Samstag, 12. Juli 2014

Turons Senf zu "Frogs und Tribbles"

In "Der erste Krieg", einer TOS-Episode irgendwo im Nirgendwo der zweiten Staffel, kann man folgende interessante Schlussfolgerung Kirks und McCoys zur Erdgeschichte des frühen Atomzeitalters zu hören bekommen:

Kirk: "Pille, erinnere Dich doch mal an die Großmächte des zwanzigsten Jahrhunderts. Die haben sich damals waffenstarrend gegenübergestanden, aber zu einem Krieg kam es trotzdem nicht."
Pille: "Ja, ich erinnere mich! Aber man hatte dauernd Angst, dass es dazu kommen könnte!"
Kirk: "Was würdest Du denn vorschlagen? Dass nur eine Seite mit den modernsten Waffen ausgerüstet wird? Du kannst versichert sein, dann würden wir jetzt nicht friedlich im Weltall herumfliegen."



Nanu, wundert sich da der ein oder andere geschichtsbewanderte Zuschauer, rechtfertigt da der gute alte Captain Kirk tatsächlich den Kalten Krieg und sein "Gleichgewicht des Schreckens" als notwendiges Übel nicht nur für die Entwicklung der Raumfahrt sondern sogar für den Fortbestand der Menschheit?
Tatsächlich bot die Entstehungszeit Star Treks, in der der Mauerbau (1961), die Kubakrise (1962) und die US-amerikanische Intervention im Vietnamkrieg (1965-1975) den Pulsschlag der Zeit bestimmten, eine Menge Zündstoff, der auch über verschiedene Wege in die Serie Einzug erhielt. Von daher scheint es nur folgerichtig, diese Thematik auch einmal aus wissenschaftlicher Perspektive näher auszuleuchten. Genau das tat Dr. Rüdiger Zill mit seinem Vortrag "Frogs und Tribbles. Freund- und Feindbilder im Science Fiction des Kalten Krieges" auch in seinem Referat im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) am Donnerstag, den 10. Juli 2014. Anhand zweier Science-Fiction-Fernsehserien aus den Sechziger Jahren, namentlich "Raumpatrouille Orion" und eben "Star Trek" untersuchte er, inwiefern sich beide Serien glichen, welche Motive sie vereinte oder trennte und natürlich welche Auswirkungen das Zeitgeschehen auf die beiden Produktionen ausübte.



Lobenswerte Aspekte.

Publikumsandrang. Wer glaubt, dass es sich um eine vergleichsweise intime Veranstaltung für Nerds halten würde, sah sich getäuscht. Zwar waren nicht weniger als zwölf Tafelrundenmitglieder dem Aufruf dieses Blogs gefolgt, aber darüber hinaus fanden sich auch noch sechsundzwanzig weitere Personen ein, die den tropischen Außentemperaturen zum Trotz den Abend mit einem Vortrag ausklingen lassen wollten.
Nun waren darunter einige Stammgäste des Veranstaltungsortes, die den Vortragsthemen oft recht gleichgültig gegenüberstehen und eine Fraktion des veranstaltenden Einstein-Forums, dass der Truppenstärke der Tafelrunde scheinbar in nichts nachstand, doch darüber hinaus konnte man auch einige unbekannte Gesichter finden, die der Veranstaltung aus vermutlich rein thematischen Gründen beiwohnten. So war unter anderem auch Prof. Dr. Rainer Schimming zugegen, mit dem wir bereits eine spannende Kleinveranstaltung im Thalia durchführen durften. Aber auch andere, für den Austragungsort erschreckend junge Zuschauer sorgten zusammen mit den Star-Trek-Anhängern unter dem Banner Hermann Darnells für eine deutliche Senkung des Altersdurchschnitts.


Lernzuwachs. Das Referat fußte in seiner Form auf einem angenehm geschriebenen Aufsatz, der nicht nur solide geschrieben war, sondern an diesem Abend auch mit ansprechendem Videomaterial untermalt wurde. Darüber hinaus fand sich trotz der thematischen Einengung auf Orion und Star Trek immer noch genügend Platz, um wenigstens auch auf einige Perlen der Ostblock-Science-Fiction (oder "Phantastik" wie sie hierzulande auch gern bezeichnet wurde) wie etwa den Film "Der schweigende Stern" einzugehen, der tatsächlich sogar etwas Schnittmenge mit den beiden genannten Serien aufweisen konnte.
Das dahingehende Zauberschlagwort des Tages lautete "symbolischer Interkulturismus", denn in ihrer Multi-Kulti-Mannschaft glichen sich auffälligerweise sowohl "Der schweigende Stern", "Raumpatrouille Orion" wie auch "Star Trek" und der Referent wurde auch nicht müde, diesen Umstand ein ums andere Mal zu betonen.
Außerdem waren die Rückschlüsse, die Zill aus den Serien zog, zwar an einigen Stellen durchaus kontrovers, aber nicht einmal abwegig. So unterstellte er dem Orion-Kommandanten McLane eine latente Landser-Mentalität, bestimmte das Sujet "Freiheit und Abenteuer vs. Fremdbestimmung" als Leitmotiv der Serie und steigerte seine Ausführungen sogar soweit, dass man als Zuhörer geneigt war zu glauben, dass die Beziehung zwischen McLane und Jagellovsk die Entspannungspolitik Willy Brandts vorwegnahm.
Auf der Star-Trek-Seite blieb immerhin zu verbuchen, dass die einzelnen Crewmitglieder verschiedene menschliche Emotionen symbolisieren, Klingonen keine Sowjets sind und eher Feindschaften als Feinde bekämpft wurden.
Besonders starke Momente hatte der Vortrag immer dann, wenn beide Sendungen aktiv einander gegenübergestellt wurden und etwa darauf eingegangen wurde, wie sehr der ursprüngliche Pilotfilm "Der Käfig" und die "Raumpatrouille" sich ähneln, dass beide Serien vom Ausgleich von "Command and Compassion" (also dem Widerspruch von "Führungsposition und Mitgefühl") beherrscht werden und dass die Rolle der Frau im deutschen Science-Fiction-Format weit modernere Züge aufwies als bei Star Trek.


Kritikwürdige Aspekte

No Standards. Wer an einer Universität bereits Referate gehalten hat, wird mit den hohen Leistungsanforderungen vertraut sein, mit denen sich Studenten und Dozenten ab dem ersten Semester herumschlagen müssen und auf deren Einhaltung sie auch penibel pochen. Quellenangaben, Präsentation und Aufbau eines Vortrags werden im Rahmen eines Studiums durchgängig trainiert, um die späteren Hochschulabsolventen auf die rauen Bedingungen in der Wissenschaftswelt gründlich vorzubereiten.
Unter diesem Aspekt war es erstaunlich, welche illustren Lern- und Lehrorte in der Vita Zills zu finden waren, denn sein Vortrag scheiterten in allen drei genannten Punkten völlig und wäre an einer Hochschule sicherlich mit dem Prädikat "nicht bestanden" versehen worden.
So kennt man etwa von den Referaten Hubert Zitts dessen gewissenhafte Bemühungen, stets die einzelnen Folgenausschnitte genau zu kennzeichnen und einer jeden seiner Veranstaltungen geht eine genaue Schilderung zum schwierigen Umgang mit diesem Copyright-geschützten Material voraus. Hier aber fehlte eine solche Verfahrensweise vollständig, was im Hinblick auf die Position der amerikanischen Rechteinhaber CBS und Paramount nicht nur fahrlässig ist, sondern in Anbetracht des Background des Vortragenden auch recht unwissenschaftlich.
Schlimmer wog allerdings noch die Präsentation, wobei an dieser Stelle nicht die mäßige Powerpoint-Datei mit ihren leeren Seiten und der schwarzen Schrift auf dunklem Hintergrund im Mittelpunkt stehen sollte, sondern die Art und Weise der Darbietung.
Zill las nämlich Wort für Wort seines Skriptes von seinem Laptop ab und verschwendete kaum Zeit damit, das Publikum mit Blickkontakt zu bedenken. Seine Gestik (sofern die Hände nicht in den Hosentaschen ruhten) und seine konstruierten Witzchen liefen nicht zuletzt deshalb ins Leere und es war auffällig, dass er immer dann aus dem Konzept geriet, wenn er gezwungen war, von seinem schriftlichen Fahrplan abzuweichen und frei zu reden. Dadurch hatte der Abend eher den Flair einer Lesung und es wäre nur unwesentlich abträglicher für das Ambiente gewesen, wenn man den Referenten durch einen antiquierten Kassettenrekorder gleichen Jahrgangs ersetzt hätte.
Die Struktur war eigentlich stringent und nachvollziehbar. Allerdings nur, bis Zill das Themengebiet der "Raumpatrouille" hinter sich ließ und sich auf das dünne Eis begab, das sich "Star Trek" nennt. Plötzlich entstand im Saal das Gefühl, als wäre die Franchise das Stiefkind seiner Betrachtungen gewesen, denn während er sich für die "Orion" ausgiebig Zeit nahm, einzelne Aspekte detailliert anzusprechen, kratzte er nur oberflächlich an der Materie "Star Trek" herum. Wo er eben noch die Frogs deutlich und ausführlich in einen Kontext zum Kalten Krieg stellte, fiel die entsprechende Bemerkung zu den Klingonen in einem Nebensatz und der eigentlich nie für die Veröffentlichung bestimmte Pilotfilm wurde erschöpfender behandelt, als die restlichen 79 Episoden, obwohl in ihnen, wie man bereits am einleitenden Zitat erahnen kann, eine Menge Potential für das Thema schlummert.


Unfreiwilliger Teil der vorgeführten Filmausschnitte: Die erste Facepalm der Star-Trek-Geschichte

Thema verfehlt. Gerade im Hinblick auf Star Trek bleibt sogar festzuhalten, dass es Zill nicht gelang, die Thematik des Kalten Krieges in irgendeiner Form angemessen einzubinden. Was gar die Tribbles mit diesem Motiv zu tun haben sollten, konnte er selbst auf direkte Nachfrage nicht beantworten. An just der Stelle, an der das Publikum eine Hinwendung zum Kalten Krieg erwartet hätte, war der Vortrag aus heiterem Himmel auch schon beendet. Dieser oratio interruptus, der für ungläubige Gesichter allenthalben sorgte, erwies sich in der anschließenden Diskussionsrunde nicht unbedingt als Resultat der limitierten Zeit, sondern als Ausdruck einer mangelhaften Auseinandersetzung mit der Thematik.
Darüber hinaus ließ sich der Vortragende häufig dazu hinreißen, Geschichte aus einer Perspektive unserer Zeit zu betrachten und als ob das nicht genug wäre, erlag er auch einigen der Märchengeschichten, die zur personal fable Gene Roddenberrys zählten. So war NBC beispielsweise keineswegs abgeneigt, farbige Besatzungsmitglieder in die Hauptbesetzung aufzunehmen sondern förderte diese Idee sogar nachweislich (vgl. Justman, Robert H.; Solow, Herbert: Star Trek. Die wahre Geschichte. München, 1998, S. 96ff.). Nicht minder abwegig ist die Behauptung, die TV-Verantwortlichen hätten sich gegen eine Frau auf der Brücke gewehrt, denn die Ablehnung der Nummer Eins betraf weniger die Rolle selbst als viel mehr Majel Barrett als Partnerin des anderweitig verheirateten Produzenten (vgl. Ebd., S. 179). Sogar die vermeintliche Nähe der Föderation zum Kommunismus klang hin und wieder an und es fehlte nur noch, dass Zill Walter Koenigs Einstieg in die Serie als Chekov mit einem Pravda-Artikel in Verbindung gebracht hätte, um die Märchenstunde auf Galileo-Niveau perfekt zu machen.
Enttäuschend daran ist vor allem, dass diese Fehler durch die Konsultation von Fachliteratur vermeidbar gewesen wären und auch der Umgang mit Quellen gehört zum Grundwerkzeug von Historikern. So blieb der Vortrag auf dem Niveau eines Erstsemester-Studenten und es verwunderte nicht weiter, dass einige Zuhörer bereits vorzeitig den Veranstaltungsort verließen.


Diskussionsrunde. Ein wenig skurril erschien vor allem die Diskussionsrunde, die sich dem so plötzlich beendeten Vortrag anschloss, denn sie begann mit einem viertelstündigen Dialog zwischen Dr. Rüdiger Zill und der eigentlich als Gesprächsmoderatorin verpflichteten Gerlinde Waz, die übrigens die Hörorgane der anwesenden Gäste durch ihre eigenwillige Aussprache von "Schdahr Dreg" herausforderte. Erst danach wurde auch dem Publikum erlaubt, auch etwas Eigeninitiative zu zeigen.
Wer aber nun einen regen Austausch zwischen den interessierten Gästen und einem fachkundigen Referenten erwartete, fand sich plötzlich in einem abweichenden Paralleluniversum wieder, denn schnell wurde klar, dass neben einigen noch lebenden Zeitzeugen der frühen deutschen TV-Landschaft, die lediglich in Erinnerung schwelgen wollten, vor allem Kollegen und Weggefährten des Vortragenden anwesend waren. Der übliche Gesprächsbeitrag fiel dann so aus, dass diese Redner zu einen lang anhaltenden Monolog ausholten, der vorzugsweise zuerst die eigene Person und erst weit danach peripher einen Aspekt der Präsentation beinhaltete. Im Anschluss folgte eine zumeist ausufernde Frage, für deren Beantwortung nicht nur Äpfel mit Birnen verglichen wurden, sondern auch viel zu viel Zeit ins Land ging. Auffälligerweise gelang es Zill besser, auf diese Ausführungen seiner Berufsgenossen zu reagieren, als die Nachfragen des kleinen Personenkreises zu befriedigen, die tatsächlich inhaltliche Unklarheiten betrafen.



Fazit

Es ist beileibe nicht so, dass die Zuhörer im Konferenzraum des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte an diesem Abend nichts hätten lernen können, denn tatsächlich konnte Dr. Rüdiger Zill in Ansätzen das Potential seines Vortrags unter dem Titel "Frogs und Tribbles. Freund- und Feindbilder im Science Fiction des Kalten Krieges" aufzeigen.
Allerdings blieb bei seinem Referat die wissenschaftliche Sorgfalt auf der Strecke und es gelang ihm nicht, insbesondere Star Trek mit dem Kalten Krieg in eine schlüssige Verbindung zu bringen. Viel eher musste man sich selbst das Besondere wie Rosinen aus einem halbgar gebackenen Stollen herauspicken. Die anschließende Diskussionsrunde war zudem nicht in der Lage, die angesprochenen Defizite abzumildern und geriet stattdessen zu einem Jahrmarkt der Eitelkeiten.
Traurig daran stimmt vor allem, dass Star Trek wie eingangs demonstriert, sehr wohl über ein großes Reservoir an Bezügen zum Kalten Krieg verfügt, das die Erlebenswelt der damaligen Autoren unweigerlich tangierte. Das Material wurde nur schlichtweg für diesen Vortrag gar nicht berücksichtigt.
Der bittere Schluss aus diesen Erfahrungen ist daher einer, der dem ein oder anderen Sammler von Merchandise-Artikeln schon längst bewusst geworden ist: Man muss auch als Fan nicht unbedingt jedes Produkt kaufen, nur weil in Großbuchtstaben "Star Trek" auf dem Etikett geschrieben steht.

Denkwürdiges Zitat:

"Ich denke, das war ein großer Abenteuerspielplatz."
Gerlinde Waz



Weiterführende Leseliste:

Strifes' Meinung zum Vortrag

7 Kommentare:

  1. Oh, da schein ich ja wirklich nichts verpasst zu haben.

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  2. Ich war schon sehr neugierig auf Deine Rezension, und ich muss sagen, sie fiel milder aus, als ich gedacht habe! Ich habe mich persönlich sehr geärgert, wenn auch zum Schluß weniger über den Vortrag (schließlich war der ja nicht aus Sicht eines Star Trek Nerds ala Zitt oder Błażek - das muss an dieser Stelle mal erlaubt sein - gehalten worden). Nein, vielmahr habe ich mich über die Ansammlung von alternden Pseudointellektuellen und Selbstdarstellern und "Sich-selbst-gern-Hörenden-egal-ob-das-jemand-anders-hören-will-oder-nicht" geärgert. Eine mir nahestehende Person fasste das gut zusammen: "...Hauptsache viele Fremdworte verwenden!" Es scheint da eine Szene von Professoren im Ruhestand zu geben, denen es einfach fehlt, vor einer Ansammlung von Studenten zu stehen und die deshalb jedes Thema beackern, um damit dann irgendwie ein Publikum zu langweilen. Können die nicht zu Hause in ihrem Garten ihren mehr oder weniger verdienten Lebensabend genießen? Ein wirkliches Interesse an diesen Themen hat ja scheinbar keiner, oder seit ihr mal angesprochen worden, Erfahrungen und Ansichten auszutauschen, also auch mal anderer Meinungen zu hören? Es geht nur um das "Vortrag halten" eben! Du hast es gut auf den Punkt gebracht: Nicht jedes Produkt mit einem schillernden Namen ist es wert!

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  3. Auch ich kann mich dieser Meinung anschließen. Mir persönlich stieg schon während des Orion-Teils die Galle hoch, ob der Vortragsweise. Dabei fühlte ich mich sehr an meine Studienzeit erinnert, in der Magisterstudenten häufig der Meinung waren, eine vernünftige Form wäre nur für Lehramtsstudenten wichtig. Dass aber ein promovierter Wissenschaftler viel häufiger Vorträge halten muss und dies auch vor wesentlich anspruchsvollerem, erwachsenerem und (wahrscheinlich) gebildeterem Publikum als ein Lehrer, wollten sie damals nicht wahr haben. Hier zeigte sich, dass es dem Referenten eigentlich egal war, wie er beim Gegenüber ankommt - außer vielleicht bei seinen anwesenden Kollegen und Freunden.
    Was das Fehlen an Quellenangaben angeht kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass er nicht nur an der Universität, sondern auch an der Schule durchgefallen wäre.

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  4. Dass das mit dem Gleichgewicht des Schreckens auch ziemlich in die Hose gehen kann, zeigt Die Entscheidung des Admirals.

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