In Deutschland werden 2019 dreißig Jahre Mauerfall gefeiert und auch die Star Trek Tafelrunde "Hermann Darnell" aus Potsdam Babelsberg möchte diesem Ereignis mit einer ganz besonderen Reihe Tribut zollen, in der - inspieriert vom Leben des kürzlich verstorbenen David Hurst - Deutsche bei Star Trek näher beleuchtet werden. Dabei geht es weniger um Personen wie Levar Burton oder Jeri Ryan, die im Zuge von Militärstationierungen im amerikanischen Sektor Deutschlands das Licht der Welt erblickten. Oder Schauspieler wie Mark Allen Shephard oder Nancy Kovack, die mittlerweile in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben. Selbst deutsche Charaktere wie Keyla Detmer oder Carl Jaeger finden hier keine Erwähnung.
Stattdessen erzählen wir zwischen dem 3. Oktober und dem 9. November 2019 zwölf Geschichten über zu Unrecht hierzulande weniger bekannte Darsteller, Regisseure und anderweitig mit Film und Fernsehen verbundene Personen und deren Beziehung zu Deutschland und Star Trek. Dabei wollen wir zeigen, dass Deutsche stets entscheidend dabei halfen, Star Trek zu dem Kultobjekt zu formen, das es heute ist.
Stattdessen erzählen wir zwischen dem 3. Oktober und dem 9. November 2019 zwölf Geschichten über zu Unrecht hierzulande weniger bekannte Darsteller, Regisseure und anderweitig mit Film und Fernsehen verbundene Personen und deren Beziehung zu Deutschland und Star Trek. Dabei wollen wir zeigen, dass Deutsche stets entscheidend dabei halfen, Star Trek zu dem Kultobjekt zu formen, das es heute ist.
Walter Gotell.
Es gibt wohl nur wenige Folgen der ersten Staffel TNG, die man guten Gewissens als 'Höhepunkt' bezeichnen könnte. "Ein Planet wehrt sich" gehört ganz sicherlich nicht in diesen erlauchten Kreis. Im Gegenteil; die Kritik ist sich einig: Ein unausgewogenes, weil zu oft bearbeitetes Drehbuch, dessen Thema sowohl im TNG-Pilotfilm als auch in der TOS-Episode "Horta rettet ihre Kinder" besser behandelt wurde.
Der Wert dieser Episode liegt daher heute eher im thematischen Rahmen des Terraformings und im Umstand, dass irgendjemand in der Casting-Abteilung die Gelegenheit beim Schopfe gepackt hat, die Figur des Kurt Mandl mit dem Deutschen Walter Gotell zu besetzen.
Walter Gotell im A-Team, Knight Rider und MacGyver |
Andererseits ist das auch nicht so ungewöhnlich, denn zum einen beschrieb das Drehbuch mit Mandl explizit einen Deutschen und zum anderen empfahl es auch, zu diesem Anlass einen Darsteller aus dem Land der Dichter und Denker zu verpflichten.
Ferner war der Gedanke, eine schlechte oder mittelmäßige Folge dadurch aufzuwerten, Gotell als Gaststar zu verpflichten, keineswegs neu. Bereits in anderen klassischen Serien der Achtziger Jahre wie "Das A-Team", "Knight Rider" oder "MacGyver" (unvergessen dort seine Rolle als russisches 'übersinnliches Medium' in der DDR) schmückte man sich mit dem charismatischen Schauspieler aus Deutschland.
Gotell bei MacGyver in der DDR |
Dabei fängt da bereits der Verpackungssschwindel an, der Gotell sein Leben lang begleiten sollte. Zwar wurde Walter Jack Gotell tatsächlich am 15. März 1924 in Bonn geboren, das damals jedoch kaum mehr als eine preußische Provinzstadt am Rhein war (im Gegensatz zu späteren Jahren, als die Stadt zur Hauptstadt Westdeutschlands aufstieg und Austragungsort der FedCon wurde), doch wie sein Zweitname bereits vermuten lässt, war er das Kind britischer Staatsbürger und seine deutsche Staatsangehörigkeit spätestens ab der Machtergreifung der Nationalsozialisten kein Argument mehr für den Verbleib der Familie in der fremdenfeindlichen Diktatur. Die Eltern kehrten nach Großbritannien zurück wo Gotell schließlich den größten Teil seiner Jugend verbrachte.
Was ihm von seinem Geburtsort in die Wiege gelegt wurde blieb aber seine linguistische Begabung. Insgesamt sprach er fünf verschiedene Sprachen was ihm besonders half, als er sich mit achtzehn Jahren – entgegen der Vorstellungen seiner Eltern, die ihn am liebsten ein Medizinstudium antreten gesehen hätten – der Schauspielerei zuwandte.
Der Moment war günstig gewählt, denn während des zweiten Weltkrieges waren nicht nur viele britische Schauspieler in den Armeedienst übergetreten, sondern auch ein großer Bedarf an Darstellern mit Deutschkenntnissen entstanden, die den Kriegsgegner verkörpern konnten. Genau in dieser Mangelsituation betrat Gotell in London die Bretter die die Welt bedeuten – vor allem als böser deutscher Nazi. Dieses Image verfolgte ihn hartnäckig, so dass man ausgerechnet jenen Mann, dessen Familie einst vor den Nazis aus Deutschland floh, in zahlreichen Filmen wie "Eiskalt in Alexandrien" (1958), "Die letzte Fahrt der Bismarck" (1960) oder "Die Kanonen von Navarone" (1961) in der Uniform des Hitlerreiches bewundern kann.
So gesehen war es schon etwas Besonderes, dass Gotell in Star Trek einen Deutschen spielen konnte, der von jeglichem nationalen Ballast befreit war – was bei genauerer Betrachtung keineswegs der Normalfall in seiner Karriere war.
Walter Gotell als Anatol Gogol und Lawerent Berija |
Seine Beschränkung auf vorrangig deutsche Rollen lockerte sich erst, als er 1963 die Rolle seines Lebens ergattern konnte: Im zweiten James Bond-Film "Liebesgrüße aus Moskau" besetzte er die kleine Rolle des SPECTRE-Direktors Morzeny. Auch wenn die Rolle überschaubar war, öffnete sie ihm doch die Tür ins James-Bond-Universum, dem er die nächsten vierundzwanzig Jahre treu bleiben sollte.
Es war vor allem seine Ähnlichkeit mit dem ehemaligen sowjetischen Geheimdienstchef Lawrenti Berija, die ihm zu einer neuen Rolle verhalf, die er in sechs Bond-Filmen einnahm: die des KGB-Leiters Anatol Gogol. Walter Gotell ist bis heute der einzige Schauspieler, der zusammen mit drei verschiedenen Bond-Darstellern (Sean Connery, Roger Moore und Timothy Dalton) arbeitete.
Zwar erhöhte diese Rolle einerseits seine Bekanntheit als Schauspieler immens, führte aber andererseits auch dazu, dass er nun in Produktionen wie "Der Spion" (1982), "Robert Kennedy and His Times" (1985) oder "Bombenstimmung im Hauptquartier" (1985) vorranging sowjetische Spione oder russische Würdenträger verkörperte.
Walter Gotell mit Roger Moore (zweiter und dritter von rechts) |
Gotell selbst dürfte dies allerdings vergleichsweise wenig beeindruckt haben. Der spätere Ingenieur und Automationsexperte reinvestierte das Geld, das er durch seine schauspielerische Tätigkeit eingenommen hatte entweder in eine seiner drei Firmen oder in den Bauernhof, den er in Irland betrieb. Auf der grünen Insel verbrachte er schließlich seinen kurzen Lebensabend, bevor er am 5. Mai 1997 in London an Krebs verstarb.
Gotell als Gogol |
Sieht man sich "Ein Planet wehrt sich" heute noch einmal an, fallen einige Dinge ganz besonders auf. Zum einen ist deutlich zu merken, wie sehr die Präsenz Gotells diese Folge aufwertet. Vor allem im englischen Original bildet im Hinblick auf seine eingangs beschriebene schillernde Karriere sein ungewohnter deutsch-britischer Akzentmix eine von jenen Auffälligkeiten, bei denen man sich ständig selbst fragt, warum einem das nicht schon viel früher aufgefallen ist.
Aber auch die deutsche Synchronisation dieser Episode erzählt eine ganz eigene Geschichte. Seine deutsche Stimme wurde ihm nämlich von Klaus Miedel verliehen, deren Klang man vielleicht als den der deutschen Stimme des Fürsorgers aus dem Voyager-Pilotfilm kennen könnte. Das ist zumindest für deutschsprachige Bond-Fans verwirrend, denn hier wurde der Schauspieler von einem ganz anderen Synchronschauspieler eingesprochen, der hier wohl mit Absicht nicht verpflichtet wurde. Schließlich handelte es sich dabei um Herbert Weicker – der deutschen Stimme Spocks.
Aber auch die deutsche Synchronisation dieser Episode erzählt eine ganz eigene Geschichte. Seine deutsche Stimme wurde ihm nämlich von Klaus Miedel verliehen, deren Klang man vielleicht als den der deutschen Stimme des Fürsorgers aus dem Voyager-Pilotfilm kennen könnte. Das ist zumindest für deutschsprachige Bond-Fans verwirrend, denn hier wurde der Schauspieler von einem ganz anderen Synchronschauspieler eingesprochen, der hier wohl mit Absicht nicht verpflichtet wurde. Schließlich handelte es sich dabei um Herbert Weicker – der deutschen Stimme Spocks.
Vorschau.
In der nächsten Folge berichten wir von einem adeligen Wissenschaftler aus Leipzig, der seinen Spitznamen von DeForrest Kelley erhielt und für einen Kinofilm die Grundlagen des Warpantriebs etablierte. Ein Mann, der nicht nur für die NASA arbeitete, sondern ganz nebenbei auch Star-Trek-Fan-Fiction schrieb...
Quellen.
Altman, Mark A.; Gross, Edward: Captain's Logbuch. Königswinter, 1994, S. 198.
DeMichael, Tom: James Bond FAQ. All That's Left to Know About Everyone's Favorite Superspy. New York, 2012. GoogleBooks-Seite hier. [4. Oktober 2019]
Hepple, Peter: Walter Gotell. In: The Stage, 03. Juli 1997, Website hier. [4. Oktober 2019]
Vallance, Tom: Obituary Walter Gotell in: The Independent, 20. Juni 1997, Website hier. [4. Oktober 2019]
Weiterführende Leseliste.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 00: David Hurst.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 01: Franz Bachelin.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 02: Walter Gotell.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 03: Jesco von Putkamer.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 04: Barbara Bouchet.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 05: Winrich Kolbe.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 06: Reiner Schöne.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 07: Gerd Oswald.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 08: Harry Groener.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 09: Shimon Wincelberg.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 00: David Hurst.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 01: Franz Bachelin.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 02: Walter Gotell.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 03: Jesco von Putkamer.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 04: Barbara Bouchet.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 05: Winrich Kolbe.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 06: Reiner Schöne.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 07: Gerd Oswald.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 08: Harry Groener.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 09: Shimon Wincelberg.