Spoilerwarnung. Diese Rezension enthält massive Spoiler zu "
Der rote Engel", der zehnten Folge der
zweiten Staffel von "
Star Trek Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und andere Episoden der Serie bereits gesehen hat.
I. Einleitung.
Kann sich noch jemand an die
erste Staffel Discovery erinnern?
Sie startete mit völlig überzogenem Übereifer, stieß den meisten Alt-Fans mit fragwürdigen Entscheidungen vor den Kopf und verlangte seinen Darstellern einen hohen Blutzoll ab.
Am Ende aber stellte sich die zähe Serie durch eine viel zu transparente Grundhandlung regelmäßig selbst ein Bein.
Ash Tylers Doppelidentität als
Voq war ein ebenso schlecht gehütetes Geheimnis wie die Herkunft
Lorcas aus dem
Spiegeluniversum oder
Michael Burnhams schlussendliche Begnadigung seitens der
Sternenflotte.
Die zweite Staffel startete bislang deutlich vielversprechender, doch es bleibt festzuhalten, dass auch sie eine Tendenz zu vorhersehbaren Entwicklungen teilt.
So entpuppte sich
Spock zur Überraschung weniger nicht als Mörder seiner Zellenwärter, der Grund für den theatralisch inszenierten Geschwisterzwist zwischen Burnham und ihrem Adoptivbruder blieb arg hinter den Erwartungen zurück und der selbstbewusste
Sektion-31-
Super-Computer fungiert absehbarer Weise als kaltblütiger Gegenspieler.
Alles in allem strotzt auch die zweite Staffel also nicht minder vor ausrechenbaren Handlungsentwicklungen und mit der Enthüllung der sterbenden
Airiam, dass
das alles allein wegen Michael Burnham geschehen würde, wusste spätestens auch jeder Fan, dass die Überzentrierung Michael Burnhams in Discovery eine neue Qualität erreichen würde.
II. Story.
Michael Burnham ist der
rote Engel!
Das behaupten jedenfalls einträchtig Fähnrich
Sylvia Tilly, Doktor
Hugh Culber und die halbvulkanische Logikikone Spock. Als sich die argwöhnische Crew der
Discovery wieder mit den reumütig zurückgekehrten Kameraden von der Sektion 31 zusammenrauft, erfährt Michael Burnham darüber hinaus auch noch, dass ihre eigenen Eltern an der Entwicklung des Roten-Engels-Anzugs mitarbeiteten und dass dereinst
Lelands jugendliche Spionage-Nachlässigkeit zum Tod ihrer Eltern führte.
Gemeinschaftlich schmieden beide Parteien (nach zwei gezielten Fausthieben) einen aberwitzigen Plan:
Auf dem sauerstoffarmen Planeten
Essof IV wollen sie der zeitreisende Version ihrer Kollegin eine Falle stellen, um ihrer habhaft zu werden und für eine Zwangsrekrutierung zu gewinnen.
So findet sich Burnham schließlich an einen Stuhl gefesselt den tödlichen Kohlenmonoxiden der Atmosphäre des Planeten ausgesetzt. Doch gerade, als Captain
Christopher Pike das schmerzvolle Experiment abbrechen will, greift ihr Ziehbruder Spock nach seinem Phaser und schafft mit Waffengewalt tödliche Tatsachen…
III. Lobenswerte Aspekte.
Strickmuster.
Na das war doch mal eine Überraschung!
Mir würde pauschal niemand einfallen, der im Vorfeld ausgerechnet auf Michael Burnhams
Mutti getippt hat, als es um die Identität des roten Engels ging.
Wobei man zur Verteidigung eines jeden falsch gewickelten Zuschauers vielleicht anmerken sollte, dass die Folge den Zuschauer mit der zeitigen Enthüllung, dass Burnham den roten Anzug tragen würde, achtunddreißig kurzweilige Minuten konsequent an der Nase herumgeführt hatte.
Dabei wäre es für jeden halbwegs gut informierten Star-Trek-Anhänger ein von Anfang an zum Scheitern verurteilters Vorhaben gewesen, Michael Burnhams zukünftiges Selbst ausgerechnet mit einem Plan in die Enge zu treiben, den sie selbst mit ausgeheckt und bis ins Detail gekannt hat. Die Serie hat aber ihr Publikum mit ihren beständig vielen Logiklöchern längst so sehr an derartige Ungereimtheiten gewöhnt, dass der Großteil nicht einmal mehr müde aufblickt, sondern stattdessen eher der Handlungsentwicklung folgt, als sich allzu lange mit Nachvollziehbarkeit aufzuhalten.
Im Angesicht einer solch offensichtlichen Ausnutzung des Trägheitsmoments (Burnhams Eltern wurden zudem erstmals überhaupt in dieser Episode in einer Art und Weise erwähnt, die eine Aufnahme in
den engeren Engels-Kandidatenkreis rechtfertigen würde) kommt man nicht umher, den Autoren in diesem Fall pure Absicht zu unterstellen. Immerhin macht genau dieses Spiel mit der Identität eines zentralen Staffelmysteriums den Reiz dieser Folge aus und ich bin wohl nicht der einzige, der Burnhams Mutter im Angesicht der viel zu lange im Raum schwebenden Möglichkeit, dass Burnham selbst Bungee-Sprünge durch die Zeit unternimmt, zumindest für das kleinere Übel hält.
Bei dieser ganzen Aufregung geht übrigens beinahe unter, dass in dieser Episode, die wie ihr Vorgänger abermals handlungstechnisch eher wenig zu bieten hat (wie fliegen zu einem Planeten und stellen dem Engel eine Falle) und daher abermals zwischenmenschlichen und emotionalen Szenen den Vorrang gibt, eine ganze Reihe von lange vor sich hergeschobenen Auflösungen preisgegeben werden. Seit "
Der rote Engel" wissen wir endlich, inwiefern Leland am Tod von Burnhams Eltern Schuld ist, sahen Spock und Burnham bei ihrer Versöhnung zu und konnten miterleben, wie die Leidenschaft zwischen Burnham und Tyler nach langem Vor-Sich-Herköcheln endlich wieder aufflammt.
Außerdem erschließt sich erst jetzt der wahre Umfang der Beteiligung der Sektion 31 an dieser Operation. Sie haben den Anzug entworfen, den sie auf Spocks Zeichnungen wiedererkannt haben. Für sie war das Auftauchen der roten Signale viel weniger rätselhaft als für ihre unwissenden Kollegen von der Sternenflotte und ihre Jagd auf Spock diente in erster Linie dazu, ihre eigene gestohlene Technik zurück unter ihre Kontrolle zu bringen.
Kurzum: In der zehnten Folge der zweiten Staffel beginnen die Fäden wieder zusammenzulaufen und langsam ergibt sich dem Zuschauer ein klareres Bild der größeren Zusammenhänge, selbst wenn der schmale Grat zur Seifenoper ein ums andere Mal (nicht zuletzt mit diesem Cliffhanger) überschritten wird. Dabei wird nicht versäumt, zusätzlich eine Reihe von ungelösten Problemen (Lelands Unfall, Culbers anstehende Versöhnung mit
Stamets oder die Umstände der Flucht von Mama Burnham) aufzuwerfen, die die Aufmerksamkeit der Zuschauerschaft über den Cliffhanger hinaus aufrechterhält.
Maßgebliche Ordnung erfährt diese für Discovery-Verhältnisse sehr runde Episode durch die Arbeit der Regisseurin
Hanelle Culpepper. Ihre Arbeit kommt ohne viel Schnickschnack wie permanente Kamerasaltos aus, ohne dabei auf mittlerweile stilprägende Elemente wie aufwändige Außenaufnahmen, omnipräsente Lensflares und denkwürdige Monumentaleinstellungen zu verzichten. Wenn das
als Bewerbungsmaßnahme für ihre Arbeit an den ersten beiden Folgen der anstehenden
Picard-Serie gedacht war, kann man den Einstellungsverantwortlichen zu ihrer Wahl nur gratulieren.
Doch auch andere Aspekte waren grandios gelungen.
Der Soundtrack etwa, der sich organisch in das Geschehen einbettet.
Die Dialoge beispielsweise, die mehr als einmal kluge Sätze für den nächsten Poesiealbumseintrag beisteuern (vergleiche
Denkwürdige Zitate).
Und natürlich die Leistung der einzelnen Darsteller, die maßgeblich zum Gelingen dieser gezielten Täuschung beitrugen.
Charaktermomente.
"
Der rote Engel" ist eine mal wieder eine klassische Burnham-Episode, die bei allem Raum für mannigfaltige Charakterinteraktionen doch nur wenig Platz für die übrigen Darsteller lässt.
Sonequa Martin-Green unterstreicht dabei allerdings einmal mehr, dass sie eine gute Wahl für den Serienmittelpunkt war, denn insbesondere der beinahe übergangslose Wechsel von dienstbeflissenem Führungsoffizier zu demutsvoller Trauerrednerin, böser Schwester, schlagkräftiger Waise, guter Schwester, akuter Selbstzweiflerin, spontaner Liebhaberin, leidendem Erstickungsopfer und überraschtem Mama-Kind ist mitnichten der Selbstläufer, den manche ungeübte Seele darin vermuten mag, sondern das Produkt der harter Arbeit einer versierten Schauspielerin.
Nach Burnham kommt in der Liste herausragender Darstellungen jedenfalls lange Zeit nichts.
Das liegt allerdings weniger daran, dass ihre Kollegen däumchendrehend in ihren Trailern gesessen hätten, sondern ist schlichtweg dem Umstand geschuldet, dass alle anderen Figuren maximal zwei Szenen hatten, in denen sie glänzen durften.
Am ehesten gelang dies noch
Ethan Peck als Spock, der allerdings stets dann am stärksten erschien, wenn er im Zuge schnippischer Wortwechsel mit Burnham glänzen konnte. Immerhin oblag es ihm abseits seiner Geschwisterdialoge phaserschwingend das Gelingen der Mission logisch gegen die Emotionalität seiner Kameraden durchzusetzen.
Als ebenfalls gelungen empfand ich die Darstellung Lelands durch
Alan van Sprang, dessen Figur ich durchgehend abgenommen habe, dass er seine Tätigkeit für die Sektion 31 im Rahmen dessen leistet, was er für den Erhalt des Friedens für notwendig erachtet. In seiner Äußerung
Sarus gegenüber, wie sehr Vertrauen unvereinbar mit ihm als Person einhergeht, beschrieb er jedenfalls eindrucksvoll das Dilemma seines Charakters, das durch die Verantwortung für den Tod der Eheleute Burnham eine weitere Bedeutungsebene dazugewonnen hat. Mal sehen, wie sich seine unfreiwillige Augenoperation in zukünftigen Folgen auswirken wird…
Seine Agentenkollegin
Philippa Georgiou [
Michaell Yeoh] hingegen vermochte nicht so recht zu überzeugen. Vielleicht, weil ihre vormals ständig schwelenden Gegensätze zu Burnham eine unerklärte Pause eingelegt haben; vielleicht aber auch, weil ihre dunkle und intrigante Seite dieses Mal überhaupt nicht zur Geltung gekommen ist.
Überraschenderweise konnte dafür Admiral
Katrina Cornwell [
Jayne Brook] ungleich mehr Akzente setzen. Vielleicht nicht unbedingt in ihrer eigentlichen Funktion als Admiralin, aber immerhin in ihrer Zweitberufung als Therapeutin. Insbesondere ihr Zwiegespräch mit dem verzweifelten Hugh Culber [
Wilson Cruz] bildete einen der Höhepunkte dieser Folge.
Ihrem '
Patienten' konnte ich sogar erstmals seit seiner spontanen Wiederbelebung wieder positive Grundzüge abgewinnen. In dieser Folge gelingt es ihm nämlich, seine Selbstzweifel einzugrenzen und abseits von Wut, Aggression und Abneigung einen Weg zurück zu jener Person einzuschlagen, die mit ihrer bedachten Art in der ersten Staffel zu überzeugen verstand. Bei seinen Szenen war ich dieses Mal so gefesselt, dass ich mich schon sehr darauf konzentrieren musste, den Synchronschauspieler
Benjamin Stöwe überhaupt noch herauszuhören, mit dessen Stimme die Figur im Deutschen schon so sehr zu einer Einheit verschmolzen ist.
Sein Ex-Freund Paul Stamets [
Anthony Rapp] war – neben dem handlungsrelevanten Drücken von Knöpfen in einem Stahlbetonbunker - vor allem der Mittelpunkt einer bestimmten Szene, der ich weitaus weniger abgewinnen konnte.
Im einundzwanzigsten Jahrhundert darf und soll man in einer Serie natürlich offen darüber sprechen, dass Figuren '
schwul' oder '
pansexuell' sind – vor allem, wenn diese im 23. Jahrhundert spielen soll. Am Ende war ich dann aber doch ähnlich verwirrt wie Sylvia Tilly (vergleiche
Denkwürdige Zitate), denn zum einen wusste ich nicht so ganz zu erklären, welchen tieferen Sinn dieser Austausch gehabt haben soll, noch konnte ich mich des Eindrucks erwehren, dass man die sexuelle Orientierung der Charaktere ins Rampenlicht gezerrt hat, um billige Lacher zu erzeugen oder schlüpfrige Dreier-Fantasien ins Drehbuch zu schmuggeln.
Sarus [
Doug Jones] außergewöhnlichste Leistung der Folge war es wohl, einem
Pippin in "
Herr der Ringe"
gleich gesungen zu haben (was vor allem deshalb annehmbar war, weil der Soundtrack ihn mit säuselnden Geigen dabei so stilvoll unter die Arme griff). Aber auch seine selbstbewusste Diskussion mit dem zweifelhaften Sektion-31-Captain Leland mag vielleicht ein wenig bemüht wirken, spiegelte dann jedoch recht gut einen weiteren Entwicklungssprung des
Kelpianers wieder, der seit dem Verlust seiner
Gefahrenganglien mehr und mehr in Richtung Kapitänsamt wächst.
Neben diesen Figuren gab es auch eine Reihe an '
Verlierern der Woche'. Ash Tyler [
Shazad Latif] zum Beispiel, der trotz seines kompletten Kabinenexils der letzten Folge erstaunlich passiv wirkte. Oder Sylvia Tilly [
Mary Wiseman] die zunächst stark die Trauer um ihre Freundin Airiam spüren ließ, nur um sich ein wenig zu oft in sinnfreiem Geplapper zu verlieren. Und selbst am leuchtenden Captain Christopher Pike [
Anson Mount] geht die Handlung etwas vorbei, ohne dass der Befehlshaber größeren Einfluss auf das Geschehen oder die handelnden Personen gehabt hätte.
Zum Glück fand sich aber auch der ein oder andere Nebencharakter, dem abermals ein wenig mehr Aufmerksamkeit zukam. So durfte
Nhan [
Rachael Ancheril] Burnham bedeutungsschwanger die Hand reichen,
Keyla Detmer [
Emily Coutts] auf der Beerdigung persönliche Einblicke gewähren und
Sara Mitich, die in der ersten Staffel die kybernetisch erweiterte Airiam verkörperte, konnte in einem bewegenden Moment als
Lieutenant Nilsson ihren alten Stammplatz wieder einnehmen.
IV. Kritikwürdige Aspekte.
Star Trek: Der Burnham-Clan.
Nachdem bereits in
der Rezension der letzten Woche über die Zentrierung auf Michael Burnham ausführlich Bericht erstattet wurde, scheut sich auch diese Folge nicht, die Biografie ihres Serienstars mit weiteren unglaublichen Details auszuschmücken. Zwar bleibt uns die Wendung, dass Burnham auch noch hinter der Identität des roten Engels steckt, vorerst erspart, doch das bedeutet im Umkehrschluss keineswegs, dass sich das Universum weniger um diesen einen Menschen drehen würde.
Denn tatsächlich hat sich Burnhams Schatten schlichtweg nur noch weiter auf ihre Familie ausgedehnt. Nach
Sarek und
Amanda Grayson kam zunächst Spock die zweifelhafte Ehre zu, dass '
Burnhams Schuld auf dessen Leben übertragen' wurde. Dem gesellt sich nun noch eine weitere Komponente in dieser Familiensaga hinzu, die etwa die verwandtschaftlichen Verquickungen in "
Dallas" wie reines Kindertheater wirken lässt:
In welcher anderen Serie gibt es schon eine Mutter, die sich einen Zeitreise-Anzug zusammenbastelt und quer durch Zeit und Raum fliegt, um ihre Tochter ein ums andere Mal vor dem sicheren Tod zu bewahren?
Problematisch ist das vor allem, weil Mama Burnham eine weitere Person ist, die eine beeindruckende Wiederauferstehung hingelegt hat. Nach Philippa Georgiou und Hugh Culber ist sie nunmehr die dritte eigentlich vermeintlich dahingeschiedene Figur, die dem Tod von der Schippe springt und ihre Lebenszeit eigenmächtig erweitert. Dass mit so viel Unsterblichkeit in nur zwei Staffeln kaum ein Zuschauer im Vorfeld rechnen konnte wirkt nur logisch, denn wer hätte gedacht, dass Discovery derart oft diesen immer gleichen Joker ziehen würde?
Da muss man sich schon fragen was als nächstes kommt.
Burnhams Vater wurde von den
Klingonen weniger getötet als entführt um auf
Rura Penthe deren unehrenhafte temporale Superwaffe zusammenzubasteln?
Burnham hat noch einen unbekannten leiblichen Halb-Bruder (aus der vorangegangenen Ehe der Mutter), der allerdings auf der Erde geblieben ist und nun in einem Rachefeldzug gen
Qo'noS zieht um den brüchigen Frieden zwischen beiden Mächten zu gefährden?
Oder treffen wir bis spätestens Mitte der dritten Staffel ihren Schwippschwager Kai-Uwe Burnham, der als
Klon in einem
remanischen Arbeitslager bei einem Aufstand aus Versehen die Herrschaft über
Romulus an sich gerissen hat?
Logiklöcher und Kanonbrüche.
Zuerst einmal ist auffällig, dass in dieser Episode kaum nennenswerte Kanonbezüge hergestellt werden – wenn man einmal von isolierten Nennungen der
Ursuppe,
Einflussnahme von Zeitreisenden auf die Geschichte oder
Tetryonen absieht, deren Anwendung auf den größeren Rahmen schon eher wilde Interpretationsbereitschaft abverlangt.
Dennoch bleibt die Folge schon allein ob ihrer Thematisierung des '
Großvaterparadoxons' als zentrales Handlungselement bemerkenswert, denn dies markiert die Abkehr vom ungleich weiter entwickelten Zeitreisekonzept
in den Filmen J.J. Abrams' hin zu einem klassischeren Modell, das eher an ältere Star-Trek-Serien und -Filme angelehnt ist.
Zudem bleibt ferner festzuhalten, dass mit der Entscheidung, Burnhams Mutter zum Anzugträger zu bestimmen, eine Reihe von Ungereimtheiten unter den Tisch fallen, die in diesem Abschnitt ansonsten detailliert auseinandergenommen worden wären. Doch auch mit dieser Enthüllung gibt es noch immer einige Unklarheiten. So obliegt es kommenden Folgen zu klären, warum die angeblich fälschungssichere Biosignatur des roten Engels auf Michael Burnham hinweist, warum sich ihre Mutter zwanzig Jahre lang lieber in der Zukunft herumtreibt als ihrer Tochter '
Hallo' zu sagen oder wie sie den Rest des Universums glauben ließ, dass sie tot und der Anzug zerstört sei.
Gleichermaßen mutet Sarus Aussage in "
Donnergrollen", dass der Anzug "[…]
die technischen Möglichkeiten bei weitem übersteigt" arg übertrieben an. Bedenkt man allerdings die ihrer Zeit deutlich überlegenen technischen Möglichkeiten der Sektion 31 (autonome Verteidigungssysteme, TNG-Kommunikatoren, Schiffe mit besseren Graviton-Emittern) passt auch dieser vermeintliche Widerspruch recht gut in das bislang gezeichnete Bild der Elite-Geheimdienst-Sparte.
Ansonsten zeichnet sich aber das gewohnte Bild von Widersprüchen, Logiklöchern und Kanonbrüchen.
Zum Beispiel bei der Attacke der Klingonen auf Burnhams Eltern vor zwanzig Jahren.
Während sich die erste Staffel (auf die sich diese Folge mit dem Bezug auf Burnhams Eltern ja beruft) Mühe gab zu betonen, dass die Klingonen erst im Zuge des
Krieges gegen die Föderation von einem losen Verbund
unabhängiger Häuser zu einem einheitlich agierenden
Imperium wurden, etabliert man plötzlich, dass die Kriegerspezies schon zu Burnhams Kindertagen an einem eigenen temporalen Manhattan-Project arbeitete, dass die
Föderation in ein Wettrüsten zwang. Im Kontext untereinander verfeindeter klingonischer Häuser wirkt diese Enthüllung sehr unglaubwürdig und wie eine nachträgliche Neuinterpretation eines unabhängig von der aktuellen Entwicklung etablierten Fakts.
Wäre es nicht vielleicht cleverer gewesen, klingonische Krieger im Auftrag einer dritten Macht die Drecksarbeit erledigen zu lassen?
Ebenso unnötig ist Tillys Verweis auf sich selbst öffnende Türen. In wirklich jeder Star-Trek-Serie (übrigens auch bei Discovery!) haben wir verriegelte Türen erlebt, die den Zutritt erst nach Aktivierung eines akustischen Signals (umgangssprachlich auch als '
Türklingel' bezeichnet) zulassen und ich bin mir sicher, dass der Bereitschaftsraum des Captains – besonders bei Besprechungen - über ähnliche Einrichtungen verfügt.
Und Stichwort Captain: Burnhams doppelter Faustschlag gegen Leland ist rein disziplinarisch gesehen das Höchstmaß an Insubordination gegen einen vorgesetzten Offizier. Nachdem sie bereits einmal wegen Meuterei vor Gericht stand und gerade erst von einem weiteren derartigen Vergehen freigesprochen wurde, weckt ihr Verhalten entweder den Verdacht, dass Meuterei schlichtweg einer ihrer zentralen Wesenszüge darstellt oder dass sie für einen (
vulkanisch erzogenen) Führungsoffizier einen erschreckend unprofessionell-aufbrausenden Charakter besitzt.
Ferner ist mir nicht so ganz klar, warum die Besatzung eine Super-Liveschaltung auf Burnhams Erstickungs-Martyrium (mit Extra-Zoom auf ihr leidendes Gesicht) auf Essof IV verfolgt. Abgesehen davon, dass eine solche Übertragung die Objektivität der Betrachter nachhaltig beeinflusst und damit einen verfrühten Abbruch begünstigt – wäre es nicht sinnvoller gewesen, eine ausschließlich taktische Darstellung auf den Hauptmonitor zu legen, die gleichzeitig Lebenszeichen, Umweltbedingungen und Tachyonen-Werte anzeigt, um schneller reagieren zu können?
Aber da war wohl mal wieder der Effekt Vater des Gedanken.
Dieser Aspekt zeigt sich noch deutlicher in dem merkwürdigen Gerät, dass Leland gegen Ende der Folge nutzen muss um Hilfsenergie auf die
Graviton-Emitter umzuleiten. Das ist immerhin ein Routine-Vorgang, wie wir ihn schon gefühlte tausendmal bei Star Trek gesehen haben. Dass man dafür allerdings in eine Art Apparatur irgendwo zwischen Mikroskop, Taucherhelm und Periskop benötigt, die das Potential hat Nadeln in die Augen eines Nutzers zu stechen, blieb in einer Folge, in der sich der rote Engel immerhin als Burnhams Mutter entpuppte, der mit Abstand bemühteste Moment. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Inbesitznahme Lelands durch eine künstliche Intelligenz in den nächsten Folgen keine bloße Kopie einer
Borg-Assimilation wird…
V. Fazit.
Der Titel der Episode "
Der rote Engel" ist Programm: Als Zuschauer lässt man sich bereitwillig auf das Glatteis der Annahme führen, Michael Burnham stecke hinter dem zeitreisenden Samariter, nur um am Ende der Folge nicht weniger schlecht zu staunen als die Hauptprotagonistin selbst.
Dieses Spiel mit den Erwartungen des Zuschauers macht den ganz eigenen Reiz einer Folge aus, die neben diesem ganz außergewöhnlichen Pluspunkt alles hat, was eine gute Folge Discovery braucht. Sie treibt die Handlung der Serie genauso voran, wie sie ältere Erzählstränge abschließt.
Doch obwohl die Episode auf Hochglanz poliert ist, findet man immer wieder tiefe Logiklöcher genauso wie die Ecken ärgerlicher Kanonwidersprüche und Kanten durch Unstimmigkeiten mit der eigenen Erzähltradition auf der vermeintlich strahlenden Oberfläche wieder.
Bewertung.
Rundes Ding mit besonderem Kniff.
VI. Schluss.
Es gibt gute Nachrichten!
Nun ja, zumindest für mich: Ich muss die diversen Kommentatoren hier auf dem Blog, bei
Twitter,
Instagram,
kult.ch oder
Facebook nicht mit einer Biersendung bedenken.
Das ist andererseits natürlich auch schade, denn diese Rezension hätte sicherlich ganz anders ausgesehen, wenn ich auf den Beitrag eines Lesers hätte hinweisen können, der ausgerechnet den Mutter-Tipp abgegeben hätte.
Doch darin liegt eben der ganz besondere Zauber dieser Episode. In einer Welt, in der Fans schneller mit abstrusen Theorien aufwarten, als Autoren sie zurechtschreiben könnten, ist Discovery tatsächlich das seltene Kunststück gelungen, sein Publikum zu überraschen. Und das mit fragwürdigen Methoden: Statt das Risiko einzugehen, ernsthafte Anspielungen auf Burnhams Eltern in vorangegangenen Folgen zu streuen (soweit ich mich entsinne, wurde ihr Tod lediglich in "
Licht und Schatten" erwähnt - scheinbar, um Leland düsterer wirken zu lassen), prasseln alle damit einhergehenden Enthüllungen in dieser einen Folge auf den Zuschauer hernieder, dem kaum die Zeit gelassen wird, durchzuatmen und sich einen eigenen Reim auf das Geschehen zu machen.
Mit dieser Taktik gelang der Serie erstmals, was ihr in der ersten Staffel verwehrt blieb: Wirkliche Überraschungsmomente zu erzeugen, die das Potential haben, den Zuschauer mitzureißen. Dass es quasi im Vorbeimarsch noch gelang, ihn über die Dauer der Folge auf einen Holzweg zu locken, ist ein schöner Nebeneffekt.
Ich prognostiziere einmal, dass es der Serie gut tun wird, wenn es ihr auch in Zukunft gelingt, mehr solcher clever inszenierter Momente zu fabrizieren (statt weitere vorhersehbare Entwicklungen vom Reißbrett aus zu entwerfen) und sich so weiter von der ersten Staffel zu emanzipieren. Denn dass ich mich gleichzeitig in meinen negativen Erwartungen bestätigt gefühlt habe, nur um sie am Schluss erleichtert über Bord zu werfen, hat mich nicht nur glänzend unterhalten, sondern auch ein Stück näher an diese Serie und ihr Potential gebunden.
Denkwürdige Zitate.
"
Sie hat einmal zu mir gesagt – und dass ohne jeden Anflug von Selbstmitleid – dass die Pfade von Trillionen von Teilchen allein dadurch verändert wurden, dass sie und ihr Mann einander angelächelt haben. Sie hat sich darüber gefreut, dass sie und er etwas Chaos ins Universum gebracht haben."
Paul Stamets
"
Es gibt so viele Gründe der Sternenflotte beizutreten. Wir kommen den Sternen näher; wir kommen dem Besten in uns selbst näher. Aber am wichtigsten ist: Wir kommen uns hier alle näher. Wir dürfen das machen, was wir lieben; Seite an Seite mit Kollegen die zu Freunden werden; zu unserer Familie. Und mit wem würde man in entscheidenden Augenblicken lieber Seite an Seite stehen? Dafür fällt der Abschied umso schwerer. Es tut mir so leid, Airiam…"
Michael Burnham
"
Eine Variable können wir nicht vorhersagen und zwar die Zukunft."
Spock
"
Es ist zu früh die Korken knallen zu lassen. Die KI könnte sich rechtzeitig selbst von der Station entfernt haben. Wir müssen davon ausgehen, dass sie noch existiert und jederzeit wieder auftauchen kann."
Christopher Pike
"
Die Datei enthält auch eine bioneurale Signatur vom roten Engel. Michael, es ist deine."
Sylvia Tilly
"
Sie wollen sagen… Michael… - unsere Michael Burnham! – wird eines Tages aufwachen, sich Zugang zu einer Zeitreisetechnologie verschaffen die noch nicht existiert und es sich zur Aufgabe machen die Galaxis zu retten."
"
Diese Hypothese passt recht gut zu ihrem emotionalen Profil; besonders zu ihrem Drang, Verantwortung in meist aussichtslosen Situationen zu übernehmen."
"
Vielen Dank, dass Du alle darauf hinweist, Spock."
Pike, Spock und Burnham
"
Ohne Diskussion keine Innovation."
"
Ich bin ja eher ein Fan der totalitären Effizienz. Aber so bin ich eben…"
Katrina Cornwell und Philippa Georgiou
"
Wir bauen eine Mausefalle!"
Cornwell
"
Meiner Erfahrung nach richten wir meist den größten Schaden an, wenn wir die edelsten Absichten haben – vor allem bei denen, die uns lieb und teuer sind."
Georgiou
"
Was war denn das für' ne Nummer?"
Sylvia Tilly
"S
ektion 31 hat zuletzt fragwürdige Methoden angewandt. Und da wir zusammenarbeiten und die Leben derer, die mir etwas bedeuten, vielleicht in Ihren Händen liegen, will ich sicherstellen, dass man Ihnen vertrauen kann."
"
Wenn Sie darauf eine Antwort finden, hab' ich meinen Job nicht sehr gut gemacht."
Saru und Leland
"
Liebe ist eine Entscheidung, Hugh. Und man trifft diese Entscheidung nicht nur einmal, sondern wieder und wieder."
Cornwell
"
Doktor! Ob ein Weg der richtige ist, findet man nur heraus, wenn man ihn geht."
Cornwell
"
Captain Leland wird sicher froh darüber sein, dass Du Polyurethanschaum seinem Nasenknorpel vorziehst."
"
Tut mir leid, aber Du bist der letzte mit dem ich im Moment reden möchte."
"
Du bist wütend. Eine nachvollziehbare Reaktion. Du hast eine Freundin verloren. Dass ihr Tod unvermeidbar war, spendet Dir auch keinen Trost. Zudem hast Du erfahren, dass Du der rote Engel bist, was wenig Sinn ergibt, auch wenn es zu Deinem emotionalen Profil passt."
"
Spock!"
"
Und dass der Tod Deiner Eltern durch Captain Lelands Nachlässigkeit herbeigeführt wurde, macht ihren Verlust gewiss nicht erträglicher. Ich hätte gern gesehen, wie er zu Boden geht. Der Anblick war mit Sicherheit befriedigend."
"
Du hast Dinge erlebt, bei denen Dich sowohl Deine Emotionen als auch Deine Logik im Stich gelassen haben. Meiner Erfahrung nach ist das… unangenehm."
"Kann ma
n wohl sagen."
Spock und Burnham
"
Die Varianz bist Du, Michael."
Spock
"
Das Großvater-Paradoxon. Es gäbe keine Burnham, in der Zukunft würde diese Burnham sterben."
Spock
"
Captain, wenn wir den roten Engel fangen wollen, muss ich sterben."
Burnham
"
Wir betreten also den neunten Kreis der Hölle um einen roten Engel zu fangen. Die Ironie würde mir gefallen, wenn es nicht so gefährlich wäre."
Georgiou
"
Aber Sie dürfen nicht zu früh eingreifen, sonst wird der Engel nicht erscheinen. Und wenn er nicht erscheint, verlieren wir viel mehr als Michael Burnhams Leben: Dann gibt es gar kein Leben mehr."
Spock
"
Solltest Du nicht überleben, werde ich des Mordes an einem Offizier angeklagt – schon wieder. Daher wäre es günstig, wenn Du nicht sterben würdest."
"
Du findest immer die richtigen Worte…"
Spock und Burnham
"
Mom?"
Burnham
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