Samstag, 12. Oktober 2019

Star Trek, Deine Deutschen, Teil 04: Barbara Bouchet

Einleitung.
In Deutschland werden 2019 dreißig Jahre Mauerfall gefeiert und auch die Star Trek Tafelrunde "Hermann Darnell" aus Potsdam Babelsberg möchte diesem Ereignis mit einer ganz besonderen Reihe Tribut zollen, in der - inspieriert vom Leben des kürzlich verstorbenen David Hurst - Deutsche bei Star Trek näher beleuchtet werden. Dabei geht es weniger um Personen wie Levar Burton oder Jeri Ryan, die im Zuge von Militärstationierungen im amerikanischen Sektor Deutschlands das Licht der Welt erblickten. Oder Schauspieler wie Mark Allen Shephard oder Nancy Kovack, die mittlerweile in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben. Selbst deutsche Charaktere wie Keyla Detmer oder Carl Jaeger finden hier keine Erwähnung.
Stattdessen erzählen wir zwischen dem 3. Oktober und dem 9. November 2019 zwölf Geschichten über zu Unrecht hierzulande weniger bekannte Darsteller, Regisseure und anderweitig mit Film und Fernsehen verbundene Personen und deren Beziehung zu Deutschland und Star Trek. Dabei wollen wir zeigen, dass Deutsche stets entscheidend dabei halfen, Star Trek zu dem Kultobjekt zu formen, das es heute ist.


Barbara Bouchet.
Denkt man als Deutscher an berühmte italienische Schauspielerinnen fallen einem vielleicht noch bekannte Namen wie Sophia Loren oder Gina Lollobrigida ein, aber dann wird es auch schon schwierig, denn obwohl das italienische Kino international einen guten Ruf genießt, gelingt deren Schauspielerinnen aufgrund der Sprachbarriere leider nicht allzu oft der Sprung über den Großen Teich und damit zu Weltruhm.
Wenn sich da auch noch die Frage nach einer bekannten Italienerin stellt, die eine Nebenrolle in der Originalserie Star Treks bekleidete, wird man eher auf Zurückhaltung stoßen. Vor allem, wenn diese Italienerin eigentlich eine Deutsche ist. Auch wenn das nur ein Mosaikstein in einer Biografie bleibt, die von Tschechien nach Deutschland und über die USA nach Italien reicht.


Als Bärbel Gutscher (laut einigen Quellen auch Goutscher, Goutscherola oder eventuell Goutscherova) am 15. August 1943 in Reichenberg im Sudetenland geboren wird, tobt in Europa der zweite Weltkrieg. Als der in einer vernichtenden Niederlage für Nazi-Deutschland endet, ändert sich auch schlagartig das gesamte Leben des jungen Mädchens. Reichenberg wird als Liberec Teil der Tschechoslowakei und die Familie, die vor Ort das Adria-Kino (dieses war bis 1939 im Besitz von jüdsichen Eigentümern) betrieb, wird über Nacht heimatlos. Ihr Weg führt ins westdeutsche Bayern, wo die Familie sich schließlich in der Landeshauptstadt München niederlässt. In einem Kino schaut sich die junge Bärbel "Der schweigende Engel" mit der zwei Jahre jüngeren Christine Kaufmann an und beschließt, ebenfalls Schauspielerin zu werden.


Doch zunächst führt das Schicksal die Familie in völlig neue Gestade. Nachdem einem langwieriges Auswanderungsgesuch von den Behörden endlich stattgegeben wird, landet die Familie 1956 im kalifornischen San Francisco.
Hier beginnt der Aufstieg der Teenagerin. Zunächst tanzt sie sechsmal wöchentlich in einer Tanz-Show eines Lokalsenders zu aktuellen Hits vor der Kamera. Schließlich aber gelangt 1959 ein Bild von ihr, dass ihr Vater – ein gelernter Fotograf – geschossen hatte, in die Endauswahl eines Schönheitswettbewerbs, der als Werbemaßnahme für einen Film mit dem (späteren) deutschen Titel "April entdeckt die Männer" aufgezogen wird. Die Fünfzehnjährige gewinnt den Titel der Miss "Gidget" (so der englischsprachige Titel des Teenie-Streifens) und damit nicht nur (erfolglose) Probefilmaufnahmen, sondern auch ein Abendessen mit dem jungen Star des Filmes: einem vielversprechenden jungen Mann namens James Darren.
Ein junger Vic Fontaine am Beginn seiner Karriere
Als sie 1962 endlich volljährig wird, zieht sie von San Francisco nach Los Angeles, aber nicht, um ins Filmgeschäft einzusteigen, sondern um als Modell zu arbeiten. Dabei schreckte sie auch nicht davor zurück nackte Haut zu zeigen und landete bereits im Mai 1965 das erste – aber keineswegs das letzte Mal in ihrer Karriere - im Playboy. Insofern kann man sie als Vorreiterin Denise Crosbys sehen, die vor ihrem Engagement bei TNG ebenfalls in dem prominenten Herrenmagazin abgebildet wurde.
Außerdem ändert sie ihren Namen zu Barbara Bouchet; zum einen, weil der deutsche Name vielen englischsprachigen Auftraggebern Schwierigkeiten bereit und zum anderen, weil der Klang noch immer an ihren ursprünglichen Namen erinnert.


Zudem beginnt sie schnell, erste kleinere Film- und Fernsehrollen zu ergattern. Ihren Durchbruch schafft 1965 mit einer Nebenrolle in "Erster Sieg" an der Seite von Kirk Douglas und John Wayne. Zu ihren bekanntesten Filmen zählt schließlich der Kassenerfolg "Casino Royal", eine Bond-Persiflage, für die die Rechte am gleichnamigen Fleming-Roman erworben wurden und in der sie Mrs. Moneypenny verkörpert. Im Anschluss folgten verschiedene Nebenrollen in kleineren Serien wie "Die Leute von der Shiloh-Ranch" (1967), "Tarzan" (1968) oder "Raumschiff Enterprise": Der Dreh für die Folge "Stein und Staub", die sich heute unter Fans großer Beliebtheit erfreut fand zwischen  10 bis 17. November 1967 statt.


Dabei war Barbara Bouchet eine Frau nach Gene Roddenberrys Geschmack: Ein Playmate, dass keine Probleme damit hatte, in eines der hautengen Kostüme aus der Hand William Ware Theiss' zu schlüpfen. Und auch für die vierundzwanzigjährige Darstellerin war die Serie laut eigener Aussage in vielfacher Sicht erfolgversprechend:
"Ich erinnere mich daran, dass ich Star Trek für eine erfolgreiche Show hielt. Ich denke, dass ich deswegen vorsprach. Meine einzige Erinnerung daran ist die an William Shatner. Ich war in ihn verschossen und bin ein paar Mal mit ihm ausgegangen."


Doch schon zwei Jahre später bricht Bouchet sämtliche Zelte in Hollywood ab, um ihr Glück an einem ganz anderen Ort völlig neu zu suchen. Nachdem ihr Agent ihm empfohlen hatte, für den Dreh des von der Kritik hochgelobten Filmes "Colpo Rovente" (im englischen als "The Syndicate: A Death in the Family" bekannt) nach Italien zu reisen, verliebt sie sich in das Land, die Farben und die Leute.
Sie trifft 1973 den erfolgreichen Produzenten Luigi Borghese, den sie ein Jahre später heiratet und schließlich bringt sie 1976 ihren ersten Sohn Alessandro zur Welt, der heute als eine Art italienischer Jamie Oliver die dortige Fernsehlandschaft bereichert.

Bouchet in "Gangs of New York"
Ihre schauspielerische Karriere auf italienischem Boden wird zunächst von einer Vielzahl von Erotikfilmen, Erotikthrillern oder Erotikkomödien bestimmt, die so vielsagende deutsche Titel wie "Sein Schlachtfeld war das Bett" (1971), "Lollipops und heiße Höschen" (1976) oder "Ein total versautes Wochenende" (1979) tragen.
Vor allem aber ist sie prominent im Kultstreifen "Milano Kaliber 9" (1972) zu sehen, der mit seinen expliziten Darstellungen von Sex und Gewalt zu einer der zentralen Inspirationsquellen Quentin Tarentinos zählt. Der Regisseur nutzte gar 2004 bei einem Filmfestival in Venedig die Gelegenheit, der Schauspielerin persönlich zu gestehen, welch großen Einfluss sie im Besonderen auf sein Schaffen hatte (andere Gerüchte besagen, dass er gar seine Teilnahme am Festival von einem Treffen mit ihr abhängig gemacht haben soll).


Anfang der Achtziger bricht Barbara Bouchet allerdings radikal mit dem Image der Sex-Ikone und wendet sich seriöseren Projekten zu. Unter anderem erlangte sie mit der Produktion von Fitness- und Aerobic-Videos nationale Prominenz. Bis heute arbeitet die unter anderem als "Jane Fonda Italiens" bezeichnete Bouchet als Künstlerin und Schauspielerin (so hatte sie 2002 einen Auftritt in "Gangs of New York"), zumal ihre Rente laut eigener Aussage gerade einmal 511€ beträgt..
Darüber, wo sich die gebürtige Deutsche mit Wurzeln in Tschechien und einer amerikanischen Jugend zuhause fühlt, lässt sie allerdings keinen Zweifel, auch wenn sie aus den Stationen ihres Lebens mehr oder weniger mitgenommen hat.
"Von den Deutschen habe ich meinen Sinn für Pünktlichkeit und Ordnung erhalten, von den Italienern hingegen meinen Sinn für Humor und Fröhlichkeit. Von den Amerikanern habe ich nur sehr wenig angenommen. Ich fühle mich als Italienerin, zumal ich mittlerweile länger in Italien als irgendwo anders gelebt habe."


Vorschau.
Im nächsten Teil geht es um einen Filmemacher, der erste Erfolge mit einer ganz anderen Science-Fiction-Serie feierte, bevor er zu einem der beliebtesten Serienregisseure der Achtziger Jahre aufstieg und schließlich zu einem der vielbeschäftigsten Mitarbeiter bei Star Trek wurde. Er begann eine Beziehung mit einer bekannten Hauptdarstellerin, auch wenn die ihn in ihrer Biografie kaum erwähnt...

Quellen.
Alberti, David Giancritofaro: Barbara Bouchet: Mi sento italiana, decisi io di prendermi una pausa di 20 anni. In: Il Sussudiario, Website hier [10. Oktober 2019]
Boccalini, Siria: Intervista a Barbara Bouchet. In: GossipOne, Website hier. [10. Oktober 2019]
Bouchet, Barbara: Official Site, Website hier. [10. Oktober 2019]
Corriere della Serra (Hrsg.): Barbara Bouchet: Viva con 511 Euro, Website hier. [10. Oktober 2019]
Cushman, Marc; Osborn, Susan: These Are the Voyages. TOS: Season Two. San Diego, 2014, S. 498ff.
di Giulio, Alessio: Barbara Bouchet in Liberec. In: Progretto Repubblica Ceca, Website hier. [10. Oktober 2019]
Glamour Girls of the Silver Screen (Hrsg.): Barbara Bouchet, Website hier. [10. Oktober 2019]

Weiterführende Leseliste.

Star Trek, Deine Deutschen, Teil 00: David Hurst.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 01: Franz Bachelin.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 02: Walter Gotell.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 03: Jesco von Putkamer.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 04: Barbara Bouchet.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 05: Winrich Kolbe.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 06: Reiner Schöne.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 07: Gerd Oswald.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 08: Harry Groener.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 09: Shimon Wincelberg.

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