Mittwoch, 4. November 2020

Turons Senf zu "Moist Vessel" [LD, S1Nr04]


Spoilerwarnung.
Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Moist Vessel", die vierte Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Lower Decks" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Folgen bereits gesehen hat.



Einleitung.
Kann sich noch jemand an diesen hoffnungsvollen Kommentar des "Lower Decks"-Masterminds Mike McMahan im Podcast "How to Kill an Hour" Anfang August 2020 erinnern, in dem er den Fans in aller Welt nahelegte, sich zu gedulden, da es eine Lösung für die internationale Ausstrahlung seiner Serie geben würde, die vor allem der Pandemie zum Opfer gefallen sei? Dass auch CBS möchte, dass alle Fans die Serie sehen können?
Nun, mit dieser überaus euphemistischen Aussage war keineswegs gemeint, dass dies sonderlich zeitnah geschehen würde.
Am ehesten glaubwürdig ist in diesem Zusammenhang wohl die Einschätzung, dass "Lower Decks" auf internationalem Parkett der Umstrukturierung von CBS zum Opfer gefallen ist, die durch die Rückkehr von Viacom unter ein gemeinsames Dach entstanden ist. Demzufolge werden beide Produkte zu einem gemeinsamen Streaming-Dienst mit neuem Gesicht zusammengelegt, dessen langfristiges Ziel es ist, auch den internationalen Markt zu bedienen. Ab 2021 wird mit diesem neuen Dienst zumindest in den USA gerechnet. Anschließend soll in Jahres-Phasen der internationale Ausbau folgen.
Tatsächlich gibt es laut Informationen von "Cinemaspot" bereits Hinweise, in welche Ländern dieser Dienst als erstes ausgeweitet werden könnte: Australien, Argentinien, Brasilien, Mexiko, Schweden, Norwegen und Finnland.
Dem aufmerksamen Leser wird sicherlich nicht entgangen sein, dass ein bestimmter europäischer Staat mit massivem Star-Trek-Fan-Potential fehlt. Wahrscheinlich wird aufgrund des härter umkämpften Marktes hierzulande auf einen alsbaldigen Streaming-Dienst-Start verzichtet, was vor allem bedeutet, dass sich die Fans hierzulande noch länger gedulden müssen, als McMahans Aussage zum Serienstart suggerierte.



Story.
Captain Carol Freeman hat genug! Ihre Tochter Beckett Mariner scheint jede Chance nutzen zu wollen, sie vor ihrer eigenen Mannschaft lächerlich zu machen. Nachdem der ursprüngliche Plan fehlschlägt, Beckett mit zahlreichen erniedrigenden Arbeiten derart zu überhäufen, dass sie von sich aus das Handtuch werfen würde, greift der Captain der USS Cerritos zu einer perfiden Alternative: Sie befördert die Unruhstifterin kurzerhand zum Lieutenant.
Aber die eigentliche Mission des Schiffes, ein gestrandetes Generationenschiff zur nächsten Raumbasis zu schleppen, gerät außer Kontrolle, als eine Terraforming-Mischstoff an Bord gerät, der die Hülle des Schiffes in ein tödliches Biotop verwandelt. Mutter und Tochter sind plötzlich darauf angewiesen, zum Wohle des Schiffes zusammenarbeiten…



Lobenswerte Aspekte.

Folgenanlage.
Obwohl in dieser Folge Beckett Mariner von den gemeinsamen Schlaffluren der "Lower Decks" hinauf an den Konferenzraumtisch der Führungsetage gespült wird, versteht sie es wie keine andere Folge vor ihr, den Gegensatz zwischen "wir hier unten" und "die da oben" zu zementieren. Die komplette Serien-Konzeption des Pöbels der niederen Ränge gegen die Brückencrew-Elite wird im A-Plot der Episode anhand zweier Figuren exemplarisch verdeutlicht: Fähnrich Beckett Mariner und Captain Carol Freeman.
Während die Mannschaftsränge auf dem Unterdeck sich schon über die Zuteilung von Reinigungsaufgaben freuen, das Holodeck von Benutzerspuren säubern müssen und sich über Extra-Pudding in der Kantine freuen, missachtet die andere Seite die Arbeit ihrer Untergebenen (z.B. Shaxs, als er einen Turbolift trotz Sperrung benutzt), verliert sich in Dienstberatungen über das Thema "Sitzmobiliar" und erhält bessere Replikator-Rationen.
Mit der Straf-Beförderung jedoch stellt "Moist Vessel" die bestehenden Verhältnisse kurzzeitig auf den Kopf, wobei der Folge im gleichen Atemzug das Kunststück gelingt, Mariner dabei nicht aus ihrer chaotisch-selbstbewussten Rolle zu drängen. Dass sie am Ende des Tages wieder in den Schoß ihrer Unterdeckkameraden zurückkehrt, erinnert in seinem Sicherheitsgefühl an die wohlbekannten Grenzen der Einzelepisoden-Gesetze der TNG-Ära, die man nach so viel seriellem Erzählen schon fast nicht mehr erwartet hätte.
Dennoch zeigen die beiden starken, aber keineswegs unnachvollziehbaren Frauencharaktere ihre Stärken genauso sehr wie ihre Schwächen. Ihr Mutter-Tochter-Konflikt bleibt ohne Sieger, aber lässt den Zuschauer mit einem Grundverständnis für beide Positionen zurück.
Im B-Plot der Folge kann mit D'Vana Tendi ein weiterer weiblicher Charakter auf sich aufmerksam machen. In einem weiteren Konfliktfall versucht sie, die "Himmelfahrt" eines Crewmitgliedes zu erzwingen. Sie stößt - zu ihrem eigenen Unbill - auf massive Abneigung und kann diese erst in einer lebensbedrohlichen Notsituation in eine zarte Romanze ummünzen, der allerdings ein jähes Ende beschert wird. Dieser Teil der Handlung hat durchaus einige Momente zu bieten, bleibt allerdings eher einer jener kuriosen aber in sich geschlossenen Nebenschauplätze, wie sie in TNG vor allem ab der vierten Staffel des Öfteren zu sehen waren. Dennoch bleibt der Folge anzurechnen, dass sie ihr Hauptaugenmerk auf die weiblichen Charaktere der Show konzentrierte (auch wenn Rutherford und Boimler bei Lichte besehen dieses Mal arg wenig beizutragen haben).
'


Kanonfutter.
Ein absolutes Markenzeichen dieser Serie ist der exemplarische Umgang mit dem Kanon. Während man im Hintergrund Spezies wie Benziten, Napeaner oder Vulkanier ausmachen kann, ist es ebenfalls möglich, an der ein oder anderen Stelle einen Visor, einen Baseball im Bereitschaftsraum des Captains oder zahlreiche detaillierte LCARS auszumachen.
Zusammen mit geschickt platzierten Erwähnungen von Q, dem Reisenden, klingonischen Gefängnissen, Tamarianern, James Moriarty oder Abraham Lincoln gibt es zahlreiche Anspielungen für Fans, die zwar schnell an einem vorbeiziehen können, aber auch keineswegs so wichtig sind, dass man sie nicht ruhigen Gewissens übersehen dürfte. Viel eher befeuert es den Reiz, sich diese Folgen gleich mehrfach anzusehen und so verstärkt auf derartige Details achten zu können.
Optisch schmiegt sich auch die Handlung an Altbekanntes an: Egal, ob der Zuschauer die Beförderung Mariners, das Pokerspiel der Führungsoffiziere, den Aufstieg in Form des "Großen Vogels der Galaxis" oder einen grummeligen Tellariten ohne das 'modernisierte' Masken-Update aus "Discovery" miterlebt, es schwingt auch stets etwas Vertrautes in diesen Darstellungen mit.
Und auch wenn die Metaebene nicht ganz so ausgeprägt zentriert wird wie noch in der letzten Episode, blitzt sie dennoch an mehreren Stellen auf: Der vulkanische Gruß etwa, der von den jüngeren Offizieren auf charmante Weise sarkastisch verwendet wird. Oder der Umstand, dass Kommunikatoren im Gegensatz zu so manchem TNG-Drehbuch sehr wohl weiter übertragen, was sein Träger vor sich herbrubbelt. Und natürlich der ebenfalls früheren Skripten geschuldete Umstand, dass ein Sternenflottenoffizier mit allen Mitteln versucht, sich Ecken und Kanten zu verleihen, um aus der Masse von Kollegen herauszustechen (indem man ein besonderes Instrument spielt, eine außergewöhnliche Sportart betreibt oder einem ausgefallenen Faible anhängt).
Der absolute Star unter den Kanon-Querbezügen bleibt allerdings die endlich beantwortete Frage, wozu das Holodeck gebraucht wird, denn die Antwort kennt trotz der vorangeschrittenen Entwicklung der Menschheit wohl jeder Zuschauer der Gegenwart. "Lower Decks" springt gekonnt auf diesen offensichtlichen Verwendungszweck auf, ohne das Kind beim Namen zu nennen und damit eine erhöhte Altersfreigabe zu riskieren.
Doch wo Licht fällt, ist zumeist auch Schatten zu finden.



Kritikwürdige Aspekte.

Kanonbrüche und Logiklöcher.

Obwohl der Umgang der Serie mit dem Kanon zu den absoluten Vorzügen "Lower Decks" gezählt werden muss, heißt das noch lange nicht, dass diese Folge völlig frei von Ungereimtheiten bleibt.
Dabei kann zwischen kleineren und größeren Unzulänglichkeiten unterschieden werden.
Zu den kleineren lässt sich zählen, dass die USS Cerritos ausgerechnet auf ein Schiff der gleichen Bauart treffen muss. Andererseits war dies auch ein (im ständigen Geldmangel begründetes) beliebtes Motiv bei TOS und TNG und es bleibt den Designern zugute zu halten, dass sich die unterschiedlichen Missionsprofile der Schiffe in farblich unterschiedlichen Außenhüllenstreifen ausdrücken.
Der Name Durango hingegen ist eine überaus deutliche Anlehnung an den Charakter Deanna Trois aus "Eine Handvoll Datas", aber in einem Universum, in dem der Begriff "Darmok" siebenundvierzig verschiedene Bedeutungen in den Sprachen nur eines Sektors haben kann, bleibt auch das im Bereich des Möglichen. Zudem scheint Mariner den Rang "Lieutenant Junior Grade" zu überspringen, obgleich dies auch als visuelle Entscheidung oder als Absage an diesen Zwischenrang nach "Star Trek Nemesis" gewertet werden kann (dagegen spricht allerdings, dass O'Connor diesen Rang trägt). Zudem hatte ich inständig gehofft, dass Laubbläser in einer entwickelten Zukunft längst der Vergangenheit angehören würden, doch ich muss gestehen, dass ich sowohl den verwendeten Sichtschutz als auch den Witz als solchen zu schätzen wusste.
Dem gegenüber steht eine ungewöhnlich hohe Zahl größerer Widersprüche.
Die Schiffsladung molekularer Flüssigkeit etwa, die wie aus Zauberhand  anorganisches Material in organisches Leben verwandeln kann, war nichts weiter als der "Genesis-Effekt" in einem neuen Mantel. Im dritten Star-Trek-Kinofilm wurde diesem erzählerischen Mittel immerhin gleich wieder ein Riegel vorgeschoben, aber hier wird er in Sternenbasen-Nähe gepackt und damit zum Teil des Kanons. Dabei ist es da nur mäßig sinnvoll aufgehoben und in der schlechten Gesellschaft von ähnlich unkreativen Handlungsabkürzungen wie Roter Materie, Augment-Wunderblut, Transwarpbeamen, dem Sporen-Antrieb und dem Anzug des Roten Engels.
Ähnliches gilt für das Holodeck und dessen "organische Abfälle". Schließlich ist das System dazu angedacht, sämtliches Material ungeachtet seiner Herkunft nach dem Ausschalten in seine Einzelteile zu zerlegen, um sie bei der nächsten Sitzung wiederzuverwenden. Hoffen wir einfach mal, dass es sich um ein anderes System handelte als noch auf der guten alten NCC-1701-D.
Daneben erläutert Captain Durango zu Beginn der Episode noch selbst die drohenden Gefahren, die mit der Verwendung eines Traktorstrahls einhergehen können, nur um kurz darauf den unsinnigsten Befehl der Sternenflottengeschichte zu geben und sein eigenes Schiff unbenutzbar zu machen. Am Ende der Folge stellt sich gar die Frage, wozu man überhaupt zwei Schiffe für diesen Einsatz benötigt hat, denn die USS Cerritos schafft es letztendlich völlig allein, das riesige Generationenschiff zum Zielort zu schleppen.
Den negativen Höhepunkt bildet allerdings die "Himmelfahrt" eines normalen Menschen namens O'Connor. Nicht, dass ich die Idee per se verurteile, aber im Hinblick auf die bisherigen Vermeidungsstrategie im Bezug auf menschliche Religion bei Star Trek hätte ich es angemessener gefunden, wenn man seiner statt einen Bajoraner, Halbklingonen oder meinetwegen sogar Vulkanier dafür verwendet hätte.
So wirkt das nunmehr kanonische Ereignis gleichermaßen albern wie esoterisch und bildet einen unnötigen Bruch mit dem in den letzten Jahren ohnehin schon schwach ausgeprägten wissenschaftlich-fundierten Rahmen der Franchise.
All diese Fälle bieten ein gutes Beispiel dafür, was in den letzten Rezensionen bereits als "Cartoon-Effekt" eingeführt wurde: Ein gezielter Bruch mit dem Kanon zum Wohle der humoristischen Unterhaltung. Obwohl das bis zu einem bestimmten Punkt in Ordnung geht, sammeln sich am Ende von "Moist Vessel" zu viele dieser Momente an. Für nur zwanzig Minuten Laufzeit wirken vier dieser "Cartoon-Effekte" (also einer alle fünf Minuten hat ja schon beinahe "Discovery"-Niveau!) ein wenig zu exzessiv und spielen grundlos jenen in die Hände, die gegen eine Kanontauglichkeit der Serie argumentieren.



Fazit.
"Moist Vessel" ist eine gut umgesetzte Folge, in der vor allem die weiblichen Charaktere der Serie das Sagen haben. Sie glänzt mit glaubwürdigen Konflikten, baut die Gegensätze zwischen dem Unterdeck und der Führungsebene aus und beeindruckt abermals durch zahlreiche Querverweise auf den offiziellen Kanon. Allerdings leistet sie sich außergewöhnlich viele Unstimmigkeiten, die das Gesamtbild am Ende dann doch stark eintrüben.

Bewertung.
Licht und Schatten.







Schluss.
Auch wenn es in Deutschland schwierig ist, die Serie "Lower Decks" legal sehen zu können, ist es beileibe nicht völlig unmöglich. Die ein oder andere Variante vermag es nämlich zu ermöglichen, Zugriff auf "CBS All Access" zu gewähren, wo die Serie (allerdings ohne deutsche Tonspur) zu sehen ist. Zwei Dinge sind dafür allerdings unabdingbar: Eine US-amerikanische Bezahlmöglichkeit (oder einen amerikanischen Freund im Besitz einer solchen) und einen VPN-Service (der z.B. in meinem Bezahl-Virenschutz Norton enthalten ist).
Wer diesen Luxus nicht genießt (und selbst wer es tut, kämpft mit einer wackeligen Verbindung und vielen Verbindungsfehlern), wird sich wohl auf längere Zeit damit abfinden müssen, diese wirklich richtig gute Serie auf absehbare Zeit nicht sehen zu können. Eine Einsicht auf Seiten von CBS um Weihnachten herum scheint im Bereich des Möglichen, aber kaum im Bereich des Wahrscheinlichen. Es ist wohl eher zu erwarten, dass "Lower Decks" (abermals ohne deutsche Tonspur) als DVD oder BluRay in den USA erscheint, bevor die Serie hierher gelangt.
Ob diese Strategie bei CBS sonderlich weitsichtig oder gar nachvollziehbar ist, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt, aber klar ist, dass das Bauernopfer eine lohnenswerte Star-Trek-Serie ist, die jeder Fan gesehen haben sollte.


Denkwürdige Zitate.

"Don't You give me that sarcastic Vulcan Salute! Beckett!!"
Carol Freeman

"If you wan to avoid conflict, why not reassign her to all the worst jobs? That way transferring would be her idea, not yours."
"Hm, Well we could reassign her to all the nastiest jobs on the ship. That way transferring her would be her idea, not mine!"
"Brilliant plan - that's why you're the captain…"
Jack Ransom und Freeman

"Anyway, let's see what I got assigned… Turbolift lubing, holodeck waste removal and scraping carbon off the carbon filter!?"
"Oohoo, those are the worst jobs on the ship! Scraping carbon off slightly harder carbon? That's Klingon prison stuff!"
Beckett Mariner und Bradward Boimler

"Ugh, people really use it for that?"
"Oh yeah, it's mostly that…"
Freeman und Ransom über Holodecks

"And that's why being a captain is a lot like vocal jazz: It's all about the notes you don't scat…"
Freeman

"You know, there's no peninsula more sensual than the Iberian…"
Jack Ransom

"Are you sure this ist he best rock for this?"
Freeman

"There you see? The rock was fine!"
"Yeah, but we could have gotten here faster…"
Mariner und Freeman

"Computer, hit it!"
"Hitting it."
Freeman und der Schiffscomputer der USS Cerritos

"The universe is balanced on the back of a giant koala! Why is he smiling? What does he know? The secret of life is… Aaaah!"
O'Connor



Weiterführende Leseliste.

Staffel 1.

01. Rezension zu "Second Contact"
02. Rezension zu  "Envoy"
03. Rezension zu "Temporal Edict"
04. Rezension zu "Moist Vessel"
05. Rezension zu "Cupid's Errant Arrow"
06. Rezension zu "Terminal Provocations"
07. Rezension zu "Much Ado About Boimler"
08. Rezension zu "Veritas"
09. Rezension zu "Crisis Point"
10. Rezension zu "No Small Parts"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Seltsame Energien"

Edit.
Nur um Gerüchten vorzubeugen: 



Samstag, 31. Oktober 2020

Turons Senf zu "Bewohner der Erde" [DIS, S3Nr03]

 


Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Bewohner der Erde", die dritte Folge der dritten Staffel von "Star Trek: Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und andere Episoden bereits gesehen hat.




Einleitung.

Nun ist es endlich soweit: Der Zuschauer erhält erstmals einen besseren Einblick in den "Brand", jener galaxisumspannenden Tragödie, die die Raumfahrt wie wir sie kennen radikal verändert hat.
Dabei hatte Star Trek im Laufe seiner mehr als fünfzigjährigen Geschichte bereits eine Menge Erfahrungen mit Katastrophen sammeln können, die in ihrer Wirkung ganz unterschiedlich ausgefallen sind.
Zum einen sind da jene - in ihrer Anzahl vergleichsweise überschaubaren - Ereignisse, die tatsächlich einen massiven Einfluss auf die gesamte Franchise hatten. In diese Kategorie würde zum Beispiel die komplette Auslöschung des Maquis fallen, die ihren Schatten von DS9 bis auf Voyager geworfen hat. Oder die romulanische Supernova, deren Schockwellen vom elften Kinofilm bis hin zu "Star Trek: Picard" einen verheerenden Einfluss ausübten. Oder die Schlacht vom Doppelstern, die aus einem Haufen untereinander verfeindeter Häuser einen formidablen Widersacher der Föderation entstehen ließ.
Auf der anderen Seite stehen hingegen all die kleinen und großen Desaster, die sich am Ende als vergleichsweise harmlos herausgestellt haben oder gar in späteren Episoden bis zur Unkenntlichkeit relativiert wurden.
Etwa die Ereignisse der TNG-Folge "Die Raumkatastrophe" , in deren holprigem Verlauf bekannt wurde, dass der Warpantrieb schwere Universumsumweltschäden verursacht, bis dieser Umstand schließlich peu a peu von den Schreibern unter den Teppich gekehrt wurde.
Oder das Ableben diverser Crewmitglieder wie Spock, Datas oder Hugh Culber, die alsbald eine erstaunliche Wiederauferstehung erleben durften.
Oder die vielen Modeerscheinungen, die sang- und klanglos wieder in der Versenkung verschwunden sind wie klingonische Bird-of-Preys, die getarnt feuern können, die revolutionären Gesellschaftsumwälzungen innerhalb der Ferengi-Allianz durch den Großen Nagus Rom oder der Zusammenbruch des klingonischen Imperiums durch die Explosion des Mondes Praxis'.
In welche Kategorie aber wird der große Dilithium-Brand in dieser weit von allen anderen Serien entfernten Zukunft fallen?




Story.

Wohin fliegt man nur, wenn man in einer weit entfernten Zukunft nach der Föderation sehen will?
Natürlich zur Erde!
Der Sitz von Föderationspräsident, Föderationsrat und Sternenflotte scheint eine logische Wahl zu sein, doch die USS Discovery und ihre Besatzung treffen im Herzen des Sektors 001 angekommen zu ihrer Überraschung auf eine feindselige, territoriale und xenophobe Welt, die sich in ihrer Isolation sichtlich wohl fühlt.
Statt mit offenen Armen werden sie von einer Verteidigungsflotte empfangen und schnell wird klar, dass die einstige Heimat vieler Crewmitglieder kaum mehr etwas mit jenem Planeten gemein hat, den sie dereinst zum Wohle der Galaxis verlassen haben. Als auch noch eine berüchtigte Gang räuberischer Weltraumganoven die Discovery im Erdorbit stellt, gerät das Schiff zwischen die Fronten und muss sich auf altbekannte Werte stützen, um schadlos aus der verfahrenen Situation zu gelangen…



Lobenswerte Aspekte.

Folgenanlage.

Jonathan Frakes ist zurück auf dem Regiestuhl! Mit sanfter, aber bestimmter Hand setzt der frühere Darsteller William Rikers den zarten Aufwärtstrend fort und trägt die Verantwortung für eine Folge, die sich absolut sehen lassen kann. Es gibt deutlich weniger Lens Flares, aber deutlich mehr Dialoge. Und auch wenn es - von der oberkörperfreien Kampfsimulation zu Beginn der Folge einmal abgesehen - keine sinnfreie Action gibt, weiß sie doch eine gewisse Grundspannung zu erzeugen.
Das wichtigste Gepäckstück ist jedoch jener traditionsreiche Star-Trek-Ansatz, den Frakes mit bescheidenen visuellen Mitteln spektakulär umzusetzen versteht: Der Fokus der Episode liegt nämlich darin, alle Parteien dazu zu bringen, miteinander zu reden, Kompromisse zu finden und sich in das Leiden anderer hineinversetzen zu können.
Gepaart findet sich diese nostalgisch anmutende Rückbesinnung auf alte Werte mit erstaunlich offenen zeitgenössischen Tönen, denn der kurzsichtige Isolationismus der Erde erinnert unverhohlen an ähnliche tagesaktuelle Strömungen wie den Brexit oder die egoistische internationale Bündnis-Politik Donald Trumps.
Zudem knüpft "Bewohner der Erde" zahlreiche Fäden, an denen sich zukünftige Folgen aufhängen,  anknoten und fortspinnen können: So befindet sich Burnhams Mutter nicht auf Terralysium, die psychischen Folgen der Reise durch die Zeit verlangen der Mannschaft ihren Tribut ab und Michael Burnham hat nach ihrem unfreiwilligen Sabbatical noch arge Anpassungsschwierigkeiten. Vor allem aber das Rätsel um den momentanen Wirkungsort von Föderation und Sternenflotte wird sich in den kommenden Wochen der Suche nach dem Heiligen Gral gleich zum Hauptmotiv entwickeln.
Als wäre das nicht genug, zaubert die Episode auch noch ein längst verhungert geglaubtes Kaninchen aus dem Hut, denn nachdem die Discovery sich von einem Biotop der Mobbingwut zum Schrein des Teamgeistes entwickelt hatte, werden nun abermals sorgfältig zahlreiche Konflikte (z.B. zwischen Tilly und Adira, Book und Georgiou oder Saru und Burnham) angebahnt, von denen interne Serienentwicklungen in Zukunft profitieren können.
Kurzum: Frakes stellt mit "Bewohner der Erde" aufs Neue lebhaft unter Beweis, warum er mit bald siebzig Jahren trotzdem noch lange nicht zum alten Eisen gehört und doch auch durchaus in der Lage ist, auch moderne Star-Trek-Serien von seiner Erfahrung profitieren zu lassen.
Was aber im Umkehrschluss noch lange nicht heißen muss, dass es nichts zu beanstanden gäbe. So fühlt sich die Erzählgeschwindigkeit ungleichmäßig an, während einige Szenen inhaltlich unausgegoren (z.B. Tillys Treffen mit Michael Burnham, Georgious Unterredung mit Book oder der Baumbesuch der Nebendarsteller) wirken. Vor allem aber fällt die Beteiligung der einzelnen Charaktere an den verschiedenen Szenen recht unterschiedlich aus.



Besetzung.
Im Prinzip gibt es vier Darsteller, deren Auftritte in Hinblick auf die ihnen zur Verfügung stehende Screentime, den von ihnen getragenen Dialoganteil oder ihrem Gewicht für die Handlung eine Sonderstellung zukommt.
Allen voran natürlich Sonequa Martin-Green als Michael Burnham. Nachdem ihr letzte Woche der schwarze Peter zufiel, die Ausrichtung einer ganzen Episode allein durch ihr Auftauchen unmittelbar vor dem Abspann komplett in Frage zu stellen, bietet sich nun ein völlig anderes Bild und man muss schon sehr oberflächlich in seinen Betrachtungen sein, um ihr pauschal einen weiteren Rückfall in alte Verhaltensmuster zu unterstellen. Klar kann man monieren, dass sie abermals nah am Wasser gebaut ist, aber nach einem Jahr der Ungewissheit und Einsamkeit darf sie beim Wiedersehen mit ihren Kameraden ruhig Emotionen zeigen. Sie tritt das Kapitänsamt - wenn auch mit reichlich Pathos unterfüttert - freiwillig an den würdevollen Saru ab, ohne ein Drama daraus zu machen. Und natürlich rettet sie den Tag, aber es bleibt den Autoren zugutezuhalten, dass sie es dieses Mal immerhin nicht allein tut, sondern mit ihrem neuen Sidekick Book. Ganz generell bleibt festzuhalten, dass dieses Selbstfindungsjahr in Begleitung des charismatischen Katzenhalters ihr charakterlich gutgetan hat. Sie zeigt eine breitere Emotionspalette, die von albern über abgebrüht bis rücksichtslos reichen darf und in deren Rahmen es erlaubt ist, sogar mehr als einmal pro Folge zu lächeln und glücklich zu sein.
David Ajala erzeugt in der Rolle des Cleveland "Book" Bookers eine tolle Chemie mit einer durch seine Anwesenheit deutlich wesensveränderten Michael Burnham. Er macht den ersten Offizier der Discovery schlichtweg besser und man muss nicht von den zuweilen recht plumpen Wortwechseln mit der Nase darauf gestoßen werden, dass er der Schlüssel zu ihrem neu gefundenen Frohsinn ist. Den von beiden erwähnten, gemeinsamen Abenteuern hätte zwar ein wenig mehr Raum (z.B. in Form von Rückblicken) zuteilwerden können, aber auch in diesem Fall können kommende Folgen diese Lücke sicherlich füllen, denn die Trennung der beiden dürfte aller Voraussicht nach bestenfalls ein Abschied auf Zeit gewesen sein.
In diesem Zusammenhang bleibt jene Szene bemerkenswert, in der beide Charaktere sich nicht hauptsächlich aus- sondern anziehen durften. Dieses gemeinschaftliche Anlegen einer Uniform hat sexuelle Spannungen jedenfalls erstaunlicherweise deutlicher ausgedrückt als alles Zeigen nackter Haut und schon allein das stellt deutlich unter Beweis, über welche Qualitäten die beteiligten Schauspieler und ihr Regisseur zweifellos verfügen.
Neben diesen beiden verdient wiederum Saru eine gesonderte Erwähnung. Der Einfluss Christopher Pikes auf den ernsten Kelpianer bleibt noch immer spürbar, und nun geht Doug Jones' Charakter auch ganz offiziell als erster Alien-Captain einer Star-Trek-Show in die Geschichtsbücher der Franchise ein. Im Zuge seiner Inthronisierung wählt er auffallend richtungsweisende Worte, die wohl als Versprechen an den Rest dieser Staffel gewertet werden können (vgl. Denkwürdige Zitate), während das Teleskop in seinem Bereitschaftsraum zeitgleich für die Rückkehr altbekannter Konflikte steht.
Nicht minder erwähnenswert ist der Auftritt Blu del Barrios Auftritt als Adira. Manch einem mag - nicht ganz zu Unrecht - ein Wesley-Crusher-Angstschauer den Rücken hinablaufen, aber die Anfeindungen, denen sich die nicht-binäre Darstellerin ausgesetzt sieht, sind völlig unverständlich.
Schließlich waren bei den Trill durch ihre Wechselbeziehung mit den Symbionten Geschlechtergrenzen stets fließend und eine derartige Einfühlsamkeit dem Kanon gegenüber hätte ich mir bei Discovery an anderen Stellen schon viel früher gewünscht. Denn diese Rücksichtnahme hört an dieser Stelle nicht auf! Die Wahl eines Menschen als Träger eines Symbionten ist im Hinblick auf die isolierte Erde ebenfalls nachvollziehbar, zumal die medizinischen Probleme bei einer solchen Prozedur in einer neunhundert Jahre entfernten Zukunft minimiert sein dürften. Dass die Transplantation dennoch nicht ohne Probleme verläuft, glaube ich einem Regisseur, der selbst einmal einen menschlichen Wirt verkörpert hat, ohne Umschweife und ich bin mir sicher, dass sich auch hier weitere Anknüpfungspunkte ergeben werden. Zudem kann das neue Crewmitglied dem "Museumsschiff" beim überfälligen Upgrade der Bordsysteme fraglos von Nutzen sein.



Abseits dieser vier Leuchttürme liegt vor allem Brachland, denn das Potential der restlichen Darsteller kommt kaum zur Geltung.
Das Ende der Folge verleiht dem Handeln von Paul Stamets (Anthony Rapp) zwar nachträglich eine gewisse Legitimität aber dass sich der Rest der Crew eine solche Mühe macht, der Geheimniskrämerei Sarus zu folgen, während er bereitwillig einem völlig unbekannten Teenager sensible Informationen zuträgt, zerrt arg am ohnehin recht dünnen Glaubwürdigkeitskostüm. Ähnlich verhält es sich mit dem Umstand, dass all die Wehwehchen des Vortages bereits völlig vergessen scheinen.
Auch Sylvia Tilly stagniert irgendwo zwischen blass und albern und einige der Szenen wecken sogar den Eindruck, dass sie allein deswegen eingefügt wurden, um nicht völlig auf einen Auftritt Mary Wisemans zu verzichten. Dabei ist ihre an sich gut gemeinte Unterredung mit Michael Burnham besonders misslungen. Zum einen wird die Darstellerin ein weiteres Mal zur Zielscheibe eines Witzes, der sich in flacher Weise um das Essen dreht ("Kuchen wird es ewig geben."), während ihr pflichtvergessener Zusammenbruch aufgrund von Zeitreisestress an sich nachvollziehbar sein mag, in seiner Ausführung jedoch zu sehr an die aufgetaute Hausfrau Clare Raymond in "Die Neutrale Zone" erinnerte.
Ähnlich verhält es sich mit Philippa Georgiou. Michelle Yeoh wirkt fast wie ein Fremdkörper, dessen Nische an Bord nunmehr durch Burnham oder Book neu besetzt wurde. Auch ihr Einbezug bleibt bemüht und lässt sich auf einige mäßig flotte Sprüche und einen Tritt in Richtung Wen reduzieren, während sie eigentlich nur in Lohn und Brot gehalten wird, bis die neue Sektion-31-Serie endgültig in Sack und Tüten ist.
Den Rest der Besatzung kann man sogar noch schneller abhandeln. Immerhin darf Detmer (Emily Coutts) ihre Probleme aus der letzten Folge noch einmal leicht andeuten, aber darüber hinaus haben auffallend viele Darsteller auffallend wenig zu tun. Der gemeinsame Abstecher zum Akademiebaum war beispielsweise nett gemeint, aber darstellerisch bestenfalls mäßig herausfordernd. Einige Charaktere wie Jett Reno, Hugh Culber oder Nhan tauchen gar nicht erst auf und weder Tig Notaro noch Rachael Ancheril werden überhaupt im Vorspann erwähnt (im Gegensatz zu den zwanzig [!] Personen mit dem Rang eines Produzenten).
Gleiches gilt auch für die beiden hochkarätigen Gastdarsteller Phumzile Sitole und Christopher Heyerdahl, die sowohl Ndoye als auch Wen überzeugend spielen, aber keineswegs sonderlich komplexe Rollen ergattern konnten.


Kritikwürdige Aspekte.

Kanonbrüche und Logiklöcher.
Es mutet ein wenig merkwürdig an, wenn man der Folge eine gewissen Schlüssigkeit und eine relative Kanontreue zubilligt, nur um dann die Einschränkung "für Discovery-Verhältnisse" hinterherschieben zu müssen. Denn interne Logik und eine konsequente Beachtung des Kanons zählen auch in der dritten Staffel noch immer zu den großen Schwachpunkten der Serie.  
Selbstverständlich gibt es einige nette Kanonbezüge. Die Erwähnung des Donatu-Systems etwa. Oder der recht geschickt eingebaute Umstand, dass die Nahrungsreplikatoren nur Synthehol produzieren [In einem Facebook-Post wies mich das Euderion-Mitglied und Podcast-Betreiber Chief Reynolds zu Recht darauf hin, dass Synthehol laut Datas Ausführungen in "Besuch von der alten Enterprise" während der TOS-Ära noch nicht bekannt war]. Oder der Campus der Sternenflottenakademie, den man in seiner ganzen Pracht bewundern darf.
Dem gegenüber stehen jedoch zahlreiche Ungereimtheiten.
Manche von ihnen sind vergleichsweise harmlos.
Die Verwendung des Dot-7-Reperaturroboters zum Beispiel, der sich zwar an den Short Trek "Ephraim and Dot" anlehnt, aber am Ende des Tages arg in den Territorien von "Wall-E" oder "Star Wars" wildert.
Oder die mit vierzehn Jahren recht früh angesetzte Transplantation des Trill-Symbionten in den Körper Adiras, der ethisch zumindest arg fragwürdig ist.
Oder das hohe Alter des Laubbaums, den Tilly und ihre Lower-Decks-Kameraden in ihrem kurzen Landurlaub besuchen. Aber in einer Zukunft, in der man Trill-Symbionten mit Menschen kombinieren kann, ist es ebenso denkbar, auch die Lebenserwartung von Pflanzen zu erhöhen.
In diesem Fall hätte ich mir nur  gewünscht, irgendwo die Initialen "A.F." in die Rinde geritzt zu finden und ich wäre in Jubelarien ausgebrochen.
Aber neben diesen eher vernachlässigungswürdigen Kritikpunkten stellen sich auch einige andere Fragen, deren Beantwortung die Serie wohl schuldig bleiben wird.
So verwundert den erfahrenen Star-Trek-Zuschauer die andauernde Verwendung der achthundert Jahre alten Quantentorpedotechnologie. Vor allem, weil sie allem Fortschritt zum Trotz noch viel mehr Zeit zum Laden benötigt als noch während der Dominion-Kriege. Dass die ach so fortschrittlichen Erdstreitkräfte ferner nicht einmal über Sensoren verfügen, die bis zum sechsten Planeten des eigenen Sonnensystems zu reichen scheinen, stellt den technologischen Entwicklungsstand zusätzlich in Frage.
Aber da liegt ein genereller Missstand, denn wie in beiden vorherigen Folgen auch hinkt die Darstellung der Zukunft den eigenen Ansprüchen hinterher. Die explodierende Flotte, die Ansichten San Franciscos und selbst der vermeintlich hoch entwickelte planetare Schutzschild (der in Wahrheit eher an sein angeblich 'veraltetes' Gegenstück auf Vashti angelehnt ist) spotten der Idee futuristischer Entfaltung.
Inhaltlich findet dieser Gedanke seine Fortsetzung in der schieren Dummheit des Inspektionsteams, das nicht einmal im Ansatz darüber nachzudenken scheint, die Datenbanken des Eindringlings zu überprüfen.
Am schwersten wiegt aber noch immer die Vielzahl an Wiedersprüchen, wenn es sich um Dilithium, den "Brand" oder die Auswirkungen dieser Katastrophe dreht.
So ist die riesige Menge an Dilithium an Bord der USS Discovery beinahe mit der eines Frachttransportes vergleichbar. Bedenkt man, dass die Crew bereits in der letzten Folge einiges davon an die Minenarbeiter abgegeben hatte, wirkt es im Hinblick auf das reichhaltige Kristall-Arsenal ziemlich unprofessionell, dass in der Originalserie Folgen wie "Die Frauen des Mr. Mudd" oder "Brautschiff Enterprise" von argen Problemen berichteten, weil die knappen Vorräte des seltenen Minerals an Bord der Enterprise schnell verbraucht waren. Aber vielleicht war Montgomery Scott einfach nicht so ein fähiger Ingenieur wie Jett Reno oder Paul Stamets…
Der große "Brand" bleibt allerdings auch mit den thematischen Ausführungen Burnhams so schwach erklärt wie zuvor, auch wenn immerhin "Alternativen" erwähnt werden, die angeblich nicht funktioniert haben sollen. Hier trifft Stamets' Kommentar "Das kann ich mir kaum vorstellen, nichts könnte alles Dilithium auf einmal befallen…" unbeabsichtigt genau ins Schwarze, auch wenn ein flotter Spruch Georgious erfolglos versucht, diesen kurzen Moment der Klarheit durch Flapsigkeit herunterzuspielen.
Zudem wird mehr und mehr klar, dass der "Brand" und die Wirkenszeit Crewman Daniels noch immer gefährlich eng beieinander liegen und stets dann Gefahr laufen sich zu überlappen, wenn in einer Folge wie dieser hundert Jahre zurückgeblickt wird. Wahrscheinlich wären siebzig Jahre weiter in der Zukunft günstiger gewesen, denn dieser Zeitpunkt hätte nicht nur die tausend Jahre rund gemacht, sondern auch entsprechende Gefahren kleingehalten.
Zu guter Letzt bleibt zu bemerken, dass die Flotte, der wir zu Beginn der Folge dabei zusehen können, wie sie im Zuge des "Brands" in Flammen aufgeht, keineswegs mit Warpgeschwindigkeit fliegt. Insofern bleibt Sarus improvisierte Ausrede, anno dazumal gerade nicht mit Überlichtgeschwindigkeit geflogen zu sein trotz anerkennender Blicke durch Burnham nicht sonderlich glaubwürdig. Immerhin ist hier die deutsche Übersetzung unfreiwillig gründlicher als das englischsprachige Original und behauptet stattdessen in ungleich glaubwürdigerer Formulierung, dass der Warpantrieb 'inaktiv' gewesen sei…


Synchronisation.

Davon ab bleibt die deutsche Synchronisation dabei, den Spagat zwischen Siezen und Duzen aufrecht zu erhalten. Das gelingt allerdings nur leidlich, denn gleich zu Beginn passt die Höflichkeitsform überhaupt nicht zum freundschaftlich-intimen Ton, mit dem Michael Burnham ihre Crewmitgliedern anspricht. Natürlich könnte man auf den Respekt pochen, den ein Commander hier seiner Mannschaft gegenüber erhalten will, aber weder inhaltlich noch emotional mag das steife 'Sie' in diesem Fall angemessen erscheinen. Ganz besonders, wenn Burnham und Tilly sich wenig später durchgehend duzen, wirkt es doch arg befremdlich, dass der erste Offizier dieses Privileg allen anderen, die ihre Familien und ihre bisherige Existenz für sie aufgegeben haben, zugunsten vermeintlicher Autorität vorenthält.
Ansonsten ist die Übertragung ins Deutsch recht gut gelungen, zumal beispielsweise "honeybird pie" mit einem "selbstgebackenen Bananenkuchen" noch recht nah am Grundrezept zusammengemischt wurde.


Fazit.
Mit Jonathan Frakes am Steuer gelingt es, den positiven Schwung der letzten Episode zu nutzen und mit "Bewohner der Erde" eine stabile Folge in bester Star-Trek-Tradition abzuliefern, die sich gleichermaßen moralisch und tagesaktuell anfühlt, ohne dabei auf "Discovery"-typische Elemente wie schwelende Konflikte, vielseitige Anknüpfungspunkte oder unnötige Logiklöcher zu verzichten. Michael Burnham profitiert von der Zusammenarbeit mit Book, während Saru als erster außerirdischer Sternenflotten-Captain einer Star-Trek-Serie in die Star-Trek-Annalen eingeht. Der Rest der Mannschaft bleibt - wenn man vom Neuzugang Adira einmal absieht - jedoch weit hinter den eigenen Möglichkeiten zurück.
 
Bewertung.
Ein Schritt in die richtige Richtung.







Schluss.
Auch wenn man als Zuschauer etwas mehr über den "Brand" erfahren durfte, so ist man doch noch immer Lichtjahre davon entfernt, genauere Aussagen über dieses Ereignis treffen zu können, dessen Auswirkungen diese Zukunft so maßgeblich gestaltet haben. Allerdings verdichten sich die Anzeichen, dass dieser recht ungewöhnliche Einschnitt nicht-natürlichen Ursprungs sein könnte und in dieser Staffel noch ausführlicher thematisiert werden dürfte. Eine Variante, in der Michael Burnham diesen tragischen Vorfall ungeschehen macht, scheint im Hinblick auf die bisherige Vorgehensweise im Autorenkollektiv nicht unbedingt abwegig.
So könnte die Idee gar eine dritte Art von Katastrophe darstellen: Jene, die eigentlich nie passiert ist. Auch in diesem Fall gibt es zahlreiche Star-Trek-Präzedenzfälle, wie man anhand von Folgen wie "Dämmerung", "Die alte Enterprise" oder "Ein Jahr Hölle" deutlich sehen kann.
Da der Ausflug der Discovery in eine weit entfernte Zukunft aber vorrangig einem Neustart ohne die bedrückende Last des Kanons dient, bleiben alle drei Szenarien im Bereich des Möglichen.
Egal aber, in welcher Kategorie der "Brand" letzten Endes wirklich einzuordnen ist, eines würde ich mir an dieser Stelle dann doch wünschen: Dass es nicht völlig mit dem brechen wird, was man mit Star Trek verbindet.
J.J. Abrams hatte sich - um seinem 2009 erschienen Kinofilm mit einem Knalleffekt beginnen zu lassen - für die Zerstörung Vulkans entschieden und damit dieser alternativen Zeitlinie eines wichtigen Star-Trek-Bausteines mit hohem Wiedererkennungswert beraubt. Solcherlei Bausteine gibt es innerhalb der Franchise zuhauf und zu ihnen zählen auch der Warpantrieb, die Sternenflotte und vor allem die Vereinte Föderation der Planeten. Subtrahiert man diese Elemente jedoch aus der Gleichung heraus hat man ohne Frage etwas radikal Neues, aber auch etwas, was mit der ursprünglichen Idee nichts mehr am Hut hat.



Denkwürdige Zitate.

"Sie sind ein Captain im wahrsten Sinne des Wortes."
Michael Burnham zu Saru

"Dieses Schiff trägt den Namen Discovery. Nie war ihr Name passender, jetzt da auch wir auf Entdeckungsreise gehen. Sie hat uns in die Zukunft getragen und es ist nun unser Privileg, dafür zu sorgen, dass sie besser wird. Lassen Sie uns vereint ans Werk gehen."
Saru

"Sie sind nicht Detmer. Oder Tilly…"
"Eher würde ich mich umbringen!"
Cleveland Booker und Philippa Georgiou

"Oh, Scheiße! Hey, von der Rolle hast Du mir gar nichts erzählt!"
Book

"Ein Sichtschirm. Wie kurios."
Ndoye

"Fliegen Sie wieder weg, Sie sind hier nicht willkommen!"
Ndoye

"Warum sollte man denn etwas ersetzen, das funktionsfähig ist?"
Saru

"Ein 'Aye' genügt, wir sind keine Piraten."
Burnham

"Ich verstehe immer noch nicht. Die Erde ist nicht länger Teil der Föderation?"
"Was hätten wir davon? Wir können auf uns selbst aufpassen!"
Saru und Ndoye

"Musst Du nicht um Erlaubnis fragen?"
"Ich entschuldige mich hinterher."
Book und Burnham

"Die Zukunft wird dunkler und dunkler für Sie…"
Ndoye

"Es gibt keinen der ist wie ich."
Paul Stamets



Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil I"
02. Rezension zu "Fern der Heimat"
03. Rezension zu "Bewohner der Erde"
04. Rezension zu "Vergiss mich nicht"
05. Rezension zu "Bewährungsprobe"
06. Rezension zu "Aasgeier"
07. Rezension zu "Wiedervereinigung, Teil III"
08. Rezension zu "Das Schutzgebiet"
09. Rezension zu "Terra Firma, Teil I"
10. Rezension zu "Terra Firma, Teil II"
11. Rezension zu "Sukal"
12. Rezension zu "Es gibt Gezeiten..."

Staffel 2.

01. Rezension zu "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Turons Senf zu "Temporal Edict" [LD, S1Nr03]


Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Temporal Edict", die dritte Folge der ersten Staffel "Lower Decks" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und andere Folgen bereits gesehen hat.



Einleitung.
Der berühmteste Satz der Star-Trek-Geschichte lautet "Beam me up, Scotty!", obwohl er in dieser Form noch nie zu hören war (immerhin fiel in Star Trek IV ein umgekehrtes "Scotty, beam me up!").
Dieser kleine Fakt aus dem Nähkästchen des allgemeinen Nerdgrundlagenwissens steht an dieser Stelle beispielhaft für die vielen Anekdoten um die Franchise, die in ihrer mehr als fünfzigjährigen Geschichte eine Vielzahl anderer und ähnlicher popkultureller Erscheinungen bewirkte: Seither schmücken sich auch Nicht-Trekkies mit dem vulkanischen Gruß, teilen Memes mit der Picard-Facepalm oder nutzen eine entstellte Kirk-Maske aus einem völlig anderen Film.
Neben diesen weit verbreiteten Bezügen gibt es natürlich noch spezielleres Insider-Material, das eher den zahlreichen Star-Trek-Anhängern vorbehalten bleibt: Die dem Tode geweihten Redshirts, die merkwürdige Art mit der sich Riker auf Stühle setzt oder die ausgefallene Haartracht der starrköpfigen Kapitänin Janeway.
Obwohl sich also bereits ein wahrer Sturzbach entsprechender fankultureller Themenblöcke angesammelt hat, versickert er doch erschreckend ungenutzt im Nichts, denn kaum eine neuere Star-Trek-Serie scheint gewillt, ihn in seine Richtung zu lenken. Zu groß mutet wohl die Gefahr an, in den unbarmherzigen Strudel von Unselbständigkeit, Seriositätsverlust oder Ideenlosigkeit zu gelangen, so dass diese kleinen Spitzen bislang bestenfalls in Fanforen, auf kleinen Star-Trek-Blogs oder bei "The Orville" thematisiert wurden. Doch nun schickt sich eine wirklich aufsehenerregende Star-Trek-Serie an, diesen Missstand zu beheben. Aber ist das noch Star Trek, wenn es sich in dieser Form über die eigene Franchise erhebt und dabei rücksichtslos ins Lächerliche zieht, worüber man als Fan geflissentlich hinwegsieht?

 
Story.
An Bord der USS Cerritos bricht absolute Panik aus: In einem Anflug von Geltungssucht hat Captain Carol Freeman der "Pufferzeit" – jener 'kreativen Arbeitszeitbestimmungstradition', die auf dem Unterdeck Gang und Gäbe ist – den Krieg erklärt und der gesamten Mannschaft ein strenges Zeitprotokoll auferlegt, dass das Bordleben von einem Moment auf den anderen völlig aus der Bahn wirft. Kaum einer schafft mehr sein Arbeitspensum zeitgerecht zu verrichten, die benötigte Sorgfalt walten zu lassen oder irgendwelchen anderen Pflichten nachzukommen.
Nur eine Person scheint völlig unbeeindruckt zu sein: Bradward Boimler hat keine Probleme damit, die ihm zugeteilten Aufträge fristgerecht zu erfüllen und fordert sogar noch Zusatzaufgaben an.
Doch die Situation auf der Cerritos eskaliert endgültig, als ein scheinbar harmloser diplomatischer Außenteameinsatz aus dem Ruder läuft, in dessen Folge die verärgerten Eingeborenen das Schiff entern und vollends ins Chaos stürzen…


Lobenswerte Aspekte.

Kanonfutter.
Natürlich ist es nach dem wahren Feuerwerk der letzten Episoden bedeutend schwerer, das gleiche rasante Tempo ohne den üblichen Reibungsverlust wiederaufzunehmen, aber man kann "Temporal Edict" keineswegs vorwerfen, es nicht wenigstens zu versuchen.
Vor allem die Sternenflottenlegenden Data und James T. Kirk scheinen einen besonderen Einfluss auf diese Folge ausgeübt zu haben.
So sieht man Boimler dem Soong-Androiden gleich in den ersten paar Sekunden anmutig die Geige spielen, hört ihn im Turbolift das Star-Trek-Thema aus dem ersten Kinofilm (bzw. das Intro für TNG) summen und beim Reinigen der Kalibrierungsmatrix einen Lied singen, das wohl nicht ganz zufällig in seiner Form an den "Lebensformen"-Gassenhauer aus dem siebenten Kinofilm erinnert. Neben Boimlers vergleichsweise subtilen Anwandlungen fällt vor allem dem ersten Offizier Jack Ransom ('Commander Obvious') das Los zu, diese Entwicklung mit einer unverhohlenen Offensichtlichkeit zu krönen, indem er sich in einer grandiosen Kirk-Anleihe die Uniform vom gestählten Leib reißt, nur um kurz darauf zu den Klängen von "Weltraumfieber" bestes "Kirk Fu" in Reinform unter Beweis zu stellen. Es wirkt jedenfalls nicht sonderlich überraschend, dass Beckett Mariner in einem bemerkenswerten Lupfer über die vierte Wand offen die Frage in den Raum wirft, ob sie sich an Kirks Stelle in der TOS-Ära befinden würde (zumal diese steile These mit überaus eindeutigen inhaltlichen Elementen aus "Ganz neue Dimensionen", "Notlandung auf Galileo 7", "Meister der Sklaven" oder "Seit es Menschen gibt" untermauert wird).
Es gibt zwar auch einige verhältnismäßig zusammenhangslos in den Raum geworfene Erwähnungen von Cardassia Prime, horntragenden Gorillas, lebendigem Teer oder bewusstseinsverändernden Sporen (um nur einige zu nennen) aber der Star dieser Folge sind die Meta-Trek-Verweise, die den ganz besonderen Reiz der Folge ausmachen.
Schon kleine Fragen wie die, wie viele Decks das Schiff haben könnte, spielen auf umstrittene Angaben zur Größe der Enterprise in "Star Trek V – Am Rande des Universums" oder "Star Trek Nemesis" an und auch die Idee, die Handlungen eines fremden Volkes allein mit Überredungskraft verändern zu können, bezieht sich auf einen typischen Topos, der bei TOS genauso wie in TNG, DS9 oder Voyager überstrapaziert wurde.
Vor allem der Bierernst des starren Sternenflotten-Habitus' wird gekonnt auf die Schippe genommen, indem unentwegt unbedingte Protokollhörigkeit, absolute Pflichterfüllung oder rigide Bekleidungsvorschriften derart auf die Spitze getrieben werden, dass sie sich zu einem komödiantischen Höhepunkt entwickeln.
Der größte Clou bleibt dahingehend letztendlich die geschickt in Szene gesetzte "Buffer Time", die – ohne den Begriff zu verwenden - bereits im dritten Kinofilm, der TNG-Folge "Besuch von der alten Enterprise" und nicht zuletzt von Michael Mittermaier als fester Bestandteil der Star-Trek-Folklore etabliert wurde: Die Eigenart, die Reparaturzeiten deutlich länger anzusetzen als sie am Ende tatsächlich dauern würden. Dass man aus diesem scherzhaft in die Welt gesetzten Mythos eine ganze Folge stricken kann, die in ihren Parametern auch noch richtig gut funktioniert, hätte sich wohl nicht einmal der Star-Trek-Erfinder Gene Roddenberry (der mit einer Erwähnung der "großen Vögel der Galaxis" stilvoll bedacht wird) träumen lassen, aber man muss den Drehbuchautoren an dieser Stelle anerkennungsvoll zugestehen, dass ihnen dieses Kunststück mit Bravour gelungen ist. Sie setzen mit dem Spiel um die Star-Trek-eigenen Makel die Messlatte für folgende Episoden hoch an und beweisen stilvoll, dass die Franchise gehaltvoll genug ist, um sich mit ihrem reichhaltigen Kanon auf mehr als nur eine Weise auseinanderzusetzen.


Folgenanlage.
Es ist immer wieder beeindruckend, wie viel Inhalt in eine knapp zwanzigminütige Folge passt, wenn man sich wirklich Mühe gibt. Wo andere Serien sich in Zweikämpfen, Special Effects, Logiklöchern oder bedeutungsschwangeren Dialogen verheddern, kommt "Lower Decks" im direkten Vergleich deutlich schneller auf den Punkt, ohne dabei inhaltliche Abstriche machen zu müssen. Trotz der beschränkten Zeit gibt es gleich zwei denkwürdige Moralpredigten in bester Star-Trek-Tradition zu hören:
Zum einen wirkt Bradward Boimler positiv auf den Captain der Cerritos ein und inspiriert sie in selbstloser Weise zum Umdenken. Währenddessen versucht Mariner Beckett das Gleiche erfolglos mit dem ersten Offizier des Schiffs, der ihre Bemühungen aber mit einer herrlich unkonventionellen Lösung konterkariert. In diesem Zusammenhang bleibt bemerkenswert, was für eine tolle Chemie zwischen beiden Außenteammitgliedern herrscht. Mehr noch; man kann sogar soweit gehen, den Auseinandersetzungen der beiden unverkennbar sexuelle Spannungen zu unterstellen. Diese dienen vorrangig dazu, den gängigen Verdacht abzuwehren, dass es sich bei den animierten "Lower Decks" zwangsweise auch gleich um eine Kinderserie handeln muss, obgleich es im Hinblick auf diesen bemühten Gegenbeweis ein wenig schizophren anmutet, wenn man einerseits Mariner und Ransom dabei zuhört, wie sie ihrem Gegenüber hinter dessen Rücken eine gewisse Anziehungskraft zugestehen, während an anderer Stelle das recht harmlose Wort "Bullshit" zensiert wird (während das Wort im achten und elften Kinofilm oder bei "Star Trek: Discovery" problemlos zu hören war). Aber dieser scheinbare Widerspruch liegt wohl eher in der USA-amerikanischen Gesellschaft begründet als in der internen Logik der Folge.
Die generelle Handlung dient in erster Linie dazu, über diesen Gegensatz die unterschiedlichen Charaktere von Mariner und Boimler herauszukehren (D'Vana Tendi und Samanthan Rutherford gehen in dieser Folge eher unter), was im Rahmen der Möglichkeiten auch auf nachvollziehbare Weise gelingt.
Doch die guten Zutaten halten sich leider nicht immer die Waage. Während die Außenmission auf Gelrak und die Konzentration auf die "Pufferzeit" neue Maßstäbe setzen, hinkt ein anderer Aspekt dem neuen Standard deutlich hinterher: Die vergleichsweise schwachen "Aliens der Woche", die nicht mit der hohen Qualität der restlichen Handlungselemente Schritt zu halten vermögen (vgl. dazu Kanonbrüche und Logiklöcher).


Kritikwürdiger Aspekt.

Kanonbrüche und Logiklöcher.
Die Gelrakianer sind aus keinem sonderlich harten Holz geschnitzt: Sie kämpfen mit mäßig futuristischen Energie-Speeren (die selbst die Energiepeitschen der Ferengi im direkten Vergleich aufwerten), verursachen mit uninspirierten Graffiti Sachbeschädigungen mit geringer Halbwertzeit und haben eine merkwürdige Fixierung auf Kristalle (deren fragwürdiger humoristischer Gewinn darin liegt, dass ihre Erzfeinde 'Holz' verehren, das im Englischen immerhin eine sexuelle Konnotation bietet).
Die halbstarken Rabauken taugen nur bedingt zum Gegner der Episode und sind ein gutes Beispiel für den "Cartoon-Effekt", der die Glaubwürdigkeit der Spezies in einen starken Kontrast mit anderen Völkern der Star-Trek-Geschichte setzt. Aber andererseits ist die Franchise stark genug, Ligonianer, Edo oder Nazi-Ekosianer zu tragen, weswegen dieser Kritikpunkt am Ende auch einfach darauf reduziert werden kann, dass diese Zivilisation vorrangig für billige Lacher erschaffen wurde und damit in einem unnötigen Kontrast zum äußerst durchdachten Rest der Folge stehen.
Mein Lieblingswitz aus "Temporal Edict" zeigt sich übrigens erst in den letzten Sekunden vor dem Abspann, als in einer weit entfernte Zukunft endlich einmal ausgesprochen wird, was viele Fans ohnehin längst wissen:
Miles Edward O'Brien ist die wichtigste Person der Sternenflottengeschichte!
Allerdings wirft die Erwähnung im Zusammenhang mit dem Grundthema der Serie eine spannende Frage auf: Wenn man als Fähnrich an Bord von Sternenflottenschiffen Mitglied der untersten Kaste der Hierarchie ist und sogar auf dem Flur schlafen muss; welchen Status haben dann die Unteroffiziersränge? Blicken Mariner und Boimler auf sie herab? Und wo verbringen sie die Nacht?
Ich hoffe, dass sich die Serie dieser spannenden Fragen früher oder später noch annehmen wird…


Fazit.
Obwohl "Temporal Edict" nicht in Gänze die Dynamik der vorangegangenen Folge erreicht, bleibt sie eine außergewöhnliche Episode, vor allem, weil sie es versteht, unglaubwürdige Kanon-Referenzen auf eine bislang unbekannte Meta-Ebene zu hieven. Es gelingt ihr zudem erfolgreich, die unterschiedlichen Charaktere Mariners und Boimlers zu beleuchten und in ihrer kurzen Laufzeit beste Star-Trek-Unterhaltung zu bieten. Allein die schwachen Antagonisten kratzen mit ihren primitiven Kristallwaffen ein wenig am Gesamteindruck, aber der clevere Einsatz von "Buffer Time" bleibt ein Meilenstein der Franchise.

Bewertung.
Glanzarbeit mit Kratzern.






Schluss
.
Für Fans die geglaubt haben, bereits alles an Star-Trek-gesehen zu haben, ist "Lower Decks" eigentlich ein gefundenes Fressen, denn die Serie spielt auf liebevolle Art und Weise mit all jenen plakativen Themen, erzählerischen Fettnäpfchen oder logischen Problemen, mit denen man seit Anbeginn seines Fandaseins konfrontiert wurde – ob nun bewusst oder unterbewusst.
Der dieser Tage zuweilen aufgeworfene Vorwurf, dass die Serie ihre Vorbilder dadurch herabsetzen würde, dass sie sich über deren Unzulänglichkeiten lustig macht, ist in diesem Zusammenhang ebenso haltlos wie verfehlt.
All diese kleinen Fehler, Ungereimtheiten und stereotypen Muster sind nämlich bis heute etwas, was aktiv dazu beiträgt, die Franchise zu einem Popkulturphänomen und zu etwas Besonderem zu machen, weswegen es absolut legitim ist, diese Ecken und Kanten auf humoristische Art und Weise zu verarbeiten. Um an dieser Stelle mal einen sehr weltlichen Vergleich zu bemühen: Wenn man bei einem Ausflug mit guten Freunden zum zweiten Mal an einem grauen Regentag in die gleiche Pfütze fällt, kann man natürlich in Tränen ausbrechen und vor Selbstmitleid allen anderen den Tag verderben. Aber es gibt auch die Möglichkeit, den Moment mit Humor zu nehmen und gemeinsam mit den Begleitern über das Missgeschick zu lachen.
So – oder zumindest so ähnlich – verhält es sich auch mit "Lower Decks". Man kann sich ohne Frage von der frechen Art angegriffen fühlen, mit denen die Serie so manche liebgewonnene Eigenart seiner Star-Trek-Lieblingsserie auf die Schippe nimmt, aber man kann genauso gut auch darüber lachen und sich freuen, eines von diesen Themen, die einem selbst bereits schon des Öfteren aufgefallen sind, hier auf satirische Weise bearbeitet zu finden. Das ist ein wirklich neuer Ansatz, der seine Existenzberechtigung hat und aktiv dazu beiträgt, das Star-Trek-Universum ein wenig bunter und ausgefallener zu machen.
Als Zuschauer muss man sich nur entscheiden, was für ein Fan man sein will: Jener, der weinend in der Pfütze sitzt, um sich an der Tragik zu ergötzen oder jener, der bereit ist, die kleinen Imperfektionen des Lebens mit Heiterkeit zu verbinden.




Denkwürdige Zitate.

"Nobody respects us, because we don't demand their respect. This Ship is a joke…"
"Well then we are the funniest joke in all of Starflee…"
"Shut up, Jack! I'm sick of it!! We have to do something to prove that this crew isn't a bunch of slackers!"
Carol Freeman und Jack Ransom

"Duh, Delta shift is the worst! They think they're so much better than us, just because they are so much better than us."
D'Vana Tendi

"An away Mission is only routine until it isn't."
Ransom

"Get it together, Mariner! The captain has us on a strict timetable."
"Well, then maybe you could help instead of whatever you're doing right now."
"I am helping – I'm commanding.
"
Ransom und Beckett Mariner

"Roll down your sleeves, this isn't a barn."
Ransom zu Mariner

"Translation: 'Bark-hugging root smoochers'!? What the heck got these guys so wound up?"
Bradward Boimler

"You're a Great Captain, let them be a great crew."
"You're… right! I am a great Captain!"
Boimler and Freeman

"Hey, sorry about that whole invading your ship thing, you know, very un-crystal-like of us."
"Don't worry about it. I'd rather be here with you than with those freaks on Mavok Prime. Wood-worshipping freaks, right?! Common!"
Dalrekianer und Shaxs

"Anyway, let's move on to somebody even more important, perhaps the most important person in Starfleet history: Chief Miles O'Brien!"
Lehrerin aus einer weit entfernten Zukunft



Weiterführende Leseliste.

Staffel 1.

01. Rezension zu "Second Contact"
02. Rezension zu  "Envoy"
03. Rezension zu "Temporal Edict"
04. Rezension zu "Moist Vessel"
05. Rezension zu "Cupid's Errant Arrow"
06. Rezension zu "Terminal Provocations"
07. Rezension zu "Much Ado About Boimler"
08. Rezension zu "Veritas"
09. Rezension zu "Crisis Point"
10. Rezension zu "No Small Parts"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Seltsame Energien"