Echt jetzt?! Noch ein Artikel über das
Ableben Leonard Nimoys, nachdem im Zuge der Bekanntgabe seines Todes
die Berichterstattungsmaschinerie sämtliche Kanäle von
Nachrichtenseiten, über soziale Netzwerke bis hin zu Fanseiten damit
regelrecht überflutet wurden?
Ich sage: Ja, jetzt erst recht! Nun wo
sich der Staub des ersten Schocks gelegt hat, gilt es ganz besonders,
die Verdienste dieses Mannes herauszukehren, ohne dessen Wirken ein
Blog wie der unsrige wohl kaum das Licht der Welt erblickt hätte.
Denn wie es bereits der Berliner Kurt Tucholsky in seinem Gedicht
„Wenn eener dot is“ in wunderschönster lokaler Mundart
formulierte:
Wenn eena dot is, kriste 'n Schreck.
Dann denkste: Ick bin da, un der is
weg.
In genau dieser Trauerphase befinden
wir uns im Moment, doch die weise Voraussicht des deutschen
Ausnahmepoeten nimmt die Entwicklung der kommenden Wochen im weiteren
Textverlauf vorweg:
Denn ween se noch 'n bisken hinterher,
und denn, denn wissen se jahnischt
mehr.
Das gilt es zu verhindern, denn gerade
für einen Blog wie unseren löst die bloße Vorstellung, dass Nimoys
Wirken vergessen werden könnte, Beklemmungen aus.
Natürlich haben alle
großen deutschen Medien die breite Bevölkerung vom Tod Nimoys
unterrichtet, aber welche Bedeutung dieser Mann für viele Fans
gehabt hat, vermag kaum einer dieser Artikel zu vermitteln. Im
Gegenteil; bereits einige Stunden nach dem Tod muss man sich bereits
den Vorwürfen mancher Kritiker erwehren, warum man durch das Ableben
eines Menschen berührt ist, den man eigentlich gar nicht kannte.
Und tatsächlich; auf
diese Frage kann ich selbst keine eindeutige Antwort geben.
Vielleicht ist es, weil das kantige
Gesicht Leonard Nimoys wie kein zweites ein Aushängeschild für
genau das ist, was Star Trek so besonders gemacht hat. Durch seine
Darstellung hat er aktiv dazu beigetragen, dass Werte wie Toleranz,
Forscherdrang und Menschlichkeit („Von allen Seelen, die mir
begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste.“)
feste Verankerung in der ersten und jeder anderen Star-Trek-Serie
fanden.
Vielleicht ist es, weil in solchen
Momenten des Trauerns schmerzlich bewusst wird, dass nicht mehr allzu
viele Darsteller der Originalserie übrig geblieben sind. Nachdem vor Nimoy bereits
DeForest Kelley (1999), James Doohan (2005) und Majel Barrett (2008) das Zeitliche gesegnet haben, bleiben mit William Shatner (83
Jahre alt), Nichelle Nichols (82), Walter Koenig (78) und GeorgeTakei (77) nur noch vier betagte Zeitzeugen der
Geburtsstunde Star Treks übrig.
Vielleicht ist es auch, weil er an
jenem 2. Mai 1988 dabei war, als ich wegen guter Schulnoten länger
aufbleiben durfte und im Westfernsehen erstmals „Raumschiff
Enterprise“ sah. Seit diesem Tag sah ich ihn in vielen weiteren
Folgen der Originalserie, sechs Kinofilmen, einem TNG-Zweiteiler,
einer Deep-Space-Nine-Crossover-Folge und sogar den beiden
Reboot-Filmen J.J. Abrams' wieder. Für mich ist sein Name daher so
untrennbar mit Star Trek verbunden, dass Nimoys Tod eine Zäsur
darstellt, wie es sie seit dem Verlust des Star-Trek-Erfinders GeneRoddenberrys (1991) nicht mehr gegeben hat.
Vielleicht ist es, weil ich in meiner
Trauer nicht allein bin. Abgesehen von den Millionen anderer Fans und
vieler Schauspieler haben längst Mitglieder der unterschiedlichsten
Gesellschaftsschichten ihrer Trauer Ausdruck verliehen. So gab es
bereits Kondolenzbekundungen von Personen wie Barrack Obama, Stephen Hawking oder Oliver Kalkofe (um nur eine kleine Auswahl zu nennen)
die lebendig unter Beweis stellen, dass Nimoy nicht nur für die
vielen kleinen Fans von herausragender Bedeutung war.
Vielleicht ist es aber auch, weil es
seit seinem Debüt zwar noch viele Vulkanier gegeben hat, doch noch
keinen, der in der Lage war, seine Fußstapfen auszufüllen. Nicht,
dass Schauspielerkollegen wie Tim Russ, Jolene Blalock oder Zachary Quinto an ihren Aufgaben gescheitert wären, aber die Erhabenheit,
mit der Leonard Nimoy seine Rolle ausfüllte, vermochte bislang
niemand zu erreichen.
Vielleicht liegt es aber schließlich
daran, dass er so vieles getan hat, um diese Rolle mit Leben zu
erfüllen. So gehen die Ausführung des vulkanischen Grußes, der
Gedankenverschmelzung und des Nervengriffes auf die direkte
Einflussnahme des Schauspielers zurück. Wenn man also von jenen
Personen spricht, die der Optik Star Treks ihren Stempel aufdrücken
konnten, gehörte Nimoy zweifelsohne dazu.
Leonard Nimoy hat Star Trek
entscheidend mitgeprägt und auch wenn er sich zuweilen von der
Eingrenzung auf seine wohl bekannteste Rolle zu befreien versuchte
(„I am not Spock“), bleibt in diesem Moment festzuhalten, wie
vielen Menschen er eine Inspiration gewesen war.
Weil Nimoy also von so herausragender
Bedeutung für Star Trek war, wird die Tafelrunde dem
Ausnahme-Darsteller bis zum 50. Star-Trek-Jubiläum monatlich ein
Denkmal in Artikelform widmen, der sich in erster Linie um Leonard
Nimoy, seine Verdienste und natürlich seine große Rolle drehen
wird.
Bis dahin und um diesen Nachruf von den
vielen anderen abzuheben, folgt noch eine persönliche Reihe von
Empfehlungen, denn aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass
neben dem Schreiben eines Blogbeitrags auch das Ansehen von besonders
eindringlichen Nimoy-Auftritten dabei helfen kann, mit der Trauer
umzugehen. Aus diesem Grund möchte ich an dieser Stelle einen kurzen
Einblick in meine Top-Fünf-Star-Trek-Momente mit dem unvergesslichen Schauspieler
geben.
Bevor die eigentliche Liste folgt,
sollten ein oder zwei Erwähnungen ehrenhalber die Aufzählung vorab
ergänzen. Zu nennen wäre auf jeden Fall Nimoys Part im ersten
Star-Trek-Reboot-Film „Star Trek“ unter der Regie J.J. Abrams, in
der es unter anderem Nimoys Hauptverdienst war, dem Publikum zu
erklären, dass Simon Pegg jetzt Scotty sein soll.
Auch eine andere Folge sollte nicht
unbedingt aufgrund ihrer Qualität Erwähnung finden. In „Spocks Gehirn“ ist die Handlung nämlich so verwaschen, dass die Folge in
einer Erhebung der Tafelrunde als der Punkt ausgemacht wurde, in der
die Originalserie „über den Hai sprang“; also an Attraktivität
für den Zuschauer einbüßte.
Nichtsdestotrotz gibt es eine ganze
Reihe von Folgen, in denen Nimoys Darstellungen seinen Status als
Legende untermauerte.
#5. TOS „Der Käfig“
Im ersten Moment wirkt die Aufnahme
dieses ersten Star-Trek-Pilotfilms vielleicht noch verwunderlich,
doch es bleibt festzuhalten, dass Leonard Nimoy im Gegensatz zu allen
anderen Hauptdarstellern Star Treks von Anfang an mit an Bord der
Enterprise war. Zudem war zu diesem Zeitpunkt die Rolle des Spock
noch nicht so eingeengt wie in späteren Episoden, so dass man ihn hier
vor laufender Kamera lächeln sehen kann.
#4. Star Trek III „Auf der Suche nach Mr. Spock“
Vielleicht ist der dritte Film nicht
unbedingt einer der besten, doch immerhin war Nimoy selbst auf dem
Regiestuhl zugegen, um die Wiederauferstehung seiner Rolle zu
überwachen. Zwar ist diese Wiederbelebungsmaßnahme im Hinblick auf
den Tod des Schauspielers vielleicht etwas bemüht, aber immerhin
bietet es den Trost, dass der Charakter innerhalb Star Treks
fortleben darf.
#3. TOS „Weltraumfieber“
Eine der großartigsten Spock-Folgen
überhaupt. Wenn man Spock im heißen Wüstensand Vulkans von
Gefühlen überwältigt gegen Kirk kämpfen sieht, dann erkennt man
schnell einen der prägendsten Momente der Originalserie. Und auch
hier geht es um den Umgang mit dem Tod – auch wenn in diesem Fall
Captain Kirk von diesem Damoklesschwert bedroht ist.
#2. TNG „Wiedervereinigung“
Im TNG-Zweiteiler wird Nimoy nach
DeForest Kelley, Majel Barrett und James Doohan zum vierten und
letzten TOS-Hauptdarsteller, der einen Auftritt in der „Next
Generation“ absolvierte. Irgendwie ein schlechtes Omen, denn alle diese
Darsteller haben zum heutigen Zeitpunkt bereits das Zeitliche gesegnet.
Doch das ändert nichts an der starken Folge, deren Höhepunkt wohl
Datas und Spocks Diskussion über das Leben und die Menschlichkeit
ist. Gewidmet ist die Folge übrigens Gene Roddenberry, der kurz vor der Erstausstrahlung verstarb.
#1. Star Trek II „Der Zorn des Khan“
Am zweiten (und meiner Meinung nach
besten) Kinofilm kommt man in diesem Zusammenhang nicht vorbei, denn
in diesem Film stirbt Spock. Die Umstände seines Todes, die
herzerweichende Beerdigung und die donnernden Abschiedsworte machen
diesen denkwürdigen Auftritt dieser Tage zum absoluten Muss für
Fans. Vor allem jener Moment, in dem Kirk bemerkt, dass sein alter Freund und Kupferstecher nicht mehr an seinem gewohnten Platz sitzt, lässt dem Betrachter einen eiskalkten Schauer den Rücken hinunterlaufen.
Natürlich lässt sich Nimoy nicht nur
auf „Star Trek“ beschränken, weshalb ergänzend an dieser Stelle
auch noch eine Top-Fünf jener Auftritte folgt, die Nimoy abseits der
berühmten Science-Fiction-Serie leistete, auch wenn ihn seine
berühmteste Rolle immer wieder einholte.
Auch in diesem Falle gibt es wiederum
die ein oder andere Erwähnung ehrenhalber. Zwei von ihnen gehören
der „Big Bang Theory“, denn Nimoy war in der Serie oft Gegenstand
der Dialoge. Unvergessen ist definitiv Pennys Weihnachtsgeschenk für
Sheldon in „Die Geschenk-Hypothese“ genauso wie Leonard Nimoys Gastauftritt als
Sprecher einer Actionfigur in „Traum mit Spock“. Aber auch der ein oder andere
Film sollte an dieser Stelle angesprochen werden, denn die Wege
Leonard Nimoys führten bereits früh in Richtung Science Fiction. So
zählten verschiedene Rollen in verschiedenen Klassikern der
Fünfziger wie „Zombies of the Stratosphere“, „The Brain Eaters“ oder „Them“ zu seinen ersten Engagements.
#5. Bonanza „Der Riesenaffe“
Zu Beginn seiner Karriere war Nimoy vor
allem in den damals überaus populären Western-Serien zu sehen,
unter denen „Bonanza“ heute sicherlich die bekannteste ist. Der etwas merkwürdige Folgentitel bezieht sich hier übrigens keineswegs auf Nimoy.
#4. „Die Körperfresser kommen“
Neben anderen großen Stars wie Donald Sutherland, Brooke Adams oder Jeff Goldblum ging Nimoys Auftritt
vielleicht etwas unter, aber nichtsdestotrotz tut es gut, Nimoy mal
in einem anderen Umfeld zu sehen. Wer möchte, kann eine ausführliche Betrachtung des Filmes hier noch einmal nachlesen.
#3. T.J. Hooker, „Rachsüchtig“
Wer mal Lust hat, Nimoy in einer
anderen Rolle und trotzdem an der Seite William Shatners zu
bewundern, kann dies in der Haus-und-Hof-Serie des
Captain-Kirk-Darstellers tun. Die Chemie zwischen beiden
Schauspielern wird in dieser Folge überaus deutlich, auch wenn die
Figur Nimoys – wohl mit Absicht – eigentlich eine ganz andere Richtung
als einschlägt und dann trotzdem im "Weltraumfieber"-Modus endet.
#2. Outer Limits „I. Robot“
Sowohl im Original der Sechziger Jahre
als auch in der Neuauflage in den Neunzigern gelang es Nimoy, den
Posten des Hauptdarstellers in der Adaption der gleichnamigen
Asimov-Vorlage zu spielen.Nicht nur für Asimov-Anhänger überaus sehenswert!
#1. Futurama „Der letzte Trekkie“
Auch wenn es eigentlich eher unter die
Kategorie „Star Trek“ fallen müsste und Nimoy bei Lichte besehen
gar nicht zu sehen ist, bleibt dieser Futurama-Star-Trek-Tribut ein
Meisterstück der Serie, zumal sich die Geschichte größtenteils um
Fry und Leonard Nimoy dreht, der hier recht flapsig mit dem Rummel um
seine Person umgehen darf. Allerdings gilt diese Empfehlung in erster Linie für die englischsprachige Folge (mit dem ungleich schöneren Titel "Where No Fan Has Gone Before"), da man hier auch Nimoys Original-Stimme hören kann.
Falls ich noch irgendeinen Auftritt
unter den Teppich gekehrt haben sollte, den es aber zu beachten gibt,
bin ich für sachdienliche Hinweise in den Kommentaren dankbar.
Zum Abschluss meines Beitrags könnte,
wie in so ziemlich jedem anderen Nachruf auch, an dieser Stelle ein
abschließendes Zitat oder zumindest ein (irgendwie unpassendes weil
unzutreffendes) „Live Long and Prosper“ stehen, aber Leonard
Nimoy, sein Leben und seinen Tod kann man nicht in einen Satz oder gar einen Tweet pressen. Stattdessen habe ich nur ein Wort, das aus meinem
tiefsten inneren kommt und am besten beschreibt, was ich im Moment
fühle:
Danke.