dem Hauptdarstellerkreis einher, was der Discovery nicht nur eines Sicherheitschefs, sondern auch eines spannenden Charakters beraubt.
Natürlich ist es legitim und ein Recht der Autoren, Charaktere aus den Drehbüchern hinauszuschreiben und vielleicht winkt der Barzanerin eine Rückkehr zu einem späteren Zeitpunkt, doch es wäre der Glaubwürdigkeit dienlich gewesen, wenn man diese Entwicklung nicht blaupausenartig von Airiam übernommen hätte. Zudem bot sich in den vorherigen Folgen an, diesen Abschied durch kleinere Nebensätze für die ohnehin kaum beachtete Offizierin ein wenig mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Vor allem aber wäre ihr Ausstieg nachvollziehbarer gewesen, wenn Nhan einige Szenen zuvor die Aufgabe zugefallen wäre, ihren barzanischen Landsmann durch ein Gespräch aus seiner Lethargie zu befreien.
Womit wir auch schon zum größten Kritikpunkt an dieser Episode gekommen wären.
Sonequa Martin-Greens schauspielerische Qualitäten stehen hier nicht zur Debatte, zumal man sie nur kurz eines Abschieds wegen weinen sieht. Dafür wird aber der leidige Burnham-Zentrismus auf eine völlig neue Spitze getrieben, indem man ausgerechnet sie unter fadenscheinigen Gründen dazu auserwählt, als alleiniger Ansprechpartner des traumatisierten Doktor Attis zu fungieren. Dieses unnötige Drängeln in den Mittelpunkt geht allerdings nicht nur zulasten Nhans, der diese Funktion wenigstens ansatzweise einen triftigen Grund gegeben hätte, Attis im Anschluss Gesellschaft zu leisten! Es negiert auch die Entwicklung Culbers, der in seiner (zuvor erst wunderbar eingeführten) Eigenschaft als Arzt und Aushilfs-Counselor nicht nur besser qualifiziert gewesen wäre als Burnham, sondern durch seine eigenen Nahtoderfahrungen über einen Erfahrungsschatz verfügt, der ihn zu einer weitaus besseren Wahl gemacht hätte.
Natürlich ist es ein Merkmal dieser Serie, Burnham in den Fokus der Aufmerksamkeit zu stellen, aber in diesem Fall wäre es für das größere Gesamtbild sinnvoller gewesen, diesen kleinen Moment anderen Darstellern zu überlassen.


Kritikwürdiger Aspekt.

Kanonbrüche und Logiklöcher.
Für Discovery-Verhältnisse haben sich erstaunlich wenige Kritikpunkte angesammelt, von denen ich einen auch gleich zu Beginn entkräften möchte.
Häufig lässt sich die Beschwerde finden, dass die USS Tikhov nicht nur zu alt, sondern auch viel zu klein ist, um als "Samenbank" für den gesamten bekannten Föderationsraum zu dienen. Dabei sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass dieses sehr modern wirkende Schiff die Registrierungsnummer NCC-1067-M trägt, was sie immerhin zum vierzehnten Namensträger seit dem Original machen würde. Diese Modernität spielt auch ihrem Innenleben in die Hände, das nicht so recht zum räumlich begrenzten Äußeren passen mag.
Schließlich wissen wir seit er Enterprise-Episode "Die Zukunft", dass es mittlerweile Schiffe geben muss, die der Tardis aus "Doctor Who" gleich dimensionale Transzendenz (oder wie Trip Tucker es ausdrückte "Wie kann ein Schiff bloß innen größer sein als außen?") aufweisen und mehr Platz fassen, als man es von außen erahnen könnte. Daher sind sowohl die hohen Wände des Archivs, als auch das gewaltige Fassungsvermögen einer solchen biologischen Bibliothek (allein auf der Erde gibt es knapp 400.000 verschiedene Pflanzenarten) vom offiziellen Kanon gedeckt. Ob den Autoren dieser Zusammenhang aber bekannt ist oder ob es sich dabei um einen weiteren glücklichen Umstand handelt, bei dem der Kanon ausnahmsweise für die Serie arbeitet, lasse ich an dieser Stelle einmal dahingestellt.
Zwar wäre mir persönlich lieber gewesen, wenn man statt eines Schiffes eine Station wie Cold Station 12 genutzt hätte, aber bei einer wechselnden Patenschaft ist es nur schlüssig, ein Schiff zu verwenden, das auch seinen Standort verändern kann.
Allerdings gibt es einige andere Punkte, die man an dieser Stelle aufführen muss.
Da ein solches botanisches Archiv besonderen Schutzes bedarf, mutet es ein wenig abstrus an, dass die achtlosen Barzaner an Bord den plötzlichen Strahlungstod sterben, während die empfindlichen Pflanzensamen diesen für sie nicht minder schädlichen Prozess aber unversehrt überstehen.
Zudem scheint es einen Stillstand in der Entwicklung der Transportertechnologie zu geben, denn bei der sichtlichen Erweiterung des Systems scheint man auf weitere Anpassungen auf Strahleneinwirkung in den neunhundertdreißig Jahren aus irgendeinem nicht näher ausgeführten Grund verzichtet zu haben.
Gleichermaßen aus der Zeit gefallen scheint der Umstand, dass Georgiou mit einem Augenaufschlag in der Lage zu sein scheint, Hologramme abstürzen zu lassen. Klar, die Komik der Situation ist offensichtlich und dass es an James T. Kirk erinnert, der mindestens vier Computer in den Selbstmord argumentierte, muss eher als weiterer Pluspunkt gezählt werden. Allerdings handelt es sich um eine technologisch hoch entwickelte Zukunft und wenn man sich vor Augen führt was es für die USS Voyager bedeutet hätte, wenn das MHN aufgrund ähnlicher Vorgänge ausgefallen wäre, wird zusammen mit den anderen hier aufgeführten Exkursen schnell deutlich, dass den Autoren nicht in Gänze bewusst ist, wie hoch der Technologiestand jener Ära sein muss, in der die USS Discovery sich hier befindet.



Ausblick.
Dieser Teil enthält Vermutungen über den weiteren Staffelverlauf und sollte nur gelesen werden, wenn man kein Problem damit hat, im Erfolgsfall gespoilert zu werden.
Nhan mag gegangen sein, aber das heißt noch lange nicht, dass sie im weiteren Staffelverlauf keine Rolle mehr spielen wird (zumal die Nennung im Vorspann sicherlich keine Eintagsfliege sein sollte).
Denn die Formulierungen, die ihren Abschied umgaben, deuten massiv auf ein baldiges Wiedersehen hin.
Meiner Vermutung nach wird Nhan die nächste Zeit tatsächlich mit einer intensiven Suche nach einem pflanzlichen Heilmittel in der Samenbank  der USS Tikhov verbringen, und gemeinsam mit Doktor Attis dessen Familie vor dem Tod zu bewahren. Und dann wird es wohl doch noch sie sein, die mit dem gleichen erzählerischen Allheilmittel einen Hauptcharakter wie Michael Burnham, Saru oder Adira Tal das Leben rettet. In die bislang angewendeten Handlungsmuster würde eine solche Entwicklung jedenfalls gut passen.


Synchronisation.
Bei soviel Sternenflottenpräsenz bleibt fast kein Platz für das persönliche Duzen, obwohl es gerade in der ersten Begegnung zwischen Vance und Adira Tal gut gepasst hätte. Immerhin wird der Abschied Nhans von Burnham dadurch etwas persönlicher.
Alles andere, was man beanstanden könnte, ist überschaubar; etwa das aus "duh" ein dreisilbiges "Na was wohl" wird, die liederliche Aussprache des russischen Astronomen Tichow aus dem englischsprachigen Original übernommen wird oder auf welch merkwürdige Weise Detmers Vorname Keyla plötzlich eine fragwürdige Übertragung findet.


Fazit.
Mit seiner fünften Folge leistet die dritte Staffel von "Star Trek: Discovery" selbst so etwas wie eine "Bewährungsprobe" ab, die sie auf den ersten Blick auch gut meistert. Sie zeichnet sich durch punktgenaue Referenzen auf die Star-Trek-Vergangenheit aus, schmückt ihre Gegenwart gleichermaßen mit Sternenflottengeist als auch Aufbruchstimmung und sorgt dafür, dass die Folgen der Zukunft einige spannende Anknüpfungspunkte aufnehmen können.
Doch die ansonsten gute Episode stolpert abermals über die bemühte Zentrierung Burnhams, dem aus dem Zusammenhang gerissenen Abschied Nhans und einem angemessenen Technologieverständnis, das die Autoren einer Zukunft achthundert Jahre nach TNG nur bedingt entgegenbringen.

Bewertung.
Neue Höhen und alte Tiefen.







Schluss.
Nach bisherigem Stand ist wohl nicht damit zu rechnen, dass das, was von der Föderation übrigblieb, einen nennenswerten Widerstand gegen den Siegeszug der Discovery leisten würde. Aber es bleibt festzuhalten, dass die Sternenflotte das Schiff aus ihrer idealistischeren Vergangenheit auch keineswegs mit offenen Armen empfangen hat. Die Wiederauferstehung der Föderation dürfte ein steiniger Weg sein, der sich mindestens bis zum Ende dieser Staffel hinziehen wird – wenn nicht sogar darüber hinaus.
Bis die Mitgliederzahlen wieder in die Höhe schnellen, kann von den Fans aber noch immer froh und munter spekuliert werden, welche Hindernisse, Stolpersteine und anderweitigen Schwierigkeiten der Discovery, ihrer Besatzung und vor allem Michael Burnham dabei noch begegnen werden.
Wer wie ich Spaß an diesen Diskussionen hat, dem sei der überaus unterhaltsame Podcast "Infinity and Beyond" an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich ans Herz gelegt – und wer will, kann auch die Gelegenheit nutzen zu hören, was ich Chief Reynolds und Clinton Fox über den bisherigen Verlauf der Staffel zu sagen habe…




Denkwürdige Zitate.

"Captain?"
"Nummer Eins?"
Michael Burnham und Saru

"USS Voyager - Jott! Das ist die zehnte Generation? Liege ich falsch, oder... Die elfte! Na auf die Geschichten bin ich gespannt..."
Sylvia Tilly

"Sie sind wohl der letzte Kelpianer der noch biochemische Spuren des va'harai aufweist! Und Ihr limbisches System wurde ja ganz schön strapaziert, Commander! Neigen Sie zu emotionalen Ausbrüchen?"
Eli

"Eine kurze Geschichtsstunde: Die Föderation hat weite Teile des dreißigsten Jahrhunderts einen Krieg geführt, um das temporale Abkommen zu schützen; ein interstellarer Vertrag, der Zeitreisen verbietet, damit niemand aus der Vergangenheit die Zukunft verändert und umgekehrt. Ihre Anwesenheit ist per Definition eine... Straftat."
Admiral Charles Vance

"Sie waren also tot?"
"Ja. Wie ich schon sagte."
"Klinisch tot?"
"Na emotional tot war ich auch. Und ich wurde ermordet. Ich sage Ihnen, das kann einen fertig machen! Doch mein Mörder und ich vertragen uns..."
Verhörhologramm und Hugh Culber

"Also? Sie waren auf einem Asteroiden. Und?"
"Commander Burnham ist vom Himmel gefallen. Mit Captain Pike. Es hat Sternenflottenoffiziere geregnet. Haben Sie Snacks hier? Ich bin am Verhungern..."
Verhörhologramm und Jett Reno

"Wieso sind Sie Brillenträger?"
"Ich sehe mit Brille, äh schlauer aus."
Philippa Georgiou und Kovich

"Sie haben ihr Imperium doch auch auf der Maxime aufgebaut 'weil uns danach ist'."
Kovich

"Meine Luft, meine Augen."
Nhan

"Ihr Arbeitsverhältnis ist alles andere als professionell."
Willa

"Das Erforschen ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können."
Vance


Weiterführende Leseliste
.

01. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil I"
02. Rezension zu "Fern der Heimat"
03. Rezension zu "Bewohner der Erde"
04. Rezension zu "Vergiss mich nicht"
05. Rezension zu "Bewährungsprobe"
06. Rezension zu "Aasgeier"
07. Rezension zu "Wiedervereinigung, Teil III"
08. Rezension zu "Das Schutzgebiet"
09. Rezension zu "Terra Firma, Teil I"
10. Rezension zu "Terra Firma, Teil II"
11. Rezension zu "Sukal"
12. Rezension zu "Es gibt Gezeiten..."
13. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil II"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Infinity and Beyond #8: Kaffeeklatsch im 32. Jahrhundert


Let´s do the Timewarp again!

Es ist soweit: Die USS Discovery ist im 32.Jahrhundert angekommen! Leider entpuppt sich die Zukunft nicht als ganz so positiv wie es sich die Crew rund um Michael Burnham erhofft hat.

Zwar wurden die Machenschaften der bösen KI Control durch die Discovery verhindert und das Leben in der Galaxis vor der Vernichtung bewahrt, jedoch hat eine mysteriöse Katastrophe Namens "The Burn" den Zivilisationen der Milchstraße übel mitgespielt:

Ein Großteil der Dilithiumvorkommen in der Galaxis wurde vernichtet, Reisen mit Warp sind nur noch unter äußersten Schwierigkeiten machbar und die Föderation ist lediglich eine ferne Erinnerung.

In dieser scheinbar trostlosen Situation macht sich die bunte Crew der Discovery also auf, um etwas Licht in die ziemlich dunkel gewordene Galaxis zurück zu bringen.

Soweit so aufregend!

Aus diesem Anlass widmen wir diese Folge von Infinity & Beyond auch ausschließlich den ersten vier Folgen der dritten Staffel von Star Trek Discovery.

Wo stehen wir? Wie sind wir an diesen Punkt gekommen? Wo wollen die Autoren mit uns hin und wie geht es den Hauptfiguren der Serie?

Basti, Tim & und unser Sepp versuchen diese und andere Fragen zu beantworten und geben einen Ausblick auf das, was uns in den nächsten Folgen der Serie erwarten könnte.

Schnallt euch also an und kommt mit ins 32. Jahrhundert zu unserem kleinen Kaffeeklatsch der Trekigen Art!

Viel Spaß bei einer neuen, spannenden Folge von:

Infinity and Beyond - Dem Podcast der Euderion Infinity!

Kontakt zu uns:
podcast@euderion.berlin

Donnerstag, 12. November 2020

Turons Senf zu "Cupid's Errant Arrow" [LD, S1Nr05]


Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Cupid's Errant Arrow", die fünfte Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Lower Decks" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Folgen bereits gesehen hat.



Einleitung.
Wer einen Einblick in das Schaffen des "Lower Decks"-Erfinders Mike McMahan erhalten möchte, kann sich seinen bisher einzigen Star-Trek-Serienbeitrag ansehen, den er im Rahmen der "Short Treks" geleistet hat. Mit der auf Harcourt Fenton Mudd zentrierten Folge "The Escape Artist" hat er so etwas wie eine Art Bewerbungsmappe für sein späteres Engagement abgegeben.
Natürlich haben wir diese ganz spezielle Episode ausführlich besprochen und dabei positive, aber auch negative Trends festgestellt, die sich tatsächlich auch in "Lower Decks" wiederfinden lassen.
Während auf der einen Seite ein Hang zu einem außergewöhnlichen Blickwinkel, eine humorvolle Annäherung im Rahmen des altbekannten Kanon-Materials und die effiziente Nutzung eines zeitlich begrenzten Spielraums zu Buche stehen, muss man auf der anderen Seite vor allem einen recht fahrlässigen Beugungswillen bemängeln, der den offiziellen Kanon immer wieder dann ereilt, wenn es zum vermeintlich besseren Handlungsverlauf beitragen würde.
Nach mittlerweile fünf Folgen ist "Lower Decks" nun den Kinderschuhen eigentlich entwachsen, aber nachdem in der letzten Episode der Kanon über die Gebühr strapaziert wurde, bleibt nach der Hälfte der Staffel die Frage offen, ob die Serie diesen Wesenszug kultivieren wird oder ihre Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn zu meistern beginnt.
Die Messlatte könnte jedenfalls kaum höher hängen…


Story.
Beckett Mariner kann es nicht fassen: Ihr übereifriger Sternenflottenkamerad, Freund und Kupferstecher Bradward Boimler hat eine echte Freundin!
Nicht nur, dass sie den Rang eines Lieutenants bekleidet, an Bord der supermodernen USS Vancouver dient und äußerst attraktiv ist – sie scheint auch noch die suß-säuselnden Gefühlsäußerungen zu erwidern, die Boimler ihr unentwegt entgegenbringt.
Das erregt natürlich den Verdacht Mariners und während sich ihr Kollege Sorgen wegen eines attraktiven Ex-Freundes seiner neuen Flamme macht, hängt sie viel radikaleren Gedanken an: Kann es sein, dass Boimler einem fremden Einfluss in Menschengestalt ausgesetzt ist?
Derweil fällt D'Vana Tendi und Samanthan Rutherford die ehrenvolle Aufgabe zu, auf der USS Vancouver auszuhelfen, wo sich einer von beiden durch seine engagierte Arbeit in den Besitz des neuesten Trikordermodells bringen kann. Doch als sich beide gleichzeitig dieses Privileg verdienen wird plötzlich klar, dass mit diesem Hauptgewinn auch eine Versetzung von der klapprigen, aber charaktervollen USS Cerritos auf die abenteuerreiche USS Vancouver verbunden ist…


Lobenswerte Aspekte.

Folgenanlage.
Die fünfte Episode von "Lower Decks" beginnt bereits großartig mit einer Großaufnahme auf einen aquatischen Planeten namens Mixtus III und dessen Monden. Wir erhalten ferner einen guten Einblick in die (für zwanzig Minuten Folgenlaufzeit) erstaunlich vielschichtige Gesellschaft der Welt, in der objektbezogene Religion, gezeitenbasierte Landwirtschaft und ein architektonischer Hang zu bauchigen Türmen eine besondere Rolle zu spielen scheinen. Vor allem aber ist die fremde Zivilisation in ihren Problemen der unsrigen ähnlicher, als man denken mag. Neben einem gut betuchten Planetenbesitzer, der nicht bereit ist, seinen Immobilienbesitz zu opfern nur weil zahlreiche andere Personen ansonsten leiden könnten, war es vor allem ein Satz, der meine besondere Aufmerksamkeit auf sich zog:

"Moons can't plummet! That's something the gouvernment made up to control us!"

Meine bescheidene Übersetzung dazu:

"Monde stürzen nicht einfach so ab! Das wurde von der Regierung erfunden um uns besser kontrollieren zu können!"

Damit ist "Lower Decks" die erste Star-Trek-Serie, die sich aktiv gegen die plötzliche Renaissance von Verschwörungstheorien positioniert und ein wunderbares Beispiel dafür, wie Science Fiction die Probleme der Gegenwart nimmt, um sie in einer fiktiven Zukunft zum Gegenstand der Auseinandersetzung zu machen.
Die Folge selbst bedient sich einiger bekannter Themen aus dem Star-Trek-Universum. So ist die Grundidee der Episode, dass fremde Wesen in Gestalt von Sternenflottenoffizieren ihr Unwesen treiben ein gängiges Erzählmuster, das bereits in zahlreichen Folgen wie z.B. "Das Letzte seiner Art" (TOS), "Mission ohne Gedächtnis" (TNG), "Im Lichte des Infernos" (DS9), "Renaissance-Mensch" (Voyager) oder "Beobachtungseffekt" (Enterprise) angerissen wurde – von Charakteren wie Martia, Thomas Riker, Shinzon, Seska, Sim oder der Spiegeluniversums-Version von Philippa Georgiou ganz zu schweigen. "Cupid's Errant Arrow" greift diese Vielzahl an Vorlagen geschickt auf, ohne sich allerdings in bloßer Wiederholung zu verlieren. Stattdessen gelingt das Kunststück, dieser Ansammlung an Vorlagen eine ganz eigene Interpretation beizufügen, um sich selbst damit geschickt weitere Legitimation durch die gekonnte Adaption eines traditionsreichen Star-Trek-Themas zu verleihen.
Aber auch der zweite Handlungsstrang der Folge, in dem Tendi und Rutherford erkennen, dass ihr Herz allen Fehlern des Schiffes zum Trotz an der USS Cerritos hängt, spielt mit einem ähnlichen Sujet, denn obwohl Beförderungen und Versetzungen zum Alltag einer Organisation wie der Sternenflotte gehören dürfte, bleibt es doch erstaunlich, wie häufig man in Star-Trek-Serien die immer gleiche Besatzung vorfindet, obwohl Charakteren wie William Riker mehr als einmal der Aufstieg durch einen Positionswechsel z.B. ins Amt einen aktiven Captains angeboten wird. Dass dieses Thema nun bereits in den unteren Dienstgraden diskutiert wird beschert dem Erzählgegenstand des "Unterdecks" zusätzliche Tiefe.
Vor allem aber kultiviert man den Status des Underdogs der Mannschaftsränge an Bord der USS Cerritos durch die Zurschaustellung eines modernen, besser ausgestatteten und elitärer anmutenden Schiffes namens USS Vancouver, wobei der Umstand, dass man dies auch als Vergleich des traditionellen Star-Trek-Produktionsstandortes Kalifornien (Cerritos ist wie Hollywood ein Vorort Los Angeles') mit dem neuen, kanadischen Drehort Toronto (Vancouver zählt zusammen mit Toronto zu den großen Namen innerhalb der kanadischen Filmindustrie) interpretieren kann, wohl keineswegs zufällig sein dürfte. Dass die Hauptcharaktere aber ein rostiges Schiff mit all seinen Macken lieben können, ohne ständig neidvoll auf die fabrikneuen Modelle zu schielen, die aus den Sternenflottenwerften gespuckt werden, macht die Crew um Mariner, Boimler, Tendi und Rutherford nur noch nachvollziehbarer und ihre Abenteuer als kleinstes Rädchen im großen Getriebe noch gegensätzlicher zum Hochglanz von "TNG", "Voyager" oder gar "Discovery".
Bemerkenswert bleibt zudem, dass "Cupid's Errant Arrow" sowohl in der Darstellung von Gewalt, als auch in der Verwendung von Vulgärsprache heraussticht. Während insbesondere der Rückblick auf Mariners Dienstzeit an Bord der USS Quito in diesem Zusammenhang Erwähnung finden muss, bleibt im gleichen Atemzug darauf hinzuweisen, dass ausgerechnet Captain Carol Freeman in ihrer diplomatischen Mission gleich zweimal die F-Bombe platzen lässt. Beides scheint dazu zu dienen, abermals den Verdacht abzuschütteln, dass man auf ein minderjähriges Publikum abzielen würde. In welcher Richtung man sich selbst tatsächlich einordnet, kann man schon eher in der Wahl des Gaststars erkennen, der in dieser Episode den unbenannten Captain der Vancouver einspricht. Hier gelang etwa der Coup, mit Lauren Tom die englische Stimme des Futurama-Charakters Amy Wong zu verpflichten. Die Synchronschauspielerin der Freundin Boimlers hingegen zeugt von ähnlichem Sendungsbewusstsein: Niemand geringes als Gillian Jacobs, die man als Britta Perry aus "Community" kennen könnte, sprach hier die temporäre Gespielin des männlichen Serienstars ein.


Kanonfutter.
Wo sich derart viele thematische Anleihen in andere Star-Trek-Ableger ballen, erscheint es nur folgerichtig, dass auch zahlreiche direkte Querbezüge zu finden sind. So werden Q, der Captain-Picard-Tag, das Chicago der Zwanziger Jahre, James T. Kirk, Trip Tucker, der Salzvampir vom Planeten M-113, ein Welchselbalg, die Edo, Data, sein Zwillingsbruder Lore, "Die Thronfolgerin", physisch veränderte cardassianische Spione, Transporterklone, die Suliban, die Oberste Direktive, durchgedrehte Holodeckcharaktere, Breen, Riker und eine Dyson-Sphäre erwähnt. Zudem kann man die Olympic Class, die Uniformen aus "Der erste Kontakt", Lursa, B'Etor, Lal (in ihrer ursprünglichen Form) und George (oder Gracie) sehen.
Zudem finden sich abermals geschickt platzierte Referenzen auf die unbeliebte Zeichentrick-Stiefschwester TAS. Während man Mariner von einer Phylosianerin erzählen hört, kann man auf ihrem Verschwörungs-Korkbrett auch einen Vendorianer entdecken.
Zwei Darstellungen verdienen allerdings noch einmal gesonderte Erwähnung.
Die cardassianische Station, an die die USS Quito andockt, wird zwar nicht direkt beim Namen genannt, aber vom Serien-Schöpfer Mike McMahan höchstpersönlich als Deep Space 9 identifiziert und markiert trotz der vielen aktuellen Star-TrekPruduktionen die erste Sichtung der Station seit dem Ende der Serie im Jahre 1999. McMahan deutete bereits an, in der nächsten Staffel "Lower Decks" den Fokus seiner Serie durch Handlungen zu erweitern, die auch andere Serien wie "Enterprise", "Voyager" oder eben "Deep Space Nine" umfassen. Das kleine Aufblitzen der wohlbekannten Station kann also als Versprechen an die Zukunft gewertet werden.
Die andere erwähnenswerte Sichtung betrifft den Teddy-Bären, den Boimler seiner Freundin mitbringt, denn dieser trägt einen Visor und eine goldgelbe Uniform, was ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit einem bestimmten Chefingenieur der Enterprise verleiht. Merkwürdig ist dabei ein Phänomen, dass anno dazumal bereits bei "Star Trek: Picard" festzustellen war, wo ein Kuscheltier namens Squoodgy die Fans zu letztendlich erfolglosen Internetsuchen animierte: Es fehlt an vernünftigem, aktuellen Star-Trek-Merchandise und die Reaktionszeiten bleiben trotz modernem Marketing deutlich zu lang. Denn während es im offiziellen Fanshop ebenso zahlreiche wie unoriginelle Trinkgefäße, Bekleidungsstücke oder Aufkleber gibt, fehlen ausgefallenere Stücke wie die Picard-Facepalm-Statuette, Squoodgy oder der Geordi-Bär in dieser reichlich uninspirierten Sammlung auch weiterhin. CBS scheint abermals den Trend der Zeit zu verschlafen und Bastelplattformen wie Etsy zu überlassen, nur um ungleich schneller agierende Hausfrauen anschließend mit gleichermaßen unnötigen, wie im Vorfeld vermeidbaren Urheberrechtsklagen überhäufen zu können.


Kritikwürdiger Aspekt.


Kanonbrüche und Logiklöcher.
Nachdem in der letzten Woche einige schwerwiegendere Widersprüche fabriziert worden waren, bleibt festzuhalten, dass nur einige, wenig gehaltvolle Mängel in diese Episode Einzug hielten.
Ein paar davon sollen an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
So wird Boimlers Tollpatschigkeit wegen eine holografische Planetendarstellung durcheinandergebracht, obwohl es möglich sein müsste, die Darstellung weniger interaktionsfähig zu gestalten. Der Komik der Situation aber war dieser Umstand dienlich.
Ebenso verhält es sich mit der Andorianerin, die den recht menschlichen Vornamen Jennifer trägt, aber auch hier bleibt festzuhalten, dass diese improvisierte Namensnennung humoristische Wurzeln offenbart und eigentlich auch nichts dagegen spricht, dem nicht-menschlichen Charakter einen irdischen Namen zu geben – schließlich sind ja auch in Deutschland fremdsprachige Namen wie Justin, Kevin oder Jaqueline keineswegs eine Seltenheit.
Aber es gibt auch drei Punkte, die eine besseren Erklärung verdient hätten.
So verwundert es beispielsweise, dass Boimler über einen Monat nicht bemerkt, dass er einen Parasiten im Haupthaar trägt. Spätestens beim Duschen, Schlafen oder Kämmen hätte ihm der blinde Passagier auffallen können.
Zudem mutet es fragwürdig an, dass Boimler den 'millionsten Eintrag' zu seiner Freundin aufnehmen konnte, ohne dass der Zuschauer einen von ihnen in vorangegangenen Folgen bemerkt hätte. Schließlich gibt es in "Cupid's Errant Arrow" einen Fähnrich zu sehen, der in der nächsten Episode eine größere Rolle spielen wird und bei so viel zu Schau getragener Sorgfalt in Detailfragen wäre eine Erwähnung seiner Freundin zumindest in einem Nebensatz sicherlich im Bereich des Möglichen gewesen.
Den einzigen wirklich kanonischen Widerspruch jedoch fabriziert ausgerechnet jene denkwürdige Szene, in der uns ein Rückblick auf die an Deep Space 9 angedockte USS Quito zurückführt. Das Schiff kann nämlich erst nach "Gestern, Heute, Morgen" (2370) in Dienst gestellt worden sein und die Uniformen legen sogar nahe, dass die Ereignisse frühestens um den achten Kinofilm (2373) angesetzt wurden.
Dennoch drehen sich die Erzählungen Mariners mit ihrer Freundin Angie um die Ereignisse des TNG-Zweiteilers "Angriff der Borg" (2369) und suggerieren, dass deren Ereignisse nicht mehr als eine Woche zurückliegen würden.


Fazit.
Die fünfte Folge der Serie markiert einen würdigen Staffelmittelpunkt, der kaum Wünsche offenlässt. Die Episode zementiert thematisch die Zugehörigkeit zur Franchise, kultiviert den Status eines Underdogs und unterstreicht seine Ambitionen auf ein erwachsenes Publikum. Dies alles garniert sie mit einem erneuten Feuerwerk an Kanon-Referenzen, das die kaum erwähnenswerten Ausrutscher lässig überspielt. Es ist "Lower Decks" in Höchstform und schon jetzt eine der Folgen, die zu ihren Vorzeigeepisoden gezählt werden dürfte.

Bewertung.
Star Trek in Höchstform.






Schluss.

Wenn man mitten in der Staffel noch einmal ein Ausrufezeichen setzen wollte, dann ist dies den Machern von "Lower Decks" mit dieser Episode zweifelslos gelungen.
Die Serie scheint einen Lernprozess zu beschreiben und es bleibt McMahan zugute zu halten, dass sich keineswegs ein Muster erkennen ließe, durch das sich die Serie gar mit dem eingangs erwähnten "Short Trek" in eine Traditionslinie stellen ließe.
Stattdessen zeigt sie ein erkennbares Einfühlungsvermögen in die Materie "Star Trek" die gar die Frage aufkommen lässt, warum sich ein derartiges Fingerspitzengefühl in anderen aktuellen Star-Trek-Produktionen nur in Einzelfällen finden lässt.
Mit McMahan hat sich jedenfalls ein ideenreicher Produzent gefunden, der nicht nur sein Handwerk, sondern auch die Franchise versteht.
Von daher gilt es für die Fans, über den Zeichentrickcharakter dieser Serie hinwegzusehen, denn "Lower Decks" nutzt die Möglichkeiten einer animierten Serie so geschickt aus, dass die qualitativen Grenzen zu Realserien längst eingerissen sind.
Letzten Endes bleibt damit "The Escape Artist" kein Gradmesser für eine Serie, deren Messlatte nur von ihr selbst von Mal zu Mal höher gehängt wird.


Denkwürdige Zitate.

"Ooh, you smell that, Tendi? Each Ship on the fleet has it's own scent! I think the Cerritos smells like toasting Marshmellows on a cool night…"
Samanthan Rutherford

"No I think she's a secret alien who's going to eat you! Or a Romulan spy or a salt succubus or an android or a changeling or one of those sexy people in rompers that murders you just for going on the grass!!"
Beckett Mariner zu Bradward Boimler

"The Vancouver is awesome. The fluidic processors, the tritanium hull bracketts, the door whoosh…"
"Whooosh!"
"Honestly, the Cerritos might be falling apart, but that's kind of awesome, too! It's our job to keep it together."
"Yeah, and the way she shakes and creaks and moans at Warp seven? I bet the Vancouver doesn't do that!"
"With those inertial dampers? You got to be kidding me!"
D'Vana Tendi und Rutherford

"Don't kick my PADD, that's an order!"
Ron Docent

"Bitch, you're the parasite!"
"Exactly what a parasite would say… Parasite!"
Mariner und Barb Brinson

"The impact on the environment would effect both of us! We'd have to move our whole civilization!!"
"I know, but how can… Wait! Both? What do you, what do you mean? Both?! How many people are in your civilization?!"
"Me and my wife!?"
"There are two f***ing people on your whole f***ing planet?!"
"Well, yeah, we're rich…"
"Implode the moon."
"Yes, Captain!"
"You maniacs! We just redid the floors!"
Captain Carol Freeman, ein Repräsentant von Mixtus II und ein Brückenoffizier der Vancouver

"You don't know what it's like here! It's so stressful! So epic! It's all "tow this space station' and ' calibrate the Dyson sphere' and 'Go back in time to kill the guy that was worse than Hitler'! Oh I just want to be back on a smaller ship, doing simpler work! I don't want to be epic anymore!"
Docent


Weiterführende Leseliste.

Staffel 1.

01. Rezension zu "Second Contact"
02. Rezension zu  "Envoy"
03. Rezension zu "Temporal Edict"
04. Rezension zu "Moist Vessel"
05. Rezension zu "Cupid's Errant Arrow"
06. Rezension zu "Terminal Provocations"
07. Rezension zu "Much Ado About Boimler"
08. Rezension zu "Veritas"
09. Rezension zu "Crisis Point"
10. Rezension zu "No Small Parts"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Seltsame Energien"