Sonntag, 29. März 2015

Von der RetroSPOCKtive in Eberswalde: Erinnern an 'Leonard Spock'

Die vierte Auflage der Eberswalder Miniconvention hat es endgültig geschafft: Kurz vor ihrem Start berichtete Deutschlands umstrittenste, aber auch auflagenstärkste Zeitung von der Veranstaltung. Zumindest in der Online-Ausgabe der Bild.


Woran dies lag, kann man sich da natürlich zu recht fragen. Vielleicht daran, dass der Tod Leonard Nimoys selbst die kalten Herzen des ein oder anderen Bildzeitungsredakteurs gerührt hat? Oder ein eifriger Praktikant eine verdächtig ähnliche Meldung der Serienjunkies wiederverwertete? Oder war es gar der Medienpopularität des Eberswalde-Kapitäns Benjamin Stöwe geschuldet, der im ZDF-Morgenmagazin kürzlich sogar in TOS-Uniform gesichtet worden sein soll?


Die Frage werden wohl zukünftige Forschergenerationen klären müssen doch für die Tafelrunde, die im Fahrwasser dieser Meldung gleichermaßen Erwähnung fand, war es trotz anderslautender Behauptungen nicht die erste Erwähnung in „Springers heißem Blatt“, denn bereits im Zuge der #JeSuisNico-Affäre verwendete man dort kurz nach einem nicht minder verdächtig ähnlichen Artikel im Tagesspiegel eine exklusive Meldung aus unserem Twitteraccount.


Aber zurück zum Thema: Grund für die Nennung „Hermann Darnells“ in einem Atemzug nicht nur mit dem Veranstalter, Karlheinz Steinmüller und Daniel Broz war der Umstand, dass es der Tafelrunde vergönnt war, selbst aktiv ein Teil des Programms zu werden. So oblag es unserer Verantwortung, die geladenen Gäste bei dieser aufgrund der aktuellen Ereignisse kurzerhand zu einer als „RetroSPOCKtive“ umfunktionieren "NCC-1701" einen einleitenden Vortrag zum schillernden Leben Leonard Nimoys zu halten.


Unter dem Titel „Auf der Suche nach Mr. Spock – Leonard Nimoys Karriere in Video, Bild und Ton“ gab es neben vielen eher unbekannten Anekdoten und Geschichten zu Leonard Nimoy auch Informationen, die der ein oder andere treue Blogleser aus dem ein oder anderen unserer Beiträge gekannt haben könnte. Obgleich einige technische Pannen den Ablauf etwas trübten, folgte das überaus freundliche Publikum aufmerksam den Ausführungen des Referenten, dessen Abriss des Lebensweges Nimoys in der Erkenntnis gipfelten, dass der Schauspieler stets respektvoll mit seiner bekanntesten Rolle umging und dem Kultstatus seiner selbst genauso wie dem Spocks mit seinen originellen Auftritten weiteren Auftrieb verlieh.


Im Anschluss daran zog die Gästeschar vom Vorraum in den eigentlichen Wäschekeller um, wo Benjamin Stöwe am Rednerpult mit der Professionalität eines Synchronschauspielers ein Kapitel aus Nimoys Biografie „I Am Not Spock“ zum Besten gab. Es war für das gesamte Publikum ein sehr „emotioneller“ Moment, der einen nahtlosen Übergang vom Vortrag zum eigentlichen Gedenkteil bot. Denn tatsächlich war es stets ein wenig merkwürdig, dass man zwar bei vorherigen Veranstaltungen Lesungen von anderen berühmten Sprechern wie Ernst Meincke, Gertie Honeck oder Reiner Schöne hören durfte, aber bislang nicht in den Genuss kam, Benjamin selbst bei der Rezitation eines von ihm selbst ausgewählten Textes lauschen zu können. Gerade dieser sehr intime Augenblick machte nämlich deutlich, dass der Kopf hinter dem „Raumschiff Eberswalde“-Hörspiel, dem Kurator der kleinsten Star-Trek-Ausstellung des Universums und Initiator der Eberswalder Miniconventions und sein inspirierender Umgang mit Star Trek der beste Grund ist, jedes Mal die beschwerliche Reise in die entlegene Barnim-Kapitale auf sich zu nehmen.


Im direkten Anschluss ließ Benjamin Stöwe seine Zuhörer an einem besonderen Spock-Moment seiner eigenen Vita teilhaben. Im Zuge der Umsetzung seiner „Raumschiff Eberswalde“ Hörspiele traf er mit Norbert Gescher die deutsche Stimmen Leonard Nimoys und erzählte von den Begleitumständen dieser Zusammenkunft. Natürlich spielte er in diesem Zusammenhang auch die dazugehörige Folge ab, um auch alle Anwesenden ein Stück weit an diesem Erlebnis teilhaben zu lassen.



Und dann kam schließlich der Moment, auf den wohl alle Gäste gespannt gewartet hatten: Der Dudelsackspieler Daniel Broz trat in die Tür des Wäschekellers und spielte mit „Going Home“ eine Adaption aus DvořaksNeuen Welt“.


Wer wissen will, wie es sich anhörte:
In erster Linie laut!
So ein Wäschekeller lässt sich nämlich nicht mit der Scala in Mailand, der Carnegie Hall in New York oder dem Nikolaisaal in Potsdam vergleichen. Solcherlei Kellerräume sind schlichtweg nicht für Klangerlebnisse entworfen worden.

Wer aber wissen will, wie es sich anfühlte:
Absolut genial!
Der Dudelsack, im Gegensatz zur Triangel nicht unbedingt als sonderlich einfach zu spielendes Instrument bekannt, ist bereits ein optisches Erlebnis und elektrisiert besonders in diesem Rahmen seine Zuschauer/ Zuhörer. Es verwundert nach diesem Erlebnis jedenfalls nicht, dass dieses Musikinstrument häufig auf Beerdigungen eingesetzt wird, denn es versprüht im gleichen Moment Anmut und Trauer. Eine passendere Untermalung hätte man sich für diesen Anlass kaum vorstellen können.


Ein wenig undankbar war es in diesem Zusammenhang dann schon, dass ausgerechnet der Futurologe Karlheinz Steinmüller, der während des Einleitungsvortrages beständig nickend in der ersten Reihe saß, nunmehr an die Reihe kam, seine Gedanken zu Spock zu formulieren. Bereits im Anschluss an den Beitrag der Tafelrunde hatte er nämlich angemerkt, dass er darin vieles wiedergefunden hatte, was er selbst zuvor für seine eigenen Ausführungen recherchiert hatte.
Aber einen geübten Redner wie Steinmüller konnte das beileibe nicht aus dem Konzept bringen. Seine knackigen Ausführungen reichten so von seiner ersten Star-Trek-Folge „Computer M5“, über eine kurze Textanalyse des Nimoy-Songs „Highly Illogical“ bis hin zu Diderot und Bougainville.
Was der Schriftsteller und Kurd-Laßwitz-Preisträger im weiteren Verlauf zum Besten gab, war eine wahre Achterbahnfahrt durch die philosophischen und literarischen Aspekte der Kultfigur Spock.
So verglich Steinmüller den Halbvulkanier mit dem Motiv des Edlen Wilden, stellte die vulkanische Logik auf die Position einer atheistischen Religion und attestiert der Originalserie ein Menschenbild, dass sich mit dem vieler Science-Fiction-Romane der DDR deckt. Abschließend stellte er die interessante und trostbringende These auf, dass sich die Menschheit in genau jene Richtung entwickeln könnte, die die von Leonard Nimoy verkörperte Rolle durch ihr aktives Vorbild vorgegeben hat.


Im Anschluss erwartete die Besucher eine kleine Überraschung, denn Benjamin Stöwe spielte Tonbeispiele von Barack Obama, Wil Wheaton, Kate Mulgrew und Zachary Quinto ein, in denen sie sich an den verstorbenen Leonard Nimoy erinnerten. Das Besondere an den Mitschnitten war jedoch, dass es dem Gastgeber gelungen war, mit Sven Plate, Gertie Honeck und Timmo Niesner die Synchronsprecher der drei letztgenannten Schauspieler dafür gewinnen zu können, die prominenten Beileidsbekundungen einzusprechen.


Als Benjamin Stöwe nach einem weiteren beherzten Dudelsackstück unter der zielgenauen Ankündigung „zwei schnelle Tänze“ das Rednerpult erneut besetzte, ergänzte er seine erste Lesung um einen weiteren bewegenden Auszug aus Nimoys zweiter Biografie „I Am Spock“. Wiederum riss er sein Publikum über den von ihm ausgewählten Auzug um die Namensverbindung 'Leonard Spock' mit sich und wiederum leitete er gekonnt zu seinem Projekt „Raumschiff Eberswalde“ über, wo ein Nachruf auf Spock bereits in der 428. Episode des Hörspiels vorweggenommen wurde.



Von dort aus übernahm Daniel Broz mit seinem Dudelsack und spielte genau das Stück, auf das ein jeder in diesem Raum gewartet hatte: „Amazing Grace“. Und während die Töne des Rohrblattinstruments von den Wänden des Wäschekellers zurückgeworfen wurden und auf dem Monitor der letzte Tweet Nimoys zu sehen war, standen nicht nur dem Autoren die Tränen in den Augen, sondern auch vielen anderen Gästen.



Das mag vielleicht sich im ersten Moment vielleicht recht kitschig lesen, doch tatsächlich war diese Trauerveranstaltung so detailverliebt, liebenswert und stilvoll arrangiert, dass ein Aspekt wie ein Zahnrad in einem Uhrwerk in den nächsten griff. Ein Waschkeller voller Star-Trek-Fans nahm von einer der prägendsten Gestalten des gesamten Science-Fiction-Genres Abschied, eben ohne dass es sich künstlich oder aufgesetzt angefühlt hätte. Gerade im Hinblick auf die eigene Teilnahme lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die "RetroSpocktive" eine (ge-)denkwürdige Veranstaltung von Fans, für Fans und vor allem mit Fans gewesen ist.


Denkwürdige Zitate:

Spock ist, wenn man so will, der amerikanische Winnetou.
Karlheinz Steinmüller

Wir haben jetzt den Data und der versucht die Menschen nachzumachen. Mein Gott, hat der denn nichts besseres zu tun?
Karlheinz Steinmüller



Ein Redefeuerwerk!
Kalami über Karlheinz Steinmüller

Heute hängt die Wäscheleine wieder – für alle die es noch nicht bemerkt haben.“
Benjamin Stöwe

Die bisher emotionalste Veranstaltung hier.
K'olbasa


Lasst uns anstoßen – auf das Leben.“
Benjamin Stöwe

Uff alle Fälle is es besser als in Sachsen - in Babelsberch 14482."
Turon zu Inka


Weiterführende Leseliste:

Die NCC-1701-A in Eberswalde am 6. September 2014
Die NCC-1701-B in Eberswalde am 22. November 2014
Die NCC-1701-C in Eberswalde am 17. Januar 2015
Die NCC 1701-D in Eberswalde (RetroSPOCKtive) am 28. März 2015

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