Samstag, 26. Oktober 2019

Star Trek, Deine Deutschen, Teil 08: Harry Groener

Einleitung.
In Deutschland werden 2019 dreißig Jahre Mauerfall gefeiert und auch die Star Trek Tafelrunde "Hermann Darnell" aus Potsdam Babelsberg möchte diesem Ereignis mit einer ganz besonderen Reihe Tribut zollen, in der - inspieriert vom Leben des kürzlich verstorbenen David Hurst - Deutsche bei Star Trek näher beleuchtet werden. Dabei geht es weniger um Personen wie Levar Burton oder Jeri Ryan, die im Zuge von Militärstationierungen im amerikanischen Sektor Deutschlands das Licht der Welt erblickten. Oder Schauspieler wie Mark Allen Shephard oder Nancy Kovack, die mittlerweile in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben. Selbst deutsche Charaktere wie Keyla Detmer oder Carl Jaeger finden hier keine Erwähnung.
Stattdessen erzählen wir zwischen dem 3. Oktober und dem 9. November 2019 zwölf Geschichten über zu Unrecht hierzulande weniger bekannte Darsteller, Regisseure und anderweitig mit Film und Fernsehen verbundene Personen und deren Beziehung zu Deutschland und Star Trek. Dabei wollen wir zeigen, dass Deutsche stets entscheidend dabei halfen, Star Trek zu dem Kultobjekt zu formen, das es heute ist.



Harry Groener.
Wenn Reiner Schöne in Interviews zum Besten gibt, dass er der einzige Deutsche bei Star Trek gewesen sei, dann ist das nicht nur um Lichte dieser Artikelreihe etwas absurd, denn bereits zwei Folgen nach seinem Auftritt in "Versuchskaninchen" konnte man in "Der Telepath" einen Mann namens Harry Groener bewundern, der nicht nur der dritte Deutsche bei TNG (vor ihm und Schöne war schließlich auch Walter Gotell in der Serie zu sehen), sondern absolvierte auch den ersten seiner insgesamt drei Gastauftritte innerhalb der Franchise. Damit war er nicht nur ein weiterer Landsmann Schönes, der bei Star Trek zu sehen war, sondern ist bis dato auch der Deutsche mit den meisten Rollen bei Star Trek.



Natürlich kann man an der Berechtigung zweifeln, Groener überhaupt in dieser Artikelreihe aufzunehmen. Besonders, wenn man in der deutschsprachigen Wikipedia davon liest, dass Harry Groener zwar tatsächlich am 10. September 1951 in Augsburg geboren wurde, aber der Sohn eines amerikanischen Soldaten und einer deutschen Frau bereits im zarten Alter von nur zwei Jahren das Land verließ um in San Francisco eine neue Heimat zu finden.
Doch liest man seine zahlreichen, im Netz verstreuten Interviews, so zeichnet sich ein ganz anderes Bild. So war sein Vater keineswegs Amerikaner, sondern deutscher Pianist, der im zweiten Weltkrieg aufgrund seiner musikalischen Talente zur Truppenbetreuung an der Ostfront abgestellt wurde. Seine Mutter hingegen war eine Opernsängerin mit estnischen Wurzeln. Entsprechend international wuchs Groener schließlich auch auf; zu seinen beiden Muttersprachen zählten Deutsch und Russisch. Englisch lernte er erst als dritte Sprache, wobei auch Estnisch eine Rolle innerhalb der Familie spielte. Zudem waren seine deutschen Wurzeln auch in der neuen amerikanischen Heimat präsent. Zwar hingen seine Eltern ihre künstlerischen Berufe an den Nagel (So arbeitete sein Vater als Versicherungsvertreter), aber sie verlegten ihre Ambitionen dafür in den Privatbereich. Im Deutsch-Amerikanischen Club inszenierte der Vater zum Beispiel Opern und Musicals, in denen seine Mutter dann sang. An den vielen Kulturangeboten, in denen seine Eltern involviert waren, nahm auch der junge Harry teil, der etwa in der bayrischen Band seines Vaters zu Oktoberfesten das Schlagzeug spielte.
Seine Eltern – in bester deutscher Manier auch seine größten Kritiker – unterstützten ihren Sohn von Beginn an in seinem Wunsch, ins Showgeschäft einzusteigen; wenn auch auf verwunderliche Weise. So überzeugten sie ihn, dass es für seine Karriere förderlich wäre, Ballett zu erlernen, auch wenn der der junge Harry zunächst Zweifel hegte und der einzige Junge im Ensemble blieb.


Doch seine Eltern sollten Recht behalten. Nach einem Schauspielstudium in Seattle war es nämlich seine Veranlagung für Tanz und Gesang, die ihn zu einem Musical-Star werden ließen. Nach Anfangserfolgen in "Oklahoma!" (1980) gehörte er zur ursprünglichen US-Besetzung von Andrew Lloyd Webbers "Cats" (1983). Später gelang es ihm ebenfalls in anderen Musicals wie "Crazy for You" (1992) oder dem Monty-Python-Musical "Spamelot" (2006). Dreimal wurde er in diesem Zusammenhang für den Tony Award, der höchsten Ehrung für herausragende Musical- und Theater-Darsteller in den USA, nominiert.
Daneben gelang es ihm auch immer wieder, in großen Spielfilmen wie "Brubaker" (1980), "Amistad" (1997), "Patch Adams" (1998), "About Schmidt" (2002) oder "Road to Perdition" (2002) aufzutreten.
Aber vor allem kennt man sein Gesicht aus verschiedenen Serien, denn er hatte kleinere Gastauftritte in zahlreichen Serien wie "Remington Steele", "Spenser", "Matlock", "Hör mal wer da hämmert", "Charmed", "Boston Public", "Malcolm mittedrin", "Roswell", "The West Wing", "Monk", "Bones", "CSI: Las Vegas", "Breaking Bad", "Once Upon a Time", "Supernatural", "How I Met Your Mother", "Young Sheldon" oder "Modern Family".



So gelangte das bekannte Fernsehgesicht auch an das Set einer Serie, von dessen Vorgänger er als Kind bereits jede einzelne Episode gesehen hatte. Als er für "Der Telepath" verpflichtet wurde, nutzte er die Gelegenheit, um über das Set zu flanieren, mit Patrick Stewart zusammenarbeiten zu können und das von einem persönlichen Freund entworfene grüne Hemd zu tragen. Dieses erste Gastspiel blieb ihm am besten in Erinnerung, wenn er noch zweimal in verschiedenen Star-Trek-Serien auftrat.
in der Voyager-Folge "Das Ritual" zum Beispiel, wo er sich beeindruckt von Kate Mulgrew und ihrer Crew zeigte. Weniger angenehm blieb für ihn aber die Arbeit unter der speziellen Nechani-Gesichtsmaske ihn in seiner Form viel zu sehr an ein primäres, weibliches Geschlechtsteil erinnerte.
Auch wenn er kaum mehr weiß, welchen Charakter er in den Enterprise-Episoden "Dämonen" und "Terra Prime" verkörperte, genoss er auch die Arbeit an dieser Serie; nicht nur, weil er ausnahmsweise einmal keine Kontaktlinsen oder Prothesen tragen musste, sondern vor allem, weil er mit 'Scotty' Bakula zusammenarbeiten konnte, mit dem er bereits am Broadway und in "Zurück in die Vergangenheit" zusammenarbeiten konnte.
So sieht Harry Groener stolz auf seinen Beitrag zu Star Trek zurück:
"Das ist schon was. Ich bin sehr glücklich, ein Teil dieser Geschichte zu sein. Du wirst in Büchern unter 'Du hast das gespielt' und 'Du hast dies gespielt' geführt und dann bist Du auch noch auf den DVDs und in den Wiederholungen zu sehen. […] Da ich ein sehr großer Science-Fiction-Fan bin, liebe ich es, ein Teil der Star-Trek-Historie zu sein und dass ich auf eine bestimmte Weise damit verbunden bin. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance erhielt, daran mitzuwirken."


Leider war Harry Groener nur selten in Hauptrollen zu sehen, aber dennoch gelang es ihm, sich abseits von Star Trek auch mit einigen größeren Rollen in die Herzen der Fans verschiedener Serien zu spielen. So hatte er eine denkwürdige Rolle als Star-Trek-Fan Ralph Drang in der Sitcom "Mein lieber John", die mit 68 Episoden sein bis dato größtes Engagement in einer Serie bildet. Oder als deutscher Küchenchef Gunther in "Las Vegas". Vor allem aber zementierte seine Nebenrolle als Mayor Richard Wilkins in der Joss-Whedon-Serie "Buffy – Im Bann der Dämonen" seinen Platz in der Kultserien-Landschaft und sorgt bis heute dafür, dass er auf offener Straße erkannt wird.



Daneben trat Groener vor allem als Mit-Initiator der Antaeus Company in Erscheinung, die er mit seiner 1977 geheirateten Ehefrau Dawn Didawick begründete. Das Theater, das von zahlreichen Schauspielern privat getragen in Los Angeles Klassiker auf die Bühne bringt, wird auch von anderen Star-Trek-Alumni wie Gregory Itzin, Dakin Matthews, Linda Park, Robert Pine, Lawrence Pressman, Kurtwood Smith, Kitty Swink oder Armin Shimerman getragen.
In sein Geburtsland kehrte Groener nur sporadisch zurück. Zum Beispiel mit 14 Jahren, als er Verwandte im alten Europa besuchte. Und natürlich 2016, als er an der Seite von Jason Isaacs für "A Cure for Wellness" vor der Kamera stand. Für die Dreharbeiten arbeitete Groener übrigens an einem ganz besonderen Ort ganz in unmittelbarer Nähe: Den Heilstätten in Beelitz.


Vorschau.
In der nächsten Folge geht es um einen Drehbuchschreiber, dem es gerade noch rechtzeitig gelang, vor den Nazis aus Deutschland zu fliehen. Es ist die Geschichte eines Mannes, der mit einer anderen Science-Fiction-Serie Erfolge feierte, bevor er auf eine Nennung seines Namens im Abspann zu der von ihm geschriebenen Folge verzichtete.

Quellen.
Deseret News: Harry Groener. Don't Underestimate the Character He Plays on NBC's Dear John Series, 31. August 1989, Website hier. [20. Oktober 2019]
Durkee, Cutler: Like the Corn in Oklahoma!, HArry Groener's Feet - and Future - Are High as an Elephant's Eye, In People, 31. März 1980, Website hier. [20. Oktober 2019]
Henderson, Kathy: Harry Groener, in: Broadway Buzz, 10. Juli 2006, Webiste hier. [20. Oktober 2019]
Herman, Jan: Sitcom Face of Harry Groener Also Familiar on Stage. In: LA Times, 1. Juli 1989, Website hier.[20. Oktober 2019]
Michalik, David: Das Mittel ist oft schlimmer als die Krankheit - Filmkritik zu "A Cure for Wellness", in: HDM Stuttgart, 19. März 2017, Website hier. [20. Oktober 2019]
Rosati, Nancy: Spotlight on Harry Groener, In: Talking Broadway, Website hier. [20. Oktober 2019]
Startrek.com: Catching Up with 4 Time Star Trek Guest Star Harry Groener, 23. März 2017, Interview hier. [20. Oktober 2019]
Philadelphia Inquirer: Cats Interview, 24. Oktober 1982, Kopie hier. [20. Oktober 2019]


Weiterführende Leseliste.

Star Trek, Deine Deutschen, Teil 00: David Hurst.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 01: Franz Bachelin.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 02: Walter Gotell.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 03: Jesco von Putkamer.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 04: Barbara Bouchet.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 05: Winrich Kolbe.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 06: Reiner Schöne.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 07: Gerd Oswald.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 08: Harry Groener.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 09: Shimon Wincelberg.

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