In "Der erste Krieg", einer
TOS-Episode irgendwo im Nirgendwo der zweiten Staffel, kann man
folgende interessante Schlussfolgerung Kirks und McCoys zur
Erdgeschichte des frühen Atomzeitalters zu hören bekommen:
Kirk: "Pille, erinnere Dich doch
mal an die Großmächte des zwanzigsten Jahrhunderts. Die haben sich
damals waffenstarrend gegenübergestanden, aber zu einem Krieg kam es
trotzdem nicht."
Pille: "Ja, ich erinnere mich!
Aber man hatte dauernd Angst, dass es dazu kommen könnte!"
Kirk: "Was würdest Du denn
vorschlagen? Dass nur eine Seite mit den modernsten Waffen
ausgerüstet wird? Du kannst versichert sein, dann würden wir jetzt
nicht friedlich im Weltall herumfliegen."
Nanu, wundert sich da der ein oder
andere geschichtsbewanderte Zuschauer, rechtfertigt da der gute alte
Captain Kirk tatsächlich den Kalten Krieg und sein "Gleichgewicht des Schreckens" als notwendiges Übel nicht nur für die
Entwicklung der Raumfahrt sondern sogar für den Fortbestand der
Menschheit?
Tatsächlich bot die Entstehungszeit Star Treks, in
der der Mauerbau (1961), die Kubakrise (1962) und die
US-amerikanische Intervention im Vietnamkrieg (1965-1975) den
Pulsschlag der Zeit bestimmten, eine Menge Zündstoff, der auch über
verschiedene Wege in die Serie Einzug erhielt. Von daher scheint es
nur folgerichtig, diese Thematik auch einmal aus wissenschaftlicher
Perspektive näher auszuleuchten. Genau das tat Dr. Rüdiger Zill mit
seinem Vortrag "Frogs und Tribbles. Freund- und Feindbilder im
Science Fiction des Kalten Krieges" auch in seinem Referat im
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) am
Donnerstag, den 10. Juli 2014. Anhand zweier
Science-Fiction-Fernsehserien aus den Sechziger Jahren, namentlich
"Raumpatrouille Orion" und eben "Star Trek"
untersuchte er, inwiefern sich beide Serien glichen, welche Motive
sie vereinte oder trennte und natürlich welche Auswirkungen das
Zeitgeschehen auf die beiden Produktionen ausübte.
Lobenswerte Aspekte.
Publikumsandrang. Wer glaubt, dass es
sich um eine vergleichsweise intime Veranstaltung für Nerds halten
würde, sah sich getäuscht. Zwar waren nicht weniger als zwölf
Tafelrundenmitglieder dem Aufruf dieses Blogs gefolgt, aber darüber
hinaus fanden sich auch noch sechsundzwanzig weitere Personen ein,
die den tropischen Außentemperaturen zum Trotz den Abend mit einem
Vortrag ausklingen lassen wollten.
Nun waren darunter einige Stammgäste
des Veranstaltungsortes, die den Vortragsthemen oft recht
gleichgültig gegenüberstehen und eine Fraktion des veranstaltenden
Einstein-Forums, dass der Truppenstärke der Tafelrunde scheinbar in nichts
nachstand, doch darüber hinaus konnte man auch einige unbekannte
Gesichter finden, die der Veranstaltung aus vermutlich rein
thematischen Gründen beiwohnten. So war unter anderem auch Prof. Dr.
Rainer Schimming zugegen, mit dem wir bereits eine spannende Kleinveranstaltung im Thalia durchführen durften. Aber auch andere, für den
Austragungsort erschreckend junge Zuschauer sorgten zusammen mit den
Star-Trek-Anhängern unter dem Banner Hermann Darnells für eine
deutliche Senkung des Altersdurchschnitts.
Lernzuwachs. Das Referat fußte in
seiner Form auf einem angenehm geschriebenen Aufsatz, der nicht nur
solide geschrieben war, sondern an diesem Abend auch mit
ansprechendem Videomaterial untermalt wurde. Darüber hinaus fand
sich trotz der thematischen Einengung auf Orion und Star Trek immer
noch genügend Platz, um wenigstens auch auf einige Perlen der
Ostblock-Science-Fiction (oder "Phantastik" wie sie
hierzulande auch gern bezeichnet wurde) wie etwa den Film "Der schweigende Stern" einzugehen, der tatsächlich sogar etwas
Schnittmenge mit den beiden genannten Serien aufweisen konnte.
Das dahingehende Zauberschlagwort des
Tages lautete "symbolischer Interkulturismus", denn in
ihrer Multi-Kulti-Mannschaft glichen sich auffälligerweise sowohl
"Der schweigende Stern", "Raumpatrouille Orion"
wie auch "Star Trek" und der Referent wurde auch nicht
müde, diesen Umstand ein ums andere Mal zu betonen.
Außerdem waren die Rückschlüsse, die
Zill aus den Serien zog, zwar an einigen Stellen durchaus kontrovers,
aber nicht einmal abwegig. So unterstellte er dem Orion-Kommandanten
McLane eine latente Landser-Mentalität, bestimmte das Sujet
"Freiheit und Abenteuer vs. Fremdbestimmung" als Leitmotiv
der Serie und steigerte seine Ausführungen sogar soweit, dass man
als Zuhörer geneigt war zu glauben, dass die Beziehung zwischen
McLane und Jagellovsk die Entspannungspolitik Willy Brandts
vorwegnahm.
Auf der Star-Trek-Seite blieb immerhin
zu verbuchen, dass die einzelnen Crewmitglieder verschiedene
menschliche Emotionen symbolisieren, Klingonen keine Sowjets sind und
eher Feindschaften als Feinde bekämpft wurden.
Besonders starke Momente hatte der
Vortrag immer dann, wenn beide Sendungen aktiv einander
gegenübergestellt wurden und etwa darauf eingegangen wurde, wie sehr
der ursprüngliche Pilotfilm "Der Käfig" und die
"Raumpatrouille" sich ähneln, dass beide Serien vom
Ausgleich von "Command and Compassion" (also dem Widerspruch von "Führungsposition
und Mitgefühl") beherrscht werden und dass die Rolle der Frau
im deutschen Science-Fiction-Format weit modernere Züge aufwies als
bei Star Trek.
Kritikwürdige Aspekte
No Standards. Wer an einer Universität
bereits Referate gehalten hat, wird mit den hohen
Leistungsanforderungen vertraut sein, mit denen sich Studenten und
Dozenten ab dem ersten Semester herumschlagen müssen und auf deren
Einhaltung sie auch penibel pochen. Quellenangaben, Präsentation und
Aufbau eines Vortrags werden im Rahmen eines Studiums durchgängig
trainiert, um die späteren Hochschulabsolventen auf die rauen
Bedingungen in der Wissenschaftswelt gründlich vorzubereiten.
Unter diesem Aspekt war es erstaunlich,
welche illustren Lern- und Lehrorte in der Vita Zills zu finden
waren, denn sein Vortrag scheiterten in allen drei genannten Punkten
völlig und wäre an einer Hochschule sicherlich mit dem Prädikat
"nicht bestanden" versehen worden.
So kennt man etwa von den Referaten
Hubert Zitts dessen gewissenhafte Bemühungen, stets die einzelnen
Folgenausschnitte genau zu kennzeichnen und einer jeden seiner
Veranstaltungen geht eine genaue Schilderung zum schwierigen Umgang
mit diesem Copyright-geschützten Material voraus. Hier aber fehlte
eine solche Verfahrensweise vollständig, was im Hinblick auf die
Position der amerikanischen Rechteinhaber CBS und Paramount
nicht nur fahrlässig ist, sondern in Anbetracht des Background des
Vortragenden auch recht unwissenschaftlich.
Schlimmer wog allerdings noch die
Präsentation, wobei an dieser Stelle nicht die mäßige
Powerpoint-Datei mit ihren leeren Seiten und der schwarzen Schrift
auf dunklem Hintergrund im Mittelpunkt stehen sollte, sondern die Art
und Weise der Darbietung.
Zill las nämlich Wort für Wort seines
Skriptes von seinem Laptop ab und verschwendete kaum Zeit damit, das
Publikum mit Blickkontakt zu bedenken. Seine Gestik (sofern die Hände
nicht in den Hosentaschen ruhten) und seine konstruierten Witzchen
liefen nicht zuletzt deshalb ins Leere und es war auffällig, dass er
immer dann aus dem Konzept geriet, wenn er gezwungen war, von seinem
schriftlichen Fahrplan abzuweichen und frei zu reden. Dadurch hatte
der Abend eher den Flair einer Lesung und es wäre nur unwesentlich
abträglicher für das Ambiente gewesen, wenn man den Referenten
durch einen antiquierten Kassettenrekorder gleichen Jahrgangs ersetzt
hätte.
Die Struktur war eigentlich stringent
und nachvollziehbar. Allerdings nur, bis Zill das Themengebiet der
"Raumpatrouille" hinter sich ließ und sich auf das dünne
Eis begab, das sich "Star Trek" nennt. Plötzlich entstand
im Saal das Gefühl, als wäre die Franchise das Stiefkind seiner
Betrachtungen gewesen, denn während er sich für die "Orion"
ausgiebig Zeit nahm, einzelne Aspekte detailliert anzusprechen,
kratzte er nur oberflächlich an der Materie "Star Trek"
herum. Wo er eben noch die Frogs deutlich und ausführlich in einen
Kontext zum Kalten Krieg stellte, fiel die entsprechende Bemerkung zu
den Klingonen in einem Nebensatz und der eigentlich nie für die
Veröffentlichung bestimmte Pilotfilm wurde erschöpfender behandelt,
als die restlichen 79 Episoden, obwohl in ihnen, wie man bereits am
einleitenden Zitat erahnen kann, eine Menge Potential für das Thema
schlummert.
Unfreiwilliger Teil der vorgeführten
Filmausschnitte: Die erste Facepalm der Star-Trek-Geschichte
Thema verfehlt. Gerade im Hinblick auf
Star Trek bleibt sogar festzuhalten, dass es Zill nicht gelang, die
Thematik des Kalten Krieges in irgendeiner Form angemessen
einzubinden. Was gar die Tribbles mit diesem Motiv zu tun haben
sollten, konnte er selbst auf direkte Nachfrage nicht beantworten. An
just der Stelle, an der das Publikum eine Hinwendung zum Kalten Krieg
erwartet hätte, war der Vortrag aus heiterem Himmel auch schon
beendet. Dieser oratio interruptus, der für ungläubige
Gesichter allenthalben sorgte, erwies sich in der anschließenden
Diskussionsrunde nicht unbedingt als Resultat der limitierten Zeit,
sondern als Ausdruck einer mangelhaften Auseinandersetzung mit der
Thematik.
Darüber hinaus ließ sich der
Vortragende häufig dazu hinreißen, Geschichte aus einer Perspektive
unserer Zeit zu betrachten und als ob das nicht genug wäre, erlag er
auch einigen der Märchengeschichten, die zur personal fable Gene Roddenberrys zählten. So war NBC beispielsweise keineswegs
abgeneigt, farbige Besatzungsmitglieder in die Hauptbesetzung
aufzunehmen sondern förderte diese Idee sogar nachweislich (vgl.
Justman, Robert H.; Solow, Herbert: Star Trek. Die wahre Geschichte.
München, 1998, S. 96ff.). Nicht minder abwegig ist die Behauptung,
die TV-Verantwortlichen hätten sich gegen eine Frau auf der Brücke
gewehrt, denn die Ablehnung der Nummer Eins betraf weniger die Rolle
selbst als viel mehr Majel Barrett als Partnerin des anderweitig
verheirateten Produzenten (vgl. Ebd., S. 179). Sogar die
vermeintliche Nähe der Föderation zum Kommunismus klang hin und
wieder an und es fehlte nur noch, dass Zill Walter Koenigs Einstieg
in die Serie als Chekov mit einem Pravda-Artikel in Verbindung
gebracht hätte, um die Märchenstunde auf Galileo-Niveau perfekt zu
machen.
Enttäuschend daran ist vor allem, dass
diese Fehler durch die Konsultation von Fachliteratur vermeidbar
gewesen wären und auch der Umgang mit Quellen gehört zum
Grundwerkzeug von Historikern. So blieb der Vortrag auf dem Niveau
eines Erstsemester-Studenten und es verwunderte nicht weiter, dass
einige Zuhörer bereits vorzeitig den Veranstaltungsort verließen.
Diskussionsrunde. Ein wenig skurril
erschien vor allem die Diskussionsrunde, die sich dem so plötzlich
beendeten Vortrag anschloss, denn sie begann mit einem
viertelstündigen Dialog zwischen Dr. Rüdiger Zill und der eigentlich
als Gesprächsmoderatorin verpflichteten Gerlinde Waz, die übrigens
die Hörorgane der anwesenden Gäste durch ihre eigenwillige
Aussprache von "Schdahr Dreg" herausforderte. Erst danach
wurde auch dem Publikum erlaubt, auch etwas Eigeninitiative zu
zeigen.
Wer aber nun einen regen Austausch
zwischen den interessierten Gästen und einem fachkundigen Referenten
erwartete, fand sich plötzlich in einem abweichenden Paralleluniversum wieder,
denn schnell wurde klar, dass neben einigen noch lebenden Zeitzeugen
der frühen deutschen TV-Landschaft, die lediglich in Erinnerung
schwelgen wollten, vor allem Kollegen und Weggefährten des
Vortragenden anwesend waren. Der übliche Gesprächsbeitrag fiel dann
so aus, dass diese Redner zu einen lang anhaltenden Monolog ausholten, der
vorzugsweise zuerst die eigene Person und erst weit danach peripher
einen Aspekt der Präsentation beinhaltete. Im Anschluss folgte eine
zumeist ausufernde Frage, für deren Beantwortung nicht nur Äpfel
mit Birnen verglichen wurden, sondern auch viel zu viel Zeit ins Land
ging. Auffälligerweise gelang es Zill besser, auf diese Ausführungen
seiner Berufsgenossen zu reagieren, als die Nachfragen des kleinen
Personenkreises zu befriedigen, die tatsächlich inhaltliche
Unklarheiten betrafen.
Fazit
Es ist beileibe nicht so, dass die
Zuhörer im Konferenzraum des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen
Geschichte an diesem Abend nichts hätten lernen können, denn
tatsächlich konnte Dr. Rüdiger Zill in Ansätzen das Potential
seines Vortrags unter dem Titel "Frogs und Tribbles. Freund- und
Feindbilder im Science Fiction des Kalten Krieges" aufzeigen.
Allerdings blieb bei seinem Referat die
wissenschaftliche Sorgfalt auf der Strecke und es gelang ihm nicht,
insbesondere Star Trek mit dem Kalten Krieg in eine schlüssige
Verbindung zu bringen. Viel eher musste man sich selbst das Besondere
wie Rosinen aus einem halbgar gebackenen Stollen herauspicken. Die
anschließende Diskussionsrunde war zudem nicht in der Lage, die
angesprochenen Defizite abzumildern und geriet stattdessen zu einem
Jahrmarkt der Eitelkeiten.
Traurig daran stimmt vor allem, dass
Star Trek wie eingangs demonstriert, sehr wohl über ein großes
Reservoir an Bezügen zum Kalten Krieg verfügt, das die Erlebenswelt
der damaligen Autoren unweigerlich tangierte. Das Material wurde nur
schlichtweg für diesen Vortrag gar nicht berücksichtigt.
Der bittere Schluss aus diesen
Erfahrungen ist daher einer, der dem ein oder anderen Sammler von
Merchandise-Artikeln schon längst bewusst geworden ist: Man muss
auch als Fan nicht unbedingt jedes Produkt kaufen, nur weil in
Großbuchtstaben "Star Trek" auf dem Etikett geschrieben
steht.
Denkwürdiges Zitat:
"Ich denke, das war ein großer
Abenteuerspielplatz."