Heute vor vierhundertfünfzig Jahren wurde ein Mann getauft (wann genau er geboren wurde, ist umstritten),
ohne den Star Trek nicht das wäre, was es heute ausmacht.
Unmittelbar nach dem Namen Roddenberrys sollte eigentlich der Name
dieses Universalgenies stehen. Und lägen nicht ebenjene
vierhundertundfünfzig Jahre dazwischen, so würden sich einige
ältere Helden im englischen Original wohl so anhören (die
Wortbeiträge entstammen dieser sehr lesenswerten Quelle):
Die
Rede ist natürlich von niemand geringerem als William Shakespeare.
Der Autor aus dem beschaulichen Avon-Städtchen Stratford war für
die englische Sprache in etwa das, was Martin Luther für die
deutsche war: Ein Leuchtfeuer, das bis in die sprachliche Gegenwart
scheint.
Und als ob das noch nicht genug wäre,
sind Shakespeare-Dramen, -Tragödien und -Lustspiele bis heute so
etwas wie die Königsdisziplin anglophoner Schauspieler, darunter
natürlich auch verdiente Star-Trek-Veteranen wie etwa dem Briten Sir
Patrick Stewart, der kürzlich zu Protokoll gab, dass er zwischen
beiden Metiers gar nur geringe Qualitätsunterschiede ausmachen kann:
"It is as valid as Shakespeare. I
don't distinguish one from the other."
Meine sehr freie Übersetzung:
"Es ist ebenso angemessen wie
Shakespeare. Ich unterscheide das eine nicht vom anderen."
In einem anderen Interview ging er
sogar noch einen Schritt weiter:
Meine wiederum sehr freie Übersetzung
dazu:
"I think that the
experience that we get in making a fourhundred-year-old text work is
exactly what you need for giving credibility and believability to
fantasy, science fiction, and the like. I think that's why I was so
good at it!"
"Ich glaube, dass die Erfahrung die wir darin
sammeln, einen vierhundert Jahre alten Text zum Leben zu erwecken, genau das beinhaltet, was man benötigt, um Glaubwürdigkeit und
Überzeugungskraft in Fantasy, Science Fiction und ähnlichen Genres
unterzubringen. Ich denke, das ist der Grund, warum ich so gut
darin bin!"
Neben der Fähigkeit, sich besser in
eine Serie wie Star Trek hineinversetzen zu können, bietet das Erbe
Shakespeares einen reichhaltigen Fundus, den die Fans rund um den
Erdball zur Genüge kennen. Ich denke nicht, dass ich an dieser
Stelle noch einmal auf den Hamlet in klingonischer Sprache hinweisen
muss, den es mittlerweile für ein paar Darseks zu kaufen gibt. Ich
muss wohl auch nicht noch einmal auf die zeitlosen Kommentare des
Spiegeluniversums-Phlox hinweisen, der im Enterprise-Zweiteiler "Die dunkle Seite des Spiegels" feststellte,
dass Shakespeares Werke in beiden Wirklichkeiten gleichermaßen eine
der wenigen – wenn auch sehr düsteren - Konstanten bot. Und ganz
sicherlich muss ich nicht noch einmal auf die TOS-Folge "Kodos der Henker" oder den sechsten Star-Trek-Kinofilm "Das unentdeckte Land" verweisen, die vor Zitaten und Auszügen nur
so triefen.
Aus diesem Grund wollen wir aus
gegebenem Anlass einmal versuchen, zehn andere, eher unbekannte
Fakten zu finden, die noch nicht so öffentlich breit getreten wurden
wie die eingangs erwähnten Beispiele. Damit möchten wir
verdeutlichen, wie eng Star Trek in seinem Kern mit Shakespeare
verbunden ist und wie groß der Einfluss des legendären Dramatikers
auf die Science-Fiction-Franchise tatsächlich ausfiel.
Also frei nach Woody Allen: Die
Tafelrunde präsentiert - Was sie schon immer über Star Trek und
Shakespeare wissen wollten und sich nicht zu fragen trauten!
Fakt #01. Wer den Einfluss Shakespeares auf
Star Trek ablesen will, musss sich nur einmal die vielen Folgentitel
vor Augen führen, die auf direkte Shakespeare-Anleihen zurückgehen.
Dem deutschen Zuschauer bleiben sie jedoch verborgen, denn die
hiesige Synchronisation machte sich nicht die Mühe, diese oft
hintergründigen Wortspiele adäquat ins Deutsche zu übertragen. So
bleibt dem deutschen Fan nur das bloße Wissen darum, dass die
Episoden "Der Zentralnervensystemmanipulator" (TOS, "Dagger of Mind"/ MacBeth), "Kodos der Henker" (TOS, "The Conscience of the King"/ Hamlet), "Stein und Staub" (TOS, "By Another Name"/ Romeo und Julia), "Was summt denn da?" (TOS, "Wink of an Eye"/ Das Wintermärchen), "Portal in die Vergangenheit" (TOS, "All Our Yesterdays"/ MacBeth), "Kulkulkan - der Mächtige" (TAS, "How Sharper than a Serpent's Tooth"/ König Lear), "Die Sünden des Vaters" (TNG, "Sins of the Father"/ Der Kaufmann von Venedig), "Das Experiment" (TNG, "Remember Me"/ Hamlet), "Verräterische Signale" (TNG, "The Mind's Eye"/ Hamlet), "Radioaktiv" (TNG, "Thine own Self"/ Hamlet), "Die Khon-Ma" (DS9, "Past Prologue"/ Der Sturm), "Herz aus Stein" (DS9, "Heart of Stone"/ Was Ihr wollt), "Der geheimnisvolle Garak, Teil II" (DS9, "The Die is Cast"/ Julius Caesar), (DS9, "Once More Unto the Breach"/ König Heinrich der Fünfte), "In den Wirren des Krieges" (DS9, "The Dogs of War"/ Julius Caesar) und "Leben nach dem Tod" (VOY, "Mortal Coil"/ Hamlet) auf direkte Zitate aus den Werken
Shakespeares zurückgehen.
Fakt #02. In der TOS-Episode "Brot und Spiele" ist sogar ein Stück Shakespeare zu sehen. Obwohl das Geschehen eine Parallelentwicklung zum alten Rom nahelegt, trägt Prokonsul Claudius Marcus ein Wappen auf der Brust, das zufälligerweise mit dem William Shakespeares identisch ist. Warum dieses Wappen Verwendung fand (vielleicht eine Anspielung auf dessen Werk "Julius Caesar"?) wird wohl ebenso ein Rätsel bleiben wie die Verwendung dänischer Maschinengewehre in der selben Episode.
Fakt #03. Nicht nur für Folgentitelinspirationen bedienten
sich die Drehbuchautoren bei Shakespeare. Auch in den Inhalten
orientierte man sich großzügig am literarischen Vorbild. So wurde
die Handlung ganzer Episoden wie "Planet der Unsterblichen" oder "Brautschiff Enterprise" einfach
übernommen, während in anderen Folgen wie "Das Spukschloss im Weltall", "Der Blutschwur"
oder "Neue Intelligenz" zumindest Handlungselemente 'ausgeborgt' wurden.
Allerdings ist diese Vorgehensweise schon damals nichts Verwerfliches
gewesen: Bereits die heimliche Inspiration für Star Trek, der
Fünfziger-Jahre-Sci-Fi-Streifen "Alarm im Weltall" ging in
Gänze auf ein Shakespeare-Werk zurück.
Fakt #04. Der als leidenschaftliche
Shakespeare-Fan bekannte Patrick Stewart ließ sich in "Der Überläufer" nicht die Chance entgehen, selbst in den Genuss zu
kommen, an der kurzen Inszenierung von "König Heinrich der Fünfte" am
Anfang der Folge teilzuhaben. Mit schwerer Maske unkenntlich gemacht
spielte er eine kleinere Nebenrolle. Daher ist in dieser Szene
zweimal Patrick Stewart zu sehen: Einmal als Captain Jean-Luc Picard, der Data beim
Schauspielern begutachtet und einmal als Michael Williams, der den Kommandanten der USS Enterprise am Ende als unwillkommenen Eindringling wahrnimmt.
Fakt #05. Wer sich auch nach der zehnten
Wiederholung noch immer fragt, wieso Kanzler Gorkon in Star Trek VI:
"Das unentdeckte Land" eigentlich allen Ernstes behauptet,
"Sie werden Shakespeare erst richtig genießen, wenn Sie ihn im
klingonischen Original lesen." obwohl der Mann ja nun eindeutig
ein Mensch war, dem sei dies gesagt:
Im Film diente die Verwandlung des
menschlichen Dramatikers in einen klingonischen Autor um als
Gleichnis auf Versuche Nazi-Deutschlands, den Nationaldichter
Großbritanniens für sich zu vereinnahmen. Dementsprechend kann man
im (englischsprachigen) Vorwort des klingonischen Hamlets auch von den
Propaganda-Versuchen der Föderation lesen, Wil'yam Shex'pir
widerrechtlich für sich zu beanspruchen. Allerdings streut bereits
die TOS-Episode "Fast unsterblich" deutliche Indizien für
eine ganz andere Identität des Engländers: Der Fund eines
unveröffentlichten Originalscripts Shakespeares auf Holberg 917G
legt die Vermutung nahe, dass auch Shakespeare tatsächlich nur ein
Alter Ego des unsterblichen Flints war.
Auf jeden Fall spielen sämtliche dieser Theorien auf die streckenweise sehr dürftigen Informationen über das Leben und Wirken des Mannes an, die uns heute überliefert sind und damit eine Vielzahl kruder Verschwörungstheorien befeuerte.
Fakt #06. Auch eine Vielzahl an Schiffen geht
direkt auf William Shakespeares Vorlagen zurück. Der Name der USS Horatio in "Die Verschwörung" etwa geht weniger auf
Horatio Hornblower zurück (sonst wäre es wohl eher die USS
Hornblower), sondern eher auf den Charakter aus "Hamlet".
Auch die USS Hathaway fußt in ihrer Bezeichnung wohl auf dem Mädchennamen der Ehefrau Shakespeares und selbst die
Miranda-Klasse kann ihre Wurzeln in "Der Sturm" wiederfinden. Zudem kann man selbst auf der Widmungsplakette
der USS Prometheus einen Ausspruch des großen Dramatikers als
Leitmotiv finden.
Fakt #07. Eine der bekanntesten Einrichtungen
zur Pflege des Erbes William Shakespeares ist heutzutage die
renommierte "Royal Shakespeare Company". Schauspieler wie
Ian McKellen, David Tennant oder Ian Holm, die in ihren Produktionen
mitwirkten, umgibt eine gewisse Aura des Darsteller-Adels. Insgesamt sechs
Schauspielern aus dem Star-Trek-Universum gelang es, ebenfalls auf
den Lohnzettel dieser Einrichtung zu gelangen. Neben Sir Patrick
Stewart waren dies David Warner, Malcolm McDowell, Christopher Plummer und William Morgan Sheppard. Als einziger Frau in dieser illustren Runde gelang auch
Alice Krige dieser Coup.
Fakt #08. William Shakespeare kann man
übrigens auch bei Star Trek Online begegnen. Allerdings nicht
leibhaftig, doch immerhin als (lila) Hologramm, das auf dem eigenen
Schiff die Position des Doff-Quartiermeisters übernimmt. Alles was
man für den Erwerb tun muss, ist den Zwanzig-Stunden-Auftrag eine Aufführung von Hamlet auf dem Holodeck mit einem "Critical
Success" abzuschließen (allerdings hat man nur einmal die
Chance dazu). Natürlich gibt es diesen Auftrag auch für die
klingonische Fraktion; hier winkt als Belohnung das rein klingonische
Hologramm Wil'yum Sheks'per [sic!]. Wahrhaft episch!
Fakt #09. Dass in Picards Bereitschaftsraum
mindestens eine Shakespeare-Ausgabe herumliegt, gehört fraglos zum
Star-Trek-Grundwissen. Allerdings lag das Buch nicht nur dekorativ im
Raum herum, wie eine Analyse von Jörg Hillenbrand und Bernd
Schneider auf Ex Astris Scientia beweist: In mühsamer Detektivarbeit
ist ihnen gelungen nachzuweisen, welches Werk gerade die
Aufmerksamkeit des Captains oder seiner Besucher in welcher Episode
beanspruchte. Eine absolut lesenswerte Zusammenstellung!
Fakt #10. Schließlich kann sogar eines der am
häufigsten mit Star Trek verbundenen Markenzeichen zur Hälfte auf
Shakespeare zurückgeführt werden. Zwar ist die Fingerstellung des
Vulkanischen Grußes ohne Frage durch Leonard Nimoy höchstpersönlich
von einem jüdischen Segenszeichen abgeleitet, doch die dazugehörige
Formel "Live long and prosper." lässt sich ebenfalls mit
einem Zitat aus "Romeo und Julia" in Verbindung bringen:
In diesem Sinne wünscht auch die Star-Trek-Tafelrunde "Hermann Darnell" Potsdam Babelsberg ein angenehmes Wochenende und schließt mit einem Zitat ab, das beweist, dass die Beziehung zwischen Star Trek und Shakespeare keineswegs so einseitig gewesen ist, wie es die lineare Zeitbewältigung vermuten lässt und sogar über eine gewisse tagesaktuelle Brisanz verfügt:
Schöne Zusammenfassung. :)
AntwortenLöschenMir fällt noch ein, dass Picard in Rikers Veruschung Q mit einem Hamlet-Zitat ziemlich brüskiert, eine herrliche Szene. :D
Und am Ende von Datas Hypothese sprechen Data und Picard über "The Tempest" und Picard zitiert die berühmte "O brave new world"-Textstelle.
Sehr schöner Artikel!
AntwortenLöschenMir fällt auch noch eine Szene ein: Ein "bekiffter" Data vergleicht sich mit den Menschen in "Gedankengift": „Wir haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, mein lieber Captain. Ich habe Poren. Menschen haben Poren. Ich habe Fingerabdrücke. Menschen haben Fingerabdrücke. Meine chemischen Bestandteile ähneln menschlichem Blut. Wenn man mich sticht … tropfe ich dann nicht?” (frei nach dem Kaufmann von Venedig). Die Folge ist für mich schon dadurch Kult, dass ich sie auf Adiokassette besitze!