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Samstag, 13. April 2019

Turons Senf zu "Süße Trauer" [Star Trek Discovery, S2Nr13]

Spoilerwarnung. Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Süße Trauer", die dreizehnte Folge der zweiten Staffel "Star Trek Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Episoden gesehen hat.

'I. Einleitung.
Finale, oho!
Finale, ohohoho!
Da ist es doch glatt mit mir durchgegangen, als mir bewusst wurde, dass die Achterbahnfahrt namens 'zweite Staffel Discovery' grade ihren vorletzten Looping durchquert. Kaum zu glauben, wie schnell dreizehn Wochen vorbei sind!
Vor allem, wenn man an das eher ernüchternde Ende denkt, dass uns diese Serie in seiner ersten Season beschert hat, muss man an dieser Stelle noch einmal festhalten, dass die Vorzeichen dieses Mal ungleich besser sind: Viele fragwürdige Entscheidungen wurden revidiert, mehreren Folgen gelang es zu glänzen und mit Christopher Pike hielt auch ein neues Star-Trek-Gefühl auf der vormals sterilen Discovery Einzug.
Doch im gleichen Atemzug muss auch eingeworfen werden, dass nach einem starken Startsprint die Luft langsam enger zu werden scheint. Die letzten paar Folgen boten nicht mehr den frischen Wind ihrer Vorgänger, mutierten schleichend in eine Burnham-Solo-Show oder boten inhaltlich kaum nennenswerte Handlungen.
Aber alles ist zurück auf null gestellt, denn mit den letzten beiden Folgen wird endlich Klarheit herrschen! Es kann (aufgrund der bisherigen Entwicklungen um den roten Engel, die künstliche Sektion-31-Intelligenz und de rätselhaften Signale) keineswegs so trostlos enden wie anno dazumal noch in "Nimm meine Hand" – zumal wir dank der blitzartigen Informationsverbreitung im Internet längst wissen, dass der Weg des Staffelabschlusses über Pikes legendäre Enterprise führt...




II. Story.
Als die Selbstzerstörungssequenz der USS Discovery per Fernsteuerung von der Enterprise aus aktiviert wird, erleben Captain Christopher Pike, Michael Burnham und Spock ihr blaues Wunder. Die längst verblichene Sphäre hat nicht nur ihren Nachlass an Daten gesichert, sondern auch das ganze Schiff, auf deren Computern ihr Lebenswissen seit ihrem Ableben sicherheitsgespeichert wurde. Da nützt es auch nichts, ein paar Salven Photonentorpedos abzufeuern.
So wird Michael Burnham schlagartig bewusst, dass es ihr obliegt, einen anderen Weg einzuschlagen: Sie muss in einen Nachbau des Anzugs ihrer Mutter schlüpfen, die Discovery in eine Zeit schleppen, in der sie vor dem Zugriff Controls geschützt ist und somit den Tag und das ganze Leben in der Galaxis retten.
Der einzige Haken an der Geschichte ist allerdings, dass es eine Mission oder Wiederkehr ist, denn der Zeitkristall, den Pike auf Boreth erhielt, lässt zwar den Trip in die Zukunft zu, aber verliert danach seine Fähigkeiten.
Dennoch ist Burnham fest entschlossen, dieses Opfer zu bringen.
Schweren Herzens sagt sie Lebewohl zur Crew der Discovery.
Dann verabschiedet sie sich von ihren Adoptiveltern Amanda Grayson und Sarek.
Kurze Zeit später auch noch von Sylvia Tilly.
Und Ash Tyler.
Als sie auch noch einigen anderen liebgewonnenen Kameraden Abschiedsworte zukommen lassen will, offenbaren diese ihr, dass sie beabsichtigen, mit ihr auf dem Schiff zu verbleiben.
So verabschiedet sich Saru von seiner Schwester, Tilly von ihrer Mutter, Owosekun von ihrer Familie, Detmer von ihrer Freundin aus Akademietagen und Paul Stamets von seinem Bruder.
Dann aber versammeln sie sich endlich auf der Brücke ihres Schiffes, um ihrem Captain Christoper Pike gemeinsam 'Auf Wiedersehen' zu sagen…

III. Lobenswerte Aspekte.

Kanonfutter.
Nun ist es endlich offiziell: Keine Holokommunikation mehr!
Zumindest auf der Enterprise, wo Pikes Nummer Eins ihrem Captain diese frohe Botschaft übermittelt (vergleiche Denkwürdige Zitate), ohne dass die Folge mit der ehernen Star-Trek-Tradition brechen würde, ihren Vor- oder Nachnamen zu verheimlichen.
Solcherlei segensreichen Sitten bleibt die Folge treu und eine ganze Reihe an denkwürdigen Star-Trek-Momenten reiht sich wie an einer Perlenkette aneinander.
So hören wir aus Sareks berufenen Munde, dass er ein offenes Ohr für seinen Sohn haben wird, wenn dieser die Zeit für gekommen hält (und wir wissen, dass es bis "Reise nach Babel" dauern wird).
Wir sehen eine Crew, die sich weigert, eines ihrer Mitglieder allein ins Verderben zu rennen und sich daher deren Belangen trotz großer Ungewissheit bedenkenlos anschließt (so wie in "Auf der Suche nach Mr. Spock", "Der Aufstand" oder "Die 37er").
Und wir fühlen wieder das Kribbeln im Bauch, wenn die Flure, der Turbolift und die Brücke der USS Enterprise längst verschüttet geglaubte Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit wecken, in denen man die einzelen Folgen der Originalserie noch nicht kannte.
Auch wenn insbesondere diese Neuinterpretation der Brücke einigen Unmut in den Weiten des Internets hervorrief und auch andere Serien wie "The Next Generation", "Deep Space Nine" oder "Enterprise" ein ungleich traditionelleres Bild transportierten, fand ich persönlich die Aufregung darum etwas übertrieben, zumal jene Szenen am Ende doch eher den Charakter einer Fußnote hatten. Es war ein netter Kompromiss zwischen der stilprägenden Optik der Serie und dem vertrauten Design aus den Sechzigern – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
Stattdessen schien es, als wolle Discovery mit diesen sehr symbolischen Szenen noch einmal die Friedenpfeife rauchen, den Ölzweig herumreichen oder als Geste des guten Willens ein ganzes Shuttlehangar voller Friedenstauben öffnen: In einem Anflug von gutem Willen, erleben wir wieder den gleichen Geist, der uns nicht nur haarige Klingonen, einen Star-Trek-Werte-transportierenden Captain Pike oder eine Absage an die Holokommunikation zurückbrachte, sondern auch die Hoffnung nährt, dass die gleiche Verbesserungsbereitschaft auch in der nächsten Staffel eine Fortführung findet.
Ansonsten ist es wiederum der größte Verdienst der Episode, die vermeintlich einem größeren Zusammenhang entrissenen Short Treks geschickt miteingebunden zu haben. Nachdem bereits "The Brightest Star" in "Donnergrollen" bewiesen hat, dass die Miniepisoden mehr als nur bloße "Appetithäppchen" waren, wertet "Süße Trauer" nun den ersten Beitrag "Runaway" in gleicher Weise auf. Wenn nun auch "Calypso" durch das Finale bewahrheitet bleibt, wäre allein der eher humoristisch geprägte Sonderbeitrag "The Escape Artist" nicht entscheidend mit dem Handlungsverlauf verwoben. Die Etablierung verschiedener Handlungselemente in diese Kleinstfolgen um sie im Verlauf der Serie wieder hervorzukramen, war jedenfalls eine der gelungeneren Neuerungen der zweiten Staffel und verdient unbedingt eine Wiederaufnahme im Vorfeld der dritten Staffel.




Charaktermomente.
Während bei wichtigen internationalen Konferenzen alle für ein gemeinsames Gruppenfoto posieren um zu beweisen, dass sie auch wirklich vor Ort waren, nimmt sich Discovery den Luxus heraus, zum großen Staffelfinale seine Darsteller noch einmal in einer Art Prozessionsmarsch vor der Kamera vorbeiziehen zu lassen. Abgesehen von der Klingonin L'Rell darf nämlich noch einmal jeder Darsteller - von Sarek, bis Amanda Grayson, Admiral Cornwell, Nummer Eins, Philippa Georgiou, Jett Reno, Leland, Me Hani Ika Hali Ka Po und Gabrielle Burnham - nochmal vor die Linse treten. Selbst eine Entsprechung von Signalmeister Colt aus dem Pilotfilm wurde an Bord der Enterprise hinzugefügt. Dass am Ende die Anteile der einzelnen Schauspieler sehr unterschiedlich ausfielen, lag – nicht zuletzt in Anbetracht der Folgendauer – in der Natur der Sache.
Der Großteil des Geschehens drehte sich abermals um Michael Burnham.
Als Star der Serie kommt ihr ohnehin ein Großteil der Aufmerksamkeit zugute, doch dieses Mal schienen die übereifrigen Autoren noch ein paar Schippen mehr auflegen zu wollen, als es der Glaubwürdigkeit noch gerade so zumutbar gewesen wäre. In "Süße Trauer" vereint sich nämlich mehr denn je Lob, Last und Leid auf der Figur, deren schmale Schultern das Geschick des ganzen Universums stemmen müssen. Immerhin steht Sonequa Martin-Greens fraglos vorhandene schauspielerische Leistung über den Unzulänglichkeiten der mit ihrer Rolle verbundenen Figurenzeichnung.
Nach ihrem Namen muss der Anson Mounts Erwähnung finden. Der Darsteller Pikes liefert mit seinem Abschied als Captain der Discovery einen Auftritt irgendwo zwischen Kitsch und Können ab. Gerade in Szenen aber, in denen er keinerlei Rolle mehr spielt, wird aber nur allzu schmerzlich deutlich, wie groß sein positiver Einfluss auf die Ausrichtung der gesamten Serie war.
Beste Chancen in seine äußerst großen Fußstapfen zu treten hat ausgerechnet der in letzter Zeit sträflich vernachlässigte Saru. Doug Jones gelingt es nach langer Durststrecke endlich mal wieder, seine Fähigkeiten anzudeuten.
Selbst um den eigentlich von den Fans so sehnsüchtig erwarteten Spock bleibt es erstaunlich ruhig. Ethan Peck mimt einmal mehr einen fantastischen Spock, ohne allerdings dessen Stärke als Wissenschaftsoffizier ausspielen zu können. Der wohl ikonischste Charakter der Star-Trek-Geschichte wirkt hier wie der kleine (unterlegene) Bruder seiner großen Schwester und kann nur selten sein Potential unter Beweis stellen.
Gleiches lässt sich auch über Anthony Rapp als Paul Stamets sagen, der immerhin endlich mal ein wenig mehr Textzeilen als in vorangegangenen Episoden erhielt. Schade, dass der Großteil seiner Dialoge in sinnfreiem Technobabble untergeht, denn ich hätte mir mehr Szenen wie die zwischen ihm und seinem Ex-Partner Hugh Culber [Wilson Cruz] gewünscht. So gerieten beide abermals gegenüber Jett Reno [Tig Notaro] ins Hintertreffen, die mit ihrer frotzeligen Art immerhin die Lacher und die Teilnahme an gewichtigeren Szenen für sich in Anspruch nehmen konnte.
Die Rückkehr Sylvia Tillys [Mary Wiseman] nach einer ganzen Folge, in der sie gar nicht zu sehen war, fiel verhalten aus. Als wüssten die Drehbuchschreiber plötzlich nichts mehr mit ihr anzufangen, fällt der Charakter in ebenso alte wie unnütze Verhaltensmuster zurück, indem sie zumeist durch unqualifizierte Kommentare auffällt. Immerhin stimmt die Chemie zwischen ihr und Me Hani Ika Hali Ka Po [Yadira Guevara-Prip]. Der zuvor nur im Short-Trek "Runaway" etablierte Charakter bringt willkommene Abwechslung ins bierernste Ensemble und schafft es auf angenehme Art und Weise, die unerträgliche Gewichtigkeit des Lebens an Bord der Discovery beinahe im Vorbeigehen aufzulockern.
Das wurde insbesondere deutlich, als sie die Imperatorin Philippa Georgiou [Michelle Yeoh] in die Schranken wies. Wobei sich ohnehin die berechtigte Frage aufdrängt, warum die Figur überhaupt in der Besetzungsliste zu finden war; einen wirklichen Beitrag zu Handlung leistete sie jedenfalls nicht.
Für ihren Kollegen Ash Tyler [Shazad Latif] bleibt nur zu hoffen, dass er sich mit seinem Plan zur Rettung der Sektion 31 aus dem übermächtigen Schatten Burnhams lösen kann, denn auch wenn seine traute Zweisamkeit mit Burnham noch eine der dezenteren Szenen bildete (!), blitzte sein Potential vor allem auf, als er gegen Ende ohne seine Ex-Freundin mit Pike auf der Transporterplattform diskutierte.






Viele andere Auftritte hätte man auch aus Kosten-, Zeit- oder Relevanzgründen bequem weglassen können. Amanda Grayson [Mia Kirshner] dabei zuzusehen, wie sie ihrem Mann Sarek [James Frain] warme Wickel zum Meditieren reicht, mag als Eingangsszene noch funktioniert haben, aber ihr gemeinsamer Spontanbesuch auf der Discovery war dann doch arg bemüht. Hier hätte ein gemeinsames Gespräch mit (ihrem eigentlichen Sohn) Spock vielleicht mehr Sinn ergeben, zumal es verhindert hätte, dass der disziplinierte Vulkanier derart emotionale Regungen zeigt.
Admiral Katrina Cornwell [Jayne Brook] blieb ebenso wie Nummer Eins [Rebecca Romjin] oder Nhan [Rachael Ancheril] weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und diente bestenfalls als Stichwortgeberin.
Noch weniger Gelegenheit zu glänzen hatten nur Leland [Alan van Sprang] und Gabrielle Burnham [Sonja Sohn], deren Auftritte sich auf Visionen, beziehungsweise Logbuchaufnahmen beschränkten.
Die gute Nachricht bleibt allerdings, dass die Brückencrew der Discovery einmal mehr ins Rampenlicht gerückt wurden. Nicht nur, dass sie von Captain Pike in einer Rede adressiert wurden; sie durften darüber hinaus sogar längere Textpassagen aufsagen! Die privaten Einblicke ins Leben von Joann Owosekun [Oyin Oladejo] und Keyla Detmer [Emily Coutts] waren jedenfalls eine Premiere für diese Serie, in der Brückenoffizieren abseits vom Main Cast eher eine Statistenrolle zukam. Bleibt zu hoffen, dass ihnen das Schicksal Airiams – dem einzigen Crewmitglied der Discovery, dem bislang eine ähnliche Aufmerksamkeit zukam – erspart bleibt.




IV. Kritikwürdige Aspekte.

Leerlauf.

"Ist dies alles […]? Ist da sonst gar nichts mehr?"

Diese weisen Worte eines gealterten Spocks aus dem ersten Kinofilm kamen mir in den Sinn, als ich mir für die Zusammenfassung die Handlung ins Gedächtnis zurückrufen wollte. Denn bei genauerem Hinsehen muss man erkennen, dass "Süße Trauer" nicht viel Substanz bietet. Mehr noch, die gesamte Handlung ließe sich problemlos unter zehn Minuten erzählen. Stattdessen wird der restliche Raum der achtundvierzigminütigen Folge von viel Gefühl, viel Schmalz und viel Drama aufgefüllt wie ein Schlagloch mit Kies.
Dabei ist natürlich nachvollziehbar, dass diese Folge inhaltlich wohl noch viel unglaubwürdiger ausgefallen wäre, wenn man auf einen gebührenden Abschied Burnhams oder Pikes verzichtet hätte. Aber dass wir als Zuschauer nicht weniger als dreizehn (!) dieser tränenreichen Momente miterleben dürfen, strapaziert am Ende zu sehr die Ausgewogenheit der Folge!
Zumal das Wenige, was abseits von Trennungsschmerz noch übrigbleibt erschreckend vorhersehbar ist. Es war klar, dass die Selbstzerstörung der Discovery schiefgehen musste. Genauso klar war, dass der Sphären dafür die Schuld in die Schuhe geschoben werden würde. Ebenso offensichtlich war der Plan, die Discovery in die Zukunft des Short Treks "Calypso" zu schicken. Oder dass mindestens noch eines der erwarteten sieben Signale auftauchen würde. Oder dass Pike auf die Enterprise zurückkehrt. Oder dass Michael Burnham irgendwie doch der rote Engel ist. Ja selbst der Cliffhanger war auf seinen Zeitpunkt genau vorhersehbar.
Was man darüber hinaus bisher nicht gewusst hatte, wurde durch den Trailer und die im Internet verbreiteten Bilder gespoilert. So blieb kaum mehr als sich eine Geschichte anzusehen, die sich in ihren Grundzügen schon vor der Ausstrahlung angedeutet hatte und nur geringfügig Spiel für Überraschungen bot. Zudem kommt beim Zuschauen sowieso der Verdacht auf, dass sich die gesamten Gedankenspiele um Burnhams Mission ohne Wiederkehr am Ende als Holzweg erweisen dürften, der nur dazu dient, falsche Erwartungen zu schüren.
Und als wäre das alles noch nicht genug gewesen, klafften abermals gigantische Logiklöcher in der Handlung.

Logiklöcher und Kanonbrüche.
Man stelle sich nur für einen Moment einmal vor, dass es sich bei Star Trek um eine real existierende Welt handeln würde, die innerhalb von bestimmten Parametern funktioniert, die im Verlauf ihrer fünfzigjährigen Geschichte etabliert wurden. Man füge diesem Universum vielleicht noch einige glaubwürdige Erweiterungen zu, die im Lichte von Organisationen wie Sternenflotte, an Bord von Gefährten wie Raumschiffen oder in einer technologisch fortgeschrittenen Zivilisation durchaus nachvollziehbar wirken.
Unter diesem Gesichtspunkt ist einzig die Evakuierungssequenz eine erzählerische Idee von Relevanz.
Der Rest?
Totaler Bockmist!
Es zeigt nämlich das Grundproblem auf, an dem die Serie so sehr leidet: Den Autoren fehlt ein Grundverständnis für die Welt in der Star Trek existiert. Und selbst ihre eigene Kreation bereitet ihnen Schwierigkeiten.
Beispiel gefällig?
Nun, um die dringend benötigte Zeit zu erhalten, die die Discovery-Besatzung benötigt, um ihren Zeitkristall einsatzfähig zu machen, müsste das Schiff von Xahea aus nur auf Warp gehen. So wie die Enterprise einen bequemen Vorsprung vor der Flotte von Sektion-31-Schiffen hatte, könnte auch ein Warp beschränktes Schiff problemlos zwölf Stunden (bis der Kristall vollständig aufgeladen ist) im Warp zubringen.
Um sich aber dem Zugriff von Sektion 31 vollständig zu entziehen müsste die Discovery nur in eine leere Ecke des äußersten Delta-Quadranten springen. Die feindlichen Schiffe würden mit ihren herkömmlichen Antrieben mindestens siebzig Jahre dorthin brauchen – genug Zeit, um Zeitkristalle selbst zu züchten! Wem das aber noch nicht als ausreichender Abstand erscheint, dem sei gesagt, dass der Pilzantrieb sogar eine Flucht in ein völlig anderes Universum ermöglicht…
Wenn man das alles bedenkt wird nicht nur deutlich, was für einen bescheidener Plan die Autoren hier den Charakteren in den Mund gelegt haben, sondern auch welch wertvolle Arbeit Personen wie Michael Piller, Rick Berman oder Michael Okuda mit ihrer Beteiligung an vorherigen Star-Trek-Serien überhaupt leisteten. Sie haben sich immerhin die Mühe gemacht, derlei Unstimmigkeiten zu bedenken und zumindest durch fadenscheinige Erklärungen ("Die Mineralien im Fels verhindern eine Sensorerfassung.", "Das Warpfeld könnte sich negativ auf die strukturelle Integrität des Zeitkristalls auswirken." oder "Die Leistung des Warpantriebs eines Schiffes der Glenn-Klasse kann nicht mit der eines Schiffes der Constitution-Klasse Schritt halten.") aufzulösen.
Diesen Versuch unternimmt Discovery nicht einmal im Ansatz.


So gibt es etwa eine Vielzahl von Möglichkeiten, ein Schiff abseits von Selbstzerstörungsmechanismus und Photonentorpedobeschuss zu zerstören. Man könnte den Warpkern gezielt überlasten, Antimaterieeindämmungen per Hand außer Kraft setzen oder gar eine Photonentorpedoexplosion im Inneren des Schiffes herbeiführen. Wie kann es sein, dass die Besatzung plötzlich eher in der Lage ist, einen hochentwickelten Zeitreiseanzug nachzubauen, als einen der tausend Wege einzuschlagen, ein Schiff zu zerstören?
Aber auch andere Fragen erschließen sich nicht so ganz.
Wieso sind die Discovery und die Enterprise die einzigen Föderationschiffe auf weiter Flur?
Es muss einem kriegserfahrenen Admiral wie Cornwell doch möglich sein, mehr Sternenflottenschiffe zu mobilisieren, um dem eigenen Flaggschiff im Kampf gegen durchgeknallte Supercomputer beizustehen!
Schließlich hat es auch Sarek zusammen mit seiner Frau geschafft, sich der Discovery zu nähern.
War das vulkanische Shuttle schneller als die Sektion-31-Schiffe?
Immerhin hat Sarek den mentalen Kontakt zu seiner Ziehtochter aufgebaut, bevor ihr Schiff nach Xahea gesprungen ist!
Und warum haben Burnham und Reno nicht eigene Todesvisionen wie Pike, wenn sie den Kristall berühren, sondern sehen nur ein paar Ausschnitte der bevorstehenden Raumschlacht?



Inzwischen hat sich längst eine Gruppe gutgläubiger Fans gefunden, die im Vorhaben der Discovery eine Neuausrichtung der Serie vermuten, die nun rein prinzipiell in einer Zeitlinie spielen könnte, in der sich nicht ständig Gefahr laufen würde, ein Tretminenfeld nach dem anderen anzusteuern. Im dreiunddreißigsten Jahrhundert wäre man frei von solchen Beschränkungen und könnte einen (fast) völlig neuen Start wagen.
Doch das würde schon jetzt schwierig werden.
Nicht nur, dass es ein unvorstellbares Eingeständnis seitens der Produzenten wäre, mit der Ansetzung der Serie in dieser Epoche einen Fehler begangen zu haben. Es scheitert darüber hinaus an einer Person in den Reihen jener Freiwilligenriege an Bord der Discovery, die sich mit Burnham durch die Zeit bewegen will:
Spock, von dem wir wissen, dass er eine bedeutende Rolle in seiner eigenen Zeitlinie einnehmen wird.




V. Fazit.
Der Auftakt des mit Spannung erwarteten Staffelfinales bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Zwar ist der nostalgische Abstecher auf die Enterprise eine schöne Geste, aber er vermag nicht die vielen Schwachstellen einer Folge zu übertünchen, deren Balanceakt zwischen Kitsch und Kreativität nicht glückt. Stattdessen tischt sie dem Zuschauer eine unstimmige Minihandlung auf, die endgültig unter Beweis stellt, dass die Autoren nicht verstanden haben, was die Star-Trek-Welt im Innersten zusammenhält.

Bewertung.
Ein unerwarteter Tiefpunkt.





VI. Schluss.
Nach dem, was die zweite Staffel bislang auf die Beine gestellt hat, bleibt es zu hoffen, dass "Süße Trauer" eher ein Ausrutscher, als ein weiterer Verschnaufpunkt in einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale ist.
Immerhin bleiben die Vorzeichen vielversprechend.
In der nächsten Folge erwarten uns zwei weitere Signale, eine packende Raumschlacht, ein nicht-detonierter Photonentorpedo in der Hülle der Enterprise, ein beherzter Sprung in die Zukunft und zudem wurden Schauspieler wie Produzenten nicht müde uns zu versichern, dass sich mit dieser Folge sämtliche Kanonprobleme in Wohlgefallen auflösen würden.
Eines aber wurmt mich gegen Ende der Staffel.
Nach dem absehbaren Fall von Control wollen die Verantwortlichen wirklich eine Sektion-31-Serie auf die Beine stellen?
Michelle Yeoh, Shazad Latif und Alan van Sprang gelang es tatsächlich streckenweise, mich in ihren Bann zu schlagen, aber einen ganz andere Option drängt sich Fans wie mir viel mehr auf.
Warum gibt es keine Serie um die frühen Abenteuer der USS Enterprise unter dem Kommando eines Captain Pike, der von Anson Mount so grandios verkörpert wurde?
Mit Spock, Nummer Eins, Colt oder Hugh Culber gäbe es eine Reihe von spannenden Charakteren, denen ich viel mehr zutrauen würde.
Und sofern die Verantwortlichen wirklich ein Ohr für die Fans haben, werden sie sich ihren Wünschen nicht verschließen können. Längst gibt es eine Online-Petition zu diesem Thema und ich kann nur jedem empfehlen, dieses äußerst vielversprechende Projekt zu unterstützten.
Aber wohl schon allein, weil wohl viele Fans wie ich dem Konkurrenzprodukt einer vollendeten Fünfjahresmission der Enterprise durch Christopher Pike den Vorzug gegenüber einer Discovery-Serie geben würde, dürfte CBS und die involvierten Produzenten von einer solchen Serie Abstand nehmen.
Schade eigentlich, denn wenn mich die bisherige zweite Staffel Discovery eines hat schätzen gelehrt, dann diesen Captain, den ich in der dritten Staffel schmerzlich vermissen werde.




Denkwürdige Zitate.

"Sie gehört ganz Ihnen, Chris."
"Und sie sieht so gut aus, wie eh und je."
"Willkommen zuhause, Captain."
Admiral Katrina Cornwell, Captain Christopher Pike und Nummer Eins

"Alle Hauptsysteme sind wieder online und es gibt keine holografische Kommunikation mehr. Nie mehr."
"Ist wahrscheinlich das Beste."
Nummer Eins und Pike

"Orange… Nein, oder?"
Philippa Georgiou

"Natürlich! Solange die Discovery im Hier und Jetzt existiert, wird das niemals enden."
Michael Burnham

"Danke. Können Sie beim Laufen essen? Dann erzähle ich ihnen alles."
Pike

"Einer der Vorteile wenn man Königin des politisch relevantesten Planeten der ganzen Galaxis wird, ist: Ich muss nicht auf zynische Spötter hören. Hab ich sogar zum Gesetz gemacht."
 Me Hani Ika Hali Ka Po

"Wissenschaft rockt."
Po

"Ich liebe Sie… Sie alle."
Michael Burnham paraphrasiert Erich Mielke

"Ich kann Sie immer noch nicht leiden."
"Das geb ich gern zurück."
Paul Stamets und Jett Reno

"Ich bin übrigens Terranerin aus dem Spiegeluniversum!"
"Welches Spiegeluniversum."
Philippa Georgiou und Pike

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"

Samstag, 6. April 2019

Turons Senf zu "Tal der Schatten" [Star Trek Discovery, S2Nr12]

Spoilerwarnung. Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Tal der Schatten", der zwölften Folge der zweiten Staffel "Star Trek Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Episoden bereits gesehen hat.




I. Einleitung.
Als Bryan Fuller so euphorisch die neue Star-Trek-Serie namens "Discovery" konzipierte, hatte er nicht dass im Sinne, was wir heute unter diesem Begriff kennen.
Ursprünglich sollte der Abstecher in eine Zeit vor Captain Kirk nämlich nur ein Kurzausflug sein, denn die darauffolgende Staffel sollte ein völlig anderes Problem in einer völlig anderen Zeit behandeln. So hätte sich Discovery Stück für Stück die Geschichte der Sternenflotte entlanggehangelt und mit jeder neuen Staffel ein neues Kapitel in einer neuen Epoche aufgeschlagen.
Zugegeben: Nach der ersten Staffel hätte ich mir gewünscht, dass es so gekommen wäre.
Doch im Durcheinander der wechselnden Produzenten ist fast untergegangen, dass Fuller längst nicht mehr das Heft in der Hand hat. Nachdem ihn im Clinch mit CBS Gretchen Berg und Aaron Harberts beerbten, sind auch die beiden längst entthront und mittlerweile ruht die Hauptverantwortung beim Abrams-Veteranen Alex Kurtzman.
Das ursprüngliche Konzept scheint im Lichte der neu geplanten Projekte mehr in weiter Ferne als je zuvor und mit der zweiten Staffel gelang es Discovery plötzlich selbst in diesem Zeitabschnitt Schritt für Schritt die Akzeptanz seiner Fans zu gewinnen.
Doch mit der Fortführung zeigen sich auch die Probleme einer solchen Kursänderung.
Die Überzentrierung Burnhams, das Damoklesschwert des Sporenantriebs und vor allem die Tretminen des offiziellen Kanons lauern an jeder Ecke.
Kann es dieser Serie, die unter völlig anderen Voraussetzungen geplant wurde, überhaupt gelingen, seinen Platz im größeren Gesamtbild zu finden?




II. Story.
Als ein weiteres Signal auftaucht, um die Discovery anzulocken, scheint jeder außer Michael Burnham davon euphorisiert. Doch statt der rätselhaften Erscheinung auf den klingonischen Klosterplaneten Boreth zu folgen, nimmt sie sich eine Auszeit, um einem Sektion-31-Schiff zu folgen, dass sich etwa zehn Minuten zu spät (!) gemeldet hat. In Begleitung Spocks nimmt sie ein Shuttle und stößt auf ein Geisterschiff, dessen Insassen einen grausamen Tod fanden. Als es ihr gelingt, einen ehemaligen Schiffskameraden von den Totgeglaubten wiederauferstehen zu lassen, tappt sie nichtsahnend in eine Falle, die Control eigens für sie ausgelegt hat…
Derweil obliegt es Captain Christopher Pike auf Boreth einen jener mysteriösen Zeitkristalle zu erwerben, die so viele akute Probleme lösen könnten. Doch der Abt der isolierten Klosterbrüdergemeinschaft erklärt ihm, dass der Erwerb dem Suchenden einen hohen Preis abverlangt. Er muss sich den Geistern der eigenen Zukunft stellen und sein trauriges Schicksal damit für immer in Stein meißeln…




III. Lobenswerte Aspekte.

Kanonfutter.
Nachdem Discovery eine ganze Reihe von Folgen hervorbrachte, in denen der Kanon nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, scheint es nahezu, als hätten die Autoren sich bemüht, diesen Missstand zu beheben.
So können wir abermals erleben, dass die klingonische Sprache um einige Vokabeln bereichert wird. Wir erfahren, wie viele Schiffe ungefähr einer Geheimdienstorganisation wie Sektion 31 unterstehen. Und wir können mit eigenen Augen und Ohren Einblicke in saurianische Essgewohnheiten erhalten.
Vor allem aber markiert "Tal der Schatten" den historischen Moment, in dem sich Discovery endgültig vom desaströsen Klingonenbild der ersten Staffel distanziert.
Jedes Mitglied der stolzen Kriegerrasse trägt seine neue Haarpracht zur Schau (Tenavik hat gar Rastalocken die einem jungen Lenny Kravitz Erfurcht einflößen würden!), L'Rells Machtfülle als Mutter Kanzlerin erstreckt sich in Übereinstimmung mit der TNG-Episode "Der rechtmäßige Erbe" nicht auf Boreth und vor allem dürfen Fans mit der D7-Klasse endlich mal ein Klingonenschiff sehen, dass diesen Namen auch verdient.
Natürlich kann man sich an dieser Stelle über die Darstellung von Boreth beschweren, die nur wenig mit der Vorlage aus TNG zu tun hat (die ich ganz persönlich für eine der schönsten Matte-Paintings der Star-Trek-Geschichte halte).
Das Kloster hat von außen nur noch wenig Schnittmenge mit dem eher tibetanisch anmutenden Bergheiligtum und statt einer unwirtlichen Eislandlandschaft dominieren stattdessen Lavaströme das Erscheinungsbild des gesamten Planeten.



Doch auch im Inneren gibt es markante Unterschiede: Nachdem sich die Darstellung klingonischer Innenarchitektur in dieser (zum Beispiel im Inneren des Sarkophag-Schiffes, dem Schrein für Molor oder den ausgiebigen Wohnungsbesichtigungsmöglichkeiten in "Lichtpunkte") und andere Serien (die Halle des Hohen Rates, der Gerichtssaal oder oder die Halle der Krieger) wirklich hinlänglich bemühte, ein völlig abweichendes Bild von außerirdischer Raumgestaltung zu bieten, setzt man dem Zuschauer hier uninspiriert dem neogotischen Inneren irgendeines kanadischen Sakralbaus aus.
Darüber hinaus pfropft man einem hinlänglich bekannten Ort nun auch noch rücksichtslos eine völlig neue – zuvor nie angedeutete – Entwicklung auf, die sich nur schwer mir einer Ursprungsfolge in Einklang bringen lässt, deren kompletter Inhalt mit der Möglichkeit von Zeitmanipulation ad absurdum geführt worden wäre.
Auf den zweiten Blick jedoch erscheint gerade letzterer Punkt reizvoll, denn dass ausgerechnet Kahless seinem Volk die Wiederkehr auf einem Planeten vorhersagt, der eine natürliche Quelle für Zeitkristalle ist, hat seinen ganz eigenen Reiz. Bedenkt man ferner, dass die architektonischen Differenzen genauso gut das Ergebnis einer militärischen Auseinandersetzung in einem Zeitraum der dazwischen liegenden einhundert Jahre sein könnten, die auf der einzigartigen Ressource beruhen könnten, ergibt das Ganze durchaus einen Sinn. In diesem Gedankenspiel wäre schließlich der Versuch, Kahless durch Klonen wiederzubeleben eher dem Umstand zuzuschreiben, dass das Kloster versuchen würde, seinen durch die Zerstörung der wertvollen Bodenschätze ausgelösten Bedeutungsverlust wieder wettzumachen.
Auch wenn das wohl kaum mehr als eine sehr wohlwollende Erklärung ist, zeigt sie dennoch das Potential auf, dass mit diesem Handlungsort verbunden ist. Es ist sicherlich kein allzu großes Risiko zu behaupten, dass Boreth als Wohnort des einzigen Sohnes von L'Rell und Voq auch in kommenden Staffeln eine Rolle spielen dürfte – die erzählerischen Möglichkeiten sind jedenfalls immens.
Dennoch vermag die Folge es zuweilen nicht, sich optisch und inhaltlich von anderen Vorbildern abzugrenzen.
So erinnert die Planetenoberfläche häufig eher an die Höhlen von Moria (besonders an der Brücke habe ich schon auf einen Balrog gewartet), der assimilierte Gant lässt mehr denn je an Terminator denken und die Kristalle offenbaren in ihrer Wirkung eine frappierende Ähnlichkeit zu bajoranischen Drehkörpern.
Zudem verweist "Tal der Schatten" in seiner Funktion als Bestandteil einer staffelübergreifenden Handlung am Ende zwar auch auf den größeren Kanon, aber vor allem auf zurückliegende Episoden. So interpretiert Saru seiner Fähigkeiten als Kommandant als Nachwirkung aus "Donnergrollen", Michael Burnham und Kamran Gant sahen sich zuletzt in "Leuchtfeuer" und große Teile des Handlungsbogens um Boreth entstammen der Folge "Lichtpunkte".
Den einzigen Punkt, in dem der externe Kanon und die interne Serienchronologie nahtlos ineinander übergehen, bildet Christopher Pike. Seine -  vor allem in der Originalserie etablierte – Geschichte wird abermals zur Freude der Fans aufgegriffen und sein Blick in eine uns wohlbekannte Zukunft kreiert am Ende eine der fesselndsten und denkwürdigsten Szenen der Folge; nicht nur, weil sie eine Lücke im Kanon schließt, sondern bei aller durchaus berechtigten Kritik etwas bietet, worauf der treue Zuschauer gewartet hat.
War sein Blick in die Zukunft unnötig?
Ja!
War es Fanservice?
Ohne Frage!
War es der beste Moment dieser Folge?
Auf jeden Fall!




Machart.
Um es kurz zu halten: "Tal der Schatten" entspricht mit seinen schönen Außenaufnahmen, tollen Schnitten sowie dem angenehmer Wechsel zwischen Action und Dialog passgenau dem seit dieser Staffel eingeschlagenen Stil der Serie.
Die durchaus spannende Folge teilt sich dabei bereits früh in zwei Hälften:
Während sich Burnham auf der einen Seite der Medaille an Bord eines Sektion-31-Schiffes abermals in endlosen Anspielungen auf die Borg verliert, weidet sich Captain Pike in der anderen in reinem Fanservice. Das ist fraglos unterhaltsam, aber nicht sonderlich gehaltvoll.
So liegt das Augenmerk auf einem gänzlich anderen Moment.
Die Episode leistet sich den unerwarteten Luxus, vor dem eigentlichen Finale noch einmal richtig tief Luft zu holen, bevor es richtig losgeht.
Sie gleicht eher einem Arbeitstier, dass eine besonders denkwürdige Folge einleitet. Wie ein Mittelfeldspieler im Fußball serviert sie Vorlagen (wie die therapeutischen Beziehungsarbeit Jett Renos, der Mobilisierung der Sektion 31 oder die Beschaffung eines Zeitkristalls) ohne den finalen Triumpf selbst zu bewerkstelligen, sondern stilvoll einzuleiten.
Dabei sind vor allem zwei Aspekte von zentraler Bedeutung.
Mittlerweile erscheint der Short Trek "Calypso", in dem die Discovery in einer Zukunft tausend Jahre nach den Ereignissen dieser Folge näher denn je. Schließlich ist die Besatzung des Schiffes im Besitz eines Zeitkristalls und steht der hoffnungslosen Aufgabe gegenüber, die unlöschbaren Daten auf ihrem Bordcomputer vor dem Zugriff einer ganzen Armada zu bewahren, die der Sektion-31-Supercomputer Control aufgeboten hat, um sein Überleben sicherzustellen.
Dieser geschickte Einbau der scheinbar eher als Pausenfüller angedachten Short Treks gleicht dem Umgang, der bereits "Donnergrollen" so erfolgreich werden ließ. Mit der Auslagerung kleinerer Handlungselemente in die Miniepisoden, die im Laufe der größeren Handlung wieder aufgenommen werden, wird der Aha-Effekt beim Zuschauer verstärkt, wenn der sich vermeintliche Lückenbüßer als zentrales Handlungselement entpuppt. Wer sich die Kurzfilme im Vorfeld angesehen hat, kann sich nunmehr seines erhöhten Hintergrundwissens erfreuen und sich selbst im Angesicht seiner Expertise gegenüber Gelegenheitszuschauern genussvoll auf die Schulter klopfen. Denn schließlich weiß er bereits, dass die Schreiber den Mut aufbringen werden, die Discovery aufzugeben und in eine weit entfernte Zukunft zu katapultieren…
Vor allem aber das Ende der Folge ließ die Herzen der Alt-Fans höher schlagen, denn nunmehr wissen sie, dass in der nächsten Folge ein weiteres Zusammentreffen mit der Enterprise blüht.
Und nicht nur dass: Dank verschiedener Screenshots aus der Vorschau zur nächsten Folge wissen wir, dass wir das berühmteste Schiff dieses Namens in Action sehen werden.
"Tal der Schatten" wird deshalb vielleicht nicht diese besonders denkwürdige nächste Folge sein, aber immer die Episode bleiben, die ihren Nachfolger gebührend einleitete.



Charaktermomente.
Es gibt nicht viel Raum in der aktuellen Folge der Serie, in der sich die verschiedenen Schauspieler austoben könnten. Stattdessen unterstreicht die Episode unabsichtlich, wer die Hauptlast der Handlung trägt: Während auf der einen Seite Burnham und ihr Adoptivbruder Spock Control die Stirn bieten, obliegt es Christopher Pike auf Boreth auf einen esoterischen Selbstfindungstripp zu gehen.
Nachdem er in den letzten Folgen zunehmend ins Hintertreffen geriet, gelang es Anson Mount nach langer Zeit wieder einmal, seinen Wert für die Serie eindrucksvoll zu unterstreichen. Vielleicht war seine sehr spirituelle Außenmission thematisch und inhaltlich dick aufgetragen, doch am Ende gelang es, nicht nur den Schrecken des eintönigen Lebens einzufangen, das Pike nach seiner Strahlenvergiftung droht, sondern auch aufzuzeigen, welche darstellerische Qualität Mount bietet. Abermals gelingt es vor allem durch diesen temporären Gaststar, die eng mit der Sternenflotte verbundenen Werte zu transportieren.
Im Vergleich dazu war der Auftritt Sonequa Martin-Greens als Michael Burnham vergleichsweise fad; nicht zuletzt, weil sie sich in altbekannten Fahrwassern bewegte. Wie so oft begegnet sie einem alten Bekannten; wie so oft entpuppt sie sich als Nabel des Universums und wie so oft weiß man bereits im Vorfeld, dass ihr am Ende doch kein Härchen gekrümmt wird. Da ihre Szenen vorrangig mit Action aufgeladen wurden, blieb ihr auch kaum die Möglichkeit, mit emotional aufgeladenen Dialogen ihre eigentliche Stärke auszuspielen, weswegen ihre Erzählebene auch von der eigentlich inhaltlich wenig aussagekräftigen Pike-Story von der Pole-Position verdrängt wurde.
Daran konnte auch Ethan Peck als Spock wenig ändern, denn an der Seite seiner Ziehschwester blieb nur wenig Raum, um selbst größere Akzente zu setzen. Im Rahmen der Möglichkeiten lieferte er allerdings überzeugende Arbeit ab und es bleibt zu hoffen, dass er in den letzten beiden Episoden ein wenig mehr Raum und die Gelegenheit erhält, aus dem künstlich aufgeblähten Schatten seiner Schwester heraustreten zu können.
Besonders gefreut habe ich mich darüber, dass mit Kenneth Mitchell ein verdienter Discovery-Schauspieler wieder zurück in die Besetzungsliste gefunden hat. Nachdem er bereits als Kol und dessen Vater Kol-Sha zu sehen war, darf er nun ein drittes Mal als Tenavik zurück ins Rampenlicht schreiten. Er scheint sich – nicht zuletzt ob seiner schauspielerischen Qualitäten, die selbst unter der schweren klingonischen Maske zu Vorschein treten – zu einem Veteran wie Jeffrey Combs, Vaughn Armstrong oder J.G. Hertzler zu mausern, die mit gleich mehreren Rollen Star-Trek-Geschichte geschrieben haben. Bleibt zu hoffen, dass für den Sohn von L'Rell und Voq auch in zukünftigen Staffeln ein Platz geschaffen wird, denn der Abgang dieses Darstellers wäre ein Verlust für die noch junge Serie.
Die ambitionierte Idee, Control nach Leland noch ein neues Gesicht zu verleihen funktioniert nur bedingt, was vor allem an der körperlosen Bedrohung liegt, die es versäumt, zu einem manifestierten Bösewicht zu wechseln. Stattdessen muss Ali Momen als ehemaliger Schiffskamerad Kamran Gant einsprungen, der es allerdings nicht vermag, die Rolle mit ähnlich viel Leben wie sein Kollege Alan van Sprang zu erfüllen.





Im Triumvirat um Paul Stamets [Anthony Rapp], Hugh Culber [Wilson Cruz] und Jett Reno [Tig Notaro] gibt vor allem letztere den Ton an, obwohl dies ihr erster Auftritt seit "Die Heiligen der Unvollkommenheit" und ihr dritter Einsatz überhaupt ist. Sie degradiert ihre beiden Gesprächspartner zu passiven Elementen ihrer immerhin unterhaltsamen Ausführungen, ohne den beiden Figuren, um deren Beziehung es in den Dialogen ja eigentlich geht, größeren Raum zu gestatten.
Ähnlich zu schmückendem Beiwerk degradiert wurden auch L'Rell [Mary Chieffo] und Ash Tyler [Shazad Latif], die nur peripher mit der Handlung in Berührung kamen. Trotz einiger flammender Wortwechsel gelang es ihnen beiden wiederum nicht, im Zusammenspiel zu überzeugen.
Abseits davon gab es kaum Raum zur Entfaltung.
Saru [Doug Jones] wurde auf wenige Einstellungen beschränkt, Nhan [Rachael Ancheril] kam kaum über die Rolle einer Statisitin hinaus und Amanda Graysons [Mia Kirshner] Auftritt in der Folge hätte nicht sonderlich gefehlt, wenn er der Schere des Final Cuts zum Opfer gefallen wäre. Doch diesen Rollen erging es vergleichsweise gut, denn während ihre Auftritte weit hinter den Möglichkeiten zurückblieben, fehlten andere Figuren wie Sylvia Tilly [Mary Wiseman], Philippa Georgiou [Michelle Yeoh] oder Leland [Alan van Sprang] plötzlich gänzlich in der Besetzungsliste.
Immerhin gab es wieder eine Szene, in der einige Crewmitglieder beim gemeinsamen Essen zu sehen waren. Neben dem Publikumsliebling Linus [David Benjamin Tomlinson] durften auch Joann Owosekun [Oyin Oladejo], Lieutenant Nilsson [Sara Mitich] und Keyla Detmer [Emily Coutts] überfällige Lebenszeichen abliefern, deren Umfang allerdings ebenfalls dem allgemeinen Platzmangel Ausdruck verlieh.




IV. Kritikwürdige Aspekte.
Da viele zentrale Kritikpunkte bereits unter den positiven Aspekten abgehandelt wurden, beschränkt sich dieser Teil heute auf ein Minimum.

Logiklöcher und Kanonbrüche.
Als Pike sein zukünftiges Selbst in einem Rollstuhl über die Gänge der Discovery schleichen sieht, muss er sich über kurz oder lang die gleiche Frage gestellt haben, wie der größte Teil der Zuschauer:
Warum muss er in einem solchen Gefährt sein Dasein fristen, während Airiam in einen Roboteranzug schlüpfen durfte, um nicht nur ein würdevolles Leben zu erfahren, sondern sogar den regulären Dienst in der Sternenflotte verrichten zu können?
Da zeigt sich, welche Gratwanderung diese Serie vollführen muss, die ausgerechnet vor einer Zeit angesiedelt ist, in der eben selbstfahrende Rollstühle eben State-of-the-Arts waren.
Beinahe zwangsläufig muss man entweder ein Produkt abliefern, dass modernen Sehgewohnheiten widerspricht oder Widersprüche in Kauf nehmen, die den Unmut der Fans auf sich ziehen.
Spätestens seit dieser Folge ist klar:
Die Produzenten von Discovery haben sich für letzteres entschieden.
Das bleibt aber nur das Sahnehäubchen auf dem gewohnten Logiklöcherkäsekuchen.
Die Falle, in die Burnham so bereitwillig tappt, vermag mir zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise einzuleuchten, denn abgesehen davon, dass es sich um eine ziemlich offensichtliche Täuschung handelte, auf die Burnham nur allzu bereitwillig aufgesprungen ist, erscheint mir der Plan für eine Intelligenz, die knapp dreißig Schiffe auf einmal mobilisieren kann, arg kurzsichtig. Schließlich hätte es einfachere Wege gegeben, Burnhams habhaft zu werden, indem man etwa ihr Shuttle mit einem der anderen Schiffe unter Control-Einfluss abgefangen hätte, mehr Personen assimilieren könnte oder Gant gleich zu Beginn seine beiden nichtsahnenden Opfer einfach mit zwei gezielten Phaserschüssen außer Gefecht hätte setzen lassen.



Man fragt sich gegen Abspann jedenfalls ernsthaft, wie diese künstliche 'Intelligenz' es ernsthaft vermochte, das ganze Leben im Universum auszulöschen.
Auch die Suche nach dem Zeitkristall auf Boreth hat sich mir nicht so wirklich erschlossen. Zwar würde ich dazu tendieren, Tenaviks Aussage, dass Pikes Zukunft durch den Erwerb des Kristalls festgeschrieben sei, zu einer weiteren der hinlänglich bekannten Übertreibungen innerhalb der Serie zu zählen, aber der Befehlshaber der Discovery hätte es sich auch leichter machen können:
Immerhin gelang es der Crew der Discovery in "T=Mudd²" dem Ganoven Harry Mudd genau solch ein Objekt abzunehmen.
Wo ist es geblieben?
Warum kommt niemand auf die Idee, dass man dieses konfiszierte Objekt in diesem Moment gut gebrauchen könnte?
Aber das ist nur der Beginn einer ganzen Reihe an ungelösten Fragen.
Wie ist es möglich, dass Mudd oder die Mönche auf Boreth die Wirkung der Kristalle für Zeitschleifen und zur Wachstumsbeschleunigung bei Pflanzen und Kindern benutzen können, während die Serie nicht müde wird zu betonen, dass dafür die Energie einer ganzen Supernova notwendig wäre?
Müsste es der Discovery durch ihren Pilzantrieb nicht möglich sein, sich der Sektion-31-Flotte durch einen beherzten Sprung mit dem Sporenantrieb an den äußersten Rand des Quadranten zu entziehen, so dass Sektion 31 Jahre benötigen würde, um dorthin zu gelangen?
Wieso muss Gant Burnham ausgerechnet mit einer Nadel ins Auge stechen, um sie (in abermals stark an die Borg erinnernder Manier) zu assimilieren?




V. Fazit.
"Tal der Schatten" teilt sich in zwei Handlungsbereiche, von denen es keiner so recht zu überzeugen schafft. Es bietet seinen Darstellern nur wenig Raum zur Entfaltung und verliert sich irgendwo in den Logiklöchern bei einem verzweifelten Versuch, Fanservice zu betreiben.
Aber die Folge schafft es dennoch, den Zuschauer auf einen sicheren Kurs in Richtung großes Staffelfinale zu lenken, in dem es nicht nur Vorarbeit für eine clevere Einbindung von Shorts Treks wie "Calypso" liefert, sondern auch das Versprechen gibt, dass die Discovery auf die Enterprise trifft.


Bewertung.
Eine kurze Verschnaufpause.





V. Schluss.

Pünktlich zum First-Contact-Day werden den Fans die Vorzüge des ursprünglichen Discovery-Konzeptes noch einmal unter die Nase gerieben: Abermals erleben wir Burnham als Dreh- und Angelpunkt der gesamten Menschheit, der Sporenantrieb wird ignoriert wenn er gebraucht wird und Pikes Vision seiner eigenen Zukunft zeigt den Fans deutlich, in welch schwierige Position sich die Serie selbst manövriert hat.
Als wäre das nicht schon genug ziehen noch mehr dunkle Wolken am Horizont auf.
Wird die Serie allen Ernstes die Entstehung der Borg für sich beanspruchen, um ihr Gewicht im Vergleich zu den anderen Serien zu erhöhen?
Wird nach der Rückkehr Pikes und Spocks auf die Enterprise auch die positive Grundstimmung verloren gehen?
Und erfährt Michael Burnhams Überhöhung dann noch mehr Zuwachs, als es bislang schon der Fall ist?
All das sind berechtigte Fragen, an deren Beantwortung nach dem Staffelfinale viel hängen wird. Discovery gelang es immerhin, seinen Schlingerkurs abzufangen und das ein oder andere Ausrufezeichen zu setzen. Auch wenn ich für meinen Teil die ursprüngliche Idee sehr reizvoll finde und die Anhängerschaft noch immer gespalten ist, gelang es Discovery längst, sich einen eigenen Platz in der Franchise zu sichern. Hoffen wir nur, dass es diesen nicht durch überambitionierte Legitimationssucht im Staffelfinale riskiert…



Denkwürdige Zitate.

"Passt aufeinander auf. Ich liebe Euch beide!"
Amanda Grayson

"Ich wünschte du hättest etwas gesagt um Dich nicht so allein damit zu fühlen."
Michael Burnham

"Die Toten haben keine Rechte."
L'Rell

"Wir sind die Bewahrer der Zeit. Ihre Wächter; nicht ihre Herrscher."
Tenavik

"'Sohn von Niemand' – ich kenne noch jemanden, der diesen Beinamen trägt."
"Er ist mein Vater."
Christopher Pike und Tenavik

"Wut ist der Feind der Logik."
Spock

"Du solltest doch am besten verstehen, dass auch zwei Wahrheiten möglich sind."
L'Rell zu Ash Tyler

"Wenn die Zukunft zur Vergangenheit wird, wird sich die Gegenwart offenbaren."
Tenavik liest von der Stele der Gegenwart

"Eine Warnung, Captain: Die Gegenwart ist ein Schleier zwischen den Erwartungen und dem Schrecken. Wer den Schleier lüftet, den mag der Wahnsinn erwarten."
Tenavik

"Es ist so: Wenn man Captain der Sternenflotte ist, glaubt man an Verpflichtungen, an Opfer, Mitgefühl und Liebe. Nein, das macht mich zu dem was ich bin und all das werde ich nicht aufgeben wegen einer Zukunft, die… die ein Ende enthält das anders ist als ich es mir wünschen würde."
Pike

"Tja, ich bin Ingenieurin, keine Dichterin."
Jett Reno

"Der vulkanische Nervengriff wäre effektiver, wenn ich noch Nervenenden hätte."
Kamran Gant

"Als mir klar war, dass die Nanobots aus ferromagnetischem Material sind, musste ich errechnen, welche elektromagnetische Spannung nötig ist um sie unbeweglich zu machen. Tut mir leid, dass das gedauert hat."
Spock

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"


Samstag, 30. März 2019

Turons Senf zu "Der Zeitsturm" [Star Trek Discovery, S2Nr11]


Spoilerwarnung
. Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Der Zeitsturm", der elften Folge der zweiten Staffel "Star Trek Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Episoden der Serie bereits gesehen hat.




I. Einleitung.
Unmut habe ich nach meiner letzten Rezension geerntet, als ich der Folge, in der sich ausgerechnet Burnhams Mutter als roter Engel entpuppt, stolze fünf Punkte verliehen habe. Sämtliche Beteuerungen meinerseits, dass der 'besondere Kniff der Folge' weniger dem Auftauchen von Mutti, sondern viel mehr dem geschickte Spiel mit der Identität des zeitreisenden Wesen (inklusive einer falschen Fährte, auf die ich nur allzu bereitwillig aufgesprungen bin) galt, stießen zumeist auf taube Ohren.
Dabei fiel in den Kommentaren immer wieder der Hinweis darauf, dass sich die Zentrierung auf Michael Burnham, die auch in der zweiten Staffel abermals wilde Blüten getrieben hat, auf nur bedingte Gegenliebe seitens der Fans trifft.
Und was soll ich sagen?
Das entbehrt nicht einer gewissen Grundlage.
Denn auch wenn Discovery in seinem zweiten Jahr mit vielen Irrwegen gebrochen hat, die Fans unnötig vor den Kopf stieß, behielten die Autoren ungebrochen den Fokus und die permanente Überhöhung der Figur Michael Burnham bei.
Dabei darf im Angesicht des Entwicklungsstandes der aktuellen Staffel bezweifelt werden, dass dieser Trend ein jähes Ende finden würde. Figuren wie Christopher Pike, Saru und Sylvia Tilly scheinen ihr erzählerisches Potential im Laufe der frühen Episoden aufgebraucht zu haben und spätestens seitdem Burnhams Adoptivbruder Spock an Bord der Discovery angekommen ist, stehen alle Anzeichen auf ein Finale, das vor Burnham-Momenten nur so strotzen dürfte.
Oder vermag es diese Folge abermals, durch einen ganz besonderen Kniff die drohenden Vorzeichen abzumildern?




II. Story.
Wir schreiben das Jahr 2236.
Gabrielle Burnham und ihr Gatte Mike (!) arbeiten auf einer entlegenen vulkanischen Forschungsstation an einem temporalen Iron-Man-Anzug mit Flügeln, als plötzlich ein Sturmtrupp wütender Klingonenkrieger wild um sich schießend die Vordertür eintritt und alle anwesenden Menschen massakriert.
Alle anwesenden Menschen?
Nein!
Nicht nur, dass die unbeugsame Michael Burnham Jahre später die Suche nach dem Roten Engel und den Kampf gegen die künstliche Intelligenz von Sektion 31 vorantreibt; sie findet darüber hinaus heraus, dass ausgerechnet ihre Mutti seither unermüdlich durch die Zeit reist, um ihr dabei zuzuschauen, wie sie von wilden Raubtieren gejagt wird, ihren vulkanischen Abiball feiert oder auf der Shenzhou anheuert.
Doch die unerwartete Wiedersehensfreude wird vom Umstand getrübt, dass ausgerechnet die Zeit selbst andere Pläne mit Gabrielle Burnham hat und sie immer wieder zurück in eine 950 Jahre entfernte Zukunft schleudert, in der fast das ganze Leben in der Galaxis mit Stumpf und Stiel ausgerottet ist. Als die Crew der Discovery spontan mit einem aberwitzigen Rettungsplan daherkommt, kann nur noch einer das verspätete Familienglück zerstören: Der Sektion-31-Captain Leland, der aller Menschlichkeit entledigt längst zu einer kalten Killermaschine mutiert ist…




III. Lobenswerte Aspekte.

Strickmuster F.
Es wird natürlich für den Leser irgendwann langweilig abermals eine weitere Lobeshymne darauf zu lesen, dass Discovery seinen Stil in der zweiten Staffel gefunden hat, aber auch wenn man da mit den Augen rollen mag, bleibt "Der Zeitsturm" ein Blaupause dafür, wie eine runde Discovery-Episode aussehen sollte:
Der gesunde Mix aus gruseliger Spannung, geballter Action und einem für Star Trek traditionellen Thema wie 'Zeitreisen' (auch wenn dies erneut nicht nur dem Zuschauer Kopfschmerzen bereitet) eignet sich vortrefflich, um Fans bei der Stange zu halten. Das durchgängig hohe Erzähltempo lässt das geneigte Publikum dabei kaum verschnaufen, die Dialoge zwingen zum aufmerksamen Zuhören und die mitreißenden (wenn auch nicht immer schlüssigen) Zweikampfszenen rütteln selbst morgenmüde Fans aus dem Tiefschlaf.
Diese Stilfrage bedeutet gleichermaßen die Abkehr vom Konzept der Einzelepisode und auch wenn frühe Folgen der Staffel zumindest im Ansatz noch für sich allein stehen konnten, ist zu diesem Zeitpunkt längst jener Moment erreicht, an dem sich dieser Anspruch mehr und mehr auflöst, um einem Splitterstück in einer aufeinander aufbauenden Handlung Platz zu machen.
So merkt man mit den massiven Rückbezügen auf "New Eden", "Der Charonspfennig" oder "Gedächtniskraft" schnell, dass es sich um einen Teil eines größeren Ganzen handelt, der längst nicht mehr verzeiht, wenn man eine oder zwei Folgen ausgelassen hat. Neben kleineren (klassischen) Star-Trek-Momenten und -Anspielungen (wie der Verwendung von Shakespeare-Zitaten, der Erwähnung von Deneva oder dem Ausblick auf Pikes Zukunft) steht die Auflösung vieler Mysterien um den Roten Engel im Mittelpunkt, dessen Geschichte, Wirkenszeit und Motivation hier derart thematisiert wird, dass dadurch rückwirkend fragwürdige Storysprünge (warum etwa der Engel ausgerechnet Menschen ins Exil nach Terralysium gebracht hat, die Sphäre die Discovery just auf deren Abfangkurs aus dem Warp warf oder wieso Spock zum seinem Ziel wurde) mehr oder weniger schlüssige Erklärung finden.
Dennoch lässt die Folge noch genug Mysterien für die letzten drei Folgen der kommenden Wochen übrig.
Woher kommen die rätselhaften roten Signale?
Was geschieht mit Leland, den Daten und der künstlichen Intelligenz der Sektion 31?
Und:
Werden Michael und ihre Mutter jemals wieder vereint?




Charaktermomente.
Auch hier setzt diese Folge eine Entwicklung fort, die sich in den letzten paar Episoden bereits abgezeichnet hat: Gegen Staffelende rücken alle anderen Charaktere zunehmend in den Hintergrund, um noch mehr Erzählraum für Michael Burnham zu ermöglichen.
Und auch wenn der (bei der Ankunft der totgeglaubten Mutter) absehbare Tritt in die Tränendrüse hier vielleicht noch stärker als erwartet ausfiel, bleibt Sonequa Martin-Green zuzugestehen, dass sie allen Übertreibungen in ihrer Figurenzeichnung zum Trotz einen guten Job verrichtet und gerade in Hinblick auf die gesteigerte Emotionalität eine recht gute Figur abgibt. Und dass für eine traditionsreiche Franchise, für die der Sprechsänger William Shatner als Darsteller-Ikone gilt, ein gelegentlicher 'Hundeblick' am Ende bestenfalls eine Fußnote in einer langen Geschichte voller Wesley Crushers, Warpschwellenlurche oder Weltraum-Nazi-Episoden bleibt, sei nur am Rande einmal bemerkt.
Auf der Liste der denkwürdigen Auftritte dieser Woche kommt erst einmal lange Zeit nichts, bis schließlich auch der nächste Eintrag den in dieser Galaxis so schillernden Namen 'Burnham' trägt.
Sonja Sohn gelingt es allerdings erst gegen Ende der Folge wirklich, als Doktor Gabrielle Burnham den Sympathiefunken einigermaßen überspringen zu lassen, vor allem, weil sie sich zuvor in einem so wirren wie unnötigen Gespräch mit Pike unbeliebt macht, nur um kurz darauf ihre eigene Tochter die eiskalte Schulter zu zeigen. Besonders letzteres passt dabei kaum zu ihren diversen Handlungen als Roter Engel und noch weniger zu dem, was sie gegen Ende der Folge über ihre Tätigkeit preisgibt, weswegen es wohl eher zukünftigen Folgen obliegt, hier eine aussagefähigere Performance zu bieten.
Ähnlich problematisch verhält es sich mit Philippa Georgiou. Mal erscheint die ehemalige Spiegeluniversums-Regentin zu leicht manipulierbar; mal schlichtweg zu weich und emotional abhängig von Burnham. Michelle Yeohs Charakter springt zu oft von einem Extrem zum anderen, ohne dabei wirklich plausible Gründe für ihre Verhaltensschwankungen zu bieten. Erschwerend kommt inzwischen dazu, dass sie das Stereotyp eines asiatischen Schauspielers dahingehend erfüllt, dass sie bei scheinbar jedem Auftritt ihre außergewöhnlichen Zweikampfkünste unter Beweis stellen muss. Oder wird sie einfach nur auf fernöstliche Action reduziert, weil ihr Charakter darüber hinaus im Moment nicht viel mehr hergibt?
Richtig zu gut gefallen verstand dagegen ihr Kollege Alan van Sprang als zwielichtiger Sektion-31-Vertreter Leland, dem nun endgültig der totale Bösewichtsbonus zufällt. Nach der Übernahme seines Körpers wird er zum Gesicht einer bislang eher theoretischen Bedrohung, die sich hier endlich zu einer ernstzunehmenden Gefahr zuspitzt. Was dabei besonders auffällt ist, dass es dem Schauspieler für den normalen Zuschauer nachvollziehbar gelingt, einen erkennbaren Leland zu mimen und dabei gleichzeitig zu vermitteln, dass es sich um jemand völlig anderen handelt. Schon allein dadurch hat sich der Mann Sonderlob wahrlich verdient.



Ohne Frage gelingt es wiederum Ethan Peck als Spock zu überzeugen, wobei sich allerdings langsam die Frage stellt, warum man seine Ankunft so dramatisiert aufgezogen hat, nur um ihn nun am langen Arm verhungern zu lassen. Gefühlt geht die Peck verbleibende Screentime mehr und mehr zurück, so dass man schon davon sprechen kann, dass er eher als Vergrößerungsglas für die Sorgen und Nöte Michael Burnhams dient, als wirklich der Beleuchtung der Vergangenheit eines der beliebtesten Star-Trek-Charaktere.
Ash Tyler [Shazad Latif] darf hingegen ein wenig mehr Potential andeuten, nachdem er zuletzt entweder keine Rolle spielte oder nicht einmal auftrat. Nun holt er diesen Rückstand auf, probt den Aufstand gegen Leland, flirtet mit Georgiou und darf zum zweiten Mal nach "Licht und Schatten" dem drohenden Tod von der Schippe springen.
Mehr noch als in letzter Woche produziert "Der Zeitsturm" klare Verlierer: Captain Christopher Pike [Anson Mount] wird endgültig zur einflusslosen Randfigur degradiert, Sylvia Tilly [Mary Wiseman] dient nur noch als Projektionsfläche für nervige Witze und Saru [Doug Jones] hat seinen stärksten Moment ausgerechnet dann, als er in Hologrammform für einen Satz die KI von Control verkörpert. Paul Stamets [Anthony Rapp] verliert sich in sinnfreiem Technobabble, Nhan [Rachael Ancheril] schießt mehr als sie erzählt und Hugh Culbers [Wilson Cruz] denkwürdigste Entwicklung ist, dass er wieder in den aktiven Dienst eingetreten ist. Als wäre diese Vernachlässigung zentraler Charaktere nicht schon schwierig genug mutiert auch die restliche Brückencrew wie schon zu Lorca-Zeiten von einem elementaren Bestandteil der Serie zurück zu reiner Staffage. Es scheint, als wäre das perfekte Mischungsverhältnis - die ideale Balance - zwischen den Figuren einer Star-Trek-Serie noch nicht gefunden, auch wenn man in vorherigen Folgen eigentlich den richtigen Weg eingeschlagen hat.
Abschließend muss schließlich noch ein Gastauftritt Erwähnung finden, der das Potential hat, als Sonderfrage in einem Star-Trek-Kneipenquiz zu landen: Kenric Greens Auftritt als Mike (!) Burnham ist insofern bemerkenswert, dass es sich bei dem Darsteller um den leibhaftigen Ehemann von Sonequa Martin-Green handelt. Eine schöne Tradition, die ihre Star-Trek-Vorbilder in ähnlichen Auftritten von Judy Levitt (die Ehefrau von Walter Koenig), Michael Lemper (der Mann von Marina Sirtis), Kitty Swink (die Frau von Armin Shimerman) oder Bonita Friedericy (der Frau von John Billingsley) hat.




IV. Kritikwürdige Aspekte.

Ausrechenbarkeit.
Nach der letzten Folge "Der rote Engel" wussten die Zuschauer eigentlich recht genau, was sie in der kommenden Folge erwarten würde:
Es würden viele Tränen um Mutter und Tochter Burnham vergossen werden, Sektion-31-Führer Leland musste endgültig zur dunklen Seite überlaufen und Ash Tyler durften die grundlosen Attacken seiner Ex-Freundin ob seiner Zugehörigkeit zur Geheimorganisation noch immer in den Ohren klingeln.
Kurzum: Viele Tränen, viele emotionale Einzelfallgespräche und viele Charaktermomente.
So wirkt es wohl kaum verwunderlich, dass nach den Enthüllungen der letzten Wochen nunmehr eher Überraschungen auf Sparflamme geben würde. So hat es sicherlich niemanden vom Hocker gerissen, dass sich angesichts der sorgfältig eingeleiteten Entwicklungen vorangegangener Folgen Tyler gegen die unmoralischen Befehle seines Vorgesetzten auflehnt, Georgiou sich läutert oder der ehemalige Verbindungsoffizier nicht versterben, sondern entkommen würde.
Darin liegt nämlich der Nachteil derart durchorchestrierter Folgen. Sie sind bei aller Spannung vorhersehbar, folgen dem Diktat in der Vergangenheit etablierter Handlungselemente und müssen nach einigen Krachern der letzten Episoden endlich die größere Story soweit voranbringen, dass sie einem Staffelfinale den Weg bereiten.
So lässt sich mit ähnlicher Sicherheit ein Ausblick auf die nähere Zukunft machen:
Tyler wird seine schweren Verletzungen überleben, das Schiff von Sektion 31 wird zerstört werden und Leland dürfte zusammen mit der empfindungsfähigen Control-Intelligenz das Zeitliche segnen.




Logiklöcher und Kanonbrüche.
In der langen Geschichte Star Treks gab es ja schon so einige Momente, in denen Technobabble genutzt wurde, um selbst die dümmsten Logiklöcher zu kaschieren. Aber die Wortwechsel dieser Folge heben diese eher zweifelhafte Tradition auf ein völlig neues Niveau, dass selbst so abstruse Erfindungen wie Transwarpbeamen, Super-Augment-Blut oder Rote Materie aus dem Abrams-Filmen wie seriöse Forschungsarbeiten mit langjähriger Recherchearbeit wirken lässt.
Hat denn irgendjemand verstanden, warum die Zeit den roten Engel wie ein Jojo benutzt oder ist das eine unerklärbare Laune der temporalen Natur?
Zudem mögen Kraft und Gegenkraft bleiben was sie sind, aber wenn der gravimetrische Druck in der Lage ist zu steigen, dürfte die Discovery im Umkehrschluss mithilfe des Sektion-31-Schiffes tatsächlich mehr Zeit herausholen können (zumal die Discovery einige Szenen zuvor mit einem Energietransfer mehr Zeit herausschindet).
Dass dann auch noch der dunklen Materie Supereigenschaften abgerungen werden, die bei jeder Marvel-Verfilmung wohl als 'zu fantastisch' abgelehnt worden wären, ist allerdings schon längst eine Discovery-Tradition: Seit dem nicht minder weit hergeholten Pilzantrieb zaubern die Autoren der Serie nämlich gerne einmal Wundertechniken und Zaubersubstanzen herbei, um ihre eigenen Handlungslöcher stopfen zu können.
Wobei es natürlich ebenso zur Tradition der Serie gehört, dabei andere Unstimmigkeiten generös zu übersehen.
So sind etwa die Klingonen, die das ach so supergeheime Forschungslabor der Sektion 31 auf Doctari Alpha heimtückisch überfallen, so haarlos wie ihre gleichsam glatzköpfigen Vettern aus der ersten Staffel, obwohl wir erst zu Beginn dieser Season erfahren haben, dass der plötzliche Haarausfall dem Krieg geschuldet gewesen sein soll, den T'Kuvma hier gegen die Föderation heraufbeschwor um das Reich zu einigen. Doof nur, dass anno dazumal aber noch gar kein Krieg die ohnehin entzweiten Klingonen zwang, das zersplitterte Imperium zusammenzuführen und die Haarschneidemaschinen auf null Millimeter einzustellen.



So ganz hat sich mir auch nicht erschlossen, warum sich die Daten der Sphäre nicht vernichten ließen. Dass es eine plötzliche, zuvor nie erwähnte interne Sicherung gibt, mag ich ja noch irgendwie akzeptieren, aber warum lokalisiert man nicht die entsprechenden Hardware-Komponenten, die als Speicherort für diese sensiblen Dateien dienen, baut sie aus und vaporisiert sie mit einem Handphaser? Selbst wenn die Discovery dafür wichtige Systeme abschalten müsste, wäre das noch immer ein nur kleiner Preis für die Rettung eines ganzen Universums.
Eine andere Möglichkeit hätte sich ergeben, hätte man - nachdem Spock registriert, dass die Daten vom (noch immer namenlosen) Sektion-31-Schiff abgezweigt werden - eine Delegation Redshirts hinübergebeamt oder wenigstens Kontakt aufgenommen, um Pike mahnend den Zeigefinger erheben zu lassen. Und wenn schon das gesamte biologische Leben der Galaxis auf dem Spiel steht wäre es sogar legitim gewesen, den Abbruch der Datenübertragung mit einer Kombination aus Phaserfeuer und Photonentorpedos auf das untertassenlose Geheimdienstgefährt zu bewirken.
Andere Ungereimtheiten wurden hingegen des dramatischen Effekts wegen billigend in Kauf genommen.
Etwa die ach so sicheren Biosignaturen, die in der letzten Woche noch einen Irrtum völlig ausschlossen, nur um nun zu etablieren, dass es natürlich bei Mutter und Tochter zu Verwechslungen kommen kann.
In eine ähnliche Bresche schlägt wohl auch Burnhams Kommentar, dass sie doch etwas von den Aktivitäten ihrer Eltern mitbekommen hätte, wenn diese für die Sektion 31 einen Zeitanzug gebaut hätten. Im Anbetracht der engen räumlichen Verhältnisse des Forschungslabors und der offenen Art und Weise, mit der beide Eltern mit ihre Tätigkeit am Abendbrotstisch diskutierten, wundert mich auch diese Aussage, die allerdings ebenfalls wohl vorrangig der Verschleierung der wahren Identität des roten Engels untergeordnet war.
Daneben gibt es noch einige Logiklöcher, die vorrangig dem dramatischen Effekt dienen.
Zum Beispiel, der simple Umstand, dass Gabrielle Burnham in ihrem Kraftfeld nicht einmal die Möglichkeit geboten wird, unbeobachtet auf die Toilette gehen zu können (immerhin wurde die gute Dame mindestens sieben Stunden im Kraftfeld festgehalten).
Oder das Massensterben von Redshirts in blauen Uniformen, das just in dem Moment einsetzt, als Leland auf der Oberfläche von Essof IV materialisisiert und komischerweise vor allen Mitgliedern der Haupt- und Gastdarstellerriege Halt macht.
Mit all dem könnte ich aber noch irgendwie leben, wenn mir Discovery dafür versprechen würde, die Finger von den Borg zu lassen.
Denn die Übernahme einer biologischen Lebensform durch die künstliche Intelligenz des Supercomputers Control wies erstaunlich viele Parallelen zur Assimilation des expansionsfreudigen Halbmaschinenvolkes aus dem Delta-Quadranten aus und Lelands Äußerungen (vgl. Denkwürdige Zitate) deuten ebenfalls eine solche Nähe an.
Zieht man nun vage Bemerkungen wie die Anthony Rapps in Betracht, der im Bezug zum kommenden Staffelfinale zu Protokoll gab "[…] das es wirklich den Kreis schließen […]" und Discovery in den größeren Kontext Star Treks einbetten würde.
Dieser 'größere Kontext' könnte durchaus mit der Entstehung der Borg zusammenhängen, denn die Serie bietet alle Voraussetzungen, um die 'Saat' für diese gefürchtete Spezies zu legen. Der Sporenantrieb kann mühelos Distanzen bis in den Delta-Quadranten überwinden, der Anzug des roten Engels ermöglicht Ausflüge in die Vergangenheit und die Fähigkeiten der Künstlichen Intelligenz Controls umfassen die Übernahme biologischer Lebensformen. Mit all diesen Zutaten ließe sich problemlos ein Kuchen backen, der auch irgendwie nach größerem Zusammenhang schmecken würde.
Doch das Gebäck hätte einen bitteren Beigeschmack.
Es würde den Nebel um eine der spannendsten Spezies des Star-Trek-Universums lichten, aber dabei die Spezies zu einem weiteren Beispiel für eine Bedrohung machen, die es am Ende gar nicht geben würde, wenn sich die Menschheit niemals ins All hinausgewagt hätte. Sie wäre ein weiterer Baustein in einer müden Erzähltradition ("Die 37er", "Die Abweichung" oder "Das Gesicht im Sand"), in der die Menschheit – ähnlich wie Michael Burnham – zum Nabel des Universums wird.
Des Weiteren würde es dazu beitragen, das Mysterium und den Schrecken, die das kybernetische Volk bis "Star Trek: Der erste Kontakt" ausstrahlte, weiter zu minimieren. Nachdem die Borg bereits im Laufe diverser Voyager-Episoden viel von ihrer immensen Bedrohung verloren haben, dürfte eine hanebüchene Erklärung durch Zeitreisen weiter am Image des Schreckgespenstes zerren.
Vor allem aber gibt es bereits eine Herkunftsgeschichte der Borg, die viele dieser Elemente vereint. In David Macks "Destiny" Trilogie gab sich der verdiente Buch-Autor bereits redlich Mühe, die Entstehung der Borg in einen Zusammenhang mit menschlichen Ursprüngen zu bringen. Mack, der für Discovery bereits Pionierarbeit verrichtete, indem er für seinen erste Discovery-Roman detaillierte Biografien für sämtliche Nebencharaktere der USS Shenzhou schuf (die von den Produzenten auch ohne schlechtes Gewissen genutzt wurden) würde damit übrigens ein drittes Mal erleben, dass die Serie Discovery seine Arbeit mit Füßen tritt. Bereits sein erstes Discovery-Buch "Gegen die Zeit", zu dem er sich im Vorfeld beim damaligen Produzenten Bryan Fuller rückversicherte, dass die Discovery weder Spock noch die Enterprise treffen würde, wurde am Ende der ersten Staffel vom offiziellen Kanon rücksichtslos überrollt. Zudem ist auch die Idee von Control keineswegs etwas, was auf dem Mist von kreativen Discovery-Autoren gewachsen ist, sondern ein zentrales Handlungselement, das still und heimlich aus Macks Roman "Kontrolle" geklaut wurde. Wenn jetzt auch noch die Herkunft der Borg aus Macks Büchern entlehnt würde, sollte der Mann fairerweise wenigstens Tantiemen oder immerhin eine Nennung als Produzent im Vorspann erhalten.




V. Fazit
Alles in allem ist "Der Zeitsturm" eine stabile Folge innerhalb der Parameter einer Staffel, die qualitativ weit über den ersten Gehversuchen der ersten Season steht.
Da liegt aber auch das Problem der Folge: Sie wird keineswegs im Gedächtnis bleiben, weil man sich ihrer wegen außergewöhnlicher Entwicklungen, ihrer besonderen Bedeutung oder tollen Erzählperspektive erinnern würde. Sie ist stattdessen -  mit all ihren Fehlern wie der Ausrechenbarkeit und den bei Discovery ohnehin scheinbar unverzichtbaren Logiklochern - eher ein Mosaikstein in einem größeren Ganzen, was im Anbetracht der Anlage der Serie völlig in Ordnung geht.

Bewertung.
Positives Mittelmaß.






VI. Schluss.
So wenig, wie diese Folge von der andauernden Zentrierung auf Michael Burnham abwich, wird es wohl auch die restliche Staffel nicht schaffen, sich von diesem Aspekt zu trennen. Man wird sich offensichtlich an ihren 'Hundeblick' gewöhnen müssen, während ihr Charakter kontinuierlich in die Nähe dessen rückt, was Wesley Crusher noch heute so unpopulär macht.
Das Universum wird sich wohl auch in den letzten drei verbleibenden Episoden vor allem um diese Hauptfigur drehen und es bleibt nur zu hoffen, dass die Frau nicht auch noch die auf ihre ohnehin schon umfangreiche Liste der Schuldgefühle auch noch die Entstehung der Borg hinzufügen kann.
Aber auch wenn es absehbar scheint, dass dieser Makel sich nicht ohne weiteres abschütteln lässt, gibt es einen Silberstreif am Horizont.
Ausgerechnet Alex Kurtzman gab kürzlich in einem Interview bekannt, dass er sich als hauptverantwortlicher Produzent sehr wohl mit den Fanreaktionen des Internets auseinandersetzen würde, selbst wenn dies manchmal schmerzhaft sei. Er erweckt damit den Anschein, als hätte er auch weiterhin ein offenes Ohr für all jene Zuschauer, die durch ihren Konsum der Streamingsdienste CBS All Access und Netflix den Erfolg der Serie begründen und so besteht die Hoffnung, dass sich dieser oft bemängelte Umstand im besten Fall abstellen könnte oder im schlechtesten Fall abgemildert werden dürfte.
Immerhin hat die zweite Staffel bereits bewiesen, dass mit den auf Fan-Kritik begründeten Änderungen ein positiver Wandel eingeläutet wurde. Ob aber die dritte Staffel diesen Sprung auch über die letzte Hürde namens Michael Burnham schafft, wird wohl nur die Zukunft, jenes unentdeckte Land zeigen.




Denkwürdige Zitate.

"Ich brauche ein Gesicht und einen Körper um meinen Handlungsspielraum zu erweitern. Ihr Gesicht und Ihr Selbst."
Control

"Dieses Verhaltensmuster ist recht nützlich für mich und sich zu wehren ist… zwecklos."
Control

"Nun Captain, ich halte das für ein klassisches Beispiel des dritten Newton'schen Gesetzes…"
"Zu jeder Kraft gehört eine gleich große Gegenkraft! Tut mir leid, das ist mein zweitliebstes physikalisches Gesetz! Mein Lieblingsgesetz ist…"
"Wir wissen, dass sowohl Doktor Burnham als auch ihr Anzug in der Zukunft verankert sind. Unser Eindämmungsfeld fixiert sie in der Gegenwart – je stärker wir ziehen, desto stärker zieht die Zukunft."
"Ein Tauziehen mit dem Universum, ich verstehe."
"Und das werden wir ganz sicher verlieren."
Saru, Sylvia Tilly und Christopher Pike

"Vertrauen ist keine Strategie."
Leland

"Sie sind heute aber ganz schön resolut…"
"Weil die Zeiten es erfordern."
Philippa Georgiou und Leland

"… Captain Christopher Pike, USS Enterprise und vorübergehend Captain der Discovery. Aber Sie kehren bald auf Ihr Schiff zurück. Ich könnte Ihnen noch mehr über Ihre Zukunft sagen, aber das würde… Ihnen nicht gefallen."
Gabrielle Burnham

"Sie sind ein Geist für mich, Captain Pike. Einer von den zig Trillionen, die auf dem galaktischen Friedhof wandeln."
Gabrielle Burnham

"Ich habe mich in Dir geirrt. Du hast Deine Emotionen sehr wohl im Griff. Das war…"
"Dickköpfig?"
"… Unbegründet."
Michael Burnham und Spock

"Glauben Sie was Sie wollen. Ich mach das nicht. Es fühlt sich nicht richtig an."
Ash Tyler

"Die Zeit ist aus den Fugen. Schmach und Gram, dass ich zur Welt sie einzurichten kam."
"Hamlet. Recht hat er. Energie!"
Spock und Michael Burnham

"Alle denken, dass die Zeit zerbrechlich wäre. Kostbar. Wunderschön. Sie stellen sich eine Sanduhr vor, was weiß ich. Aber so ist es nicht. Die Zeit ist grausam. Und sie gewinnt immer."
Gabrielle Burnham

"Ich befrage mal kurz meinen inneren Isaac Newton: Tut mir leid, aber leider nein…"
Paul Stamets

"Im vierten Jahrhundert hat Laotse gesagt 'Nichts ist weicher als das Wasser. Doch wie es dem Harten zusetzt, kommt nichts ihm gleich'. Nichts ist demnach unveränderlich. Ob Berge, Sphären oder Zeit. Vielleicht liegt die Antwort ja in der Zeit selbst."
Spock

"Ich mag Wissenschaften."
Spock

"Sie haben mich zweifellos mit meinem sentimentalen Gegenstück aus diesem Universum verwechselt. Ich bin Terranerin. Selbstaufopferung ist nicht so unser Ding."
Georgiou

"Ich wurde schonmal getötet, Georgiou. Vielleicht hab ich diesmal die Zeit es zu genießen."
Tyler

"Die Zeit ist nicht auf unserer Seite!"
Gabrielle Burnham

"Bei allem Respekt glaube ich, dass Doktor Burnham sich geirrt hat. Das Jetzt zählt. Was früher war, spielt nicht länger eine Rolle. Was als nächstes geschieht, steht noch nicht fest. Wir haben nur das Jetzt. Das ist unser größter Vorteil: Was wir jetzt tun – hier, in diesem Moment – hat die Macht die Zukunft zu bestimmen. Instinkt und Logik – vereint. Damit können wir Control besiegen in dem Kampf, der vor uns liegt. Wir finden einen Weg. Die ganze Geschichte kann sich mit dem nächsten Schritt ändern. Du bist am Zug, Michael."
Spock

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitsturm"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"
Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"