Die vierte Auflage der Eberswalder Miniconvention hat es endgültig geschafft: Kurz vor ihrem Start
berichtete Deutschlands umstrittenste, aber auch auflagenstärkste
Zeitung von der Veranstaltung. Zumindest in der Online-Ausgabe der Bild.
Woran dies lag, kann man sich da
natürlich zu recht fragen. Vielleicht daran, dass der Tod Leonard Nimoys selbst die kalten Herzen des ein oder anderen
Bildzeitungsredakteurs gerührt hat? Oder ein eifriger Praktikant
eine verdächtig ähnliche Meldung der Serienjunkies
wiederverwertete? Oder war es gar der Medienpopularität des
Eberswalde-Kapitäns Benjamin Stöwe geschuldet, der im
ZDF-Morgenmagazin kürzlich sogar in TOS-Uniform gesichtet worden sein soll?
Die Frage werden wohl zukünftige
Forschergenerationen klären müssen doch für die Tafelrunde, die im
Fahrwasser dieser Meldung gleichermaßen Erwähnung fand, war es
trotz anderslautender Behauptungen nicht die erste Erwähnung in
„Springers heißem Blatt“, denn bereits im Zuge der
#JeSuisNico-Affäre verwendete man dort kurz nach einem nicht minder verdächtig ähnlichen Artikel im Tagesspiegel eine exklusive Meldung
aus unserem Twitteraccount.
Aber zurück zum Thema: Grund für die
Nennung „Hermann Darnells“ in einem Atemzug nicht nur mit dem
Veranstalter, Karlheinz Steinmüller und Daniel Broz war der Umstand,
dass es der Tafelrunde vergönnt war, selbst aktiv ein Teil des
Programms zu werden. So oblag es unserer Verantwortung, die
geladenen Gäste bei dieser aufgrund der aktuellen Ereignisse
kurzerhand zu einer als „RetroSPOCKtive“ umfunktionieren "NCC-1701" einen einleitenden Vortrag zum
schillernden Leben Leonard Nimoys zu halten.
Unter dem Titel „Auf der Suche nach
Mr. Spock – Leonard Nimoys Karriere in Video, Bild und Ton“ gab
es neben vielen eher unbekannten Anekdoten und Geschichten zu Leonard
Nimoy auch Informationen, die der ein oder andere treue Blogleser aus
dem ein oder anderen unserer Beiträge gekannt haben könnte.
Obgleich einige technische Pannen den Ablauf etwas trübten, folgte
das überaus freundliche Publikum aufmerksam den Ausführungen des
Referenten, dessen Abriss des Lebensweges Nimoys in der Erkenntnis
gipfelten, dass der Schauspieler stets respektvoll mit seiner
bekanntesten Rolle umging und dem Kultstatus seiner selbst genauso
wie dem Spocks mit seinen originellen Auftritten weiteren Auftrieb verlieh.
Im Anschluss daran zog die Gästeschar
vom Vorraum in den eigentlichen Wäschekeller um, wo Benjamin Stöwe
am Rednerpult mit der Professionalität eines Synchronschauspielers
ein Kapitel aus Nimoys Biografie „I Am Not Spock“ zum Besten gab.
Es war für das gesamte Publikum ein sehr „emotioneller“ Moment,
der einen nahtlosen Übergang vom Vortrag zum eigentlichen
Gedenkteil bot. Denn tatsächlich war es stets ein wenig merkwürdig,
dass man zwar bei vorherigen Veranstaltungen Lesungen von anderen
berühmten Sprechern wie Ernst Meincke, Gertie Honeck oder Reiner Schöne hören durfte, aber bislang nicht in den Genuss kam, Benjamin
selbst bei der Rezitation eines von ihm selbst ausgewählten Textes
lauschen zu können. Gerade dieser sehr intime Augenblick machte nämlich
deutlich, dass der Kopf hinter dem „Raumschiff Eberswalde“-Hörspiel, dem Kurator der kleinsten Star-Trek-Ausstellung des Universums und Initiator der Eberswalder
Miniconventions und sein inspirierender Umgang mit Star Trek der
beste Grund ist, jedes Mal die beschwerliche Reise in die entlegene
Barnim-Kapitale auf sich zu nehmen.
Im direkten Anschluss ließ Benjamin
Stöwe seine Zuhörer an einem besonderen Spock-Moment seiner eigenen
Vita teilhaben. Im Zuge der Umsetzung seiner „Raumschiff
Eberswalde“ Hörspiele traf er mit Norbert Gescher die deutsche
Stimmen Leonard Nimoys und erzählte von den Begleitumständen dieser
Zusammenkunft. Natürlich spielte er in diesem Zusammenhang auch die
dazugehörige Folge ab, um auch alle Anwesenden ein Stück weit an diesem
Erlebnis teilhaben zu lassen.
Und dann kam schließlich der Moment,
auf den wohl alle Gäste gespannt gewartet hatten: Der Dudelsackspieler Daniel
Broz trat in die Tür des Wäschekellers und spielte mit „Going Home“ eine Adaption aus Dvořaks „Neuen Welt“.
Wer wissen will, wie es sich anhörte:
In erster Linie laut!
So
ein Wäschekeller lässt sich nämlich nicht mit der Scala in
Mailand, der Carnegie Hall in New York oder dem Nikolaisaal in
Potsdam vergleichen. Solcherlei Kellerräume sind schlichtweg nicht
für Klangerlebnisse entworfen worden.
Wer aber wissen will, wie es sich anfühlte:
Absolut genial!
Der Dudelsack, im Gegensatz zur
Triangel nicht unbedingt als sonderlich einfach zu spielendes
Instrument bekannt, ist bereits ein optisches Erlebnis und
elektrisiert besonders in diesem Rahmen seine Zuschauer/ Zuhörer. Es
verwundert nach diesem Erlebnis jedenfalls nicht, dass dieses
Musikinstrument häufig auf Beerdigungen eingesetzt wird, denn es
versprüht im gleichen Moment Anmut und Trauer. Eine passendere
Untermalung hätte man sich für diesen Anlass kaum vorstellen
können.
Ein wenig undankbar war es in diesem
Zusammenhang dann schon, dass ausgerechnet der Futurologe Karlheinz Steinmüller, der während des Einleitungsvortrages beständig
nickend in der ersten Reihe saß, nunmehr an die Reihe kam, seine
Gedanken zu Spock zu formulieren. Bereits im Anschluss an den Beitrag
der Tafelrunde hatte er nämlich angemerkt, dass er darin vieles
wiedergefunden hatte, was er selbst zuvor für seine eigenen Ausführungen
recherchiert hatte.
Aber einen geübten Redner wie
Steinmüller konnte das beileibe nicht aus dem Konzept bringen. Seine
knackigen Ausführungen reichten so von seiner ersten Star-Trek-Folge
„Computer M5“, über eine kurze Textanalyse des
Nimoy-Songs „Highly Illogical“ bis hin zu Diderot und
Bougainville.
Was der Schriftsteller und
Kurd-Laßwitz-Preisträger im weiteren Verlauf zum Besten gab, war
eine wahre Achterbahnfahrt durch die philosophischen und
literarischen Aspekte der Kultfigur Spock.
So verglich Steinmüller den
Halbvulkanier mit dem Motiv des Edlen Wilden, stellte die vulkanische
Logik auf die Position einer atheistischen Religion und attestiert
der Originalserie ein Menschenbild, dass sich mit dem vieler
Science-Fiction-Romane der DDR deckt. Abschließend stellte er die
interessante und trostbringende These auf, dass sich die Menschheit
in genau jene Richtung entwickeln könnte, die die von Leonard Nimoy
verkörperte Rolle durch ihr aktives Vorbild vorgegeben hat.
Im Anschluss erwartete die Besucher
eine kleine Überraschung, denn Benjamin Stöwe spielte Tonbeispiele
von Barack Obama, Wil Wheaton, Kate Mulgrew und Zachary Quinto ein,
in denen sie sich an den verstorbenen Leonard Nimoy erinnerten. Das
Besondere an den Mitschnitten war jedoch, dass es dem Gastgeber
gelungen war, mit Sven Plate, Gertie Honeck und Timmo Niesner die
Synchronsprecher der drei letztgenannten Schauspieler dafür gewinnen
zu können, die prominenten Beileidsbekundungen einzusprechen.
Als Benjamin Stöwe nach einem weiteren
beherzten Dudelsackstück unter der zielgenauen Ankündigung „zwei
schnelle Tänze“ das Rednerpult erneut besetzte, ergänzte er seine
erste Lesung um einen weiteren bewegenden Auszug aus Nimoys zweiter
Biografie „I Am Spock“. Wiederum riss er sein Publikum über den
von ihm ausgewählten Auzug um die Namensverbindung 'Leonard Spock' mit sich und wiederum leitete er gekonnt zu
seinem Projekt „Raumschiff Eberswalde“ über, wo ein Nachruf auf
Spock bereits in der 428. Episode des Hörspiels vorweggenommen
wurde.
Von dort aus übernahm Daniel
Broz mit seinem Dudelsack und spielte genau das Stück, auf das ein
jeder in diesem Raum gewartet hatte: „Amazing Grace“. Und während
die Töne des Rohrblattinstruments von den Wänden des Wäschekellers
zurückgeworfen wurden und auf dem Monitor der letzte Tweet Nimoys zu
sehen war, standen nicht nur dem Autoren die Tränen in den Augen,
sondern auch vielen anderen Gästen.
Das mag vielleicht sich im ersten
Moment vielleicht recht kitschig lesen, doch tatsächlich war diese
Trauerveranstaltung so detailverliebt, liebenswert und stilvoll
arrangiert, dass ein Aspekt wie ein Zahnrad in einem Uhrwerk in
den nächsten griff. Ein Waschkeller voller Star-Trek-Fans nahm von
einer der prägendsten Gestalten des gesamten Science-Fiction-Genres
Abschied, eben ohne dass es sich künstlich oder aufgesetzt angefühlt
hätte. Gerade im Hinblick auf die eigene Teilnahme lässt sich an
dieser Stelle festhalten, dass die "RetroSpocktive" eine (ge-)denkwürdige Veranstaltung von Fans, für
Fans und vor allem mit Fans gewesen ist.
Denkwürdige Zitate:
„Spock ist, wenn man so will, der
amerikanische Winnetou.“
Karlheinz Steinmüller
„Wir haben jetzt den Data und der
versucht die Menschen nachzumachen. Mein Gott, hat der denn nichts
besseres zu tun?“
Karlheinz Steinmüller
Karlheinz Steinmüller
„Ein Redefeuerwerk!“
Kalami über Karlheinz Steinmüller
„Heute hängt die Wäscheleine wieder
– für alle die es noch nicht bemerkt haben.“
Benjamin Stöwe
„Die bisher emotionalste
Veranstaltung hier.“
K'olbasa
Weiterführende Leseliste:
Die NCC-1701-A in Eberswalde am 6. September 2014
Die NCC-1701-B in Eberswalde am 22. November 2014
Die NCC-1701-C in Eberswalde am 17. Januar 2015
Die NCC 1701-D in Eberswalde (RetroSPOCKtive) am 28. März 2015