Einleitung.
Tribbles sind ein fester Bestandteil des Star-Trek-Mythos'. Seit ihrer Einführung in der Originalserie erfreuen sie sich einer großen Beliebtheit bei den vielen Fans der Franchise. Sie sind längst als Kartenspiel, Hausschuhe und natürlich als Kuscheltier erhältlich.
Kein Wunder also, dass viele andere Star-Trek-Ableger auf diesen Zug aufgesprungen sind. So spielen die possierlichen Tierchen neben dem umstrittenen Auftritt in der animierten Serie ebenfalls eine gewichtige Rolle in der legendären Deep-Space-Nine-TOS-Crossover-Episode "Immer die Last mit den Tribbles", erhielten einen denkwürdigen Kurzauftritt in der Enterprise-Folge "Böses Blut" und waren von lebensrettender Bedeutung im Abrams-Reboot-Film "Into Darkness".
Nun schickt sich Discovery an, den kleinen Kult-Objekten einen eigenen Short Trek zu widmen, nachdem sie bereits kurz in "Lakaien und Könige" zu sehen waren und in "Bruder" in einem Nebensatz erwähnt wurden.
Story.
Lynne Lucero hat es geschafft. Nachdem sie sich an Bord der USS Enterprise einen Namen als begabte Wissenschaftsoffizierin gemacht hat, wird sie als Captain auf das Forschungsschiff USS Cabot transferiert, wo sie eine Hungersnot auf einem Planeten nahe der klingonischen Grenze bekämpfen soll.
Aber schon ihr erstes Team-Meeting läuft aus dem Ruder, als sie ihren Offizier Edward Larkin kennenlernt. Der eigenbrötlerische Biologe überschreitet gleich mehrere Grenzen und beginnt schließlich hinter dem Rücken seiner neuen Vorgesetzten an ihrem Stuhl zu sägen, Befehle zu verweigern und genetische Experimente an einer neu entdeckten Lebensform namens Tribbles durchzuführen. Tatsächlich zeigen sich schnell Resultate: Das Schiff wird von einer wahren Flut der kleinen Kuscheltiere überschwemmt, so dass dem frisch gebackenen Captain nur noch eine Lösung bleibt…
Loebenswerte Aspekte.
Sonderblick.
Der Vorteil an den Mini-Episoden namens "Short Treks" ist es, in der Viertelstunde Laufzeit einen völlig anderen Blickwinkel zu präsentieren.
Diesem Motiv bleibt auch "The Trouble with Edward" treu und behandelt einen selten ausgeleuchteten Teil des Sternenflotten-Alltags. Wir sehen nämlich, wie ein Captain (in dieser Rolle wird mit der Alita-Darstellerin Rosa Salazar ein besonders hochkarätiger Gaststar für dieses Format aufgefahren) ihr neues Kommando antritt und dabei nicht auf einen hochdekorierten Schlachtkreuzer, sondern eher ein kleines popeliges Forschungsschiff versetzt wird. Wir erleben ihre ersten Zusammenkünfte mit den neuen Untergebenen, erste soziale Konflikte (mit dem anderen hochkarätigen Gaststar, dem Synchronsprecher H. Jon Benjamin) und beinharten Kommandoentscheidungen.
Dafür bleibt in den anderen Star-Trek-Serien nur vergleichsweise wenig Raum, nicht zuletzt, weil die Charaktere entweder auf die Vorzeige-Schiffe der Flotte versetzt (z.B. in TNG oder "Enterprise") oder aus Gründen der Dramatik munter verschiedene Crews zu einem munteren Haufen zusammenwürfelt werden (z.B. in DS9 oder "Voyager").
Immer wieder bemüht sich die Kleinstfolge – nicht zuletzt durch aufwändige Kamerafahrten, Schnitte und Einstellungen – um eine andere Perspektive und auch die Moral, dass man überall Idioten und den Folgen ihrer Dummheit hilflos ausgesetzt ist, ist eine so schöne wie zeitlose Moral.
Kritikwürdige Aspekte.
Balance.
Eines der Probleme dieser Folge liegt in seiner fehlenden Ausgeglichenheit.
Obwohl es primär darauf ausgelegt zu sein scheint, billige Lacher zu erzeugen (ein Mann in Unterhose, Tribbles im Staubsauger oder eine Conflakes-Werbepersiflage), versucht die Folgen immer wieder auch andere Genres in scheinbar ironischer Weise zu bedienen.
Horrorelemente, die allerdings Trash-Streifen wie "Night oft the Lepus" wie Beispiele hoher Inszenierungskunst wirken lassen.
Oder Action-Anleihen, wobei eine atemberaubende Flucht vor Tribbles in etwa so platt klingt, wie es auf der Mattscheibe dann auch herüberkommt.
Die Balance-Schwierigkeiten setzen sich aber auch innerhalb des Aufbaus fort. So fallen einige Szenen wie die Diskussion zwischen Lucero und Larkin im Bereitschaftsraum deutlich zu lang aus, während die Evakuierung des Schiffes (mit nur einem Shuttle??) hingegen arg kurz ausfällt.
Nicht minder Grund zur Sorge bereit das eigentliche Hauptthema der Folge:
Die ach so süßen Tribbles.
Die werden nämlich von den Autoren völlig neu ausgerichtet und um Aspekte ergänzt, die es entweder in den Vorgängerserien nicht gab oder den dortigen Angaben widersprechen (vergleiche Kanonbrüche und Logiklöcher). Den einzigen Nutzen den die Star-Trek-Vorbilder hier haben ist, als Inspirationsquelle für eine Handvoll Einstellungen zu dienen, die ein falsches Nostalgiegefühl befeuern sollen.
Der größte Bruch der Folge ist und bleibt allerdings die merkwürdige Werbeeinblendung nach dem Abspann der Episode. Nicht nur, dass sie merkwürdig deplatziert wirkt und in etwa so sehr zum Lachen animiert wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung; sie bleibt auch ein Fremdkörper in einer Franchise, in der Geld keine Rolle mehr spielen soll.
Glaubwürdigkeitsverlust.
Mit "The Trouble with Edward" bietet CBS vor allem sinnentleerten Fanservice, der bereits mit dem Mini-Auftritt der USS Enterprise und dem überschaubaren Auftritt Anson Mounts als Christopher Pike beginnt. Dass dann auch noch die Tribbles bemüht werden, um den Fans einen vermeintlichen Leckerbissen hinzuwerfen, passt ebenfalls ins Bild.
Doch dafür geht Autor Graham Wagner über Leichen.
Insbesondere die Edward Larkins.
Klar habe ich mich gefreut, dass H. Jon Benjamin einen Star-Trek-Gastauftritt erhält, aber die Anlage seiner Figur passt auf keine Kuhhaut. Da muss man schon seiner Vorgesetzten Lucero Recht geben, die im Privatgespräch mit ihm das zentrale Problem punktgenau umreißt:
"I don't know how you made it this far in your carreer behaving like this."
Meine sehr freie Übersetzung dazu:
"Ich habe keine Ahnung, wie sie mit ihrem Benehmen in ihrer Karriere so weit gelangen konnten."
Eine berechtigte Frage, wenn man bedenkt, wie elitär die Sternenflotte bei der Auswahl seiner Rekruten vorgeht und welche psychologischen Zulassungsprozeduren junge Kadetten über sich ergehen lassen können.
So gesehen kann man zusammen mit Lucero rätseln, wie jemand wie Edward Larkin überhaupt in den Sternenflottendienst gelangen konnte, wenn ihm das Verständnis für simple moralische Fragen fehlt, er die eigene DNA im Bestäubungsverfahren mit der fremder Lebensformen kreuzt und nicht in der Lage ist, ein intuitives Gerät wie ein PADD zu bedienen. Nein, Larkin ist kein sympathischer Loser wie Reginald Barclay, sondern ein Beispiel für einen Autor, der nicht einmal im Ansatz begriffen hat, welchen erzählerischen Rahmen er einhalten sollte.
Aber es ist nicht allein die Glaubwürdigkeit, die der unnahbaren Figur verloren geht.
Es ist auch seine Würde.
Spätestens nämlich, als Larkin in Unterhose über die Flure der USS Cabot schlendert, wird seine Erscheinung zu einem Sinnbild für diesen Short Trek und dessen eigene Position im größeren Star-Trek-Gefüge.
Kanonbrüche und Logiklöcher.
Vor allem ist "The Trouble with Edward" ein Short Trek, der sich nicht in das größere Gesamtbild einpasst. Beim Anschauen bleiben nämlich eine ganze Reihe von Fragen offen.
Wenn etwa die Trill damals schon zur Föderation gehören, warum musste sich Jadzia Dax in "Immer die Last mit den Tribbles" ihre Flecken überschminken?
Warum hat Pille bei seiner Untersuchung der Fellbälle in "Kennen Sie Tribbles" nicht bemerkt, dass sie menschliche DNA enthalten?
Und wie können Tribbles derart aufsehenerregend zur Evakuierung eines Föderationsschiffes führen, eine ganze Zivilisation zur Evakuierung zwingen und die Grenzregion zu den Klingonen destabilisieren ohne dass die gesamte Crew der Enterprise NCC-1701 davon weiß?
Das sind nur drei Fragen, die man der Folge stellen muss. Mit der Idee, den Spieß umzudrehen und den Ärger mit Tribbles ("The Trouble with Tribbles") thematisch zurück auf die Menschen zu münzen ("The Trouble with Edward"), hat man sich nämlich unnötigerweise auch massenhaft Folgefehler eingebrockt.
Jene Lieder auf den glorreichen Sieg der Klingonen gegen die Tribbles, die Odo in "Immer die Last mit den Tribbles" so sarkastisch vorgeschlagen hatte, wirken jetzt jedenfalls nicht mehr ganz so amüsant wenn man sich vor das Innere der Augen zurückruft, wie Sternenflottenoffiziere mit Phasern bewaffnet Tribbles wie Moorhühner abschießen, nur um kurz darauf vor einem Fell-Tsunami zu fliehen.
Zudem ist mir nicht so ganz klar, wie ein Tribble beim Sturz vom Schreibtisch sterben kann, aber seine eigene, kanonenschussartige Geburt überlebt.
Die niedlichen, aber harmlosen Kreaturen wurden für ein fragwürdiges Gleichnis geopfert und mit vielen Neuerungen gespickt, die nicht nur Widersprüchen auslösen, sondern auch einfach keinen Sinn ergeben.
Denn Tribbles, die sich derart rasant vermehren, Kabel durchbeißen und nicht zuletzt Edward Larkin in der wahren Tribblesflut töten, widerspricht schlichtweg allen vorherigen Darstellungen der harmlosen Vielfraße.
Wusste Wagner etwa nicht was er tat?
Die Hinweise legen eher das Gegenteil nahe.
Die Erwähnung der Heimat dieser Wesen auf Iota Geminorum IV und ihr Wert als Fleischlieferant lassen sich auf Bermerkungen Phlox' zurückführen, die er in der Enterprise-Episode "Böses Blut" zum Besten gab. Das Problem daran ist aber, dass Phlox im gleichen Atemzug davon berichtet, dass die exponentielle Fortpflanzungsrate der Tiere ihren Fressfeinden gegenüber den entscheidenden evolutionären Vorteil bringt. Diese Aussage steht mit dieser Folge allerdings im Widerspruch mit den Ausführungen Larkins, der die Reproduktion der Tribbles gegenteilig beschreibt.
Das bedeutet, dass sich Wagner bewusst dafür entschieden haben muss, diesen Fakt zum Wohle einer löchrigen Story zu ignorieren, weil er ihm nicht in den Kram gepasst hat.
Wenn eine Facepalm allein nicht ausreicht... |
Fazit.
"The Trouble with Edward" bringt die Tribbles zurück in den Fokus. Die Folge ist gut besetzt, handwerklich gut gemacht und bietet einen Einblick in den Sternenflottenalltag, den man vergleichsweise selten erhält.
Doch das alles wird durch einen Autor zunichte gemacht, der sich keine Mühe gegeben hat, die Folge ausgeglichen zu gestalten, der Glaubwürdigkeit des Settings Tribut zu zollen oder den Kanon zu beachten.
Mehr noch; durch die Verkehrung des Tribbles-Motivs zu einem menschgemachten Problem begeht er einen kalkulierten Kanonbruch, der die gesamte Folge aus dem Lot bringt.
Bewertung.
So sehenswert wie Edward Larkins gebrauchte Doppelrippschlüpfer.
Schluss.
Ein Tribble macht noch keinen Sommer.
Nur weil sich Graham Wagner hier eines beliebten Motives bedient, dass sich unter Fans großer Popularität erfreut, muss es nicht zwangsweise bedeuten, dass dabei auch ein gutes Produkt entstanden ist. Tatsächlich wirkt selbst die TAS-Episode "Mehr Trouble mit Tribbles" im Hinblick auf diese Begegnung mit Tribbles plötzlich viel besser als noch vor wenigen Tagen – und die wurde von einem farbenblinden Regisseur verwirklicht, dem wir rosa Tribbles verdanken.
Aber "The Trouble with Edward" hat auch etwas Gutes. Eindrucksvoll zeigt es noch einmal die absolute Unfähigkeit der Autoren und Produzenten auf, sich in einer Epoche zu bewegen, die vom offiziellen Kanon eingegrenzt wird und unterstreicht damit abermals deutlich, wie wichtig es gewesen ist, die Discovery vor ihren eigenen Drehbuchautoren zu schützen, indem man das Schiff in eine neunhundert Jahre entfernte Zukunft entkommen ließ.
Denkwürdige Zitate.
"I'm not dumb."
Edward Larkin
"I made one oft he most important scientific discoveries of our time. I'm not the dumb one."
Larkin
"He was an Idiot."
Lynne Lucero