Spoilerwarnung.
Dieser Artikel enthält massive Spoiler zum Inhalt der sechsten Discovery-Folge "
Lethe" und sollte nur gelesen werden, wenn man die Episode und sämtliche vorangegangenen bereits gesehen hat.
Einleitung.
Um eine solche Rezension zu schreiben, sehe ich mir die aktuelle Folge mindestens zwei Mal mit einem alten Star-Trek-Hasen wie K'olbasa an. Im Anschluss tauschen wir unsere Ansichten über die dortigen Ereignisse, Entdeckungen und Entwicklungen in bester Nerd-Manier aus.
Danach schaue ich sie mir mindestens zwei Mal auf Englisch zusammen mit meiner Frau an, die mir weiteren Input gibt und mich nicht selten auf den ein oder anderen Aspekt aufmerksam macht, der mir sonst entgangen wäre.
Einen weiteren Tag lang lasse ich mir alles noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen, rede mit dem ein oder anderen Gelegenheitszuschauer und beginne langsam, mir meine Rezension im Hinterkopf zusammenzuschustern.
Am Dienstag Abend sitze ich dann bis spät in die Nacht, um meine Gedanken zu Papier zu bringen und sehe mir die Episode ein weiteres Mal an, um Screenshots zu machen und '
Denkwürdige Zitate' niederzuschreiben.
So kommt das heraus, was man im Folgenden lesen kann...
Story.
Michael Burnhams Welt gerät aus den Fugen, als sie über die seelische Ferngesprächs-Verbindung zu ihrem Adoptiv-Vater
Sarek erfährt, dass dieser in akuter Lebensgefahr schwebt. Nach einem feigen Angriff eines fanatischen Terroristen treibt der verdiente Föderationsbotschafter bewusstlos auf seinem beschädigten Schiff durch einen radioaktiven Nebel.
Sofort sichert ihr
Captain Gabriel Lorca seine Unterstützung zu. Doch während Burnham in den Weiten des Alls verzweifelt nach ihrem Ziehvater sucht, muss er sich seinen eigenen Dämonen stellen. Seine Vorgesetzte und Geliebte nutzt nämlich die Gelegenheit beim Schopfe, den psychischen Zustand des Raumschiffkommandanten auf Herz und Nieren zu überprüfen. Rasch wird ihr klar, dass Lorca zu einem unstabilen Element geworden ist, das nun über das Rückgrat der Sternenflottenverteidigung nach eigenem Ermessen verfügt und dabei mehr als einmal die Grenze des Erlaubten überschreitet. Lorca erkennt, dass er eine Möglichkeit finden muss, seine eigene drohende Absetzung abzuwenden…
Lobenswerte Aspekte.
Charaktermomente.Eigentlich wollte ich ja damit aufhören, stets und ständig Loblieder auf den ebenso raubeinigen wie raubauchigen Kommandanten Gabriel Lorca anzustimmen.
Aber dieses hehre Ziel werde ich auch dieses Mal verfehlen, denn Lorca ist – schon wieder – der absolute Gewinner dieser Folge.
Warum?
Weil er spätestens ab jetzt als '
genial fies' gelistet werden muss.
Er tut nämlich Burnham keineswegs einen Gefallen, als er ihr ermöglicht, in
einem abgelegenen radioaktiven Nebel nach ihrem vulkanischen Ziehvater zu suchen. Er nutzt diese Situation taktisch, indem er frei nach dem Motto '
eine Hand wäscht die andere' Burnham dazu manipuliert, nicht nur freiwillig in seinen Führungsstab zu wechseln, sondern diesen neuen Posten dankbar und hochmotiviert auszufüllen.
Daneben ist ihm vergleichsweise schnell aufgegangen, dass Stamets
eugenische Experimente mit dem Sporenantrieb sehr wohl eine persönlichkeitsverändernde Wirkung auf seinen Chefingenieur haben (man achte vor allem auf seine Blicke zu
Stamets, als er von den Plänen zum Bau eines 'synthetischen Gedankenverschmelzungsverstärkers' hört), aber er ist bereit, die deutlich erkennbare Wesensveränderung eines wertvollen Crewmitglieds in Kauf zu nehmen, solange sie seinem Schiff einen taktischen Vorteil bietet.
Als wäre das allein noch nicht berechnend genug, zögert er keine Sekunde lang, seine Hop-On/-Hop-Off-Beziehung und das Leben des
Admirals Katrina Cornwell zu opfern, um die
USS Discovery unter seinem Kommando zu behalten. Klar haben wir auch schon bei
Kirk und
Picard das ein oder andere Verzweiflungsmanöver gesehen, um die überfällige Beförderung zu umgehen, aber Lorca gibt dem beinahe schon sprichwörtlichen Klammern am Stuhl des Captains eine völlig neue Ausrichtung. Wissentlich stattet er seine Bettgefährtin mit einer minimalen Eskorte aus; wissentlich verzichtet er auf eine eigenmächtige Rettungsmission für die Frau, die ihn von seiner Position entfernen will und wissentlich begründet er sein Verhalten mit den gleichen leeren Worthülsen, die er zuvor nicht für sein eigenes Handeln hat gelten lassen. Die Tatsache, dass ausgerechnet der Harry-Potter-Fiesling
Lucius Malfoy in Person von
Jason Isaacs mit dieser Rolle betraut wurde, ist ein weiterer Glücksfall für diesen Extremcharakter, der nicht nur mit einem
Phaser unter dem Kopfkissen schläft, sondern auch die Tür zu seinem Quartier nicht unbewaffnet öffnet.
Der andere große Gewinner der sechsten Folge heißt Sarek, beziehungsweise
James Frain. Auf wunderbare Weise wird hier jener Konflikt aufgegriffen, den Spock
im fünften Kinofilm in seinen Gefühlen hervorkramt: Als sein Vater nämlich bei seiner Geburt beinahe abgestoßen die Worte "
So menschlich!" fallen lässt (diese Worte hört man zudem beinahe im Wortlaut auch in "
Lethe").
Sareks gespaltene Persönlichkeit ("
starrköpfig und unnahbar"), die sich auf der einen Seite bemüht, die menschliche Präsenz in der vulkanischen Gesellschaft zu fördern, aber seine eigenen Kinder und Ziehkinder zu zwingen, ihre menschliche Hälfte zu unterdrücken, trifft Michael Burnham nicht weniger hart als ihren Adoptivbruder. Plötzlich verstehen wir Sareks bittere Enttäuschung, als
Spock sich der Sternenflotte zuwendet und damit Sareks Bevorzugung zurückweist, denn dies steigert den Zweifel an Sareks eigenem –erschreckend menschlichen - Handeln ins Unermessliche. Doch anstatt den Fehler bei sich selbst zu suchen, zeigt der in seiner Logik ebenfalls extremistisch veranlagte Sarek nicht nur Spock, sondern nun auch Burnham die kalte Schulter.
Es bedarf (schon wieder) einer Nahtod-Erfahrung, um wenigstens peripher unter die diversen Lagen von Schutzhüllen aus Logik zu blicken, die sein Innerstes offenbaren. Frain gelingt am Ende ein grandioses Porträt des legendären vulkanischen Botschafters, das sich nahtlos an die Darstellung
Mark Lenards anschließt.
Durch die beinahe flächendeckende (es gibt auch einige Szenen für Lorca) Rückkehr zur Monoperspektive, gerät auch Burnham wieder mehr in den Fokus des allgemeinen Geschehens. Sie weiß die Aufmerksamkeit zu nutzen und es gelingt ihr – trotz der massiven Betonung ihrer Vergangenheit - endlich, selbst in Zeiten des Zweifelns eine eigene Identität zu finden, die sie von ihren übermächtigen vulkanischen Wurzeln abnabelt und zu ihrem eigenen Stil zurückfinden lässt. Am Schluss mutiert sie für meinen Geschmack etwas zu voreilig zum Lorca-Jünger, auch wenn ich ihre Motivation glaubhaft nachgezeichnet finde.
Bislang blass erschien hingegen stets Katrina Cornwell, der es aber glückte, sich neben den drei genannten Figuren einen eigenen Platz unter den herausragenden Charakteren zu sichern. Zum einen, weil ihr Auftritt erstmals eine Prise Sex ins prüde Weltallleben gespült hat, und zum anderen, weil ihr Charakter vor den Augen des Zuschauers vom unspektakulären Vorgesetzen zur emotional involvierten sowie als Bauernopfer missbrauchten Todeskandidaten mutiert ist. Man bekommt langsam das Gefühl, dass hier keiner der Nebencharaktere – wie etwa in den vorangegangenen Star-Trek-Serien - einfach nur zur Untermalung des
Main Casts existiert, sondern eine eigene Rolle in einem undurchsichtigen Netz aus nebulösen Intrigen, bruchstückhaften Informationen und menschlichen Abgründen spielt.
Der Rest der Besetzungsriege hat vergleichsweise wenig zu tun.
Saru kommt auf gerade einmal fünfzehn Sätze, Stamets läuft völlig high durch das Geschehen und die Charaktermomente für
Ash Tyler dienen wohl nur dazu den Zuschauer in Sicherheit zu wiegen, dass er eben
kein Spion ist.
Tilly hat durchaus ihre Momente, aber manifestiert sich mehr und mehr als bloßer Sidekick für Burnham. Spocks Mutter
Amanda Grayson war gut gecastet (und
Mia Kirshner sah ihrem TOS-Vorbild
Jane Wyatt sogar irgendwie ähnlich), verschwand am Ende jedoch im langen Schatten ihres omnipräsenten Ehemannes.
Immerhin gefiel mir der kurze Auftritt des Klingonen
Kol, dem es in Habitus, Sprechweise und Hinterhältigkeit gelingt, einen vergleichsweise glaubwürdigeren
Klingonen abzuliefern als allen anderen Neo-Klingonen vor ihm.
Moralität.
Wiedermal musste ich eine gute Weile hin- und herüberlegen, bis mir eine tiefere Moral vor die Füße fiel.
Der Folgentitel "
Lethe" (der wohl auf den
griechischen Unterweltfluss des Vergessens anspielt) war dabei keine sonderlich große Hilfe, denn auch wenn die Art und Weise, wie mit der Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis umgegangen wird ein nettes Gimmick war, blieb es doch weit entfernt davon, ein allzu denkwürdiges Thema abzugeben.
Und auch der Kampf zwischen einer logisch-vulkanischen und einer menschlich-emotionalen Hälfte, wie man ihn bei Sarek als auch Burnham in unterschiedlichem (wenn nicht sogar antithetischem) Ausgang miterleben durfte, ist bei Lichte besehen ein alter Star-Trek-Hut, den es bereits seit Anbeginn der Franchise gibt.
Nein, der Reiz der Folge liegt in einem ganz anderen Aspekt, nämlich Michael Burnhams Zuwendung zu Captain Lorca.
Nachdem sich dieser nämlich für ihre Belange (in diesem Fall die Rettung ihres Adoptivvaters Sarek) einsetzt, lässt sie sich nicht nur bereitwillig einen Brückenposten überhelfen, sondern entwickelt sogar eine ungesunde Loyalität zu dieser – wie wir erfahren – psychisch labilen Führungsfigur.
Trotz aller Intelligenz vermag es die frühere Meuterin nicht, hinter die Fassade dieses Täuschers, Manipulators und Fanatikers zu blicken.
Das Ding ist nämlich, dass selbst Intelligenz nicht davor schützt, sich Fanatikern und deren kruden Ideen zu öffnen, denn selbst die so logischen Vulkanier haben so eine Art Nazi-Dschihadisten in ihren Reihen, die bereit sind, sich für die Reinhaltung ihrer arischen Spezies selbst in die Luft zu sprengen.
In Zeiten, in denen es nicht nur einer
AfD, einem
Trump oder einem
Erdogan gelingt, die Gesellschaft zu spalten, sondern auch religiöse Hardliner im
Islam,
Christentum oder
selbst Buddhismus immer wieder andere Menschen zu Schandtaten anstacheln, besinnt sich Star Trek endlich wieder darauf, was es einmal ausgemacht hat:
Tagespolitisches Geschehen in die Zukunft zu verlegen und dem Zuschauer vor Augen zu halten, was mit unserem eigenen Planeten im Hier und Jetzt himmelschreiend schiefläuft.
Schon allein dafür gebührt dieser Serie Hochachtung.
Auf Kuschelkurs mit dem Kanon.
Alles beginnt mit einer grandiosen Aussicht auf den
Planeten Vulkan. Eine ganze Folge lang widmet sich der Fokus
Discoverys einer der Gründerwelten der
Föderation und zeichnet ein rührend schlüssiges Bild der Gesellschaft knapp einhundert Jahre nach "
Enterprise".
Noch immer sind die Vulkanier argwöhnisch was
Menschen angeht. Während die einen (z.B.
Terral) in bester ENT-Manier hinter dem Rücken der
Sternenflotte in eigenmächtiger Handlung Separatverhandlungen mit den Klingonen betreiben, sorgen sich andere (eine wirre Minderheit) um die Rassenreinheit ihrer Kultur (was wiederum an die Eingangsszenen des
elften Kinofilms erinnert).
Es wird ein differenziertes Bild einer Gesellschaft gezeichnet, die sich erst nach einem Jahrhundert damit auseinandersetzt, was die Mitgliedschaft in einer Allianz mit Menschen und anderen Spezies für die eigene Kultur bedeutet.
Das ist sehr einfühlsam in Szene gesetzt und wird nicht minder liebevoll ausstaffiert: Eine
vulkanische Harfe spielt im Hintergrund, das Schiff Sareks (man kann im Hintergrund schon hören, wie der Modellschiffhändler
Eaglemoss freudig Daumen und Zeigefinger aneinanderreibt) erinnert in seinem Aufbau noch rudimentär an die Warpringe und die Wiederaufnahme von
Gedankenverschmelzungen,
Katras sowie grünem Blut zeigt deutlich, dass sich zumindest die Autoren im Vorfeld gründlich mit ihren Kanon-Hausaufgaben beschäftigt haben.
Daneben gibt es kleinere Anspielungen auf die
USS Enterprise der
Constitution-Klasse,
Grazeriten und
Yridianer, die den ein oder anderen Querbezug zum größeren Gesamtbild herstellen.
Schließlich bedient man sich auch noch auf andere Weise am reichhaltigen Fundus, den Star Trek zu bieten hat: Die Klingonen sind zwar nicht so plump wie bei
TNG, aber dafür so hinterlistig wie bei
TOS. Die Selbstmörderwaffe des vulkanischen Logikextremisten erinnert sehr an die Enterprise-Episode "
Das auserwählte Reich". Und thematisch hat man sich an Inhalten aus "
Reise nach Babel", "
Der Anschlag" oder "
Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock" angelehnt.
Alles in allem zeigen sich die Autoren absolut bemüht, den Fans das ein oder andere Aha-Erlebnis zu verschaffen, ohne sich dabei in Star-Trek-Internas zu verrennen, die Neueinsteigern den Zugang erschweren würden. Stattdessen fallen wohl vielen der Gelegenheitsseher und Neueinsteiger die meisten Referenzen kaum störend auf, was die Brillanz der Bezüge nur noch mehr unterstreicht.
Auf zu neuen Ufern.
Tatsächlich gelingt es der Folge recht gut, das hohe Tempo seines Vorgängers aufrecht zu erhalten und auch wenn der ein oder andere Handlungsstrang in einer gewissen Offensichtlichkeit mündete, warf auch "
Lethe" am Ende mehr Fragen auf, als sie beantwortete.
Denn der häppchenweisen Freigabe von Informationen – in diesem Fall, dass die Bombardierung von Burnhams Lernzentrum das Werk einer faschistoiden Logik-Al-Kaida war – folgt die Eröffnung weiterer Nebenkriegsschauplätze:
Ein Admiral befindet sich in der Hand von Klingonen, auf Vulkan machen Terroristen Jagd auf Sarek und Stamets Pilz-Konsum wirkt sich allmählich auf seine Persönlichkeit aus.
Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte und künftigen Episoden bleiben so viele Anknüpfungspunkte, dass man angesichts der Tatsache, dass mittlerweile fast schon wieder die Hälfte der Serie um ist, in ungläubiges Staunen verfällt.
Kritikwürdige Aspekte.
Kanonbrüche und Logiklöcher.
Es ist schon auffällig, dass sich die Schreiber auf der einen Seite unglaublich viel Mühe geben, die Serie passgenau in den Kanon einzufügen, nur um sich die eigene Kontinuität von den Maskenbildnern, den Visual-Effects-Verantwortlichen und Schiffsmodell-Designern ruinieren zu lassen. Dieser uneinfühlsame Bruch scheint allerdings genau die Trennlinie zu markieren, die absichtlich gezogen wurde, um einerseits den Ansprüchen der Alt-Fans und den vermeintlichen Seh-Gewohnheiten von Neueinsteigern zu genügen.
Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass man keine Raumschiff-Kontrollen wie in der Originalserie verwendet, weil das selbst für mich etwas bemüht wäre.
Aber dennoch bleibt festzuhalten, dass man hier summa summarum zu viele Kanon-Regeln verletzt:
Das Schiffsdesign, die Klingonen und – was in dieser Folge besonders zum Tragen kam – die Verwendung von
Holografietechnologie.
Wenn Kol sich holografisch durch das All transportiert, um mit anderen zu kommunizieren, ist das schlichtweg falsch.
Wenn Lorca mit einer Holosimulation verschiedener Planeten interagiert, ist das schlichtweg falsch.
Und wenn einem Ego-Shooter ähnlich Gefechtsübung auf einem Holodeck durchgeführt werden, ist das schlichtweg falsch.
Natürlich hat man sich die Mühe gemacht zu zeigen, dass die Darstellung längst nicht so ausgereift ist wie in späteren Star-Trek-Inkarnationen. Klar gibt es auch schon in der
Star-Trek-Trickfilm-Serie einen
Holodeck-
Auftritt. Und selbstverständlich ist mir bewusst, dass es bereits unter
Archer etliche Begegnungsmomente gegeben hatte.
Aber diese fortgeschrittene Technologie wird bei TNG in dieser Form als eine große Neuerung und ein Quantensprung in der Entwicklung dargestellt und glänzt bei TOS nicht zu Unrecht mit völliger Abwesenheit. Sie ist ein sinnloser Fremdkörper innerhalb einer Serie, die zehn Jahre vor Kirk, Spock und
Pille angesetzt ist.
Bauchschmerzen bereitet mit ferner die erstaunlich zügige Konstruktion eines "
synthetischen Gedankenverschmelzungsverstärkers". Zwar hätte dieser Begriff einen besseren deutschen Folgentitel als "
Lethe" abgegeben (vor allem weil er der bislang längsten deutschen Titulierung "
Der Zentralnervensystemmanipulator" Paroli geboten hätte), doch die Produzenten anderer Serien haben – nicht ganz zu Unrecht – stets Abstand von Maschinen genommen, die als Medium zwischen schwammigen Spezies-Talenten wie Gedankenverschmelzungen, Telepathie oder gar Telekinese fungierten. Diese Zurückhaltung hätte eventuell auch dieser Episode gut zu Gesicht gestanden, denn es stellt sich ein weiteres Mal die Frage, warum dieses Stück Technik in späteren Jahren keinerlei Verwendung fand.
Daneben gibt es noch eine ganze Reihe zusätzlicher Ungereimtheiten und Fragen, die sich daraus ergeben.
Was ist eigentlich mit
Sybok?
Für eine Serie, die darauf beruht, dass Spock bislang über Burnhams Existenz den Mantel des Schweigens ebenso gehüllt hat wie über das Leben seines Halbbruders Sybok ist es doch recht auffällig, wie wenig Erwähnung er bei Discovery findet, obwohl sich mehrfach geradezu aufdrängt, den einzigen (?) '
reinrassigen' Sohn Sareks anzuführen.
Warum fliegt Cornwell nicht mit ihrem eigenen Schiff zu den Klingonen?
Natürlich wird der Admiral von Lorca geopfert, aber wenn sie schon mit ihrem eigenen Schiff zur Discovery fliegt, wundert es doch sehr, dass der dortige Captain keinerlei Einwände gegen ihren Ausflug nach
Cancri IV erhebt oder wenigstens das Shuttle stellt, das sie dorthin bringt.
Warum hat Vulkan einen Mond?
Laut "
Das Letzte seiner Art" soll der Planet keinen Trabanten haben, aber gleich zu Beginn kann man einen solchen Himmelskörper ausmachen. Dieser Widerspruch ist allerdings nichts Neues, denn bereits in der Zeichentrickserie und dem ein oder anderen Kinofilm waren entsprechende Himmelskörper zu sehen. Meist wird die Erklärung herangezogen, dass es sich dabei um einen Schwesterplaneten handelt.
Warum funktionieren die
Replikatoren plötzlich mit Spracheingabe?
Tatsächlich war in der Originalserie mehrfach zu sehen, dass
Datenkarten zur Bestellung von Speisen notwendig waren und die Spracheingabe eher ein Produkt des "
nächsten Jahrhunderts" war. Aber selbst bei TNG waren die Maschinen nicht so redselig, dass sie jeden Benutzer detailreich über die Biografie ihres Frühstücks aufklärten.
Warum muss Tyler Tilly darauf hinweisen, dass er einen höheren Rang hat als Burnham?
Echt mal! Jeder an Bord, inklusive der Kadettin Tilly, hat einen höheren Dienstgrad als die ehemalige Meuterin, die – wie wir seit der vierten Folge wissen – aktuell über keinen Rang verfügt.
Zudem wirkt es recht aufgesetzt, dass Captain Lorca Ash Tyler nach knapp einer Woche gleich zum Sicherheitschef ernennt…
Übersetzung.
Die würde bei weitem nicht so sehr nerven, wenn man dem Substantiv Katra sein weibliches Geschlecht wiedergeben würde. Ständig muss man "
seines Katra", "
das Katra" oder "
dein Katra" hören, obgleich die Synchronisation des dritten Kinofilms ein völlig anderes Vorbild geliefert hat. Doch im Anblick der sturen Beibehaltung dieses Fehlers scheint es wohl abzusehen, dass man diesen Faux-Pas zum neuen Standard erheben wird.
Scheußlicher sind nur die deutschen Untertitel, in denen der Begriff '
Admiral' schon einmal mit "
Erbsenzähler" übersetzt, von "
des Cancri 4" geredet und ein "
Schildetest" anberaumt wird.
Grausam!
Wer nicht auf den ein oder anderen lesbaren Kanonbezug verzichten möchte, sollte lieber auf die englische oder gar klingonische Untertitelspur ausweichen, um dieses Elend zu umgehen.
Einen guten Grund gibt es am Ende aber doch, die deutsche Version zu hören:
Bordarzt Dr. Hugh Culber wird hierzulande seine Stimme von niemand geringerem als
Raumschiff-Eberswalde-Gründer
Benjamin Stöwe verliehen!
Fazit.
Auch wenn die sechste Episode "
Lethe" nicht ganz so rund erscheint wie ihr Vorgänger, gibt es am Ende – vom ein oder anderen inzwischen zur Gewohnheit verkommenen Kanonbruch und Logikloch – wenig zu schimpfen.
Der Erzähltempomat verrichtet seinen Job, es gibt endlich wieder eine großartige (star-trekige) Moral und der vor Input sprudelnden Handlungsentwicklung stehen die sprichwörtlichen '
unendlichen Weiten' offen.
Dazu gibt es einige großartige Momente für Alt-Fans, atemberaubende Charaktermomente für die Figuren und begnadete Schauspieler, die ihren Rollen neues und altes Leben einhauchen.
Bewertung.
Denkwürdiger vulkanischer Moment.
Schluss. Wie eingangs bereits geschrieben sehe ich mir jede Folge Discovery mindestens fünf Mal an. Ich weiß dass viele Freunde, Bekannte und Kollegen ähnlich verfahren.
Das heißt vor allem, dass die neue Serie schon allein wegen Leuten wie uns Rezensenten ein Erfolg werden muss, da wir statisitisch gesehen für den ein oder anderen Verweigerer mitsehen. Ohne Frage wird das häufige Sehen von Netflix registriert werden und (hoffentlich) zum Erfolg der neuen Serie beitragen.
Das bedeutet aber beileibe nicht, dass Discovery nur was für Rezensenten ist. Gerade in den letzten paar Tagen ist mir aufgefallen, dass nicht nur die altgedienten Fans (wenn auch mitunter mürrisch) mitschauen, sondern auch viele neue Zuschauerschichten erschlossen werden, denn ich kann kaum mehr aufzählen, wie oft ich durch das Tragen eines Star-Trek-Shirts von wildfremden Leuten auf Discovery angesprochen wurde, von Freunden plötzlich Nachrichten erhielt oder selbst von Kollegen in spontane Fachgespräche über den Inhalt der aktuellen Folge verwickelt werde.
Star Trek ist es mit Discovery wieder gelungen, die verloren geglaubte Aufmerksamkeit zu erreichen und auch, wenn die Reichweite der früheren '
goldenen Zeiten' noch längst nicht erreicht ist, gibt es doch das gute Gefühl, dass das erste Mal seit langer Zeit wieder ein frischer, für alle bemerkbarer Wind durch die Franchise weht.
Denkwürdige Zitate.
"
In Krisenzeiten ist Ignoranz manchmal von Vorteil."
Sarek
"
Sechs Komma fünf Sekunden ist kein willkürlicher Wert. Mit dieser Zeit erhältst Du eine Belobigung für Deine Ausdauer. Heute lautet Dein Ziel sechs Komma fünf Sekunden. Dann die Versetzung auf ein Schiff der Constitution-Klasse wie die Enterprise. Danach eine Stelle als erster Offizier. Entwirf einen Weg, verfolge ihn und gelang' an Dein Ziel. Vom Kadett zum Captain. So in etwa. Wie soll Dein Weg aussehen, Tilly?"
Michael Burnham zu Sylvia Tilly
"
Ihre Faszination für die Menschen darf nicht länger toleriert werden. Ihre Obsession hat sie blind gemacht für die Wahrheit: Der Mensch an sich ist minderwertig. Mein Opfer wird all jenen ein leuchtendes Vorbild sein, denen der Wert der Logik über alles geht. Die Vulkanier werden zur Einsicht kommen und sich aus dem gescheiterten Experiment 'Föderation' zurückziehen."
V’Latak zu Sarek
"
Man darf nicht alles glauben."
Ash Tyler
"
Die Vulkanier haben die Sternenflotte hintergangen, weil sie mit unserem unlogischen Mist aufräumen wollten."
Gabriel Lorca zu Terral
"
Bringen Sie sie in einem Stück zurück."
"
Ohne Kratzer!"
"
Ich meinte damit sie… Oder kommen Sie gar nicht zurück."
Lorca und Tyler
"
Du bist der Captain des hochentwickelsten Schiffes der ganzen Flotte, dem Eckpfeiler unserer gesamten Verteidigung gegen die Klingonen. Du kannst nicht so tun, als ob die Discovery Dein Eigentum wäre!"
Admiral Katrina Cornwell zu Lorca
"
Regeln sind für Admirals… Die im Innendienst arbeiten. Ich muss hier einen Krieg gewinnen."
Lorca zu Cornwell
"
Ich war dem Tod auch schon nah. Ich stand mal kurz davor. Du denkst nicht darüber nach wer Dich enttäuscht hat. Das spielt keine Rolle. Du denkst an die, die Du liebst; daran, was Du gern anders gemacht hättest. Was hätte Ihr Vater gern anders gemacht?"
Tyler zu Burnham
"
Ich habe immer an Dich geglaubt. An jenem Tag hat nur einer versagt und das war ich."
Sarek zu Burnham
"
Ich lege auf keinen Fall die mächtigste Waffe im Besitz der Sternenflotte in die Hände eines gebrochenen Mannes."
Cornwell zu Lorca
"
Ich bin dankbar unter einem Captain wie Ihnen zu dienen."
Burnham zu Lorca
"
Es gibt tausende Wege Captain zu werden. Finde Deinen eigenen."
"
Das habe ich."
Burnham und Tilly
Weiterführende Leseliste.
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