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Mittwoch, 7. Februar 2018

Turons Senf zur vierzehnten Folge Discovery




Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält massive Spoiler auf die vierzehnte Discovery-Folge "Flucht nach vorn" und sollte nur dann gelesen werden, wenn man diese und die vorangegangen Episoden bereits gesehen hat.


I. Einleitung.
Dieses Mal will ich es ganz bewusst aus der Rezension ausklammern:
Die Serie Discovery ist das Produkt einer sorgfältigen Arbeit.
Auch dieses Mal gibt es außergewöhnliche Ansichten, beeindruckende Szenenbilder und einen fesselnden Soundtrack. Es ist eben State-of-the-Arts, was da präsentiert wird, wobei nur selten traditionelle Stilmittel bemüht werden, die vor J.J. Abrams Star Trek ausgemacht haben.
Dahingehend betritt Discovery definitiv Neuland und hebt sich von seinen Geschwistern deutlich ab. Sie markiert einen spürbaren Neuanfang, den sie optisch, erzählerisch und auch inhaltlich vertritt.


II. Story.
Zurück im Heimatuniversum werden Captain Saru und seine tollkühne Crew mit den Auswirkungen des Krieges gegen die Klingonen konfrontiert, als Admiral Katrina Cornwell die Discovery übernimmt. Stück für Stück wird allen Beteiligten klar, dass ein Sieg gegen die Klingonen nur dann möglich ist, wenn man das Kampfgeschehen von der Erde zurück zur Heimatwelt der Kriegerkultur bringt.
Schlüssel zum Erfolg ist ein Plan, den Michael Burnham nach einem Gespräch mit der Imperatorin des Spiegeluniversums ausheckt. Doch ihr Plan hat einige Schwachstellen. Zum einen müssen die Admirale der Sternenflotte davon überzeugt werden und zum anderen benötigt die Discovery zur Ausführungen dringend neue Pilzsporen, um den Myzel-Antrieb nutzen zu können. Und als wäre das noch nicht genug, verfolgt auch die Imperatorin mit diesem Plan ganz eigene Ambitionen…


III. Lobenswerte Aspekte.

Charaktermomente.
Auch wenn man vieles an Discovery bemängeln kann, kommt man nicht umhin seine Darsteller zu loben.
In dieser Folge hat sich in meinen Augen insbesondere der Brite James Frain als Sarek hervorgetan – mal ganz abgesehen davon, ob sein Auftauchen ausgerechnet als Handlanger der später so sehr von ihm verachteten Sternenflotte jetzt unbedingt notwendig war.
Aber Frains Darstellung ist über jeden Zweifel an ihrer Sinnhaftigkeit erhaben, denn der Schauspieler kleidet seine mit einem dunklen und tiefsinnigen Humor ausgestattete Figur gleichermaßen mit einem stoischen Ernst, als auch einem unsichtbaren Lächeln im Gesicht. Hinzu kommt in dieser Episode ein wahrlich düsterer Anstrich, als Sarek beginnt, Fragen mit Gegenfragen auszuweichen, seine Ziehtochter in puncto Mittelwahl zu hintergehen und Opfer einer vermeintlichen Logik zu werden, die zwar nicht unvulkanisch, aber dafür extrem unmoralisch ausfallen dürfte. Es mutet beinahe ein wenig danach an, als würde er in die Fußstapfen Lorcas treten oder sich zumindest von einer ähnlich drastisch argumentierenden Person blenden lassen.
Das perfekte Gegenstück zu diesem Charakter bildet Sylvia Tilly.
Mal ganz ehrlich: Tilly ist nicht perfekt. Weder ist sie so gertenschlank wie Hollywood es vorgibt, noch ist ihr Charakter ein Muster menschlichen Edelmutes. Stattdessen sabbert sie im Schlaf, redet eindeutig zu viel und bedient sich einer wenig feinen Ausdrucksweise.
Und dennoch kommt immer wieder ihr die Aufgabe zu, den  Zuschauer an das Beste im Menschen zu erinnern. Mit ihrem naiven Optimismus oder ihrer optimistischen Naivität bildet sie einen Anker aus Anstand und Moral für Burnham, Stamets und eigentlich jeden, der die Serie sieht.
Der große Verdienst Paul Stamets' in dieser Folge war es hingegen, wieder so etwas wie ein Stück Forschergeist in die Serie gebracht zu haben, nachdem der allgemeine Fokus viel zu lange nur auf Krieg, Mord und Totschlag gelegen hat. Seine Szenen zur Genesis-artigen Pilzneuzüchtung fühlten sich wie eine Oase in einer lebensfeindlichen Sandwüste an, die weit mehr Anklänge an den ursprünglichen Star-Trek-Gedanken boten als der Großteil der restlichen Einstellungen.


Und auch wenn der Kelpianer Saru sich kommandotechnisch wieder zurücknehmen musste, blieb auch er jemand, der mittlerweile in das Amt eines Captains hineingewachsen ist und sowohl die taktischen, moralischen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten zeigt, die für den Platz auf der Mitte der Brücke notwendig sind. Wenn ich allerdings seine Gefahrenganglien in Erscheinung treten sehe, frage ich mich von jetzt an stets, wie sie wohl schmecken würden…
Ash Tylers Auftritte waren von Licht und Schatten begleitet. Strahlen konnte er vor allem, wenn ihm eine der edelsten menschlichen Emotionen zuteilwurde: Vergebung.
Einige der großartigsten Szenen der gesamten Folgen, nämlich seine Begegnung mit Stamets und jene mit seinen Crew-Kameraden in der Messe zeigten deutlich die Nuancen, die dieser Begriff bietet.
Doch auch die mit Abstand fürchterlichste Szene der Folge geht auf sein Konto. Seine Begegnung und Aussprache mit Burnham hatte so schmerzhaft fremdschämenswerte Seifenopernzüge, dass man sich selbst als Zuschauer lieber ins luftleere Vakuum des Alls als in diesen Raum gewünscht hatte. Manchmal kam außerdem der Gedanke auf, dass Shazad Latif nur wegen seiner erstaunlichen Fähigkeiten zum Dackelblick mit dieser Rolle betraut wurde. So blieb sein Auftritt zwischen Genie und Wahnsinn und hinterließ trotz einiger Hochmomente am Ende einen sehr faden Beigeschmack.


Und damit will ich noch nicht einmal sagen, dass ich Burnhams Motivation, Tyler aus dem Wege zu gehen, nicht nachvollziehen kann. Ihr vermeintlicher Abschied von Tyler verwischt aber jegliche Spur verständlicher Motivation, um irgendwo zwischen Rosamunde Pilcher und Roland Kaiser Schiffbruch zu erleiden.
Geärgert hat mich zudem, dass sie sich schon wieder als Spielball fremder Interessen einspannen lässt, vor allem, weil sie schon wieder nicht in der Lage ist, ihre persönlichen Gefühle unter Kontrolle zu halten. Es ist ein wenig so, als wäre sie gerade mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen nur um aufzustehen und das gleiche noch einmal zu tun.
Widersprechen muss ich bei aller Kritik an ihrer Figurenmotiviation allerdings, wenn mal wieder Reue als vermeintliches Übel ins Feld geführt wird. So kurz vor Ende wage ich an dieser Stelle einmal die Prognose, dass genau dieser Aspekt ihrer Menschlichkeit nicht nur zu ihrer großen Stärke werden wird, sondern am Ende (also in der nächsten Episode) wohl den Tag retten dürfte.
Ihr Spiegeluniversums-Entführungsopfer Philippa Georgiou hatte ungleich weniger Raum und verwandelte sich von einem vergleichsweise vielschichtigen Charakter in der letzten Folge zurück in den typischen Spiegeluniversumsbewohner, um – kaum verschleiert – die Position Lorcas an Bord der Discovery neu zu besetzen.


Ein Totalausfall in meinen Augen bildete aber erst Admiral Katrina Cornwell. In einem Anflug wirren Wahns schießt sie auf wehrlose Glückskekse, verliert mitten in einer Gefahrensituation die Kontrolle über sich sowie das ihr anvertraute Schiff und lässt immer wieder wehrkraftzersetzende Äußerungen fallen.
Am Ende fragt man sich, ob sie es in irgendeiner Form besser als jener Lorca macht, dem sie ähnliche Verhaltensweisen vorgehalten hatte. Zudem ist nicht unbedingt klar, warum ausgerechnet sie derlei Reaktionen zeigt, da sie vertrauter mit dem aktuellen Krieg ist als jeder andere an Bord, dem man entsprechende Reaktionen vielleicht noch nachgesehen hätte.
Für die übrigen Schauspieler wie L'Rell oder Doktor Pollard gab es nur wenig Platz zu Entfaltung. Immerhin kann man die vermehrte Zeit, die die Kamera Nebenrollen wie Detmer, Airiam oder Bryce gönnte, als positives Zeichen für die kommende zweite Staffel deuten.


Der Krieg als Metapher.
Noch in der letzten Woche habe ich an dieser Stelle kritisiert, dass es Discovery nicht vermochte, tagesaktuelle Geschehnisse in adäquater Science-Fiction-Manier auf den Bildschirm zu transportieren. Diesen Vorwurf muss ich nunmehr zurücknehmen, denn den Drehbuchautoren ist eine glänzende Metapher auf asymmetrische Kriegsführung gelungen, ohne mit der Moralkeule wild um sich zu schlagen.
Sarek formulierte es wiefolgt:

"Durch die Abwesenheit eines Anführers haben die klingonischen Häuser sich wieder entzweit. Zu Beginn des Krieges haben wir gegen einen Feind gekämpft; jetzt bekämpfen wir vierundzwanzig. Sie liegen untereinander im Streit infolge ihrer unbeherrschten und kampflustigen Natur, aber trotz allem verbindet sie ein gemeinsames Ziel: Sie wetteifern um die Vorherrschaft indem jedes Haus versucht, die meisten Föderationsziele zu zerstören. Wir sind Kanonenfutter in ihrer feudalen Auseinandersetzung. Unsere Toten sind ihre Beute."

Dieses Dilemma zwingt uns eine spannende Frage auf:
Was macht eine Gesellschaft, die zwar bereit ist, im Angriffsfall militärisch zu antworten, aber einer Kriegsform gegenübersteht, gegen die sie kaum etwas auszurichten vermag?
Die gleiche Hilflosigkeit, mit der westliche Demokratien dem islamistischen Terror begegnen, zeigt sich hier an der Föderation. Der Gegner verhält sich traditionellen Vorstellungen der Taktik gegenüber unlogisch, stellt nicht einmal Forderungen und am Ende droht er einer utopischen, toleranten und fortschrittlichen Zivilisation den Garaus zu machen. Das ist deutlich subtiler als die Xindi-Sonde, die ausgerechnet die USA angreift, auch wenn man bei der Ansicht des klingonischen Heimatplaneten deutliche Zentren des islamischen Terrors (vor allem aus amerikanischer Sicht) wie die Küstenlinie von Marokko bis Ägypten und den Persischen Golf für meinen Geschmack etwas zu deutlich ausmachen kann.
Der einzige Schatten an dieser tollen Metapher ist die plumpe – sehr amerikanische – Lösung für das Problem (hier aus der Perspektive der Imperatorin):

"In meiner Welt ist Qo'noS kaum mehr als ein verkohlter Haufen Asche im All."

Der Ansatz, mit genügend Bomben auf ein konkretes Ziel den Konflikt auszulöschen, ist in der internationalen Politik mittlerweile als Irrweg erkannt worden und es besteht die – wohl mehr als berechtigte Hoffnung, dass Burnham und die Crew der Discovery einen anderen Weg finden wird, als dem geheimnisvollen Plan der Imperatorin zu folgen. Denn bislang scheint die Sternenflotte die Missetaten Burnhams noch einmal übertrumpfen zu wollen und hat offensichtlich nichts aus ihrem blinden Glauben an Lorca gelernt – eine weitere offensichtliche wie traurige Parallele an die Erfahrungen mit asymmetrischer Kriegsführung in unserer Zeit.



IV. Kritikwürdige Aspekte.

Die totale Verunsicherung.
Diescovery ist Fake News.
Sie füttert uns gezielt mit Falschinformationen, tritt gezielt mit punktuellen Bemerkungen in die Tränendrüse und hält somit das Gewissen eines jeden Zuschauers in Geiselhalft.
Das zeigt sich ganz besonders in dieser Episode.
Nachdem die erschreckende Karte aus der letzten Folge uns ein Ende der Föderation suggerierte, erfahren wir nun, dass nicht einmal zwanzig Prozent des Föderationsgebietes tatsächlich unter klingonischer Kontrolle stehen.
Klar wäre es nicht schön, wenn Österreich urplötzlich ganz Bayern besetzen würde (ca. 19,76% des Bundesgebietes), aber bedeutet das denn gleich automatisch, dass damit die ganze Bundesrepublik dem Untergang geweiht ist?
Immer wieder werden wir Zeuge von solchen Cliffhangern, die sich als überdramatisiert entpuppen (wie etwa Lorcas Aufenthalt in einer Agoniezelle), irreführende Erwartungen schüren und absichtliche falsche Fährten legen.
Hinzu kommen Kommentare auf arme Weisenkinder ("Kann denn nicht einmal jemandan die Kinder denken!?"), die wohl nicht nur auf Burnham, sondern auch den Zuschauern seine Wirkung haben sollen.
Am Ende glaubt man jedenfalls gar nichts mehr und zweifelt an allem.
Ist etwa Tyler wirklich nicht mehr Voq oder ziehen die Schreiber nochmal die Toten aus dem Grab?
Soll Lorcas Original wirklich im Spiegeluniversum ein Ende gefunden haben?
Bleibt Discovery wirklich ein Produkt der Original-Zeitlinie oder entpuppt es sich am Ende doch als eigenständige Realität neben den bislang bekannten?
Gerade, wenn man sich die Folgen noch einmal ansieht, erfüllt es einen mit Scham, dem ausgelegten Köder so bereitwillig geschluckt zu haben, voller Begeisterung nach Luft geschnappt zu haben und vor allem alles für bare Münze genommen zu haben.
Discovery bedient sich Propaganda-Mittel, die der Serie vor allem Glaubwürdigkeit kosten. Zwar liegt auch ein guter Teil ihrer modernen Spannung darin begründet, aber häufig geht dieser Trend zu Lasten der Figuren, deren Motivation darunter leiden.
Vor allem, weil diese Folge es schwer hat, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie ist die erste Hälfte – nicht einmal der erste Teil! – einer längeren Episode, die die finale Lösung einläutet. Es wäre wünschenswert gewesen, dass man diese beiden Folgen (wie die ersten beiden ja auch) gleich im Doppelpack ausgestrahlt hätte.


Spiegelungen.
Manche Leute halten es ja für intelligentes Schreiben, wenn man die Erzählmuster spiegelt, um bestimmte Aspekte überdeutlich herauszukehren. Bei Discovery ist es aber längst krankhaft geworden, einzelne Aspekte ein ums andere Mal aus dem Kleiderschrank zu kramen.
So werden wir in „Flucht nach vorn“ einmal mehr Zeuge, wie Burnham jemanden fragt, wie man die Klingonen besiegt.
Wieder einmal muss ein Verräter sich an Bord der Discovery erst beweisen.
Und wieder einmal wird eine abgründige Figur mit Mut zu außergewöhnlichen Maßnahmen auf den Captains-Stuhl der Discovery gesetzt, um die Menschlichkeit aus Burnham und Co. herauszukitzeln.
Die Serie verliert sich mehr und mehr in lauter Motiven, die es in vorherigen Folgen bereits gegeben hat und nun wiederum gespiegelt, neuinterpretiert oder anderweitig ausgeschlachtet werden. Es ist wie in einem Sushi-Restaurant mit Fließband, auf dem die gleichen Speisen immer wieder an einem vorbeikreisen, ohne dass sich der Hauptgang blicken lässt. Auf der Leinwand manifestiert es sich vor allem in gähnend langweiliger Wiederholung eines immer gleichen Themas, dem man irgendwann nur noch achselzuckend Gleichmut entgegenbringen kann.


Logiklöcher und Kanonbrüche.
Ich kann mir nicht helfen, aber diese ganze Tyler-Voq-Verwandlungs-Prozedur macht umso weniger Sinn, je öfter man davon hört. Aber sie ist nur einer von vielen Aspekten, die an der Glaubwürdigkeit nagen.
Warum etwa sind im Enter-Trupp Cornwells so viele hochrangige Admirale anwesend? Ist es in dieser Situation nicht viel zu gefährlich, die wenigen verbliebenen Militärführer derart in Gefahr zu bringen?
Und was ist mit den anderen Kernwelten der Föderation? Warum versuchen die Klingonen nicht, Tellar, Vulkan oder Andoria anzugreifen, obwohl diese Planeten laut des verwendeten Kartenmaterials auf direktem Weg zu Erde liegen müssten?
Und wo sind die Klingonen, die laut Sarek den ganzen Quadranten durchkämmen?
Sie schaffen es weder, die Admirale, Sarek oder die Discovery in irgendeiner Form zu beeinträchtigen, noch eine frisch eroberte Sternenbasis zu sichern.
Vor allem aber die extensive Verwendung des omnipotenten Myzel-Netzwerks wird nahtlos fortgeführt. Nun wissen wir auch noch, dass das Wunderzeug problemlos auf jedem unbewohnten Mond neugezüchtet werden kann – dem erzählerischen Allheilmittel werden auch noch die letzten Beschränkungen vom Leib geschrieben.
Schade eigentlich.


V. Synchronisation.
Wieviel in der Übersetzung einer Star-Trek-Folge verlorengeht, merkt man spätestens, wenn aus "The War Whithout, The War Within" in der Sprache der Dichter, Denker und Diktatoren ein sprödes "Flucht nach vorn" wird.
Es gibt darüber hinaus die ein oder andere Ungereimtheit wie der Burnhams Satz "Das ist ein klingonisches Wappen. Von Haus D'Ghor!", die mir Bauchschmerzen bereiten. Andererseits stören mich die mitunter etwas flapsigen und saloppen Ausdrucksweisen ("Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen.") weniger, denn die Charaktere wirken damit etwas lebendiger. Selbst das Duzen und Siezen findet eine sinnigere Verwendung, weswegen sich die deutsche Variante am Ende doch ruhigen Gewissens sehen lassen lann.


VI. Fazit.
"Flucht nach vorn" ist vor allem unfertig. Sie markiert den halben Weg zur endgültigen Lösung und sie als Einzelfolge betrachten zu müssen ist mehr Ärgernis als Wohltat. Sie weist die üblichen Logiklöcher auf, verliert sich völlig darin, vorherige Ereignisse in vermeintlich neuem Gewand erneut zu spiegeln und büßt ziemlich an Glaubwürdigkeit ein. Vor allem Tylers Aussprache mit Burnham bleibt ein Tiefpunkt der gesamten Serie.
Seine Rückkehr in den Schoß der Crew war aber auch einer der Höhepunkte. Daneben bot sie für Sarek, Stamets, Saru oder Tilly viel Raum zum Glänzen und verstand es erstmals, die Thematik einer asymmetrischen Kriegsführung stilvoll in ein Science-Fiction-Gewand zu füllen.

Bewertung.
Unfertiger Appetitanreger.






VII. Schluss.
Bei allem Neuanfang fehlt mir eine gewisse Kompromissfähigkeit. Nur allzu deutlich hat man sich stilistisch bei Abrams angelehnt (Lens Flares, Wackelkamera, Design) und sich bestenfalls vereinzelte Rosinen aus dem Rest herausgepickt.
Habe ich der Serie zu Anfang noch zugutegehalten, dass es dafür immerhin darauf verzichtet, eine ähnliche Schneise der Verwüstung zu hinterlassen, muss ich diesen Punkt nunmehr revidieren. Der Krieg gegen die Klingonen hat mehr als ein Drittel der Flotte vernichtet, die Sternenbasis Eins ist gekapert worden und von der Schlacht am Doppelstern will ich lieber erst gar nicht anfangen zu erzählen.
Dadurch ist vor allem ein tiefer Graben zu ausgerechnet jener Epoche entstanden, vor der man sich (unverständlicherweise) positioniert hat. Ein Kirk und seine Auseinandersetzungen mit den Klingonen wirken im Lichte der in "Flucht nach vorn" beschriebenen Ereignisse jedenfalls kaum mehr schlüssig.
Es wird sich im kommenden Staffelfinale zeigen, inwiefern die Autoren hier der inneren Chronologie Star Treks entgegenkommen und wenigstens versuchen, die bisherigen Widersprüche aufzulösen. Aber selbst wenn wir wissen, dass Qo’noS wohl nicht in Schutt und Asche gelegt wird, beruht ein großer Teil der Spannung darauf, wie man jetzt noch die erzählerische Kurve meistern wird.


Denkwürdige Zitate.

"Ich könnte Entschuldigungen vorbringen. Dass ich versucht habe, das terranische Imperium zu destabilisieren. Dass die Sternenflotte von ihrem Wissen über ein anderes Universum profitiert. In Wahrheit konnte ich sie nicht nochmal sterben sehen, Saru. Sie hatte mehr verdient. Ich entschuldige mich."
Michael Burnham über die Imperatorin

"Dass Lorca ein Betrüger aus einem anderen Universum ist, war nun wahrlich nicht der naheliegendste Schluss. Wir alle wurden getäuscht."
Sarek über Lorca oder die gesamte Serie

"Niemand hat die Absicht ihre Kultur zu zerstören."
Admiral Ulbricht oder so

"T'Kuvma… war ein engstirniger Idiot!"
Cornwell zu L’Rell

"Jeder Pfad der Logik führt zu dem selben Ergebnis: Die Taktik der Sternenflotte ist gescheitert. Wenn wir sie nicht anpassen, verlieren wir jede Hoffnung auf ein Überleben."
Sarek

"Doch es liegt auch Anmut darin, denn kann man sich eine größere Quelle für den Frieden vorstellen als seinen Feinden mit Liebe zu begegnen?"
Sarek zu Burnham

"Bereue niemals, jemanden zu lieben, Michael."
Sarek

"Als wir im Universum der Terraner waren, musste ich daran danken, wie sehr ein Mensch von seiner Umgebung geprägt wird.  Und ich glaube der einzige Weg um zu verhindern, dass wir so werden wie sie, ist zu verstehen, dass wir alle eine dunkle Seite in uns haben und sie zu bekämpfen."
Sylvia Tilly

Weiterführende Leseliste.
01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"


Sonntag, 24. Juli 2016

Die Tafelrunde beantwortet die fünf brennendsten Fragen zur neuen Star Trek Serie


Einleitung.
Auf der momentan laufenden Comic Con in San Diego kam es selbst für Star-Trek-Fans, die sich nicht unter die anwesenden Besuchermassen mischen konnten, aufsehenerregende Neuigkeiten. In einer Pressekonferenz nach dem überfüllten Panel zur kommenden Serie stellte sich Bryan Fuller zusammen mit seiner Kollegin Heather Kadin den neugierigen Fragen der Presse und gab erste (vorsichtige) Einblicke in die neue Serie. Zudem veröffentlichte er über den Kurznachrichtendienst Twitter einen ersten Teaser zum Haupthandlungsträger der Serie:
Einem Schiff namens USS Discovery.



Wie wird die nächste Serie heißen?
Die  neue Serie wird nach dem Schiff den Titel "Star Trek Discovery" tragen. Damit ist den Produzenten ein ebenso programmatischer wie traditionsreicher Star-Trek-Titel gelungen. Zum einen bietet der Begriff (der Titel ließe sich auf deutsch in etwa mit "Entdeckung", "Enthüllung" oder "Fund" übersetzen) einen Einblick auf die Ziele, die Fuller sich (im Interview nach dem Panel) selbst für die siebente Star-Trek-Serie gesetzt hat:

"I feel like what the new series has to do is continue to be progressive, continue to push boundaries."

Meine bescheidene Übersetzung dazu:

"Ich habe das Gefühl, dass die neue Serie weiterhin den Fortschritt transportieren und weiterhin alle Möglichkeiten überschreiten muss."

Erstes Überschreiten von Möglichkeiten: Drei Warpgondeln?

Diesen ursprünglichen Geist transportiert der Name tatsächlich gut, wie Fuller weiter ausführte:

"There are so many reasons why we settled on Discovery. But the chief one amongst them was that I couldn't think of a more Star Trek-themed name for a ship than Discovery."

Meine wiederum bescheidene Übersetzung dazu:

"Es gibt so viele Gründe, warum wir uns auf Discovery geeinigt haben. Das Hauptargument war allerdings, dass ich an keinen Namen denken konnte, der mehr zu Star Trek passt als 'Discovery'."

Und das nicht nur als Ausblick auf mögliche Star-Trek-Grundthemen, zu denen die 'Entdeckung' neuer Welten, unbekannter Lebensformen und neuer Zivilisationen seit seiner Entstehung vor fünfzig Jahren fraglos gehört.
Das Spaceshuttle Enterprise hatte nämlich neben der Columbia, Challenger, Atlantis und Endeavour noch ein weiteres Schwesterschiff: Die Discovery. Die bereits bei Enterprise eingeläutete Rückbesinnung auf diese Traditionslinie (vgl. die NX-02 Columbia) wird auf diese Weise einfühlsam fortgesetzt.



Was erwartet uns in der neuen Serie?
Die beste Nachricht aus San Diego ist wahrscheinlich, dass die Serie definitiv in der Original-Zeitlinie spielen wird und sich nicht der von J.J. Abrams erdachten Kelvin-Verwerfung anschließt.
Ansonsten bleiben Informationen über die Serie noch immer spärlich gesät (was nicht zuletzt daran liegt, dass bislang noch nicht einmal Schauspieler für Discovery verpflichtet wurden).
Immerhin hat Fuller den Gerüchten, dass die Serie nach dem sechsten Kinofilm "Das unentdeckte Land" und TNG spielen würde, bereits eine deutliche Absage erteilt und auch die vergleichsweise niedrige Registrierungsnummer der USS Discovery NCC-1031 lässtwohl eher auf eine Zeit um oder vor TOS schließen.
Deutlich ist hingegen absehbar, wie die neue Serie aufgebaut sein wird. Die erste Staffel wird in dreizehn aufeinander aufbauenden Episoden, einer sogenannten Serial, ausgestrahlt werden. Eine ähnliche Folgenkonzeption gab es zuvor mit dem Xindi-Handlungsbogen lediglich in der dritten Staffel "Enterprise", der jedoch auf gemischte Reaktionen unter den Fans stieß.
Ferner gab Fuller bekannt, dass Gastauftritte bekannter Star-Trek-Gesichter innerhalb der Serie prinzipiell möglich seien. Auch beim unmittelbar anstehenden Casting zielen die Produzenten in bester Star-Trek-Tradition auf eine große Diversität der einzelnen Charaktere ab. Wie sich die Crew aber genau zusammensetzt, wird man wohl erst in den Meldungen kommender Tage erfahren können...


Wie kann ich mir die neue Serie in Deutschland ansehen?
Ab dem Januar 2017 werden die dreizehn Episoden der ersten Staffel im Wochentakt ausgestrahlt. Während sich die Zuschauer in den USA und Kanada dem neugegründeten Bezahl-Streaming-Dienst von CBS unterwerfen müssen, haben die Fans außerhalb Nordamerikas Glück im Unglück:
Sie können sich die einzelnen Folgen beim Internet-Stream-Konkurrenten Netflix ansehen, denn höchstwahrscheinlich verfügt CBS am Ende doch noch nicht über die nötigen Ressourcen und rechtlichen Voraussetzungen für einen weltweit operierenden Streaming-Dienst, weswegen die Rechte zusammen mit der Möglichkeit, auch alle anderen Star-Trek-Serien dort sehen zu können an den Pionier des Netzfernsehens veräußert wurden, der damit weiter Fuß auf dem europäischen Markt fassen will.
Der Haken ist natürlich, dass preiswerteste Netflix-Grund-Account 7,99€ im Monat kostet und Zugang zum Internet erfordert. Gegenüber einer von Werbeunterbrechungen finanzierten Ausstrahlung im Free-TV hat der Erwerb aber auch deutliche Vorteile für die hiesigen Fans. So werden die einzelnen Folgen spätestens vierundzwanzig Stunden nach der Premiere in den USA werbefrei verfügbar sein und wahrscheinlich in beiden Sprachen angeboten werden. Hinzu kommt, dass sich jeder Nutzer bei Netflix nicht nur jederzeit Discovery und alle anderen Star-Trek-Serien ansehen kann, sondern auch Zugang zu anderen spannenden Serien wie "Orange is the New Black" (mit Kate Mulgrew), "Daredevil" oder die teilweise in Berlin angelegte Sci-Fi-Serie "Sense8" der Wachowski-Geschwister erhält.
Ein weiterer Punkt, der gegen eine Free-TV-Veröffentlichung spricht, sind die Zugeständnisse die das Format an erzählerische Belange bietet. Dazu Fuller in einem Interview mit Collider:

"I think our runtime is flexible because it’s streaming."

Meine wiederum bescheidene Übersetzung:

"Ich denke unsere Episodenlänge ist aufgrund des Streamings flexibel."

Dahingehend wäre das hiesige Privatfernsehen mit seinen festen Werbeblöcken und Ausstrahlungszeiten weit weniger anpassungsfähig und bevor der ein oder andere Sender die Kürzungsschere zückt um eine vom üblichen Format abweichende Folge zurechtzustutzen, bleibt die Entscheidung für Fans wohl die bessere Wahl.



Wie sieht das neue Schiff aus?
Um es kurz zu sagen:
Die USS Discovery ist hässlich wie die Nacht.
Es erinnert an ein uneheliches Kind aus der USS Vengeance ("Into Darkness") und dem Enterprise-Modell Ralph McQuarries aus der  nie Wirklichkeit gewordenen Phase-II-Star-Trek-Serie der Siebziger Jahre.


Aber auch damit ist wahrscheinlich eine gewisse Programmatik verbunden. Es ist ein weiterer Hinweis auf die deutlichen Wurzeln in der Originalserie und der Absicht, einen Serienableger zu produzieren, der viel mit dem damals so ambitionierten Phase-II-Projekt gemein hat.
Opfer sind dabei allerdings die eleganten, geschwungenen Grundformen, die von der TOS-Constitution-Klasse, über die den Kinofilm-Refit, von der Galaxy-Klasse zur Voyager bis hin zur Abrams-Enterprise reichten. Vermutlich liegt darin aber eine absichtliche Abkehr von althergebrachten Sehgewohnheiten, mit denen die kommende Serie brechen dürfte.


Ist schon irgendetwas zum Pilotfilm bekannt?

Zwar ist der Inhalt bislang der ersten Episode der prominent besetzten Schreiber- und Produzentenriege um Fuller, Kadin, Alex Kurtzman, Trevor Roth, Nicholas Meyer, Rod Roddenberry und Kirsten Beyer vorbehalten, aber immerhin sickerten sich auch hier einige Informationen zur Produktion an die Öffentlichkeit.
So wird der Film – wie der Rest der Serie auch – erstmals in der Star-Trek-Geschichte nicht in Los Angeles, sondern im kanadischen Toronto abgedreht werden.
Die künstlerische Leitung wird der verdiente TV-Regisseur David Semel innehaben, dessen auffälligste Arbeit bislang der Pilotfilm zu "Heroes" gewesen ist. Darüber hinaus konnte man seine Arbeit in verschiedenen Episoden von "Homeland", "Dr. House", "Roswell" oder "Buffy" bewundern. Semel wurde von CBS für ein ganzes Pilotfilm-Paket verpflichtet und wird bis zum Drehbeginn für Discovery den Regie-Stuhl noch bei drei weiteren ersten Folgen verschiedener Serien führen.


Persönliche Schlussworte.
Auch wenn die beiden bislang veröffentlichten Teaser noch längst kein Offenbarungseid waren, bleibt im gleichen Atemzug festzuhalten, dass sie zum Setting, zur Handlung und der generellen Atmösphäre kaum nennenswerte Auskünfte liefern konnten. Auch wenn mir ganz persönlich das Design der Discovery wenig bis gar nicht zusagt, kann ich darüber hinwegsehen, wenn es der kommenden Serie gelingt, inhaltliche Ausrufezeichen zu setzen.
Darüber hinaus freut es mich als jemand, der ohnehin Netflix nutzt, dass es dem innovativen Internet-Fernseh-Anbieter gelungen ist, diesen großen Fisch ans Land zu ziehen.
Noch immer überwiegt die Vorfreude auf die Serie, die trotz eines ansehnlichen Abramstrek-Kinofilms für mich der Höhepunkt des Star-Trek-Jubiläumsjahr bleibt - nicht zuletzt, weil Star Trek bislang sein Potential vor allem in Serienform ausschöpfen konnte. In der Verlegung auf Internet-Streaming sehe ich eher ein Zeichen dafür, dass die Franchise auch marketingtechnisch endlich wieder mit der Zeit geht - das erste Mal seit TNG.



Freitag, 17. Oktober 2014

Turons Senf zur Perspektive der nächsten Star-Trek-Serie

Einleitung

Eigentlich hatte ich gar nicht vor, einen Senf zum ursprünglich von K'olbasa verfassten Abstimmungsartikel "Braucht Star Trek den Reboot?" zu schreiben, aber zum einen erregt der Artikel mehr Diskussionen als ich im Vorfeld geglaubt hätte und zum anderen war das, was ich als Kommentar darunter setzen wollte, viel (viel viel) zu lang für Blogspot, weswegen ich mir gedacht habe, dass ich das, was ich sagen will, auch genauso gut in einen eigenen Artikel packen kann.
Zur Erinnerung: K'olbasa befasste sich mit der Frage, wohin die Perspektive Star Treks nach der Reboot-Trilogie gehen wird (siehe dazu auch die Abstimmung auf unseren Block). Soll Star Trek sich allen Ernstes weiter mit der alternativen Zeitlinie aufhalten, die J.J. Abrams und seine Helfer kreiert haben oder lieber zu dem Universum zurückkehren, dass Star Trek über sechs Serien und zehn Kinofilme ausgemacht hat?

Bei meinen folgenden Betrachtungen beziehe ich mich lediglich auf eine potentielle neue Fernsehserie, denn Star Treks Heimat liegt keineswegs auf der Action-überfluteten Kinoleinwand, sondern auf der ungleich tiefsinnigeren Fernsehmattscheibe. Über kurz oder lang wird eine neue Fernsehserie produziert werden müssen, um das Franchise am Leben zu erhalten und neue Zuschauerschichten zu erschließen. 
Wie aber soll eine solche Serie unter den Vorzeichen der Absetzung des Vier-Staffel-Flops "Enterprise", nach drei Kinofilmen in einer alternativen Zeitlinie und einer generellen Durststrecke von Science Fiction im Fernsehen aussehen?

Sackgassen und Fan-Fantasien: Drei unausgereifte Ideen für neue Star-Trek-Serien

Durchforstet man das Internet nach Schlagworten wie "neue Star Trek Serie" oder "nächste Star Trek Serie", so findet man verschiedene Ansätze. Da kann man von potentiellen Netflix-Serien lesen, von einer Captain-Worf-Idee Michael Dorns oder von Schabernackeinträgen wie einem Star-Trek-CSI. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die Ideen trotz eines gewissen Charmes als kaum realisierbar, was Fans jedoch nicht abhält, ständig weitere Vorschläge zu machen, in welche Richtung sich die nächste potentielle Star-Trek-Serie bewegen müsste. Das Material würde wohl für eine ganze Artikelreihe reichen, weswegen ich mich an dieser Stelle einmal auf drei Ideen beschränken möchte, die in Gesprächen, Foren oder Kommentaren immer wieder hervorgekramt werden. Allerdings sind auch diese gutgemeinten Eingebungen keineswegs Allheilmittel, wie ich an dieser Stelle einmal exemplarisch aufzeigen möchte.


Irrweg #1: Die Star-Trek-Online-Zeitlinie

Star Trek Online hat es vorgemacht: Stabile Nutzerzahlen und eigene Story-Bögen führen den Fans immer wieder vor Augen, wie viel Potential in jenem unentdeckten Land steckt, das sich unmittelbar hinter den Ereignissen im Zuge der Zerstörung Romulus' im Jahr 2387 erstreckt.
Doch nehmen wir für einen Moment einmal an, dass die Produzenten tatsächlich diesen Zeitraum als Handlungsort einer neuen Serie ins Auge fassen: Es wäre das Aus für Star Trek Online und einer ganzen Bücherwelt, die sich seither einen eigenen Kosmos geschaffen hat.
Dafür gibt es sogar ein historisches Beispiel. Als 1987 mit TNG endlich eine neue Star-Trek-Serie nach fast zwanzig Jahren Durststrecke vom Stapel lief, bedeutete dies das Aus für viele Rollenspielideen, Buchinhalte und sogar Sprachen, die sich in der langen Zeit dazwischen ihre eigenen Erklärungen für die Lücken innerhalb des Kanons erschaffen hatten. So gerieten viele spannende Ideen wie etwa die Klingonenmundart Klingonaase, ganze Buchtrilogien wie z.B. "Star Trek: Die Anfänge" oder etwa die Raumschiffmodelle im "Starfleet Museum" Masao Okazakis zum Irdisch-Romulanischen Krieg unverdienterweise auf ein Abstellgleis.
Zu Beginn dieses "Reboots" gab es noch kein Internet und wie man sich sicherlich vorstellen kann, wären Schreiber, die sich über die bisherigen Errungenschaften aus Gründen der Dramatik hinwegsetzen, einem wahren Sperrfeuer jener konservativer Fankreise ausgesetzt, denen der Status Quo unbewusst lieb geworden ist. Ein Setting in einer solchen Zeit wäre als ein ziemlich heißes Eisen für jeden Produzenten und es würde mich arg wundern, wenn sich heutzutage jemand bei einem so sensiblen Medium wie dem Fernsehen trauen würde, das Risiko vorprogrammierter Kritik einzugehen.



Irrweg #2: Ein weiteres Prequel

Aus irgendeinem Grund ist auch ständig davon zu lesen, dass es ein weiteres Prequel geben könnte. Die Abenteuer Kirks, Picards oder Janeways an der Akademie, die von Enterprise ausgelassenen Ereignisse um den Irdisch-Romulanischen Krieg oder gar einer Zeitepoche in noch näherer Zukunft werden immer wieder aufs Neue serviert.
Dabei ist, seitdem "Star Trek: Enterprise" so fulminant gegen die Wand gefahren wurde, längst klar, dass eine solche Entstehungsgeschichte bei Star Trek keine Option für eine neue Serie sein kann. Die Anforderungen an eine entsprechende Idee wären trotz des aktuellen Booms von Prequel-Erzählungen schon allein deshalb viel zu hoch, weil ein riesiger aufgeblähter Kanon die Bewegungsfähigkeit einer solchen Serie innerhalb dieses Universums viel zu sehr einschränken würde. Nicht zuletzt um entsprechenden Widersprüchen aus dem Weg zu gehen, wählten Abrams und seine willigen Helfer das Schlupfloch eines Paralleluniversums, in dem ihnen weitaus mehr erzählerische Möglichkeiten zur Verfügung stehen. 



Irrweg #3: Die Umsetzung einer Buchvorlage

Wie bereits angesprochen, gibt es eine ganze Reihe von lesenswerten Star-Trek-Büchern, die man mit vergleichsweise geringem Aufwand zügig in ein Drehbuch transformieren könnte. "Destiny", "Titan" und auch "Vanguard" werden immer wieder als heiße Kandidaten gehandelt, wenn es um entsprechende Serienansätze geht.
Doch Destiny fällt nicht zuletzt deshalb aus, weil viel zu viele Schauspieler reaktiviert und überredet werden müssten, wieder vor die Kamera zu treten, die darüber hinaus auch nicht mehr so jung und frisch sind, wie noch vor zwanzig Jahren. Wer sich einmal nacheinander die Folgen "Das Pegasus-Projekt" [TNG] und "Dies sind die Abenteuer..." [ENT] ansieht, wird rasch verstehen, dass der größte Gegner solcher Projekte vor allem die unbarmherzige Zeit ist, die nicht allzu gnädig mit Schauspielern und ihrem Wiedererkennungswert umgeht. Zudem wäre "Destiny" eher der Stoff für einen oder mehrere Filme und nur schwer als Serie realisierbar.
Etwas anders sieht es hingegen mit einem Projekt über die Titan-Buchreihe aus. Nicht nur, dass die Darstellerriege um Jonathan Frakes, Marina Sirtis oder Tim Russ bereits mehrfach ihre Bereitschaft signalisierte, an einem entsprechenden Projekt mitzuwirken; der Forschungscharakter der Titan-Mission wäre auch definitiv wieder ein willkommener Rückbezug auf die guten alten Star-Trek-Werte. 
Aber "Titan" ist keineswegs leicht bekömmliche Kost. Die höchst heterogene Crew trifft mitnichten den Geschmack der Majorität der Star-Trek-Fans und rutscht viel zu schnell in einen Bereich ab, den man nicht ganz zu Unrecht als 'Freakshow' bezeichnen kann. Sie erfordert darüber hinaus mehr als bei anderen Science-Fiction-Serien den massiven Einsatz teurer CGIs, um die Vielzahl an merkwürdigen Alien-Besatzungsmitgliedern zum Leben zu erwecken.
Bleibt noch "Vanguard". Obwohl die Buchserie in meinen Augen die beste bis dato ist, wird sie aufgrund ihrer vielen wiederkehrenden Charaktere, ihrer vielen notwendigen Sets sowie der benötigten Effekte ebenfalls kein günstiges Unterfangen. Zudem ist das Konzept der Raumstation mit DS9 zur Genüge repräsentiert und es besteht bei einer 45-minütigen Episodenumsetzung stets die Gefahr für den Zuschauer, rasch die Übersicht zu verlieren. 



Aus der Schublade ins Fernsehen: Final Frontier und Federation

Aber anstatt sich nun über die Projekte auszulassen, die den Gedankengängen verträumter Fans entspringen, sollte man an dieser Stelle erwähnen, dass es durchaus zwei Projekte gibt, die über ein schlüssiges Konzept verfügen und für willige Produzenten viel von dem bieten, was eine neue Serie unterstützenswert machen könnte.

Alles Trick? Final Frontier

Besonders gute Karten hat wohl das Animationsprojekt der Star-Trek-Veteranen David Rossis und Doug Mirabellos in Zusammenarbeit mit José Muñoz. Die drei versetzen die Handlung ihres Serienkonzeptes ins Jahr 2525 2528 und zeichnen ein vergleichsweise düsteres Szenario: Die Föderation hat gerade einen langwierigen Krieg mit den Romulanern hinter sich, in dessen Folge ihr Territorium durch Verwüstungen zweigeteilt ist. Im Zuge des Krieges wurde Andoria zerstört, Qo'noS von den Romulanern besetzt und die Vulkanier sind kurzerhand aus der Föderation ausgetreten um Wiedervereinigungsgespräche mit ihren entfernten Cousins durchzuführen.
Die Idee ist verhältnismäßig ausgereift. Es gibt eine eigene (sehr empfehlenswerte) Website, auf der man sich die Crew, Designs und sogar die Storyboards für den Pilotfilm und die erste Folge ansehen kann.

Bildquelle: Startrekff.com

Zwar hängt dieses Vorhaben seit seiner Entstehung im Jahr 2005 so ziemlich im luftleeren Raum, doch die Vorteile liegen auf der Hand: Als Zeichtrickserie halten sich die Kosten in einem überschaubaren Rahmen, die Erzählmöglichkeiten sind vielfältiger als beim Live-Action-TV und der Star-Wars-Ableger "The Clone Wars" hat zuletzt lebhaft unter Beweis stellen können, wie wichtig die Erschließung jüngerer Zuschauerschichten für den Fortbestand einer Franchise sein kann.
Doch darin liegt wohl auch das Problem der Idee, denn Final Frontier ist weder Fisch noch Fleisch. Wie dereinst TAS wandelt das Konzept auf dem schmalen Grat zwischen Kinderunterhaltung und Erwachsenenanspruch und das Damoklesschwert, diesen Spagat nicht durchhalten zu können, schwebt bereits vor der tatsächlichen Realisierung beständig über dem Projekt. Zudem ist dieser Entwurf ein ziemlich radikaler Umbruch, der Abrams' mutwilliger Zerstörung Vulkans in nichts nachsteht.


Weiterer Minuspunkt: Das Design der 'Enterprise'
Bildquelle: Startrekff.com

Star Trek: Federation – Für alle, denen Final Frontier noch nicht weit genug geht

In eine recht ähnliche Kerbe schlägt der Vorschlag, den Regisseur Bryan Singer, Star-Trek-Veteran Robert Meyer Burnett, Christopher McQuarrie und Titan-Mitautor Geoffrey Thorne ebenfalls im Jahr 2005 nach dem Ableben von "Enterprise" auf einem fünfundzwanzigseitigen Entwurf formulierten.
Auch ihr Entwurf spielt in einer weiter entfernten Zukunft, namentlich in dem bereits von Futurama besetzten Millennium des Jahres 3000.
Bildquelle: Trekmovie.com
Und auch ihr Entwurf berichtet von einer Föderation in Trümmern. Die Menschheit ergibt sich einer römischen Dekadenz, die Vulkanier haben die Union mit den Romulanern verwirklicht und die Klingonen sind wieder auf Expansionskurs. Die Hauptfigur Alexander Kirk (!) bekämpft einen neuen unbekannten Feind namens "Die Geißel" ("The Scourge") und versucht nebenbei, den Glanz alter Föderationstage neu zu beleben, indem er den Gemeinschaftsgedanken neu entfacht.
Darüber hinaus gibt es einige interessante neue Ideen, um dem fortgeschrittenen Technologiestand Rechnung zu tragen, die Grundzüge für die ersten fünf Episoden sind bereits zusammengetragen und auch die Crew trägt einen internationalen und intergalaxialen Charakter, wie man ihn zuletzt bei TNG ausmachen konnte.
Doch beide Ideen sind nun wirklich nichts Neues mehr, sondern bei genauerer Betrachtung eher ein alter Hut. Irgendwo zwischen der Neuauflage von "Battlestar Galactica" und der Grundhandlung von "Andromeda" (es soll sogar einen personifizierten Computeravatar namens M.A.J.E.L. geben) folgt es Konzepten, die in ähnlicher Form bereits des Öfteren im Fernsehen zu sehen waren. Den Neuanfang der Franchise an diesem uninspirierten Topos-Recycling aufzuziehen, scheint weder sonderlich innovativ, noch in irgendeiner Form geeignet, um der gesamten Franchise die benötigte Frischzellenkur zu verpassen.












Warum nicht? Ein Neuanfang für Star Trek in der Alternativen Realität

Alles in allem bleibt also festzuhalten, dass die originale Zeitlinie nur wenig Möglichkeiten zur freien Entfaltung bietet. Schuld daran sind viele Faktoren. 
Kosten, Realisierbarkeit und fehlende Innovation sind entscheidende Hemmnisse für die kommende Star-Trek-Serie. Erschwerend wirkt darüber hinaus ein Umstand, der Star Trek eigentlich zu etwas so Außergewöhnlichem macht: Sein alles beherrschender Kanon. 
Er grenzt den Erzählrahmen ein, beschränkt die Figuren auf ein abgestecktes Aktionsfeld und bestimmt die Handlungsorte. 
Insofern kann man Abrams also nicht vorwerfen, sich dessen vernichtendem Einfluss dadurch entzogen zu haben, dass er sich und seine Filme in eine alternative Zeitlinie flüchtete. Bei Lichte besehen ist auch nicht diese alternative Zeitlinie das große Übel, denn auch hier kann man die großen philosophischen Themen beim Schopfe packen, die Star Trek schon immer ausgemacht haben.
Man muss es eben nur wollen.
Und genau in diesem Punkt liegt das Problem, das K'olbasa in seinem Artikel zu Recht monierte, denn tiefschürfende Auseinandersetzungen mit den Problemen unserer Zeit unter dem Deckmantel der Science Fiction liegen Abrams und seinen Helfern überhaupt nicht. Da auch Nachwuchsregisseur Robert Orci voraussichtlich kaum mit den Vorgehen seines Protegés brechen wird, wage ich zu behaupten, dass sich wohl auch der dritten Kinofilm in puncto Inhalt und Anspruch nicht allzu weit von seinen beiden Vorgängern wegbewegen wird.
Hier kommt die neue Serie ins Spiel, denn in den letzten zwanzig Jahren hat dieses Sendeformat einen qualitativen Quantensprung hingelegt und überflügelt längst in puncto Inhalt das kommerzielle Leinwandgeschäft. Denn während die Handlung in Kinofilmen Jahr für Jahr an Bedeutung verliert, haben Serien eine gegenteilige Evolution hinter sich. Staffelüberspannende Handlungen sind inzwischen zu einem Standard geworden und wenn es gelingt, hier eine Prise philosophischer Themen anzubringen, kann auch Star Trek den erfolgreichen Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen. 
An diesem Anspruch wird sich also die nächste Star-Trek-Serie messen lassen müssen und es ist mir persönlich egal, ob das in einer alternativen Zeitlinie passiert oder nicht. 
Ein Ausblick in die unmittelbare Zeit nach den Ereignissen der Abramstrek-Kinofilme?
Kein Problem!
Sulus Abenteuer auf einer alternativen USS Excelsior?
Kann man machen!
Ein TNG-Prequel, der Picards Abenteuer auf der USS Stargazer erzählt?
Warum nicht?



Fazit

Es kommt im Endeffekt gar nicht darauf an, in welcher Zeitlinie die nächste Serie spielt, sondern ob es gelingen wird, sowohl den altehrwürdigen Star-Trek-Standards als auch den aktuellen Serienentwicklungen zu genügen. Eine Symbiose aus Alten und Neuen ist rein prinzipiell möglich, doch es bedarf engagierter und fähiger Produzenten, diese Grundanforderungen zu erfüllen. Die grundlegende Frage der kommenden Jahre wird daher nicht "Wo?" sein, sondern viel eher "Wer?".