Posts mit dem Label Neue Serie werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Neue Serie werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 14. August 2020

Turons Senf zu Star Trek: Lower Decks "Second Contact" (S1Nr01)

Spoilerwarnung.
Dieser Artikel enthält massive Spoiler auf "Second Contact", die erste Folge der Star-Trek-Serie "Lower Decks" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese Folge bereits gesehen hat.



Einleitung.
Stell Dir vor es läuft Star Trek und keiner schaut hin…
So oder zumindest so ähnlich fühlt es sich zumindest hierzulande an, denn jenseits des großen Teiches kümmert es scheinbar nicht wirklich jemanden in der Abgeschiedenheit des Elfenbeinturms der CBS-Chefetage, dass Star-Trek-Fans außerhalb Nordamerikas keine Chance haben, die aktuelle Stark-Trek-Serie "Lower Decks" zeitnah verfolgen zu können. Denn während "Discovery" für europäische Kunden auf Netflix zugänglich ist, kann sich "Picard" auf Amazon Prime sehen lassen. Beides sind natürliche bezahlte Streamingdienste, aber im Gegensatz zur momentanen Situation hatte man als Fan immerhin stets einen zeitlich nur minimal versetzten Zugang erhalten. Nun aber zeigt sich das Desinteresse CBS' mehr als deutlich, den europäischen Markt mit einer kreativen Lösung zu bedenken und selbst wenn es vereinzelt halbherzige Ausreden gibt, kann man über kurz oder lang wohl eher darauf warten, dass der Streamingdienst des amerikanischen Fernsehsenders in den ohnehin schon intensiven Wettkampf auf dem europäischen Markt miteinsteigt, bevor sich CBS dazu herablässt, seine 'Kronjuwelen' vermeintlich unter Wert zu verkaufen, nur um den Fans außerhalb ihres amerikanischen Dunstkreises einen bloßen Gefallen zu tun.
Mit einer so kurzsichtigen Politik aber befeuern sie munter Raubkopien ihrer Sendungen, auch wenn es selbst hierzulande beschränkte Möglichkeiten gibt, für einen CBS All Access Account Geld zu löhnen (ich kann an dieser Stelle nur einen zuverlässigen Freund oder Verwandten in den USA und einen nicht minder zuverlässigen sowie günstigen VPN-Service empfehlen).
Aber lohnt sich der immense Aufwand auch für die neue Serie, die von vielen Fans schon vor Ausstrahlungsbeginn verrissen wurde?  



Story.
Während sich der Fokus der Sternenflotten-Geschichte zumeist auf jene tapferen Mannschaften konzentriert, die den ersten Kontakt zu neuen Spezies herstellen, bleiben die Abenteuer jener Besatzungen zumeist unbesungen, die anschließend den zweiten Kontakt sichern und dafür sorgen, dass "der Papierkram erledigt wird, der Name des Planeten richtig geschrieben wird und all die guten Restaurants und Kneipen bewertet werden".
Eines dieser Schiffe ist die USS Cerritos, die zwar schon von außen nicht mit Schwesterschiffen wie der USS Enterprise, der USS Defiant oder der USS Voyager mithalten kann, aber nichtsdestotrotz ihren ganz persönlichen Beitrag zu den unendlichen Abenteuern in den Weiten des Weltalls leistet. Denn bei ihrer Mission im Galar System fängt sich der erste Offizier des Schiffes einen verheerenden Virus ein, der auf heimtückische Weise die Crew befällt und sie zu seelenlosen Zombies werden lässt. Doch abseits der Führungsoffiziere wird der Tag von Mitgliedern der niederen Dienstgrade gerettet, die erheblich dazu beitragen, dass der ländlichen Planetenbevölkerungen unbürokratisch geholfen wird, Sicherheitslücken in den Wartungsschachtzugängen aufgedeckt werden oder eine unappetitliche Grundlage für ein Heilmittel an Bord gebracht werden kann…



Lobenswerte Aspekte.

Strickmuster. Mit der ersten Folge der neuesten Star-Trek-Serie geht "Lower Decks" auch gleich in die Vollen, denn die Episode gleicht einem Lehrbeispiel für Pilotepisoden. In einem stimmigen Tempo, bei dem sich Dialoge und Actionszenen sinnvoll ergänzen, wirkt die notwendige Figureneinführung in ihrer stilvollen Schlichtheit und Unaufdringlichkeit schon beinahe zu perfekt. Vor allem aber legt die Serie gleich in seinen ersten fünfundzwanzig Minuten thematisch alle Karten auf den Tisch und verrät offenherzig, wohin die Reise der nächsten paar Folgen hinführen wird.
Da ist zum einen die Idee, den Alltag der vielen Crewmitglieder abseits der Vorzeige-Offiziere des Führungsstabes näher zu beleuchten. Nachdem sich bereits "Discovery" angeschickt hatte, unter diesem Vorzeichen zu starten (nur um nur allzu schnell wieder in die gewohnten Brücken-Elite-Muster zurückzufallen), kommt nun erstmals wirklich eine Folge, die die überaus reizvolle Prämisse von grandiosen Episoden wie "Beförderungen" oder "Der gute Hirte" aufgreift, um – ganz im Geiste moderner Erzählmuster – Helden mit Ecken, Kanten und Fehlbarkeiten zu zeigen.
Nicht minder spannend ist die Idee des Zweitkontaktes, denn irgendetwas müssen die unzähligen Sternflottenoffiziere abseits der  lengendären Schiffe aus den Star-Trek-Serien ja auch machen, um den Laden am Laufen zu halten. Denn während Picard und Co. all die glamourösen Abenteuer erleben, muss es auch noch die langweiligen Jobs geben, die kaum oder gar nicht beleuchtet und stets als vorausgesetzt behandelt wurden, ohne bislang in einem würdigen Rahmen thematisiert zu werden.
Aber auch wenn diesen beiden Grundideen mit dem Namen der Serie und dem Namen der Folge Rechnung getragen wird, bleibt ein anderer, in meinen Augen viel wichtigerer Aspekt übrig, der die Serie ausmachen dürfte.
Tragend bleibt nämlich eine Idee, die durch Jean-Luc Picard und Q höchstselbst in der TNG-Episode "Willkommen im Leben nach dem Tode" in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt wurde und hier anhand der beiden Hauptprotagonisten noch einmal verdeutlicht wird: Der verschlungene Weg zum Kommandostuhl eines Sternenflottenschiffes kann weder erreicht werden, wenn man keine Wagnisse eingeht, noch wenn man sich unsinnigen Risiken auf Gedeih und Verderb aussetzt. Auf die Mischung kommt es an und das ist etwas, was sowohl Brad Boimler als auch Beckett Mariner als Haupthelden lernen müssen. Nur wenn sie zusammenarbeiten, können sich der Idealismus und die Dienstbeflissenheit Boimlers mit der Improvisationsfähigkeit und Originalität Mariners zu etwas kombinieren, dass nicht nur Potential für eine Sternenflottenkarriere, sondern auch für beste Serienunterhaltung bietet.



Humor und Star Trek? Schon wenn der Vorspann der neuen Serie beginnt, kann man all die kleinen 'Unfälle' bestaunen, die man sich in den 'klassischen' Einspielern stets nur vorgestellt hat. Was, wenn der herumstreunende Meteorit aus TNG oder DS9 das Schiff oder die Station trifft? Was, wenn die Voyager mit den Gesteinsbrocken der Planetenringe kollidiert? "Lower Decks" scheut sich jedenfalls nicht, mutige Antworten auf derlei Fantasiefragen zu geben. Und ganz nebenbei fühlt sich dieser Einstieg trotz der gehörigen Portion Klamauk originalgetreuer an als beispielsweise die Intros von "Discovery" oder "Picard".
Zugegeben; ich bin zwar beim Ansehen der ersten Folge nicht unbedingt vor Lachen vom Sofa gefallen, aber an einigen Stellen entfielen mir doch zahlreiche anerkennende Schmunzler und es bleibt festzuhalten, dass sich gerade im Vergleich zur Vorgängerserie der verantwortliche Schöpfer Mike McMahan sichtbar bemühte, dass der Humor deutlich weniger auf dem ungenierten Einsatz von Körperflüssigkeiten basiert und tatsächlich beweist, dass es in der Unendlichkeit des Star-Trek-Universums genug Platz für einen komödiantischen Ansatz gibt, dessen Weg in den mehr als fünfzig Jahren davor bereits durch Episoden wie "Kennen Sie Tribbles?", "Eine Handvoll Datas" oder "Dame, Doktor, Ass, Spion" geebnet wurde. Fraglos gibt es dabei noch viel Luft nach oben, aber das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. "Lower Decks" ist optisch und inhaltlich gelungener als die animierte Star-Trek-Serie der Siebziger und benimmt sich im größeren Star-Trek-Rahmen (bislang) keineswegs wie der Elefant im Porzellanladen. Wo J.J. Abrams (mit Transwarp-Beamen oder Augment-Wunder-Blut) oder "Discovery" (mit akanonischen Spiegeluniversums-Ausflügen und Pilzantrieb) zuvor teilweise einen Scherbenhaufen zurückließen, bietet "Lower Decks" durch seine Platzierung am äußersten Rande des großen Sternenflottengeschehen nur ein überschaubares Risiko, dass dem geneigten Zuschauer letzten Endes das Lachen im Halse steckenbleibt.



Kritikwürdige Aspekte.

Auf Schlingerkurs in Richtung Kanon. Auch wenn es keine eklatanten Kanonbrüche gibt, müssen an dieser Stelle vielleicht doch einmal einige Punkte angesprochen werden, die dem mit dem optischen Vorbild TNG vertrauten Fans ins Auge, beziehungsweise ins Ohr fallen könnten.  
Das umfasst merkwürdige Begriffsverwendungen wie "romulanischer Whiskey" oder "Squash", an Stellen, an denen "romulanisches Ale" oder "Parrises Squares" deutlich kanontreuer gewesen wären. Aber hey, in einem Universum so groß wie diesem gibt es auch Platz für mehr als eine romulanische Alkoholsorte oder mehr als ein menschliches Rückschlagspiel, oder?
Andere Momente fühlten sich deutlich deplatzierter an. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass niedere Dienstränge Gemeinschaftsquartiere teilen müssen, aber die Idee, dass sie alle auf Kojen im Flur schlafen, ist vielleicht ein wenig übertrieben.
Auch der Umstand, dass sich Beckett Mariner ausgerechnet als Tochter des Captains entpuppt, mag sich nicht so recht nach Sternenflottenprotokoll anfühlen, aber hier muss man zähneknirschend eingestehen, dass familiäre Verflechtungen auf anderen (bekannteren) Schiffen spätestens seit Wesley Crushers Ernennung zum Fähnrich ehrenhalber keineswegs bedauerliche Einzelfälle waren.
Am unbehaglichsten empfand ich ganz persönlich eher den Umstand, dass sich mit Sam Ruhterford eine der Hauptfiguren ganz bewusst für eine technologie-gestützte Aufwertung entschieden hat, obgleich dies in der bisherigen Erzähltradition eher mit Verletzungen in Verbindung gestanden hatte. Immerhin widerspricht dieser Ansatz einem der besseren Momente Gene Roddenberrys, der auf die Frage eines Reporters über Picards Besetzung mit Patrick Stewart, warum in der Zukunft niemand eine Behandlung für Glatzköpfigkeit gefunden hätte, dahingehend argumentierte, dass es im vierundzwanzigsten Jahrhundert schlichtweg niemanden interessieren würde. Nun aber sind die kleinen äußeren und inneren Fehler der Protagonisten plötzlich 'heilbar', was sich im Hinblick auf das Fehlen von kybernetisch verbesserten Personen bei TNG und seinen Nachfolgeserien ein wenig fragwürdig anfühlt. Immerhin versprach McMahan bereits in einem Interview, für diese Frage eine passende Antwort liefern zu wollen, aber dennoch hinterlässt der Umstand – insbesondere in Kombination mit einem vulkanischen Implantat (?) – zumindest ein wenig Bauchschmerz.
Aber vielleicht ist es letzten Endes damit wie mit der USS Cerritos, die auf den ersten Bildern zur Serie nicht so recht gefallen mochte. Sicherlich ist sie auch nach der ersten Folge noch kein wirklich hübsches Schiff, aber man gewöhnt sich doch erstaunlich zügig an das vermeintliche 'Frankenstein-Design' aus mehreren anderen Schiffen, nicht zuletzt, weil es ansehnlicher ausfällt als andere Kitbashes wie der Curry-Type, der Elkins-Type oder gar der Yeager-Type. Zudem trägt das Hintergrundschiff maßgeblich zum Flair einer Serie bei, in der es inhaltlich um die Zweite Garde und deren zweitrangige Aufgaben geht.
Daher muss man "Lower Decks" eher zugutehalten, dass es streckenweise mehr mit der Vorgeschichte der Franchise und dem damit verbundenen Kanon verbunden scheint als "Discovery" oder selbst "Picard" (zumindest in manchen Episoden), was sich nicht nur in den unzähligen Minianspielungen (zahlreiche Spezies wie Benziten, Andorianer oder Bajoraner im Hintergrund, detailverliebte Displays und Hintergrundobjekte, Gary Mitchell muss von Boimler nachgeschlagen werden) und Nostalgiemomente (Spritztour mit der Argo, Zehn-Vorne-Feeling in der Schiffsbar, Space-Walk auf der Außenhülle des Schiffes) widerspiegelt, sondern auch in den zahlreichen Easter Eggs, die es immer wieder zu finden gibt. Die Serie beweist jedenfalls gleich zu Beginn eine augenzwinkernde Einfühlsamkeit für ihren schwierigen Stand im Kanon, indem sie mit einer Caitianerin als Chefärztin eine augenzwinkernde Brücke zu seinem ungeliebten Zeichentrickvorgänger TAS schlägt (dort tauchte die Spezies erstmalig auf).



Streitbarkeit. Und da beginnt eigentlich auch schon das Problem der Serie: Als animierte Serie hat sie einen schweren Stand. Zwar ist sie unbestreitbar sowohl optisch als auch inhaltlich qualitativ hochwertiger als ihr vermeintlicher Vorgänger aus den Siebzigern, aber es bleibt eben ein Trickfilm, mit dem für viele Menschen eine unsichtbare Barriere verbunden ist, sie überhaupt ernstnehmen zu können.
Dabei repräsentiert sie das logische Ergebnis einer Entwicklung von den "Simpsons" über "Family Guy" bis hin zu McMahans "Rick and Morty" und genügt den Standards moderner Sehgewohnheiten. Natürlich muss das nicht jeder mögen und gerade älteren Zuschauern, die bereits mit den erwähnten Serien nichts anfangen können, dürften wohl auch kaum mit "Lower Decks" warm werden. Vor allem die Frage, ob das alles mit dem offiziellen Kanon vereinbar ist, schwebt zu Unrecht wie ein Damoklesschwert über der noch sehr jungen Serie.
Denn "Lower Decks" nutzt bei Lichte besehen geschickt all die vielen Freiheiten, die sich allein in diesem Medium bieten und damit den Kanon eher bereichern, als ihm zuwider zu handeln. Die Serie kann nämlich problemlos Inhalte verwirklichen, die das Potential hätten, das Budget einer handelsüblichen Star-Trek-Episode im Vorbeiflug zu sprengen: Die beiläufig eingestreute erstmalige Ansicht der orionischen Heimatwelt, Außerirdische die über den üblichen Westmore-Look hinausgehen und pflanzenfressende Weltraum-Wollmilchspinnen die auf Menschen herumkauen.
So gesehen mag es dem ein oder anderen zu quietschig, zu überdreht oder zu schnell vorkommen, doch man muss McMahan zugestehen können, dass er ein mutiges, bahnbrechendes und in dieser Form noch nie dagewesenes Star-Trek-Experiment verwirklicht hat – und das zum Wohle der gesamten Franchise.







Fazit.
"Second Contact" ist eine Pilotepisode wie aus dem Lehrbuch und schafft es rasch, neue Hoffnungen zu wecken – wenn man denn bereit ist, über den Tellerrand der Live-Action-Fernsehunterhaltung hinwegzusehen. Wer das schafft, wird einen vielversprechenden Start mit viel Potential, aber auch noch mit viel Luft nach oben erleben können, der sich traditioneller Star-Trek-Erzählmuster bedient, um einen in der Form noch nie möglichen Einblick in den Sternenflottenalltag abseits der Vorzeigeposten zu bieten. Noch sucht die Serie ihren eigenen Weg durch das Dickicht des Kanons, aber "Lower Decks" ist fraglos ein kreatives, flexibles und modernes Format, dass sich nicht vor den anderen Vertretern der jüngeren Star-Trek-Seriengeschichte zu verstecken braucht.

Bewertung.

Guter Start mit Luft nach oben.






Schluss.

Für ganz kurze Zeit hat CBS die erste Folge bei Youtube eingestellt, wie um meinen einleitenden Worten vehement widersprechen zu wollen. Doch es dauerte nicht lange, bis ein Geolock den Zugriff von Standorten außerhalb Nordamerikas einen Riegel vorschob und damit diesen Worten nur noch mehr Gewicht verlieh.
Die Strategie des Senders – sofern es denn wirklich eine gibt – ist so zweidimensional wie Khans Raumschlachtverständnis in einer Zeit, in denen der internationale Markt längst kein unentdecktes Land mehr sein sollte.
Es ist schlichtweg traurig, dass eine Serie mit diesem Potential nicht nur gegen zahlreiche Fans antreten muss, die sich ihre Meinung schon weit vor der ersten Folge gebildet haben, sondern auch an den fragwürdigen Entscheidungen einer Chefetage leidet, die mit ihrer isolationistischen Politik einen Irrweg beschreitet, der die ohnehin herausfordernden Rahmenbedingungen in Zeiten einer weltweiten Pandemie noch zusätzlich beschränkt.
Es scheint dieser Tage jedenfalls als würden jene Personen, die Star Trek und seine weltoffene Philosophie am wenigsten verstanden haben, ausgerechnet in den Führungspositionen von CBS sitzen.



Denkwürdige Zitate.

"Keep it moving, lower decks. Next!"
Operations-Offizier zu Tendi

"Yeah, no. We're not really 'elite'. We're more like the cool, scrappy underdogs of the ship. You know, we don't wash our hands, we're doing kick flips all the time…"
"But, with focus and dedication, you could be chief medical officer some day…"
"Oh, senior officers are overrated! They're always like stressed out and just yelling about directives. It is better down here, where the real action is."
Beckett Mariner und Brad Boimler

"Wow, this is a very detailed program…"
D'Vana Tendi

"What? Oh man, I would kill to work on the deflector dish! Most of my day is spent repairing food replicators!"
"They really break that often?"
"Only when you get food in them…"
Sam Rutherford und Barnes

"You've been on what, four planets?"
"Five – if you include Vulcan…"
"Of course I do not include stupid Vulcan!! You may as well count Earth!"
"I was counting Earth…"
Mariner und Boimler

"Hey Brad, good news, buddy: I've just – it's just suckling you, I've just learned! You're fine! Hang in there; you've got this! It is getting tired! So go to your happy place, like – oh – think about the Warp core!"
Mariner

Weiterführende Leseliste.


Staffel 1.

01. Rezension zu "Second Contact"
02. Rezension zu  "Envoy"
03. Rezension zu "Temporal Edict"
04. Rezension zu "Moist Vessel"
05. Rezension zu "Cupid's Errant Arrow"
06. Rezension zu "Terminal Provocations"
07. Rezension zu "Much Ado About Boimler"
08. Rezension zu "Veritas"
09. Rezension zu "Crisis Point"
10. Rezension zu "No Small Parts"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Seltsame Energien"

Mittwoch, 24. Januar 2018

Turons Senf zur zwölften Episode Discovery


Spoilerwarnung
. Diese Rezension enthält massive Spoiler zur aktuellen Discovery-Folge "Blindes Verlangen". Es empfiehlt sich daher unbedingt, diese und sämtliche vorherigen Folgen gesehen zu haben, bevor man mit dem Lesen an dieser Stelle fortfährt, zumal die Spoiler dieses Mal die Qualität haben, den Sehgenuss deutlich zu schmälern.


I. Einleitung.
Es ist schon spät – nur noch drei Folgen und Discovery geht für wohl mindestens ein Jahr in einen viel zu langen Winterschlaf über. So scheint es langsam an der Zeit zu sein, die einzelnen Handlungsstränge zusammenzuführen, Unklarheiten zu beseitigen und das Publikum mit der ein oder anderen unerwarteten Entwicklung trotz der langen Wartezeit bei der Stange zu halten.
Ob "Blindes Verlangen" diesem Anspruch gerecht werden kann?

II. Story.
Michael Burnham hat sich ihren vermeintlichen Gefangenen und tatsächlichen Vorgesetzten Lorca geschnappt und ist mit ihm auf dem Weg zum Palastschiff der Imperatorin. Doch während es ihr bereits beim bloßen Gedanken daran schaudert, sich mit dem hiesigen Alter Ego ihrer Mentorin auseinanderzusetzen, kommt es noch viel schlimmer, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen hätte ausmalen können: Nach einem denkwürdigen Abendessen lässt Imperatorin Georgiou Burnham festnehmen, um sie kurz darauf hinrichten zu lassen.
Nicht minder turbulent geht es derweil auch auf der USS Discovery zu. Paul Stamets' Bewusstsein geistert auf der Suche nach Antworten auf dem Mycel-Highway-to-Hell herum, während Saru versucht die klingonische Gefangene L'Rell dazu zu bewegen, das offensichtliche Leiden Ash Tylers zu beenden.
Und dann ist da noch Lorca, dessen mysteriöse Vergangenheit plötzlich in einem völlig neuen Licht erstrahlt…


III. Lobenswerte Aspekte.

Charaktermomente.

Puh, wo fange ich nur an?
Tatsächlich waren die Darsteller durch die Bank glänzend aufgelegt, so dass es schwerfällt, den ein oder anderen Charakter sonderlich herauszuheben. Dennoch versuche ich es an dieser Stelle schweren Herzens.
Ein Comeback im wahrsten Sinne des Wortes feierte der passiv-komatöse Pilzconnoisseur Paul Stamets, dessen fragilen Geist es in die unendlichen Weiten des labyrinthartigen Myzel-Netzwerkes verschlagen hat.
Anthony Rapp nach so langer Zeit einmal Dialogzeilen abseits von wirrem Gebrabbel von sich geben zu hören war ja schon Grund zur Freude, aber dass er ausgerechnet an diesem Ort seinem eigenen Spiegeluniversumsabbild begegnet, war sicherlich das Sahnehäubchen auf diesem Leckerbissen für die Fans. Dass diese Reflektion einer eigenen Agenda folgen würde, war in diesem Zusammenhang abzusehen, aber dann noch mitzuerleben, dass Stamets im Körper seines Feindes an Bord des Palastschiffes erwacht, gibt der Geschichte nochmals einen Schubs in eine spannende Richtung.
Stamets' Szenen mit Culber wandelten dagegen auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und Kunst, doch es ist ihnen zugutezuhalten, dass sie sich in keiner Sekunde so aufgesetzt wirkten, wie die vergleichsweise zwischen Rosamunde Pilcher und gezieltem Plottwist angesiedelten Beziehungsmomente bei Tyler und Burnham.


Und wo wir gerade von Leckerbissen und Burnham reden:
Ich kann an einer (meiner Lieblings-) Szene einmal festmachen, warum ich Sonequa Martin-Green für eine so großartige Schauspielerin halte. Beim perfekten Dinner mit der Imperatorin ist sie schon bereit, die volle Punktzahl für den ersten Gang zu geben, als sie erfährt, was sie dort eigentlich verzehrt:
Die Spiegeluniversumsvariante ihres Kollegen Saru.
Der schiere Horror in ihren Augen, der aufsteigende Würgereiz und der vehemente, aber doch unterdrückte Ekel auf der einen Seite, gepaart mit der Selbstdisziplin, die Tarnung um jeden Preis aufrecht zu erhalten, der Reue, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben und der Abscheu für eine Gesellschaft, die bereit ist, empfindungsfähige Spezies zuzubereiten stehen allesamt gleichzeitig in ihrem Gesicht geschrieben. Es trägt maßgeblich dazu bei, mit Burnham zu fühlen und ihren inneren Kampf an der eigenen Haut mitzuerleben.


Mal abgesehen von der mitunter nur schwer nachvollziehbaren Figurenmotivation (Warum gibt sie zum Beispiel bereitwillig so viele Informationen preis?) glänzt die Darstellerin die gesamte Folge hindurch, was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass Michelle Yeoh ein kongenialer Dialogpartner ist. Tatsächlich schafft die pompös inszenierte, aber eloquent gespielte Spiegeluniversumsentsprechung Georgious noch besser als ihr im Vorfeld viel zu kurz gezeigtes Vorbild, das Beste aus Martin-Green herauszukitzeln.
Immer wieder bewundernswert finde ich desweiteren – nicht zuletzt wegen seines sehr kurzen Auftrittes als sein eigenes SpiegelbildDoug Jones' Performance. Trotz der massiven Maske gelingt es ihm durchgängig, subtile sowie offensichtliche Gefühle zu transportieren, seiner Figur Saru Leben einzuhauchen und doch eine klare Linie in der eigenen Figureninterpretation beizubehalten. 
Ähnliches muss man im gleichen Atemzug auch Mary Chieffo zugestehen. Dass L'Rell in einem erstaunlichen Anflug unklingonischer Barmherzigkeit das Martyrium Tylers beendet ohne dass man als Zuschauer laut zeternd von seinem Fehsehsessel aufspringt, konnte man nicht zuletzt auf ihre stringente Darstellung zurückführen.
Erstaunlicherweise blieb Jason Isaacs verhältnismäßig weit im Hintergrund. Abgesehen von seiner dramatischen Identifizierung als Reichsbürger des Terranischen Imperiums blieb ihm recht wenig Raum, um deutliche schauspielerische Akzente zu setzen. Was er zeigen konnte war – wie auch bei den gleichermaßen unterrepräsentierten Syliva Tilly und Ash Tyler – auf stabilem Niveau.


Folgenkonstruktion.

Einer der ersten Kritikpunkte auf meiner Liste war noch vor dem Start der Folge, dass sie gerade einmal siebenunddreißig Minuten zählen würde.
Aber schon nach dem ersten Ansehen musste ich der Episode zugestehen, dass sie es dennoch vermochte, diese halbe Stunde (da werden ja auch noch Rückblick, Vorspann und Abspann abgezogen) derart mit Inhalt auszufüllen, als wäre sie doppelt so lang.
Wie in einem Uhrwerk greifen die einzelnen Handlungsorte, die Multiperspektive und die Einzehlschicksale wie Zahnräder ineinander über und werden mit mal mehr und mal weniger geschickten Übergangsschnitten miteinander verbunden. So entsteht ein flüssig erzählter roter Faden, der alle Beteiligten trotz der Entfernungen zurück in ein gemeinsames Boot holt.
Immer wieder stechen dabei eindrucksvoll inszenierter Einzelbilder hervor, die wie ein Renaissance-Gemälde durchchoreographiert wirken und besondere Momente zusätzlich unterstreichen.
Gleiches kann man auch vom Soundtrack sagen, der viele Situationen gleichzeitig hervorhebt und doch niemals so aufdringlich wird, dass man ihn als störend empfinden oder gar vom Moment abkoppeln könnte.


Und als würde Quentin Tarrentinos mögliches Engagement beim nächsten Star-Trek-Kinofilm bereits seinen langen Schatten vorauswerfen, findet die Fokussierung auf das Spiegeluniversum seinen Höhepunkt in einem obszönen Ausleben einer bizarren Lust an Gewalt. Die teilweise recht erschreckende Brutalität ist irgendwo zwischen künstlerischer Freiheit und grafischer Überzeichnung angesiedelt und trägt maßgeblich dazu bei, den Schrecken des Handlungsorts schonungslos zu demonstrieren. Zwar hätte ich mir mehr subtile Szenarien wie etwa das bereits erwähnte Candlelight-Dinner mit Burnham und Georgiou gewünscht, aber dieses provokativer Stilmittel verfehlt trotz aller angebrachter Kritik seine Wirkung nicht.


III. Kritikwürdige Aspekte.

Enthüllungen.
Kurz vor dem Zieleinlauf ist es natürlich vonnöten, Rätsel aufzulösen, Masken herunterzureißen oder Katzen aus dem Sack zu lassen.
Bereits seit zwei Folgen zieht sich etwa die vermeintliche 'Enthüllung' hin, dass sich hinter Tyler der klingonische Unions-Fanatiker Voq verbirgt. Aber viele Fragen stehen noch offen.
Ist Voq jetzt tot?
Oder erst recht erwacht?
Bleibt er als Tyler der Serie auch in der nächsten Staffel erhalten?
Noch mehr drängt sich mir allerdings die Frage auf, wie genau aus Voq Tyler wurde.
Ist er ein Klingone in Menschenpelz oder ein Mensch in Klingonengestalt?
Wer eine Antwort auf diese Frage erwartet, wird enttäuscht werden:

"The one you call Tyler was captured in battle at the Binary Stars. We harvested his DNA, reconstructed his conscienceness and rebuilt his memory. We modified Voq into a shell that appears human, we crafted his psyche into Tylers and in so doing Voq has given his body and soul for our ideology."

Oder, wie es in der deutschen Synchronisation mit ähnlichem Tenor heißt:

"Der den Sie Tyler nennen, wurde bei der Schlacht am Doppelstern gefangen genommen. Wir haben seine DANN erbeutet, sein Bewusstsein rekonstruiert und seine Erinnerungen kopiert. Wir haben Voqs Körper einen menschlichen Anschein gegeben und seine Psyche in die von Tyler verpflanzt und auf diese Weise hat Voq seinen Körper und seine Seele für unsere Ideologie gegeben."

Mal ganz abgesehen davon, dass sich diese Aussage selbst widerspricht, scheint L'Rell hier einen völlig unnötigen Aufwand betrieben zu haben. Beinahe wirkt es, als hätte sie beide Personen in einen Mixer geworfen, auf höchster Stufe püriert und das Ergebnis dann in einer Gussform halbgar ausgebacken.
Was mich aber noch viel mehr stört:
Warum eigentlich?
Was hat sie damit bezweckt?
Hat Voq sich nicht für eine wahnwitzige Minimalchance geopfert, bei der es sinnvoller gewesen wäre, im Klingonischen Reich auf Kols Tod zu warten um dann die Ideen T'Kuvmas wieder hervorzukramen?
Immerhin hat eine ganze Reihe haarsträubender Zufälle überhaupt erst dazu geführt, dass sie beide an Bord der Discovery gelangen konnten und dass Endergebnis als 'Fehlschlag' zu bezeichnen, ist bei Lichte betrachtet noch eine recht euphemistische Umschreibung der wirren Ereignisse.


Nicht viel durchdachter präsentiert sich auch Lorcas Offenbarung als gebürtiger Spiegeluniversumseingeborener.
Der ganze Aufwand diente nur dazu, an Bord des Palastschiffes zu gelangen?
Das finde ich dann doch ein wenig zu weit hergeholt, zumal seine Herkunft aus dieser Realität ein so offenes Geheimnis war, dass es in vorangegangenen Rezensionen bereits angedeutet wurde.
Aber das stört mich noch nicht einmal am meisten.
Was ich stets an Lorca gepriesen habe war, dass er aus dem üblichen Schema des schon unglaubwürdig kantenlosen Sternenflottencaptains herausragte, weil er unpopuläre Entscheidungen traf, einen eigenwilligen Führungsstil pflegte und sein Name eben nicht ganz oben auf der Liste der verdientesten Flottenkommandanten stand.
Lorca war ein Matt Decker.
Ein Edward Jellico.
Oder ein Rudolph Ransom.
Eben einer von jenen Captains, die es in der Sternenflotte zuhauf geben muss, aber die nie angesprochen werden, weil sie kaum aus dem Schatten eines Kirks, Picards oder einer Janeway heraustreten. Darin lag der Verdienst dieser Figur.
Dieses Sujet hat Lorca bis hier her auch redselig erfüllt. Aber mit seiner Herkunft aus dem Spiegeluniversum bleiben uns am Ende doch nur die glänzenden Burnhams, Georgious oder Pikes. Es wirkt fast, als sei dieses Universum voller integrer Menschen gar nicht in der Lage, aus eigener einen zwielichtigen Charakter hervorzubringen. Es ist eine Überzeichnung genau wie das Spiegeluniversum und damit kaum geeignet, eine glaubwürdige Entwicklungslinie der Menschheit von heute zu zeichnen.
Als ob das nicht genug wäre, präsentiert "Blindes Verlangen" mit der ISS Charon auch noch eines jener vermeintlich furchteinflößenden Riesenschiffe, die eine Bedrohung schon allein ob ihrer Größe suggerieren sollen. Dass ging aber schon deshalb gründlich daneben, weil das Schiff wie das uneheliche Kind eines Sternenzerstörers aus Star Wars und dem Kreuzfahrtdampfer auf Fhloston Paradise in "Das fünfte Element" wirkt. Obgleich diese unnötige Megalomanie in Filmen wie "Nemesis", "Star Trek (2009)" oder "Star Trek Into Darkness" oft genug kritisiert wurde, hat man sich mit diesem Modell wieder einmal in der Mottenkiste klassischer Filmmotive vergriffen.


Zweifelsohne ist diese Einschätzung sehr subjektiv.
Das zeigt sich schon darin, dass ich ganz persönlich die Darstellung des Spiegeluniversums und vor allem des nie zuvor gezeigten Hofstaates sehr genossen habe, auch wenn sich andere Fans dagegen verwehrten.
Ich fand viel eher, dass diese Interpretation das etwas einseitige Universum eher aufgewertet hat.
Klar hat die Imperatorin eine Liste an Titeln, die Erich Honecker vor Neid im Grabe rotieren ließe.
Klar ist alles nur eine Metapher, in der das terranische Imperium die Klingonen der ursprünglichen Zeitlinie symbolisiert.
Und klar ist das Design dieses Universums sehr stark abweichend von den Vorbildern.
Aber das sind zum Teil legitime erzählerische Mittel.
Titel sind zum Beispiel in vielen totalitären Regimen ein Aushängeschild der eigenen Macht. Die Spiegelung der herrschenden Verhältnisse kann zur Lösung der eigenen Probleme genutzt werden. Und wird nicht ein neuer (Georgiou ablösender) Imperator die Symbolik seines Vorgängers durch eigene Uniformen, Abzeichen und Zeremonien ersetzen, um seine eigene Herrschaft von der des ungeliebten Vorgängers zu trennen?
Bei dieser ganzen Diskussion bewundere ich immer wieder die Unvoreingenommenheit vieler Discovery-Enthusiasten, die nun über diese Serie den Zugang zu Star Trek finden. Einer kleinen (und vielleicht etwas unrepräsentativen) Erhebung meinerseits finden einige Zuschauer ohne das Vorwissen der Alt-Fans die plötzlichen Verknüpfungen ungleich beeindruckender. Es herrscht eine eher positive Grundstimmung bei jenen vor, die eben nicht von Spoilern verdorben, vom Kanon voreingenommen oder den Wegfall von liebgewonnenen Traditionen betroffen sind.
Auch wenn man Discovery nicht allzu offen gegenüber steht, muss man der Serie doch zugestehen, dass sie vielen Neu-Trekkies einen breiten Zugang zu einem riesigen Universum verschafft.



Kanonbrüche und Logiklöcher.
Die meisten Bauchschmerzen bereiten mir Pilze.
Jedenfalls die, mit denen die USS Discovery durch Raum, Zeit und Dimensionen reist.
Inzwischen habe ich mich einigermaßen auf die Idee eines nicht nur galaxie-, sondern sogar universen-umspannenden Netzwerkes gewöhnt, aber diese Folge hat mehr Fragen aufgeworfen als sie beantworten konnte.
Sind die Pilze eine empfindungsfähige Lebensform wie Gomtuu, die Stamets deshalb bewusst eine vertraute Umgebung schafft?
Oder ist es so eine Art Nexus, in der sich jeder an Orte, Personen oder Momente zurückversetzen kann, der in diese Umgebung gerät?
Wie kann es den Geist Stamets in sein Spiegeluniversumsgegenstück verfrachten?
Wird es von der roten Pilzfäule zerfressen oder vernichtet es Stamets am Ende selbst, um die bösen Spiegeluniversumsmenschen davon abzuhalten, mit dieser Technologie nicht nur das eigene Universum, sondern auch andere Realitäten zu unterjochen?
Während die Beantwortung derlei Fragen noch im Rahmen der übrigen drei Folgen geschehen könnte, wundern mich andere Ungereimtheiten noch viel mehr.
Warum zu Teufel sollen die Spiegeluniversumsmenschen eine Lichtempfindlichkeit aufweisen?
Immerhin waren die Innenbereiche der ISS Enterprise in "Ein Paralleluniversum" nicht minder gut ausgeleuchtet als ihre Entsprechungen auf der USS Enterprise!
Da haben die Schreiber urplötzlich ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert, dass zwar praktischerweise ihre eigene Handlung stützt, aber doch sehr bemüht ist, wenn man sich andere Spiegeluniversumsfolgen ansieht.
Warum ist im Spiegeluniversum eigentlich niemand so vielschichtig wie Lorca, sondern bestenfalls eine dumme Version seiner selbst?
Warum hat Saru beim Scan des Spiegeluniversums eigentlich nicht mitbekommen, dass die Quantenvarianz Lorcas mit diesem Universum übereinstimmt?
Woher hat L'Rell ihr neuro-chirurgisches Werkzeug, mit dem sie Tyler behandelte?
War das Sternenflotten-Equipment oder lagen diese Gerätschaften in der Handtasche, die man ihr beim An-Bord-Beamen abgenommen hat?


IV. Synchronisation.
Wie man am eingangs aufgeführten Beispiel erkennen kann, ist die recht gut ausgefallen. Benjamin Stöwe war wohl zum letzen Mal (?) zu hören und auch wenn der Wechsel von Siezen und Duzen mitunter etwas anstrengend war, bietet die deutsche Übertragung tatsächliche eine Alternative.

V. Fazit.
Die dreizehnte Episode Discovery ist vor allem etwas für Zuschauer, die sich noch überraschen lassen können und sich im Vorfeld nicht wilden Spekulationen zum Ausgang der Serie hingaben. Sie strotzt vor Logiklöchern, fragwürdigen Entwicklungen und provokativen Stilmitteln.
Auf der anderen Seite ist die kürzeste Episode aller Star-Trek-Fernsehserien (wie klammern TAS an dieser Stelle getrost einmal aus) ein Musterbeispiel solider Handwerkskunst, das vielen seiner Darsteller die Möglichkeit zu Entfaltung bietet und neben einigen vielleicht fragwürdigen Entscheidungen auch den ein oder anderen Lichtblick bietet.


Bewertung.
Schwarz-Weißer Twist-Tanz.






VI. Schluss.

"Blindes Verlangen" gibt nicht nur Antworten. Klar wir wissen jetzt, dass Tyler und Voq so eine Art siamesischer Zwilling sind und dass Lorcas großes Geheimnis sein supergeheimer Reisepass aus dem Spiegeluniversum ist.
Aber statt sich damit zu begnügen werden so kurz vor Toreschluss noch munter weitere Fässer aufgemacht.
Stamets zum Beispiel, der nicht nur im falschen Bett, sondern auch im falschen  Körper aufwacht.
Oder L'Rell, der man im Angesicht der jüngsten Entwicklungen kaum mehr glauben mag, dass ihr geliebter Voq und damit auch die letzte Hoffnung auf Einheit im klingonischen Reich gestorben sein soll.
Oder ob Saru jemals erfahren wird, dass Burnham nunmehr eine ziemlich klare Vorstellung davon hat, wie seine Spezies geschmacklich daherkommt.
Auf jeden Fall hat Discovery jetzt schon einen Punkt erreicht an dem es sich lohnt, die alten Folgen noch einmal anzusehen, um verpasste Zusammenhange zu erkennen.
Und wer weiß?
Vielleicht stolpert man bei dieser Recherche ja auch auf Andeutungen, die den ein oder anderen Hinweis auf bislang unbeantwortete Fragen liefern…



Denkwürdige Zitate.

"Manch einer würde sagen: Das Glas ist halbvoll…"
Gabriel Lorca

"Hatten Sie noch nie Angst vor Geistern?"
Michael Burnham zu Lorca

"Was ist das hier? Bin ich tot? Ist das das Jenseits? Bist Du eine Art selbstverliebter Vergil, der mich zum jüngsten Gericht führt?"
Paul Stamets zu Paul Stamets

"Lords des Imperiums! Privilegierte Gäste! Lang lebe Ihre imperiale Majestät, Mutter des Vaterlandes, Lehnsherr von Vulkan, Dominus von Qo'noS, Regina Andoriae! Lang lebe der Imperator, Philippa Georgiou Augustus Iaponius Centaurus!"
Ankündigung der Imperatorin

"Wenn Du denkst, ich verbeug' mich vor Dir, kannst Du das vergessen!"
Lorca zur Imeratorin Philippa Georgiou

"Es gibt so viel zu bereden. Und alles wird wieder so wie früher…. Tochter!"
Georgiou zu Burnham

"'Philippa' nennst Du mich jetzt schon? Es ist nicht lange her, da hast Du mich noch 'Mutter' genannt!"
Georgiou zu Burnham

"Zumindest willst Du mit Anstand abtreten. Ich liebe Dich wirklich sehr, Michael, und ich würde niemals irgendeinem anderen in diesem Reich die Möglichkeit eines schnellen Todes gewähren."
Georgiou zu Burnham

"Unsere Verbindung ist wohl so stark, dass sie Universen überschreitet."
Burnham zu Georgiou

"Lord Eling, können Sie ein Geheimnis bewahren?"
"Ja, Imperator!"
"Gut, Schaffen Sie die Leichen weg und verlieren Sie kein Wort hierüber, dann mache ich Sie zum Statthalter von Andoria…"
"Ja, Imperator!"
Georgiou und Lord Eling

"Du und Deinesgleichen seid gefährlich. Die Föderation! […] Ihr redet von Gleichheit, Freiheit, Kooperation…"
"Die Grundpfeiler einer jeden erfolgreichen Kultur…"
"Ballast, den wir vor Jahrtausenden abgeworfen haben! Zerstörerische Ideale, die Rebellionen befeuern und ich werde nicht zulassen, dass sie uns erneut infiziert [sic]."
Georgiou und Burnham

"Die Sternenflotte, wie sie leibt und lebt! Sie würden Dich niemals zurücklassen, Dich und Deinen Captain. Regeln, nach denen man lebt… und für die man stirbt!"
Georgiou zu Burnham

"AvaIhr Name war Ava. Und ich hab sie gemocht. Aber was soll ich sagen? Dann hab ich was besseres gefunden…"
Lorca

Weiterführende Leseliste.
01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"


Mittwoch, 15. November 2017

Turons Senf zur neunten Folge Discovery



Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält nicht nur ausgiebige Einblicke in die neunte Discovery-Episode "Algorithmus" sondern wagt sich auch noch, einen Ausblick auf die kommende Handlung zu riskieren. Wer also noch nicht alle vorherigen Folgen gesehen hat oder einige Episoden ausgelassen hat, sollte das Weiterlesen besser einstellen.


I. Einleitung.
Halbzeit!
So hart es ist, aber den Fans der Serie steht eine beinahe zweimonatige (harte) Wartezeit bevor, in denen es keinen Nachschub an neuem Star-Trek-Material geben wird. Ich persönlich vermute hinter der Zwangspause die Absicht, potentielle Neukunden von Streamingdiensten wie CBS All Access (USA) und Netflix (so ziemlich der Rest der bekannten Welt) über den obligatorischen Probemonat hinaus an sich binden zu können.
Um dies sicherzustellen gilt es nun, einen Cliffhanger zu fabrizieren, der die potentiellen Zuschauer in puncto Spannung, Handlung und vielleicht auch dem ein oder anderen Hinweis auf die zukünftige Richtung bei der Stange hält. 
Ob es der neunten Folge "Algorithmus" wirklich gelang, diesen hohen Erwartungen gerecht zu werden, verraten wir in und zwischen den kommenden Zeilen.


II. Story.
Im Orbit von Pahvo wird die anstehende Schlacht zwischen der USS Discovery und dem 'Schiff der Toten' beendet, bevor sie überhaupt beginnen kann:
Admiral Terral beordert den Captain des Schiffes wieder zurück in sicheres Föderationsterritorium, um seinen Trumpf im Krieg nicht zu gefährden oder gar völlig aus der Hand zu geben.
Doch Captain Gabriel Lorca wäre nicht er selbst, wenn er vor einem Kampf davonrennen würde. So trödelt er mit gemächlichem Warp seinem Zielort entgegen, während seine Mannschaft fieberhaft an einem Weg arbeitet, die Tarnvorrichtung des Gegners zu umgehen.
Sobald diese tatsächlich eine Möglichkeit findet, dreht Lorca auf halbem Wege um, um sich doch noch dem vermeintlich stärkeren Gegner zu stellen. Mittels ihres Sporenantriebs und zwei auf das Schiff der Toten geschleusten Außenteam-Mitgliedern plant er, das Tarnfeld aushebeln zu können.
Als er sich missmutig den logischen Ausführungen Michael Burnhams beugt, sie zusammen mit Ash Tyler auf diese riskante Mission zu schicken ahnt er noch nicht, dass seine Offiziere die totgeglaubte Admiralin Katrina Cornwell wiederfinden, Tyler beim Anblick seiner früheren Folterin L'Rell seine Nerven verliert und die Meuterin und T'Kuvma-Mörderin Burnham vom Klingonen-General Kol gefangen genommen wird…



III. Lobenswerte Aspekte.

Charaktermomente.
"Algorithmus" ist in erster Linie eine Burnham-Episode, in deren Verlauf ihr beinahe allein die Ehre gebührt, den Tag gerettet zu haben, in einem Showdown ein Duell gegen den fiesen Sheriff Klingonenendboss zu führen und am Ende liebe- und verständnisvoll mit ihrem traumatisierten Traummann zu kuscheln. Sie scheint eine funktionierende Balance zwischen ihrer logischen und emotionalen Hälfte gefunden zu haben und ist auf dem besten Weg, den Makel der Meuterin von sich zu schütteln und ein klassischer Star-Trek-Held zu werden.
Weil so etwas aber vergleichsweise langweilig ist, küre ich an dieser Stelle mal jemand anderen zum klaren Gewinner dieser Folge:
Paul Stamets.
Obwohl er in anderen Folgen wichtiger war, steht er zum ersten Mal seit Ausstrahlungsbeginn wirklich mit beiden Beinen im Zentrum des Geschehens. Er meistert dabei die Gratwanderung zwischen Forscher und Antriebskomponente, gestaltet seine Beziehung zu Culber klischeeärmer als die Romanze zwischen Tyler und Burnham und erblindet schlussendlich ähnlich wie der mythische Autor von "Ilias" und "Odyssee" (nicht unpassend für einen Navigator).
Dabei brillierte Anthony Rapp vor allem im Zusammenspiel mit Wilson Cruz (Dr. Hugh Culber), denn es gelingt ihnen gemeinsam, einen Großteil der Menschlichkeit dieser Episode auf ihren Schultern zu tragen.
Beinahe antithetisch dazu steht Lorca, dessen Wesen allerdings in Gänze zwischen Extremen schwankt.
Auf der einen Seite lernen wir eine wissenschaftliche Seite an ihm näher kennen (er kann sich scheinbar noch gut an jene Zeit erinnern, in der wir alle einfach nur Forscher waren). Dazu schwingt er eine höchst emotionale Rede irgendwo zwischen Kirk und Picard und scheint ganz generell staatsmännisch, wie alle anderen Serien-Captains vor ihm die Crew unter sich zusammenzuschweißen.
Andererseits ist er bereit, alles für einen Sieg der Föderation zu riskieren und auf eine Karte zu setzen, um dieses Ziel zu erreichen. Er manipuliert Untergebene ihre Gesundheit zu riskieren, belügt Vorgesetzte, um dann doch sein eigenes Ding zu drehen und zeigt auch sonst immer wieder, warum er für seine 'unorthodoxen Methoden' berüchtigt ist. Bei dem beinahe fröhlich anmutenden Erfolgserlebnis um die Zerstörung des 'Schiffs der Toten' und der Entzauberung der Tarntechnologie bleibt aber mindestens festzuhalten, dass sich zu seiner zusätzlichen Belastung nun auch Admiral Cornwell wieder an seine Ferse heften wird.


Kenneth Mitchell als Kol lieferte seine bislang beste Vorstellung ab – doof nur, dass sein Charakter das Zeitliche segnete, denn seine Darstellung war stets eine der besseren in einem Volk, dass plötzlich so hölzern und emotionslos wie nie zuvor agierte.
Auf der anderen Seite gibt es auch einige Verlierer zu nennen.
So blieb Saru nicht nur arg blass, sondern in seiner Kriegseuphorie auch noch kaum wiederzuerkennen. Kadett Sylvia Tillys einzige Funktion lag hingegen scheinbar darin, Stamets ohnehin schwierige Lage noch weiter zu verschlimmern und Admiral Cornwells Darstellung stand auf noch wackligeren Füßen als sie selbst.
Doch am Ende störte – trotz der größtenteils positiven Eindrücke bei der Entwicklung der Figuren – eines massiv: 
Es erwächst zu stark der Eindruck, dass die Crew in bester Star-Trek-Tradition zusammenwächst.
Wo sind die im Vorfeld angepriesenen Figurenkonflikte geblieben, die zwar schwer zu erdulden waren, aber einen Großteil der Spannung(en) ausmachten?
Statt dieses Feld weiter abzuernten, raufen sich alle Besatzungsmitglieder schneller zusammen als eine Maquis-Truppe sich in eine Sternenflottencrew integriert.
Oder hat Lorca doch absichtlich an der Sprungkontrolle herumgefummelt, um die Crew dorthin zu bringen, wo sie jetzt gelandet ist?
Ich persönlich finde das (spätestens seit dem dritten Anschauen) glaubwürdiger als die Behauptung, dass Lorca mit der Crew anbändelt, statt sie für seine Pläne zu missbrauchen...


Moralität.
Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.
Diese weisen Worte helfen nicht nur dabei herauszufinden, in welchen Situation man die Wendungen 'das Gleiche' und 'dasselbe' nutzen sollte, sondern helfen auch dabei, die recht düstere Moral dieser Folge zu erfassen.
Es kommt nämlich nur auf den Ausgang an, ob die eigenen Aktionen von anderen als angemessen gewertet werden oder als unverzeihbarer Fehltritt.
Schauen wir einmal auf die zurückliegende Episode so bleibt festzuhalten, dass Captain Lorca sich eindeutig der Meuterei schuldig gemacht hat:
Obwohl sein Vorgesetzter Admiral Terral ihm einen eindeutigen Befehl gegeben hat (bei dem es eindeutig keinen Interpretationsspielraum gegeben hat), ist er mit seiner Insubordination nicht nur durchgekommen, sondern sogar belobigt worden. Das wirft ein ziemlich schlechtes Bild auf Michael Burnham, deren Absichten im Vorfeld der Schlacht am Doppelstern zwar fraglos bester Natur waren, aber keineswegs von Erfolg gekrönt wurden. Stattdessen half ihr Handeln dabei, einen Krieg auszulösen, ihren Captain töten zu lassen und sie zu einer Art Ausgestoßenen zu machen.
Vergleicht man ihr Handeln mit dem Lorcas, so bleibt einem nur eine Erkenntnis.
Der Zweck heiligt die Mittel.
Bis dato hat er scheinbar alles richtig gemacht. Aus einem Team aus Wissenschaftlern hat er ein kriegsentscheidendes Kampfkommando geschmiedet. Aus seinem vormals widerporstigen Chefingenieur hat er einen Gefolgsmann gezimmert, der sich mit einer dünnen Versicherung im Grunde ein Forscher zu sein dazu bringen ließ, seine Gesundheit schwerwiegend zu gefährden. Und aus einer Meuterin hat er einen Offizier gefertigt, der entscheidend zum Gelingen seiner zählbaren Erfolge beigetragen hat.
Und diese Zweckbezogenheit bleibt keineswegs auf Lorcas glücklicherweise gelungenem Coup begrenzt.
Kols Erfolge bis dato überspielten ebenfalls seine vergleichsweise unehrenhafte Aneignung des 'Schiffs der Toten', seinen zweifelhaften Aufstieg zur Führungspersönlichkeit sowie seine fast schon romulanisch anmutende Entführung Admiral Cornwells.
Auch die Weigerung Stamets', seine Krankheitssymptome zwischen ihn und seine Tätigkeit als Mittelsmann zwischen Sporen und Antrieb geraten zu lassen, werden bis fast zum Ende durch die erzielten Erfolge gedeckt.
Kein Wunder also, dass sich scheinbar auch Burnham von diesem Motiv anstecken ließ, denn ihre an Ungehorsam grenzende Belehrung Lorcas, sie als Teil des Außenteams einzusetzen, schlugen in die gleiche Kerbe.


Episodenbastelbogen.
Es gibt viel zu loben an dieser Episode.
Die Verwendung der Multiperspektive zum Beispiel, bei der dennoch der Fokus auf Burnham nicht verlorenging. Die Konzentration auf übersichtliche zwei Handlungsorte, von denen einer dorthin zurückführte, wo alles begonnen hat und ein anderer die erzählerische Gegenwart repräsentierte. Die Verwendung des Klingonischen wurde (nicht zuletzt durch das überfällige Revival des Universalübersetzers) auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt, die Musik war gleichermaßen dezent wie kraftvoll und die Kameraführung (insbesondere im Schwenk zu Stamets und Lorca im Shuttlebay) trugen zum überwiegend positiven Gesamteindruck dieser so stringent wie flüssig erzählten Episode bei.
Es gibt aber auch einiges zu kritisieren.
Die gesamte Folge wirkte wie nach Schema F aufgebaut und war dadurch viel zu glatt, vorhersehbar und konstruiert. Am Schluss gab es dann noch eine absehbare Komplikation um einen ebenso absehbaren Cliffhanger zu basteln. Der gesamte Pahvo-Handlungsbogen – in der vorherigen Episode mühsam zusammengeschustert - verläuft plötzlich im Sande.
Dass die Folge dennoch so gut funktioniert, liegt vor allem daran, dass sich die Autoren Mühe gaben, die alten Konflikte und Brüche wieder hervorzukehren. So ist Lorcas Kriegsgier und Angst vor Cornwells Rückkehr genauso präsent wie Burnhams andauernder Vertrauensentzug und Schuldeingeständnis. Stamets' Pilzkonsum wirkt sich ebenso aus wie Tylers grausame Gefängniszeit. Und alles kulminiert natürlich in einer entscheidenden Schlacht des Krieges zwischen Föderation und Klingonen.
Als wäre das noch nicht genug traut man sich ebenso (mal wieder) einen Kuss zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Figuren, als (erstmals) auch klingonische Nippel zu zeigen und Details wie die flirrende Atmosphäre auf dem gegnerischen Schiff (weil Klingonen es etwas wärmer lieben) zeigen auf subtile Weise, wie man zwischen der Macht des Kanon und der Neuerfindung der Franchise abwägt.


IV. Kritikwürdige Aspekte.

Handlungslöcher und Kanonbrüche.
Viele Momente lassen den Zuschauer mit angenehmen Flashbacks auf den ein oder anderen Kinofilm zurück.
Ein getarntes Klingonen-Schiff wird in einer gleißenden Explosion zerstört?
Das war schon im sechsten und siebenten Kinofilm großartig (auch wenn es ein und die selbe Explosion war).
Jemand wirft sich einem beamenden Menschen an den Hals?
Der vierte Star-Trek-Film ist ein unterschätztes Juwel!
Man kann Personen beamen während sie ins Transporterfeld springen?
"Beyond" war schon der beste der Abramstrek-Filme…
Viele Momente rufen aber auch die nervigen Unstimmigkeiten zurück in Erinnerung, die diese Serie seit dem Start begleiten; egal ob das Aussehen der Neo-Klingonen, die widersprüchlichen Schiffsdesigns oder technologische Unstimmigkeiten an Bord der eigentlich alten Schiffe.
Daneben gibt es allerdings zu viele ärgerliche Fehler, die diese Folge umkreisen.
Mal ehrlich, die Art und Weise wie Burnham unbemerkt auf der klingonischen Brücken 'Mäuschen' spielt, entspricht einem Versteckspiel, das in Monty Pythons "Das Leben des Brian" immerhin ironisch gemeint war.
Aber das ist ja nur die Spitze des Eisberges.
Woher wissen etwa die Klingonen von den für sie gefährlichen Fähigkeiten des Senders auf Pahvo?
Wieso müssen einerseits Burnham und Tyler ihre menschlichen Lebenszeichen maskieren, wenn die Klingonen scheinbar konsequent ignorieren, dass die menschlichen Lebenszeichen Cornwells an Bord auftauchen?
Und Stichwort Lebenszeichenverschleierung:
Wo ist dieses Stück überaus nützliche Technologie in den zukünftigen Star-Trek-Serien und –Filmen geblieben?
Warum findet niemand die Sensoren, die ihren Job in etwa so diskret verrichten wie die Flagscheinwerfer den ihrigen im 20th Century-Fox-Jingle?
Warum wundert sich keiner, dass die USS Discovery um das getarnte Klingonenschiff herumhüpft wie ein Känguru auf Speed?
Und das ist nur eine Auswahl an jenen Fragen, für die mir partout die Fantasie fehlt, mir eine nachvollziehbare Antwort auszudenken.
Die Nachvollziehbarkeit vieler Aspekte bleibt damit ein Hauptkritikpunkt an dieser Folge.


VI. Ausblick.
Im Zuge der Zwangspause, die wir nun alle einlegen müssen, bleibt die Möglichkeit, etwas über die nächsten Entwicklungen zu spekulieren. Zwei von ihnen sind allerdings so naheliegend, dass ich an dieser Stelle noch einmal kurz gesondert darauf eingehen möchte.

Der Spion der mich liebte.
Sicherlich ist dem ein oder anderen Leser bereits aufgefallen, dass ich Lieutenant Tyler in meinen Ausführungen zu den Charakteren ebenso ausgespart habe wie die Klingonin L'Rell. Zwar blieb letzterer wenig Raum zur Entfaltung und immerhin zeigte ersterer erstmals (menschliche) Fehler, aber dennoch bleibt festzuhalten, dass die Spionagetheorie nach dieser Folge so aktuell wie nie scheint.
Die Idee, dass Tyler nicht nur ein klingonischer Agent und Schläfer ist, sondern sogar der in letzter Zeit arg wenig thematisierte Voq, erhält vor allem mit den merkwürdigen Äußerungen L'Rells in der Brig neuen Zulauf. Zudem ist die Klingonin nun genau dort, wo sie hinwollte und dass Tyler nicht 227 Tage von L'Rell gefoltert worden sein kann, weil die T'Kuvma-Jüngerin den größten Teil dieser Zeit auf dem inzwischen zerstörten 'Schiff der Toten' weilte, dürfte jedem halbwegs aufmerksamen Ohr nicht entgangen sein.
Zudem muss nun erzählerisch die Lücke geschlossen werden, die durch den plötzlichen Tod Kols in die Handlung gerissen wurde. Jemand muss die Führung des klingonischen Imperiums übernehmen und auf der Liste geeigneter Kandidaten stehen die Namen Voq und L'Rell fraglos auf den ersten beiden Plätzen. Zudem bin ich mir 'sicher', dass in den Flashbacks Tylers auch das Gesicht des Klingonen-Albinos auftauchte…


Spieglein, Spieglein…
Als Stamets mit Lorca dessen Projektion seiner bisherigen Sprünge betrachtet, verweist er darauf, dass dieser Weltraumstraßenatlas nach weiteren Sprüngen auch um ein paar Abfahrten in Paralleluniversen bereichert werden kann.
Und hat jemand den etwas deplatzierten Spiegel bei den Arrestzellen bemerkt?
Zudem ist – dank einiger Indiskretionen des zukünftigen Discovery-Regisseurs Jonathan Frakes – bekannt geworden, dass es die ein oder andere Spiegeluniversum-Folge geben wird. Man kann sich in Anbetracht der lediglich sechs verbleibenden Folgen ausrechnen, dass dies ziemlich bald geschehen muss, wenn man wirklich zum Staffelende wie versprochen den Handlungsbogen um den klingonischen Krieg abschließen möchte.
Es liegt daher nahe, dass wir in den Genuss dieses stilprägenden Star-Trek-Elements sehr wahrscheinlich gleich im Januar kommen werden…




VII. Fazit.
"Algorithmus" ist vielleicht kein sensationeller, aber ein würdiger Halbstaffelabschluss. Obwohl er nach dem Baukasten-Prinzip zusammengestellt wirkt, gelingt es ihm am Ende doch, einige Akzente darüber hinaus zu setzen. Er überzeugt vor allem im Hinblick auf die Figurenentwicklung, während  die vielen unnötigen Handlungslöcher im Gegenzug am Gesamteindruck zerren.
Unterm Strich bleibt eine stabile Folge, der es glückt, die Spannung auf zukünftige Abenteuer aufrecht zu erhalten.

Bewertung.
Kein Highlight, aber eine sichere Kiste.





VIII. Schluss.

Bei Lichte besehen hatte Discovery eigentlich nicht viel zu verlieren.
Die Star-Trek-Anhänger schauen Discovery sowieso (egal ob sie es doof finden oder nicht), wahrscheinlich würden Neufans und Binge-Watcher auch wieder reinschauen wenn das (Halb-) Finale qualitativ schlechter ausgefallen wäre und vor allem ist die zweite Staffel nicht nur längst bestellt, sondern auch schon seit einigen Tagen ins Planungsstadium eingetreten.
So gesehen gibt es wohl kaum eine Einflussmöglichkeit.
Zudem wurmt es ein wenig, dass dieses Halbstaffelprinzip an die unrühmliche Zeit erinnert, in der z.B. halbe TNG-Staffeln zu Mondpreisen verkauft wurden, um auch die letzten Taler aus den Portmonees der Fans zu saugen. Ich hoffe inständig, dass die Fans bei den DVDs oder BluRays für diese Serie von derlei Marketing-Possen verschont bleiben.


Denkwürdige Zitate.

"Bei dieser Geschwindigkeit erwartet man uns in drei Stunden bei Sternenbasis 46. Darum fliegen wir mit Warp und nicht mit dem Sporenantrieb. Ich habe nicht die Absicht unser Ziel zu erreichen. Wenn man vorhat, einen direkten Befehl zu missachten, hängt man das besser nicht an die große Glocke."
Gabriel Lorca

"Sie wollten Beweise dafür, dass Ihr Navigator ein Problem hat? Davon gibt es mehr, als Ihnen lieb ist."
Dr. Hugh Culber

"Und das soll Sie aufhalten? Das halte ich für ein Gerücht. Ich weiß was sie antreibt: Sie sind nicht nur Wissenschaftler, sondern ein Entdecker. Sie hätten auch auf der Erde bleiben können, aber sie wollten in Galaxien vordringen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat."
Lorca zu Paul Stamets

"Wir müssen diesen Krieg gewinnen... Aber danach..."
"...geht die Reise noch weiter!"
Lorca und Stamets

"Wenn wir Pahvo retten, die Klingonen besiegen und das hier erreichen können, dann sollen es hundertdreiunddreißig Sprünge sein..."
Stamets

"Sie sind der Captain, aber Sie setzen nicht die vollen Ressourcen Ihrer Crew ein um den Erfolg Ihrer Mission sicherzustellen. Ich erkenne in Ihrem Handeln keine Logik. Es sei denn, es geht hier um mich. Sie haben mir eine Gnadenfrist gewährt und mich gebeten Ihnen zu helfen diesen Krieg zu gewinnen. Durch die Erfahrungen, die ich auf dem klingonischen Schiff gesammelt habe, bin ich am qualifiziertesten für diese Mission. Sonst wüsste ich nicht, was ich hier überhaupt soll... "
Michael Burnham zu Lorca

"Da ist eine Lichtung im Wald. So orientieren sie sich..."
Stamets

"Der Krieg ist noch nicht gewonnen, aber Sie haben einen Sieg wahrscheinlicher werden lassen - trotz Ihrer 'unorthodoxen Methoden'."
"Ich fasse das mal als Kompliment auf..."
Terral und Lorca

"Sorge Dich nicht. Ich lasse nicht zu, dass sie Dir wehtun... "
L'Rell zu Ash Tyler

"Bald. Bald..."
L'Rell


Weiterführende Leseliste.
01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"