Samstag, 1. Februar 2020

Die große Tafelrunden-Super-Bowl-Prognose

Kaum zu merken - mit überschaubaren Abwandlungen sind die Logos der beiden Teams noch näher an Star Trek!
Einleitung.
Für alle, die einen solchen Artikel zum ersten Mal auf unserer Seite lesen: Wir machen das öfter mal.
Der traditionelle Tafelrundenbeitrag zum Super Bowl - dem Inbegriff des amerikanischen Sportrummels schlechthin - dient vor allem dazu, das Verständnis für dieses Event auch diesseits des Atlantiks zu erweitern, indem wir das sportliche Geschehen mit munteren Vergleichen in historisch-geografischer Sicht, aus einem popkulturellen Blickwinkel und natürlich unter einer Star-Trek-Prämisse ausschmücken. Dabei vereinen wir im gleichen Atemzug eine Vielzahl von Perspektiven, die von Novizen, Gelegenheitszuschauern, Footballexperten bis hin zu ehemaligen Spielern reicht. Das macht uns jedenfalls eine Menge Spaß und wir hoffen, Euch mit unserer kleinen (augenzwinkernden) Analyse ein wenig dieses ganz besonderen Zaubers vermitteln können - ganz gleich wie ausgeprägt Euer Wissensstand zu American Football sein mag…

Der Super Bowl LIV.
Der Super Bowl und Star Trek können auf eine weitreichende gemeinsame Vergangenheit zurückblicken, die eine Vielzahl von Aspekten umfasst. Verschiedene Darsteller sind Fans bestimmter Teams, ehemaliger Spieler oder waren in Footballfilmen zu sehen, Trailer verschiedener Filme waren in prominent platzierten Werbeblöcken untergebracht oder Football fand in den verschiedenen Serien und Filmen auf unterschiedliche Art und Weise Erwähnung.
Das diesjährige Finale der beiden amerikanischen Football-Ligen steht in dieser Hinsicht ganz im Zeichen von zwei Darstellern, die die Welten Star Treks mit dem Geschehen auf dem Platz verbinden.
Auf der einen Seite findet man einen Mann namens Fred "The Hammer" Williamson, der bereits in der Originalserie als Troglyt Anka in "Die Wolkenstadt" zu sehen war. Ihm gebührt nicht nur die Ehre einer der ersten professionellen Footballspieler gewesen zu sein, die den Sprung in die Zukunftsvision Gene Roddenberrys schafften - er stand darüber hinaus auch als Spieler auf dem Feld, als 1967 der erste Super Bowl überhaupt ausgetragen wurde. Sein damaliges Team hörte auf den klangvollen Namen Kansas City Chiefs und genau jene Mannschaft (mit einem Logo, das stark an das Sternenflottendelta erinnert) steht nun abermals im Endspiel um die begehrteste Football-Trophäe der Welt. Allerdings mussten Williamsons Chiefs damals eine herbe Niederlage einstecken. 
Darauf dürfte auch die Schauspielerin Teri Hatcher hoffen, die den meisten Lesern vielleicht noch als Lois Lane aus "Superman - die Abenteuer von Lois und Clark" oder als Susan Meyer aus "Desperate Housewives" bekannt sein könnte. Lange vor ihrem Aufstieg zum Serienruhm hatte sie auch eine Nebenrolle als Lieutenant Robinson in der TNG-Episode "Der unmögliche Captain Okona" inne (die allerdings so radikal zusammengekürzt wurde, dass sie auf eine Nennung ihres Namens im Abspann verzichtete). Bevor sie wiederum zu ersten Auftritten im Fernsehen kam, arbeitete sie unter anderem als Cheerleader für die San Francisco 49ers, dem anderen Finalisten des Abends.
Und gerade die Westküstenstadt San Franscisco bietet sich in ganz besonderem Maße für Trekkies zur Unterstützung an, wobei der einzige Makel bleibt, dass das Footballteam "49ers" und nicht "47ers" heißt.


Teil A.
Im ersten Teil unserer Betrachtungen geht es um einen Vergleich der beiden Austragungsorte, um ein Gefühl für die beiden Gegner und ihre Herkunft zu vermitteln. Aus grafischen Gründen haben wir dabei die übliche Listung der Gegner vertauscht.

Die größere Stadt.
Im Stadtgebiet von Kansas City leben knapp 480.000 Personen, während die bundesstaatsgrenzüberschreitende Metropolregion immerhin 2,1 Millionen Einwohner zählt.
Diese stolzen Werte falle im Vergleich mit der Westküstenstadt San Francisco allerdings kaum ins Gewicht, da in deren Stadtgrenzen immerhin 883.000 Franziskaner wohnen, während sich in der Metropolregion gar 4,7 Millionen Seelen tummeln.






Die ältere Stadt.
Obwohl die Besiedlungsrichtung in den USA von Ost nach West reichte, bildet Kalifornien, das bereits früh von den in Mexiko ansässigen Spaniern kolonisiert wurde, eine gewichtige Ausnahme. So wurde die namensgebende Mission im heutigen Stadtgebiet bereits 1776 gegründet, während es bis 1853 dauern sollte, bis Kansas City entstand.





Die wichtigere Stadt.
Auf den ersten Blick ist San Francisco keine sonderlich gewichtige Stadt. Stets im Schatten ihres größeren kalifornischen Bruders Los Angeles gelegen ,ist es noch nicht einmal die Hauptstadt des Bundesstaates.
Dennoch ist San Francisco eine der bedeutendsten Städte der USA. Mit Stanford und Berkeley befinden sich in ihrem Ballungsgebiet gleich zwei Eliteuniversitäten und als Zentrum des Silicon Valleys wird es nach dem Globalization and World Cities Research Network als Alpha City gelistet - wenn auch an dessen unteren Ende.
Kansas City kann damit kaum mithalten. Die Stadt im Mittleren Westen der USA wird weder mit einer Alpha-, Beta- oder Gamma-Stadt geführt, aber immerhin mit einer Erwähnung unter der Kategorie "Hohe Versorgungsstufe" geführt.
Das ist kein Wunder. Nicht nur, dass die Stadt ebenfalls nicht die Hauptstadt ihres Bundeslandes ist - sie befindet sich noch nicht einmal dort, wohin man sie aufgrund ihres Namens verorten würde! Zwar liegt ein kleiner Teil der Metropolregion tatsächlich in Kansas, doch der bedeutendere Teil der Stadt (in dem auch das Stadion zu finden ist) liegt im Bundesstaat Missouri.





Die größere Nummer im Sport.
Die sportliche Bedeutung einer US-amerikanischen Stadt wird gemeinhin an den Vertretern gemessen, die sie in den vier größten Sportligen von Football, Basketball, Eishockey und Baseball aufweisen kann.
Hier kann Kansas City mit den eingangs erwähnten Chiefs (Football) und den Royals (Baseball) immerhin zwei Teams in Rennen werfen.
Doch auch hier beweist San Francisco den längeren Atem: Neben den ebenfalls eingangs erwähnten 49ers (Football) sind in der Stadt auch noch die Golden States Warriors (Basketball) und die Giants (Baseball) zu finden, wobei letzteres Team vor allem bei Deep Space Nine durch ein Basecap Benjamin Siskos und einer Karte ihres Spielers Willie Mays Erwähnung fand. 




Entfernung zum Austragungsort.
Der 54. Super Bowl wird im sonnigen Miami an der Ostküste der USA stattfinden. Während es für die 49ers eine Reise von 4158 Kilometern über drei verschiedene Zeitzonen hinweg bedeutet, haben es die Chiefs bedeutend leichter. Nicht nur dass sie in der gleichen Liga wie die Miami Dolphins spielen, denen das Hard Rock Stadium gehört; sie müssen dafür lediglich eine Zeitzone und für amerikanische Verhältnisse überschaubare 1984 Kilometer zurücklegen.


Größere Trump-Wählerschaft.
Für die Sympathieverteilung ist es hierzulande recht hilfreich zu wissen, in welcher Stadt die Sympathien für den umstrittenen US-Präsidenten Donald Trump besonders hoch ausfallen.
Und obwohl Missouri als Mitglied des konservativen Bible Belts eher eine Hochburg für Trumps Republikaner ist, blieb Kansas City einer der wenigen Ausnahmeerscheinungen: Lediglich 19,17% (24.654 Personen) stimmten 2016 für den Populisten.
Allerdings gilt San Francisco als liberaler Leuchturm der USA, in dem die Demokraten traditionell über besonders viel Einfluss verfügen. Hier erhielt Trump lediglich 9,29% (37.688 Personen) der Stimmen.


Teil B.
Im zweiten Teil unserer Betrachtungen geht es eher um kulturelle Aspekte im Allgemeinen und Faninteressen im Speziellen.

Berühmte Einwohner.
In Kansas City und Umgebung sind prominente Einwohner eher spärlich gesät. Immerhin wurde der Starship-Troopers-Erfinder Robert A. Heinlein in unmittelbarer Nähe geboren und auch die Komiker Ellie Kemper ("Unbreakable Kimmie Schmidt") und Jason Sudeikis (Saturday Night Live, genial in seiner Rolle als Footballcoach in der Fußball-Premierleague) stehen mit dem Ort in Verbindung. Ferner könnte man erwähnen, dass der ehemalige US-Präsident Harry S. Truman hier verstarb.
Ungleich lebendiger wirkt hingegen San Francisco.
Unmittelbar in der Stadt wurden hinlänglich bekannte Sternchen wie Barbara Eden, Tom Hanks, Bruce Lee, Alicia Silverstone, Clint Eastwood, Monica Lewinsky, Dian Fossey oder Jack London geboren, während in ihren Vororten weitere Berühmtheiten wie Ben Affleck, Mark Hamill, Steve Wozniak oder James Franco das Licht der Welt erblickten.





Berühmte Musiker.
Kansas City ist eng mit Jazz verbunden und gilt als eine der Wiegen dieser Musikrichtung. Darüber hinaus wurden in oder um die Stadt herum Musiker wie der Komponist Burt Bacharach, ("Raindrops Keep Falling On My Head"), der Filmmusiker Basil Poledouris ("Jagd auf Roter Oktober"), die Sängerin Melissa Etheridge ("I'm The Only One") oder die Band Puddle of Mudd ("She Hates Me") geboren. Als bekanntestes Aushängeschild der Stadt kann man an dieser Stelle vielleicht den Rapper Eminem anführen, der unweit von Kansas City zur Welt kam.



San Francisco hingegen ist nach New York eine der am meisten besungenen Städte der USA, und wurde bereits von Musikern wie Eric Clapton ("San Francisco Bay Blues"), Chris Isaak ("San Francisco Days") oder Tony Bennett ("I Left My Heart in San Francisco") entsprechend gehuldigt. Als einem der Zentren der Flower-Power-Bewegung blieb vor allem Scott McKenzies gleichnamiger Song in Erinnerung.
Doch aus der Stadt stammt auch eine Vielzahl von Musikern und Bands wie die 4 Non Blondes ("What's Up?"), Dead Kennedys ("California Uber Alles"), Grateful Dead ("Hell In a Bucket"), Jefferson Airplane ("Sombebody to Love"), Courtney Love ("Mono"), Santana ("Black Magic Woman"), Third Eye Blind ("Semi-Charmed Life"), Malvina Reynolds ("Little Boxes") oder Smash Mouth ("All Star"), deren klangvolle Namen die Bedeutung der Stadt noch weiter unterstreichen. Als musikalischen Vertreter kann man an dieser Stelle die Gruppe Faith No More als bestes Argument für die Stadt anführen.





Verbindungen zu Star Trek.
Wo soll man anfangen, die Verbindungen San Franciscos zu Star Trek aufzulisten?
Vor Ort wurde der berühmt-berüchtigte Originalserien-Kostümdesigner William Ware Theiss geboren; in den umliegenden Gemeinden klangvolle Namen wie Rebecca Romjin (Una), Dakin Matthews (Admiral Patterson), Joanne Linville (die romulanische Kommandantin in TOS), Philip Anglim (Bareil Antos) oder der Regisseur Cliff Bole. Auch der um Star Trek verdiente Akademiker Michio Kaku ist ein Kind der Stadt.
Innerhalb der verschiedenen Serien und Filme wurde die Stadt als Geburtsort Hikaru Sulus etabliert, zur Heimat von Gabriel Bell und damit auch zum Ausgangsort der Bell-Aufstände und bietet der fiktiven Detektivserie "Dixon Hill" den Rahmen.
Vor allem aber dient San Francisco als Sitz des Sternenflottenhauptquartiers, als Standort der Sternenflottenakademie und Sitz des Sternenflottenmuseums. Ferner befindet sich in ihrem Orbit auch jene Schiffswerft, von der die originale Enterprise vom Stapel lief.
Dagegen wirken die Erwähnungen von Kansas City eher unbedeutend.
Immerhin wird ihrem Status als Jazz-Hochburg in einer Erwähnung Rikers in "11001001" Tribut gezollt und in der Stadt oder in ihrer Nähe wurden sowohl Amelia Earhart als der Star-Trek-Autor Dayton Ward geboren. Connor Trinneer (selbst einmal Footballer) studierte hier und in der Stadt befindet sich der Hauptsitz jener Firma, die zuweilen mit Star-Trek-Weihnachtsbaumschmuck Aufsehen erregt.





Leinwand und Mattscheibenauftritte.
Kansas City findet in zwei Filmen prominent Erwähnung: In Nicholas Meyers Atom-Endzeit-Drama "The Day After" und in der Comic-Verfilmung "Red" mit Bruce Willis. Und wenn wir schon von Comics sprechen sollte auch erwähnt werden, dass Kansas City das Vorbild für Keystone City ist - also der DC-Stadt, in der "Flash" sein Unwesen treibt.
Doch wiederum gelingt es San Francisco mühelos, dem noch eins draufzusetzen.
So bietet die Stadt nicht nur die Kulisse für eine Vielzahl von Filmen wie "Interview mit einem Vampir", "Invasion der Körperfresser", "San Andreas", "Ant Man", "Sister Act", "Basic Instinct", "Die Spur des Falken", "Godzilla", "Mrs. Doubtfire", "Venom", "Vertigo", "Dirty Harry" oder "Hulk", sondern bietet auch den Rahmen für Serien wie "Sense 8", "Charmed", "Monk", "Nash Bridges", "Trapper John MD" und natürlich "Die Straßen von San Francisco".







Fiktive Fans.
Weil Football ein Produkt amerikanischer Kultur ist, sieht man auch häufig in Fernsehserien und Filmen Unterstützer der verschiedenen Footballteams.
Zu den bekanntesten Vertretern der fiktiven Anhängerschaft der 49ers zählen die Charaktere einer Sitcom namens "Full House" (mit den Olsen-Zwillingen), die im Verlauf der Ausstrahlung und im Zuge der Neuauflage "Fuller House" häufiger als Fans des Teams in Erscheinung treten.
Aber auch eine andere Serie, die in San Francisco angesiedelt war und in Deutschland recht erfolgreich war, hatte ihre 49er Momente: "Dharma und Greg".


Kansas City hingegen hat vor allem einen Edelfan:
In einem Simpsons-Vorspann, der die Stadtbewohner beim gemeinsamen Super-Bowl-Abend zeigt, entpuppt sich allein der verschrobene Schulhausmeister Willie als Bewunderer der Mannschaft.




Berühmte Fans.
In San Francisco drücken einige außergewöhnliche Schauspieler wie Alison Brie ("Community"), Andy Samberg ("Brooklyn Nine-Nine") oder Owen Wilson ("Die Royal Tenenbaums") die Daumen. Allerdings hat sich in unseren Betrachtungen durchgesetzt, die Football-Teams anhand von Superhelden-Darstellern zu bewerten. Hier können die 49ers allerdings nur Jeremy Renner alias "Hawkeye" ins Rennen werfen.



Kansas City - wie gesagt das Keystone City der Flash-Comics - hat es dahingehend hingegen besser: Das Team wird nicht nur vom Ant-Man-Darsteller Paul Rudd unterstützt, sondern auch vom Superman-Schauspieler Henry Cavill. Der Name Brad Pitt sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber am Rande erwähnt.



Furchteinflößenderes Maskottchen.
Das Maskottchen San Franciscos spielt auf den Goldrausch des Jahres 1849 an, dem das Team auch seinen Namen verdankt. Ein Goldschürfer namens Sourdough Sam mit stadt-typischem Hipster-Bart unterhält die heimischen Fans, die allerdings in den Sechzigern und Siebzigern noch von einem nicht weniger treffenden Esel namens Clementine zu NFL-Titeln getrieben wurden.


In Kansas City gab es hingegen in jener Zeit einen Reiter im Indianerkostüm, der allerdings im Hinblick auf die Gefühle der amerikanischen Ureinwohner und dem Tierwohl durch einen Plüschwolf namens K.C. Wolf ersetzt wurde, der deutlich an die Muppets angelehnt ist. Er wurde zwar nach einer besonders energischen Fangruppe namens "Wolfpack" benannt, zeigte sich in der Vergangenheit aber auch wenig zimperlich, als es darum ging, einen betrunkenen Fan auf dem Spielfeld niederzustrecken.




Teil C.
Im dritten Teil unserer Betrachtungen dreht sich alles um den Sport selbst, die Analyse der Teams und den Versuch einer Prognose, wie der Abend verlaufen könnte.

Statistik.
Statistiken sind eine feine Sache – sie verleihen diesem tollen Spiel seine einzigartige Tiefe. Aber Statistiken sollte man als das betrachten, was sie sind:
In erster Linie sind es Zahlen, die entweder für oder gegen ein Team sprechen. Im Fall unserer beiden Teams sprechen die Zahlen auf der Statistik-Seite Pro Football Focus eine deutliche Sprache. Die Kansas City Chiefs sind an dritter Stelle mit den Yards pro Spiel und an zweiter Stelle mit den meisten Yards per Pass pro Spiel. Das sagt viel über ihre Offense aus, aber dazu später mehr. Die Chiefs haben ihre Saison mit einem Ergebnis von zwölf gewonnenen zu vier verlorenen Spielen abgeschlossen. MVP der Postseason, also der Playoffs war letztes Jahr der Mann, der dieses Jahr in den Playoffs steht – Patrick Mahomes. Sechsundzwanzig Touchdowns gegen fünf Interceptions (Pässe, die der Quarterback in die gegnerische Defense wirft). Bei einem Passer-Rating von 105.3 hat er für 4031 Yards geworfen. Das ist eine sehr beeindruckende Statistik.
Während die Chiefs ihre Stärken vor allem im offensiven Passspiel haben, ist dies scheinbar eher eine Schwäche der 49ers, denn sie finden sich hier nur an zwölfter Stelle. Allerdings können sich die Punkte, die mit den Runningbacks (Rushing Yards) erzielt wurden sehen lassen. Hier führen die 49ers die Liga an. Dies konnte man sehr eindrucksvoll im NFC-Championship-Spiel gegen die Green Bay Packers sehen. Das Blocking Game der 49ers zermürbte die Defense um die Smith-Brüder. Wirklich jeder Offense-Spieler bis auf den Runningback selbst hat den Weg frei geblockt. Bei entscheidenden Spielzügen sorgten sogar die Wide Receiver (u.a. Emmanuel Sanders) für die passenden Blocks. Die größte Stärke der 49ers ist die Defense. Nick Bosa und Richard Sherman haben die wenigsten Yards erlaubt und sind besonders stark im Rushing – das bedeutet, dass sie auffällig oft an den Quarterback herankommen, um diesen am Passspiel zu hindern. Die Gesamtheit der Statistiken begünstigen die 49ers.



Saisoneindruck.
Kansas City verliert wenige Spiele, aber es ist interessant, dass es sich dabei fast durchgängig um Mannschaften handelt, die dann auch in den Playoffs landen. Fast alle dieser verlorenen Spiele finden heimwärts statt. Mahomes findet oft seinen Tight End Travis Kelce und seine beiden Wide Receiver Sammy Watkins und Tyreek Hill. Gerät Patrick Mahomes in Bedrängnis kann er sich auf sein Pocket-Movement verlassen, d.h. er nutzt den Raum, dem ihm die Offensive Line durch Blocken der gegnerischen Defense stellt, effektiv aus und hält den Ball so lange bis sich ein Passempfänger freiläuft. Die Defense der Chiefs kommt am Anfang der Saison ihren Aufgaben nicht nach. Sie lässt zu viele Pässe und damit Touchdowns zu. Anfällig sind sie auch gegen den Lauf von gegnerischen Running Backs, die sie nur mühsam verlangsamen. Diese Defense verbessert sich aber im Laufe der Saison und hält im letzten Playoff-Spiel vor dem Super Bowl einen der besten Runningbacks der Liga in Schach. Insgesamt sind die Kansas City Chiefs kaum von Verletzungen geplagt, auch wenn Mahomes zwischenzeitlich Probleme damit hatte.
Anders sieht das bei den 49ers aus. Die Saison begann stark und erlitt wegen der Verletzungen von Matt Breida (Runningback) und George Kittle (Tight End) - zwei wichtigen Säulen der Offense, starke Einbrüche. So gaben die 49ers Spiele an den Division-Rivalen Seattle und die Baltimore Ravens ab. Ihr drittes Spiel verloren sie daheim gegen Außenseiter Atlanta knapp. Die ersten 9 Spiele gewannen sie und führten bis dato die Liga lange ungeschlagen an. Durchgängig beeindruckend war dabei die Leistung Jimmy Garoppolos (Quarterback), der sein Team lange tragen musste um ausgefallene Spieler wie Kittle und Breida zu kompensieren. Hilfe kam dabei aus dem Backfield (das ist die Zone hinter oder neben dem Quarterback, in der sich i.d.R. die Runningbacks aufhalten) durch Raheem Mostert, der oft als bester Running Back in den Begegnungen glänzte. Mostert war bei sechs Teams unter Vertrag, bevor er seinen Durchbruch im System der 49ers startete. San Francisco hatte insgesamt den härteren Fahrplan und sie sind damit für den Superbowl besser gewappnet.


Die Trainer.
Kyle Shanahan, Headcoach der 49ers wird als einer der klügsten Köpfe im American-Football-Business bezeichnet. 2004 begann er seine Karriere in der NFL im Offensiv-Qualitätsmanagement der Tampa Bay Buccaneers, dann war er Wide-Receiver- und Quarterback-Coach bei den Houston Texans. Nach Spielzeiten bei den Washington Redskins, Cleveland Browns und Atlanta Falcons, mit denen er 2017 auch den Superbowl erreichte (der in dieser fatalen Niederlage für die Falcons endete und von der sie sich bis heute nicht erholt haben), ging er direkt einen Tag nach diesem Super Bowl zu den San Francisco 49ers. Shanahan übernahm ein Team, das im unteren Drittel der Liga angekommen war. Die 49ers hatten gute Jahre unter Colin Kaepernick, konnten aber nie an die Erfolge der Tage von Joe Montana oder Steve Young in den 1990ern anknüpfen. Vielleicht ist es diese Erfahrung mit den Falcons in besagtem Super Bowl LI, die darüber entscheiden wird, ob Shanahan sich die Lombardi-Trophäe holen wird. Shanahan hat in der Saison bewiesen, dass er auch mit wenigen Waffen in der Offensive wichtige Spiele für sich entscheiden kann. Hinzu kommt gutes Zeitmanagement und Vorausahnen diverser Spielsituationen. Wenn man Shanahan am Spielfeldrand entlangwandern sieht, könnte man meinen, er sei emotionslos und geradezu still. Shanahan macht sich unheimlich viele Notizen. Das konnte man die gesamte Saison 2018 sehen, so als wüsste er: 'Die Saison ist gelaufen, also machen wir das Beste draus und beobachten die Plays der Gegner genau.' In den knappen Spielen gegen die New Orleans Saints und die Seahawks hat Shanahan bewiesen, dass er Nerven aus Stahl hat. Verunsicherung auf allen Seiten, nur Shanahan verzieht keine Miene. Selten sieht man ihn lächeln. Ein Teufel, wer da an Bill Belichick denkt.
Andy Reid hat ähnlich wie Shanahan noch nie einen Superbowl als Headcoach gewonnen, hat aber bereits einige Jahre mehr auf dem Buckel als der 49ers Headcoach. Reid beginnt seine Karriere 1992 bei den Green Bay Packers als Co-Trainer. Erst 1999 wird er Hauptverantwortlicher bei den Eagles aus Philadelphia. Unter ihm erreichte Philly zwar stets die Playoffs, durfte aber nie Hand an die begehrte Super-Bowl-Trophäe legen. Dann folgte eine Achterbahnfahrt nach der anderen und Reid wurde schließlich 2012 entlassen. Kurze Zeit später kam der Anruf aus Kansas City und Reid zögerte nicht lange. Bis heute hat Reid dort ein großartiges Team aufgestellt, das mit Patrick Mahomes endlich einen Quarterback bekam, der diese Bezeichnung auch verdient. Letztes Jahr scheiterten die Chiefs an den Patriots im AFC Championship Game, quasi dem Halbfinale. Reid scheint nicht viel aus seinen Fehlern zu lernen, denn noch immer leiden die Chiefs unter einer schwachen Defense (wie gesagt, sie hat sich verbessert, aber ist definitiv nicht das Gelbe vom Ei), während die Offense blüht. Er ist zweifelsohne ein guter Coach, der in den Jahren bei den Eagles gelernt hat wie Comebacks gelingen und wie man sich in knappen Situationen verhält. Dies ist die bittere Erfahrung aus einem verpassten Superbowl im Jahr 2005 und auf Reid scheint in dieser Hinsicht ein Fluch zu hängen, den er dieses Jahr zu brechen imstande wäre. Man würde es ihm und seinem jungen Team auf jeden Fall gönnen. Reid hat den größeren Erfahrungsschatz und dies ist in der NFL ein großer Vorteil.


Die Quarterbacks.
Patrick Mahomes ist ein vielseitiger Quarterback, der sich exzellent in der Pocket (Raum zwischen Offensiv-Line und dem Quarterback) bewegen kann und ein sehr gefährliches Passspiel aus dem Lauf heraus anführt. Seine Gegner in der Defense können nur schwer ausmachen, wo er hinwirft, da man das an seinen Augen, die das Spielfeld scannen, nur schwer ablesen kann. Mit seinen 1,91 Meter hat er dabei auch keine Schwierigkeiten alles im Blick zu behalten. Mahomes hat zudem viele Anspielmöglichkeiten hinter feindlichen Linien. Zur Not läuft er selbst und das kann er ähnlich gut wie Lamar Jackson von den Baltimore Ravens. Mit seinen 104 Kilo ist er zudem nicht allzu leicht zu stoppen. Mahomes begründet die Ära neuer, beweglicherer Quarterbacks, die den Kontakt zum Gegner nicht scheuen. Dem einzigen, dem so ein Alleingang nicht allzu sehr gefallen dürfte ist Andy Reid, Headcoach der Chiefs. Das Verletzungsrisiko für einen laufenden Quarterback ist groß. Bisher blieb Mahomes größtenteils verschont und beeindruckt vor allem durch seine Statistiken. Über 4000 Yards hat er in dieser Saison geworfen. Sechsundzwanzig Touchdowns hat er erzielt und nur fünf Mal den Ball versehentlich der gegnerischen Defense überlassen (Interception).
Das sind beeindruckende Werte, aber reicht das gegen die 49ers?
Über Jimmy Garoppolo wird gerade viel geschimpft. Man bräuchte ihn eigentlich gar nicht, heißt es unter vielen Fans. Die 49ers würden ja eh alles den Runningbacks überlassen und nur mit dem Ball laufen, anstatt ihn zu passen. Aber gehen wir mal zum Anfang. Jimmy Garoppolo startet als Backup von niemand Geringerem als Tom Brady bei den Patriots. Drei Jahre bleibt er dort, bevor er 2017 zu den 49ers getradet wird. Ob sich Belichick darüber jetzt wohl ärgern wird? Jimmy G, wie Fans ihn nennen, gewann seine ersten fünf Spiele mit den 49ers in 2017. Das Jahr 2018 würde er allerdings wohl am liebsten aus seinem Lebenslauf streichen, denn im dritten Spiel der 18er Saison verletzt sich Jimmy G bei einem Quarterback-Lauf. Gegner waren damals die Chiefs. Seitdem hat sich der so hart kritisierte Kalifornier in seinem Spielbewusstsein verändert. Er hat seine Fehler größtenteils ausgemerzt. Oft wurde er für fehlende Spielübersicht getadelt, wenn er in zu enge Räume zwischen Verteidiger und Passempfänger geworfen hat, was in der vergangenen Saison öfter zu Interceptions führte. Die Comeback-Mentalität hat er von Brady vermittelt bekommen und ist insgesamt auch etwas beweglicher als sein Mentor. Anfängliche Unsicherheiten hat er überwunden und wurde dieses Jahr mehr als einmal getestet, als er wichtige Siege ohne seine bekannten Anspielstationen eingefahren hat. "Wir haben noch gar nichts gesehen von Jimmy G", meinen viele Reporter. Bei Jimmys 4000 Yards, siebenundzwanzig Touchdowns und dreizehn Interceptions und einem insgesamt schlechteren Quarterback-Rating ist man geneigt zu sagen, dass Mahomes leichte Vorteile hat. Schaut man sich aber die Spielweise der 49ers und ihr eklatant ausgeprägtes Laufspiel an sowie die Zeit auf dem Feld, so kann man erkennen, warum Garoppolos Zahlen schlechter sind. Und Interceptions sind nicht unbedingt immer ein Quarterback-Fehler. Nichtsdestotrotz hat Mahomes als der komplettere und athletischere Quarterback die Nase vorn. Wir haben eben noch nicht viel von Jimmy G gesehen.



Die Offense.
Die Chiefs haben drei Ziele, die ihrem Gegner den 49ers gefährlich werden können und alle drei sind nach dem Snap im Defense-Backfield der 49ers zu finden. Da wäre zum einem ihr Tight End Travis Kelce, der für einen Tight End sehr athletisch daherkommt und vergleichbar mit Rob Gronkowski, dem ehemaligen Patriots-Spieler wäre. Er ist schnell, aber einmal dran leicht zu stoppen und besitzt einen unheimlich starken Zug nach vorn. Er ist in dieser Saison schon für 1200 Yards gelaufen. Gleichzeitig wird er jedoch kaum zum Blocken eingesetzt, was wohl seine Gründe haben wird. Kelce mag es laut Aussage von Rob Ninkovich, einem ehemaligen Kollegen von den Patriots, überhaupt nicht zu blocken. Sammy Watkins ist als Wide Receiver auf nahezu jeder Passroute im Kurzpassspiel zu finden. Flinker ist nur noch sein Teammate Tyreek Hill, dessen Antritt nahezu jeden Passverteidiger alt aussehen lässt. Es würde nicht verwundern, wenn die 49ers einen Zusatzverteidiger für Hill abstellen. Über Mahomes brauchen wir nicht mehr allzu viele Worte verlieren. Er kann ein Spiel mit seinem Pocketgetanze so in die Länge ziehen, bis ein Receiver frei wird. Dass macht diese Offense so gefährlich und sie ist dadurch kaum zu verteidigen. Nur wenigen Mannschaften ist das dieses Jahr gelungen. Nur im Laufspiel herrscht bei den Chiefs Totenstille. Hier gibt es nur wenige lichte Momente wie ein gelegentlicher Run von Damian Williams und LeSean McCoy. Die Chiefs setzen zu großen Teilen auf ihr Passspiel.
Was bei den Chiefs nicht funktioniert, klappt bei den 49ers umso besser. Gleich Top-Runningbacks buhlen um die Position und ihr dritter Runningback Raheem Mostert hat die Packers fast im Alleingang bezwungen. Dabei darf nicht vergessen werde, dass das Blocking der 49ers Offense extrem gut ist und das liegt unter anderem an George Kittle, dem wohl derzeit besten Tight End der Liga. Er blockt wie ein O-Liner und fängt Pässe wie ein Receiver. Er ist unheimlich schwer zu stoppen, da er einen sehr niedrigen Körperschwerpunkt hat. Drei Spieler haben z. B. die Saints gebraucht, um Kittle zu stoppen.  Dann wären da noch Namen wie Deebo Samuel und Emmanuel Sanders, die in ihrer Position als Wide Receiver vor allem im Kurzpassspiel gefährlich sind. Selten wirft Garoppolo nämlich den tiefen Pass, der mehr als zwanzig Yards geht. Die 49ers sind Meister im Inside und Outside-Zone-Blocking. Das bedeutet, sie drücken die Defense nach links oder rechts zum Spielfeldrand und schaffen ihrem Runningback so eine Lücke durch die er schlüpfen kann. Das ist eines von vielen Konzepten. Wer das Spiel der Niners gegen die Packers gesehen hat, konnte diesen Spielzug sehr häufig entdecken und es bleibt die Frage, ob man das überhaupt verteidigen kann. Dagegen setzt Kansas City zwar eine sehr gute Rushing Defense, aber letzten Endes wird diese Defense enorme Probleme haben, wenn Shanahan mit mehr als einem Runningback spielen lässt. Mahomes ist jedoch gefährlicher als Garoppolo und das reicht den Chiefs zum Vorteil.


Die Defense.

Bei den anderen Punkten mag man genötigt sein, einen Ausgleich zu finden, da sich beide Seiten nicht allzu viel nehmen, aber in diesem Punkt bin ich mir absolut sicher, dass es ein Nachteil der Chiefs wird. Ich habe bei Reid angekreidet, dass er selten eine gute Defense hatte. Das ist immer noch so und das merkt man auch noch, wenn man sich die Scores in der Regular Season ansieht. Klar ist: Die Chiefs-Defense hat dazu gelernt, aber sie bekommt es mit einer explosiven Offense der 49ers zu tun. Das ist ein völlig anderes Kaliber als das bisheriger Mannschaften, den sie in der Regular- und Postseason begegnet sind. Man nehme nur den jungen Edge Rusher Nick Bosa, der als Defense End den Quarterbacks der Liga das geliebte Spiel zur Hölle gemacht hat, indem er sie in den Rasen einarbeitete. Bosa ist schnell, kräftig und kann Lücken in der gegnerischen O-Line förmlich riechen. Es ist sein Rookie-Jahr und er kann jetzt den Sack zu machen. Richard Sherman wiederum ist ein alter Hase im Cornerback-Business, der die Legion of Boom bei den Seahawks mitbegründete und bereits einen Super Bowl gewonnen hat. Das Backfield mag der schwächere Teil der 49ers Defense sein, aber ist immer noch sehr gut aufgestellt und genießt alle Vorteile durch die wenigen Rusher, die in ihrer Anzahl so viel Druck auf den Quarterback aufbauen, dass das Backfield weniger Probleme mit den Receivern hat. Wie heißt es so schön: Offense wins games, Defense wins Championships und diese Defense der 49ers kann spielentscheidend wirken.



Unser Mann im Superbowl.
In den Reihen der 49ers spielt ein junger Mann aus Ansbach, der seine Karriere im Alter von dreizehn Jahren bei den Franken Knights begann: Mark Nzeocha (sprich: Insotscha). Ab 2015 war er bei den Dallas Cowboys unter Vertrag, bei denen er allerdings nie das Spielfeld betreten durfte. Im Jahr 2017 holen ihn die 49ers nach San Francisco. Zu Beginn der letzten Saison unterzeichnete Nzeocha schließlich einen Dreijahresvertrag. Er ist der fünfte Deutsche in der NFL und wird hauptsächlich bei den Special Teams eingesetzt. Das sind die Herrschaften, die das Punting-Team beim Zurückkicken unterstützen. Wenn das Punt-Team aufs Feld läuft, dann sollte man daher auf die Nummer 53 achten und sich vielleicht über einen Sack oder ein Tackle von Mark freuen.




Das meinen die Experten.
Die Experten sind sich uneins. Bei den Wetten herrscht ein leichtes Übergewicht für die Chiefs. Coach Esume sagt in seinem Podcast "Football Bromance" die 49ers als Superbowl-Champ vorher. Björn Werner gönnt es den Chiefs, die seit fünfzig Jahren ohne Superbowl-Ring dastehen. Roman Motzkus, Moderator von Ran NfL tippt auf die 49ers, während der Kollege Volker Schenk ganz zu den Chiefs hält. Ich könnte jetzt noch weitere Experten nennen, aber die sind sich lieber einig, dass sie sich uneinig sind. Keiner möchte sich so wirklich festlegen, also gehen wir mit Esume, denn der liegt selten falsch.


Strifes' Tipp.
Ich verfolge Garoppolos Karriere seit er 2017 bei den 49ers angefangen hat und ich mochte seinen lockeren Spielstil damals schon. Präzise schnelle Pässe, auf die der Gegner sich nicht einstellen kann. Mittlerweile ist mir das ganze Team ans Herz gewachsen. Ich sehe gern zu, wenn George Kittle mehrere Gegenspieler vor sich herschiebt um das nächste Down zu erreichen. Ich hatte Herzklopfen, als die 49ers um kurz vor halb fünf Uhr morgens doch noch die Seahawks schlugen. Das ist der Moment, in dem man erkennt, dass man seine Mannschaft endlich gefunden hat. Klar, die Chiefs sind stark und sie haben mit Mahomes den Quarterback der Zukunft, aber ihre Defense ist das große Manko. Die 49ers sind kompakter in allen Elementen aufgestellt. Ich mag mich irren, aber ich glaube, die 49ers werden sehr knapp gewinnen. Sie sind das komplettere Team.


Spieler-Tipp.
Dennis Rösner ist ehemaliger GFL-Spieler der Potsdam Royals und heute bei den Berlin Bears aktiv.
Die 49ers hatten 2018/2019 eine schreckliche Saison hinter sich. Ein großer Umbruch stand also bevor, welchen das Team mit Bravour meistern konnte. Junge, hungrige Spieler neben Veteranen des Sports zusammen auf dem Feld, dies macht dieses Jahr die Vielfalt und Gefahr der 49ers aus. Offensiv spielt der Runningback R. Mostert eine große Rolle, erlief er ganze vier Touchdowns im vorhergegangenen Spiel. Das Passspiel fiel hier eher mager ist, ist aber mit dem ehemaligen Backup-Quarterback von Tom Brady enorm stark. Jimmy Garoppolo kam vor zwei Jahren von den New England Patriots und liefert diese Saison ordentlich ab. Aushängeschild ist allerdings die Defense der Mannschaft aus San Francisco. Ein brutal starker Pass-Rush, gepaart mit einem sehr erfahrenen Backfield für die Passverteidigung lassen den Gegnern diese Saison kaum Luft zum Atmen. Diese Stärken sollten die 49ers in der Nacht von Sonntag auf Montag definitiv ausspielen, wenn sie eine Chance auf den Titel haben wollen.
Den Jungs von der Westküste gegenüber stehen die Chiefs, angeführt vom derzeit wohl (neben Lamar Jackson, Baltimore Ravens) gefährlichsten Quarterback der NFL, Pat Mahomes. Er beweist von Spiel zu Spiel wie unberechenbar und eiskalt er den Ball verteilt. Ob in der Luft oder selbst per Lauf, der Ball wird ohne Gnade bewegt und sorgt dadurch zu dieser High-Scoring-Offense, welche die Chiefs-Fans kennen und lieben. Eine Vielzahl von Anspielstationen wird die Passverteidiger aus San Francisco vor enorme Hürden stellen. Auch das Laufspiel ist vielseitig und schwer zu kontrollieren, wobei ich hier eher die 49ers als gefährlicher einschätze. Ein "Schwachpunkt", wenn man ihn so nennen möchte, war die Defense der Chiefs. Besonders am Anfang der Saison konnte diese oft nicht mit dem Gegner mithalten und sorgte so für unnötig enge Partien. Mittlerweile haben sich die schweren Jungs aber gefangen und sind gut eingespielt. Dennoch müssen sie am Wochenende alles geben, um das Laufspiel unter Kontrolle zu bringen.
Abschließend möchte ich eine Prognose wagen, welche jedoch bei zwei so guten Teams auf Augenhöhe schwer zu machen ist. Letztendlich glaube ich aber, dass der Passangriff der Chiefs das Spiel entscheiden wird, da die Defense mit zunehmender Spielzeit unkonzentriert und müde werden wird.
Mein Tipp: 34:27 für die Kansas City Chiefs.



Tier-Orakel.
Traditionell beschließt unsere Super-Bowl-Betrachtungen stets eines der vielen Tier-Orakel, die in den Weiten des Internets durch Vorhersagen des Gewinners auf sich aufmerksam machen. Weil Tiere ohnehin einen sechsten Sinn haben, wenn es zu Wetterwechseln, Sturmfluten oder Erdbeben kommt, sollte man diesen Vorhersagen ebenfalls Gehör schenken.
Die fallen allerdings recht unterschiedlich aus. Während Fiona das Nilpferd, Lele der Panda oder Porter die Robbe auf die Kansas City Chiefs schwören, setzen Jack der Hai, mehrere Otter und Tal der Orang Utan auf die 49ers.
Zünglein an der Wage ist daher auch dieses Mal die Puppie Predictors Jimmy Fallons, die von einem knappen Sieg der 49ers ausgeht.





Schluss.
Unserer Analyse zufolge läuft alles auf einen klaren Sieg der 49ers hinaus, der nur in wenigen Aspekten gefährdet scheint. Natürlich werden wir das Spiel aufmerksam verfolgen und sind natürlich auch auf Eure Tipps gespannt und verlosen unter sämtlichen Kommentoren, die auf den richtigen Gewinner tippen, eine wohlverdiente Hopfenkaltschale!

Freitag, 31. Januar 2020

Turons Senf zu "Star Trek: Picard" S1Nr02: "Karten und Legenden"

Spoilerwarnung.
Dieser Artikel enthält massive Spoiler auf "Karten und Legenden", der zweiten Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Picard" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und die vorherige Episode bereits gesehen hat.



Einleitung.
Nach der Erstausstrahlung von "Star Trek: Picard" schien es bei den Meinungsbekundungen im Internet nur zwei Extreme zu geben: Die einen, die völlig euphorisiert waren und die anderen, denen es fragwürdig schien, ob die Serie mit seinem weitreichenden Rückbezügen irgendwo zwischen Nostalgie und Fanservice wirklich in der Lage sein würde, erfolgreich zu sein.
Natürlich ist es etwas schwierig, nach nur einer Folge - die wie in der letzten Rezension erwähnt nur schwer von dieser zu trennen ist - wirkliche eine Aussage treffen zu können…



Story.
Nachdem Jean-Luc Picard herausgefunden hat, dass die totgeglaubte Tochter Datas eine unbekannte Zwillingsschwester hat, beginnt er plötzlich, sich von seinem beschaulichen Ruhestand zu verabschieden. Er lässt sich diensttauglich schreiben und stattet dem Sternenflottenhauptquartier in der Hoffnung, das Kommando über ein kleines Schiff zu erhalten, einen längst überfälligen Besuch ab. Doch seine Bitte wird schroff abgewiesen, nicht zuletzt, weil sich Picard bei seinem früheren Arbeitgeber durch einen unvorteilhaften Gefühlsausbruch in einem Interview unbeliebt gemacht hat. Doch während der Admiral im Ruhestand nach alternativen Reisemöglichkeiten sucht, schlägt seine offizelle Anfrage ungeahnte Wellen und erregt die Aufmerksamkeit zwielichtiger Gestalten…




Lobenswerte Aspekte.

Besetzung.
Als Patrick Stewart 2019 bei seinem Panel auf der Star Trek Destination in Birmingham erzählte, er hätte während seiner Zeit am Set von TNG in den USA den Trend zum Zweit-Teebeutel eingeführt, weil ihm die dortigen Heißgetränke geschmacklich nicht intensiv genug gewesen sein, hielt ich das noch für eine dieser mehr oder weniger unterhaltsamen Anekdoten, die Briten ihren Landsleuten erzählen um sie davon zu überzeugen, wie weit sie von ihren amerikanischen Cousin kulturell überlegen wären. Wenn man aber nun in dieser Episode sieht, wie Picard in seiner französischen Einsiedlerei genau das Gleiche tut, erhält man einen Eindruck davon, wie viel von seiner eigenen Person und Geschichte Stewart in diese Serie miteinfließen ließ. Sein ironischer Kommentar zur Science Fiction (Vgl. Denkwürdige Zitate) schlägt in eine ähnliche Kerbe.
Vor allem die Szenen mit seiner Beteiligung zählen trotz oder vielleicht sogar wegen seines hohen Alters zu den qualitativ besten.



Was aber nicht bedeutet, dass der Rest der Hauptdarstellerriege ein Totalausfall wäre.
So gelingt es Isa Briones in der Rolle der Zwillingsschwester Soji mehrere - sehr menschlich-emotionale - Ausrufezeichen zu setzen. Dabei sollte erwähnt werden, dass sie kurzzeitig in Unterwäsche zu sehen ist, aber im Gegensatz zu ähnlichen Szenen in den Filmen J.J. Abrams dabei keineswegs der Verdacht der Fleischbeschau aufkommt, auch wenn sie kurz zuvor mit ihrem Geliebten dem gemeinsamen Bett entsteigt.
Die anderen Mitglieder des zukünftigen Main Casts geraten noch vergleichsweise wenig ins Rampenlicht.
Alison Pill als Dr. Agnes Jurati hat jene nette Szene beim Doppelteebeuteltreff mit Picard, setzt aber noch keine größeren Ausrufezeichen.
Ähnlich geht es Michelle Hurd (von deren Präsenz ich bei der Premiere in Berlin völlig verzaubert war), die in ihrer kurzen Vorstellung bestenfalls andeuten kann, welches Potential in ihr schlummert.
Dagegen gelingt es Orla Brady als Laris gleich mehrfach, die Handlung entscheidend voranzutreiben und gleichermaßen als fürsorgliche Haushälterin, als auch als ehemalige Tal-Shiar-Agentin zu überzeugen. Jamie McShane als Zhaban wirkt im Vergleich dazu sicherlich sympathisch, bleibt aber eher in der zweiten Reihe zurück.
Eine angenehme Überraschung bildet der kurze, aber bedeutungsschwangere Gastauftritt des TV-Veteranen David Paymer, der von "Hart aber herzlich" bis "Brooklyn Nine-Nine" in unzähligen amerikanischen Fernsehserien zu sehen war. Als ehemaliger Schiffsarzt der USS Stargazer bleibt die einzige mit ihm verbundene Frage die, warum Picard sich nicht an Beverly Crusher wandte, um einen Tauglichkeitsbescheinigung für den Sternenflottendienst zu erhalten. Dafür wird man mit einem Auftritt entlohnt, der in manchen Momenten ein wenig an Leonard "Pille" McCoy erinnerte.
Das Sternenflottenpersonal blieb hingegen größtenteils glanzlos.
Das Auffälligste an Ann Magnuson als Admiral Clancy war noch ihr Lippenstift, während der Auftritt ihrer Kollegin Tamlyn Tomita als Commodore Oh nicht minder farblos war. Aber bei Lichte besehen passt das perfekt zu ihren Charakteren, denn sowohl die störrische, verbitterte Beamtin als auch die gefühlslose, vulkanische Sicherheitschefin wirkten genau dadurch schlüssiger.
Endlich genug Platz zur Entfaltung bot sich dieses Mal für Harry Treadaway als Narek, der einen so tollen wie glaubwürdigen Romulaner abgab. Vielleicht können die vielen verwirrten Zuschauer nun über seinen Bart und der damit verbundenen oberflächlichen Ähnlichkeit zu Ethan Pecks Spock in "Discovery" hinwegsehen.
Am meisten mochte ich allerdings die verschlagene Nachwuchsagentin Narissa Rizzo mit ihrer gefühlskalten, aber gleichsam hasserfüllten Aura. Peyton List mimt eine eiskalte Agentin der man abnimmt, über Leichen zu gehen.

Von wegen Schall und Rauch.
Auch wenn ihr Name eher an einen Charakter aus den Muppets erinnert: Rizzo, die Ratte.
Und das vor allem deswegen, weil der italienische Nachname nichts anderes als "Ratte" bedeutet.
Hier zeigt sich ein gutes Händchen der Autoren, die ihre Charaktere mit realen, aber dennoch verräterischen Namen versehen haben. Die romulanische Agentin im Menschengewand ist damit treffend gewählt.
Auch die Reporterin, die sich anschickte, sich im ersten Teil als Henker Picards aufzuspielen, trug den deutschen Nachnamen Richter. Der Vorname Admiral Clancys deckt sich wohl nicht ohne Grund mit dem der Autorin Kirsten Beyer.
Vor allem aber finden die Namen Soji und Dahj in Indien weite Verbreitung, was insofern nicht verwundert, weil auch Datas Tochter Lal in "Datas Nachkomme" einen ähnlich exotischen Namen trug, der dem Subkontinent entstammte.
Der Nachname jedoch markiert die Krone dieser Sorgfalt, denn "Asha" bedeutet in Sanskrit nichts anderes als "Hoffnung".
Ein weiterer subtiler Hinweis darauf, warum die beiden Zwillinge erbaut wurden?
Direkt schade, dass die doppelzüngige Sternenflottensicherheitschefin im Angesicht dieses Trends mit einem fantasielosen 'Oh' abgefrühstückt wurde…



Moral.
Gleich die Anfangsszene spricht Bände. Wir sehen alles, für das Data und seine Freunde eingetreten sind, in Scherben daniederliegen. Synthetische Lebensformen sind eine Sklavenrasse, die des Nachts in einer Abstellkammer der lebhaften Sternenflottenschiffswerften auf dem Mars untergebracht werden. Ihnen schlägt offen Gleichgültigkeit, Abscheu, Verachtung und gar Ablehnung entgegen, was nur unschwer Parallelen in unsere heutige Zeit, aber auch in ein klassisches Sujet der Science Fiction erkennen lässt.
Davon ab gebührt allerdings ganz anderen Ausführungen eine gewisse Tagesaktualität:

"Die Romulaner waren unsere Feinde und wir haben ihnen geholfen, solange wir konnten.  Aber selbst vor dem Angriff der Androiden auf den Mars haben vierzehn Spezies in der Föderation gesagt 'Überlasst den Romulanern sich selbst oder wir sind raus'. Wir mussten uns entscheiden; die Zukunft der Föderation riskieren, oder die Romulaner zurückweisen. […] Tausende andere Spezies sind darauf angewiesen, dass wir für Einheit sorgen; für Zusammenhalt."

Just an jenem Tag, an dem die Briten vor lauter Überfremdungsangst den Ausstieg aus der Europäischen Union vollziehen, wirken Statements wie dieser auf gruselige Weise zeitlos, aber es bietet auch einen interessanten Querverweis auf James T. Kirks kreative Interpretation des utilitaristischen Prinzips ("Das Wohl des Einzelnen wiegt manchmal schwerer als das Wohl von vielen") und stülpt es Picard über: Der TNG-Captain wendet es dabei nicht nur auf seinen ehemaligen Offizier Data an, sondern auch auf das ganze Volk der Romulaner, deren Fortbestand als Spezies er über die Einheit der Föderation zu stellen gewillt scheint.
Damit in Zusammenhang steht schließlich einer der spannendsten Brüche mit TNG.
War Jean-Luc Picard dort noch der unfehlbare Captain und moralische Leuchtturm, wird er hier von mehreren Seiten (Admiral Clancy, Raffi Musiker, Reportern) in seiner Autorität angezweifelt. Er wird zu einem isolierten Eigenbrötler, dessen Werte aus der Zeit gefallen scheinen. Picard ist nicht mehr, wer er mal war, aber das Gleiche lässt sich auch von der Sternenflotte und der Föderation sagen.



Kritikwürdige Aspekte.

Kein Einzelkämpfer.
In dieser Episode findet der Zuschauer im Unterschied zur letzten keinerlei Traumsequenzen, keinen  Fanservice mit dem Holzhammer und kaum Nostalgiemomente wieder (wenn man einmal von den Enterprise-Simulationen im Sternenflottenhauptquartier absieht).
Stattdessen scheint das Anliegen dieser Folge darin zu liegen, weiterführende Details zu vermitteln, die zuvor nur in schwammigen Randbemerkungen angedeutet wurden. Dazu wurden ein paar Bösewichte eingeführt, deren wahre Qualität sich allerdings in späteren Folgen erst noch unter Beweis stellen muss.
Trotz dieses Anspruchs verfällt "Karten und Legenden" beim Erzählen keineswegs in falsche Hektik.  Viel eher scheint Entschleunigung ist das neue Credo zu sein und man kann Picard schon einmal beim Blumenzupfen zuschauen, bei Aufräumen von zerbrochener Keramik oder gar beim gemütlichen Herabfahren von Rolltreppen. Die Szenen auf dem Mars Beginn zu der Episode bieten schon das Maximum an Action, dass sich in dieser Dreiviertelstunde offenbart.
Stattdessen wird der rote Faden hauptsächlich von gezielten Dialogen und überschaubaren Entwicklungen getragen, die man natürlich auch als mangelndes Erzähltempo auslegen könnte.
Doch weil das ein ungerechter Vorwurf wäre, bleibt das Manko (neben der Rückkehr von Lens Flares) viel mehr, dass die Episode von ihrem Vorgänger getrennt wurde. Denn schließlich lassen die Kontinuität auf dem Stuhl des Regisseurs (Hanell Culpepper leistet konstant gute Arbeit), der Mangel an neuen Handlungsorten und die fortgeführte Etablierung der Rahmenhandlung viel eher den Schluss zu, dass es sich um eine zusammenhängende Story handelt, die vor allem aus Marketing-Gründen auseinandergerissen wurde, weil sich zwei einzelne Folge einfach viel besser verkaufen als nur eine.



Kanonbrüche und Logiklöcher.
Zunächst bleibt einmal festzuhalten, dass es eine Reihe netter Kanonbezüge gibt. Auf dem Borg-Kubus und beim Sternenflottenhauptquartier herrscht ein kosmopolitisches Flair mit einer ganzen Reihe bekannter und unbekannter Wesen, die dem Ort ein passendes Star-Trek-Feeling verleihen. Zusammen mit der Erwähnungen alter Kameraden (Riker, Worf, La Forge) und früherer Gegner (Klingonen, Gorn), der prominenten Zurschaustellung der traditionsreichen Vasquez Rocks, einer stilvollen Referenz auf den Roddenberry-Freund Isaac Asimov und dem ersten Commodore seit Äonen ergibt sich ein bunter Flickenteppich aus Querverweisen, die aber nicht allzu störend für Neueinsteiger wirken dürften.
Auch über kleinere Merkwürdigkeiten kann man mühelos hinwegsehen.
So waren Trill-Namen bislang vergleichsweise simpel gehalten und reichten von Jadzia Dax über Lenara Kahn bis hin zu Ezri Tigan. Nun wird dieser erlauchte Kreis um den etwas sperrigen Zungenbrecher Naáshala Kunamadéstifee erweitert, aber eigentlich ist das weniger ein Kanonbruch, sondern eher eine kuriose Erweiterung des selbigen.
Als ungleich problematischer empfinde ich daher eher die Etablierung der Zhat Vash. Nicht, dass ich darin eine so eklatante Parallele zur Sektion 31 sehen würde, aber dieses Kaninchen, dass da aus dem Hut gezaubert wird, hinkt auf seinen Hinterläufen.
So konstruiert Laris in Hörreichweite Picards einen interessanten Entwurf der romulanischen Gesellschaft bis dato, dem auf den ersten Blick eigentlich kaum etwas entgegenzusetzen ist:

"Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass keinerlei künstliches Leben in der romulanischen Kultur existiert? Wir haben keine Androiden und forschen weder in KI noch in Kybernetik. Unsere Computer sind auf rein numerische Funktionen begrenzt."

Kaum etwas bis auf den Satz aus dem Munde des romulanischen Admirals Alidar Jaroks, der in "Der Überläufer" Data gegenüber verlauten lässt:

"Sie sind der Android! Ich kenne eine Menge romulanischer Kybernetiker, die Ihnen gerne so nahe wären wie ich es jetzt bin."

Nicht minder merkwürdig als Schrödingers Kybernetiker auf Romulus erscheint die forensische Zaubertechnologie, mit der Laris und Picard versuchen, den Entführungsversuch Dahjs zu rekonstruieren. Ich kann mich mit einiger Fantasie ja noch darauf einlassen, dass man die "romulanische Methode der Molekularrekonstruktion" entsprechend einsetzt, aber dass man auf diese Weise sogar 'Audio-Moleküle' wiederherstellt, ist doch etwas bemüht.
Auch auf dem Mars läuft einiges schief.
Der First-Contact-Day wird zwar als Feiertag, an dem der Rest der Föderation frei hat gehandelt, aber im Short Trek "Children of Mars" müssen wir mitansehen, wie ein paar arme Schulkinder just an diesem Tag unterrichtet werden.
Und warum schlafen die syntetischen Androiden überhaupt?
Wäre es nicht viel sinnvoller, sie Tag und Nacht laufen zu lassen wenn man unter Zeitdruck eine ganze Evakuierungsarmada aus dem roten Wüstensand stampfen muss?
Schlussendlich wirkte eine Einstellung besonders dick aufgetragen.
War es wirklich nötig, dass sich der Android selbst in den Kopf schießt, wenn die Oberfläche des Planeten noch vierzehn Jahre später lichterloh brennt?



Verschwörungstheorien.
Im Folgenden sollte nur weitergelesen werden, wenn man bereit ist, sich die Überraschung verderben zu lassen, denn an dieser Stelle folgen einige Überlegungen zu möglichen Richtungen, in die sich die Serie bewegen wird.
Also: Absolute Spoilerwarnung!
Die erste Theorie betrifft die Romulaner. Wir wissen, dass ein Großteil des Reiches einer verheerenden Supernova zum Opfer fiel, während die Ressourcen durch den Vorfall auf dem Mars nicht ausreichten, 900 Millionen Bürger des Sternenimperiums zu evakuieren. Dennoch bleiben die Romulaner ein regionaler Machtfaktor, wenn auch als einflussärmerer "Freistaat".
Grund dafür sind Deviseneinnahmen über einen inaktiven Borgkubus, dessen Wrack sich im Staatsgebiet des Restreiches befindet. Durch die Bergung von Technologie und die Erforschung der kybernetischen Lebensformen hält sich der gebeutelte Staat über Wasser.
Allerdings gibt es noch immer konservative Kräfte, die die Politik mitbestimmen. Ein radikaler Sprengel des Tal Shiars etwa, der sich der antikybernetischen Hysterie des Zhat Vash verschrieben hat, macht gemeinsame Sache mit einem der ältesten Feinde der Romulaner:
Der Föderation.
Um den umstrittenen kybernetischen Machenschaften des Erzfeindes ein Ende zu setzen, sind die Führungskräfte des Zhat Vash sogar bereit, einen Genozid an der eigenen Bevölkerung in Kauf zu nehmen, in dem sie in Kooperation mit ähnlich gesinnten Teilen der Sternenflotte die Schiffswerften auf dem Mars und damit die Evakuierungsflotte ausschalten. Oder um es in Anlehnung an den sechsten Kinofilm "Das unentdeckte Land"  zu sagen: "Die haben mit uns konspiriert um ihre eigenen Leute zu töten…"
Meine zweite Theorie betrifft Picards Rolle in der nach ihm benannten Serie. Die bisherigen Anzeichen deuten auf ein epochales Ereignis hin: Picard wird sterben.
Erinnern wir uns an die Aussage seines Hausarztes, der auf das in "Gestern, Heute, Morgen" angesprochene irumodische Syndrom anspielt.

"Es kommen einige Syndrome in Frage, die sich stark ähneln. […] Ein paar sind behandelbar, aber sie enden letztendlich gleich. Einige früher, einige später."

Dann führt er weiter aus:

"Ich weiß nicht, in welche Schwierigkeiten Sie sich da bringen wollen, aber vielleicht haben Sie ja Glück und sterben noch vorher."

Machen wir uns nichts vor: Auch Patrick Stewart ist nicht mehr der jüngste. Das Damoklesschwert eines verfrühten Todes schwebt beständig über der Produktion (auch wenn wir das alle nicht hoffen wollen!).
Was gibt es da besseres, als die eigene epochale Rolle mit einem Knall zu beenden (vgl. dazu Stewarts Auftritt in "Logan")?
Und was gäbe es für einen größeren Knall als Jean-Luc Picard in Erfüllung seiner Pflicht das Zeitliche segnen zu sehen?
Bleibt nur zu hoffen, dass sein Abtritt stilvoller ausfällt als der Tasha Yars, James Kirks oder Trip Tuckers.
Die letzte Theorie betrifft schließlich die Traumsequenzen mit Data.
Es ist extrem auffällig, wie sehr diese Schlüssel zur Lösung des Rätsels erhalten, als wären sie gelenkt.
Hinzu kommt, dass Data im ersten Traum fünf Herzdamen auf den Tisch legt - also fünfmal Q.
Wer weiß schon genau, was das bedeutet; aber ich halte es nicht für abwegig, dass hier im Angesicht der Borg, Datas und des Todes Picards eine höhere Macht die Finger im Spiel hat - eine Macht die den Zuschauern und dem legendären Sternenflottencaptain nur allzu gut bekannt ist.



Synchronisation.
Da gibt es eigentlich immer etwas zu schimpfen, denn schon allein der Umstand, dass Picard mit seinem langjährigen Freund, Kupferstecher und Hausarzt ins Siezen verfällt, während Soji eine wildfremde Frau spontan duzt, wirkt sehr deplatziert. Auch die Übersetzung des Witzes mit "Brauner Kleber" ist in etwa so witzig wie Deutsche Synchronisation im Allgemeinen.
Doch halt, hier gilt es eine Lanze zu brechen!
Das Original des Witzes ist keinen Deut besser, weswegen es durchaus legitim ist, hier zum Wohle der Verständlichkeit eine entsprechende Eigeninitiative zu zeigen.
Natürlich könnte man sich ferner darüber ärgern, dass die Androiden "kompromittiert" werden, aber andererseits sollte an dieser Stelle Erwähnung finden, dass mit "Indizes" der korrekte Plural von "Index" gebildet wurde.
Vor allem aber bin ich der deutschen Sprachspur dankbar, dass die absolut unnötige Verwendung des Wortes "Fucking" in der Originalversion angenehmerweise fehlt und einem deutlich sachlicheren Sprachstil Admiral Clancys gewichen ist.



Fazit.
"Karten und Legenden" bemüht sich, die angestoßenen Entwicklungen der ersten Folge mit Leben zu füllen. Erste zarte Umrisse von Gegenspielern erscheinen vielversprechend auf dem Handlungsbogen, der vorrangig von Dialogen getragen wird und verhältnismäßig wenig Raum für Action bietet. Vor allem von der Präsenz Stewarts getragen bleibt das größte Manko der Episode, dass sie von ihrem Vorgänger getrennt wurde und nur schwer als eingeständige Folge zu funktionieren scheint.

Bewertung.
Eine wichtige Ergänzung zur ersten Folge.





Schluss.

Eigentlich würden die Zahlen für sich sprechen - wenn CBS sie denn veröffentlichen würde. Stattdessen spricht man in der noch jungen Streaming-Sparte des US-amerikanischen TV-Senders optimistisch von einem Rekord-Monat, der eine erhebliche Anzahl von Neu-Abonnements aufweist. Daran mag sicherlich auch der Umstand nicht ganz unschuldig sein, dass auch die Übertragung von NFL-Spielen und der Grammy-Verleihung hier einen guten Teil der Neukunden zum Erwerb bewegen konnte.
Amazon Prime Video hingegen, das außerhalb von Nordamerika die Übertragungsrechte für "Star Trek: Picard" sichern konnte, ist ähnlich schweigsam, wenn es um die Veröffentlichung von derartigen Umsatzzahlen geht.
Doch die Anzeichen sprechen eine deutliche Sprache.
Bereits vor dem Start der Serie erhielt sie eine zweite Staffel, die mediale Aufmerksamkeit ist ungebremst und die Kommentarspalten von Star-Trek-Seiten deuten auf eine breite Zuschauerschaft hin.
in der Tat zeigt "Picard" deutlich, dass man mit einem Hausnamen und der Fortführung altbekannter Geschichten einen so erfolgreichen wie einträglichen Weg abseits von Prequels oder Reboots einschlagen kann, der dennoch den Ansprüchen der Zeit genügen kann.
Und wer weiß, vielleicht öffnen die positiven Verkaufszahlen ja Tür und Tor für ähnliche Projekte, in denen neben gänzlich neuen Star-Trek-Serien auch verdiente Star-Trek-Veteranen wie Worf, Khan oder Janeway eine erzählerische Renaissance erleben…



Denkwürdige Zitate.

"Guten Morgen, Plastikmenschen!"
Mr. Pincus

"Darf ich Dich was fragen?"
"Na klar! Solange Du keine Antwort erwartest…"
"Dürfen wir miteinander schlafen oder ist das ein Geheimnis?"
"Definitiv letzteres."
"Ist alles, was Romulaner tun geheim?"
"Oh, darüber darf ich leider keine Auskunft geben."
"Ist Dein Name wirklich Narek?"
"Einer davon…"
"Gibt es denn irgendwas, was Du mir über Dich erzählen kannst?"
"Ja! Ich bin eine sehr verschwiegene Person."
Soji und Narek

"Für ein Relikt sind Sie in exzellenter Form."
Dr. Moritz Benayoun

"This facility has gone 5843 days without an assimilation."
Schild an Bord des Artefakts

"Romulaner stehen auf Drama."
Soji

"Aus der Sicht des Kollektivs ist das hier nichts weiter als ein Friedhof."
"Und was sind wir dann?"
"Das was man auf jedem Friedhof findet. Einige zehren von den Toten, manche sind Geister und wieder andere wie Sie Dr. Asha spenden die Wiederauferstehung."
Narek und Soji

"Ich habe mich nie richtig für Science Fiction interessiert. Irgendwie finde ich keinen Bezug dazu."
Jean-Luc Picard

"Okay, Sie brauchen jemanden der Sie hasst und der nichts zu verlieren hat."
"Ich habe sie bereits kontaktiert…"
Zhaban und Picard

"Ist das 'nen Sechsundachtziger?"
Raffi Musiker


Weiterführende Leseliste.


01. Rezension zu "Gedenken"
02. Rezension zu "Karten und Legenden"
03. Rezension zu "Das Ende ist der Anfang"
04. Rezension zu "Unbedingte Offenheit"
05. Rezension zu "Keine Gnade"
06. Rezension zu "Die geheimnisvolle Box"
07. Rezension zu "Nepenthe"
08. Rezension zu "Bruchstücke"
09. Rezension zu "Et in Arcadia Ego, Teil Eins"
10. Rezension zu "Et In Arcadia Ego, Teil Zwei"