Für alle, die gerade die sperrige Überschrift gelesen haben und sich nunmehr frei nach Michail Sostschenkos "Die Kuh im Propeller" denken "Sie, Genosse, müssen etwas volkstümlicher sprechen, dass Sie die Masse auch versteht!", sollte ich an dieser Stelle vielleicht einige Wort der Erklärung abliefern.
Am 7. Oktober 2014 veröffentlichte das Internetportal IO9 unter dem Titel "How To Turn Star Trek Into the Next Marvel Universe" (meine bescheidene Übersetzung "Wie man aus Star Trek das nächste Marvel-Universum macht") einen Essay aus der Feder Mark A. Altmans.
Nun ist Altman trotz der Fragezeichen auf der Stirn des ein oder anderen Lesers nicht irgendein Wirrkopf, der irgendwelche unwichtigen Sachen ins Internet stellt, sondern ein namhafter Star-Trek-Experte, der nicht nur einige Star-Trek-Comicbücher verfasst hat, sondern auch ein paar hinlänglich bekannte Werke der Sekundärliteratur dieser Franchise wie etwa das "Captain's [sic!] Logbuch", "The Next Generation: Der Blick hinter die Kulissen" oder das "Deep Space Logbuch" (mit-)veröffentlichte, die in kaum einem Sammlerzimmer der Neunziger oder einem Second-Hand-Buchladen unserer Tage fehlen dürfen. Darüber hinaus war er der (Mit-)Produzent und (Mit-)Drehbuchautor der Fandom-Komödie "Free Enterprise", für die der Kirk-Darsteller William Shatner höchstpersönlich gewonnen werden konnte. Und als ob das noch nicht genug wäre, war er 2000 im Zuge der Ankündigungen des Serienstarts von "Enterprise" bereits einer der wenigen, die vor einer allgemeinen Star-Trek-Übersättigung warnten und eine Ruheperiode einforderten, um das Faninteresse wieder neu zu entfachen. Die Kombination aus seiner Expertise und das Bewusstsein, dass seine Ansichten bereits zuvor als Kassandrarufe im Wind verhallten, lässt seinen Worten also ein gewisses Gewicht zukommen.
So verwundert es sicherlich kaum weiter, dass Altman sich in seinem Artikel als eine Art Heilsbringer für die in Stagnation begriffenen Franchise positioniert, in dem er einen Maßnahmenkatalog vorstellt, um die das längst vergangene Goldene Zeitalter Star Treks in den Neunzigern kurz vor dem fünfzigsten Jubiläum wenigstens partiell wieder auferstehen zu lassen. Seine Vorschläge sind dabei keineswegs neu, sondern eher das, was man vom Autor des "Captain's [sic!] Logbuch" erwarten kann: Eine gut recherchierte Zusammenstellungen von Wortmeldungen, die es zuhauf in Star-Trek- und Science-Fiction-Foren hierzulande und jenseits des großen Teiches gibt.
So liegt es in der Natur der Sache, dass einige der geäußerten Hinweise tatsächlich nicht einer gewissen Grundlage entbehren.
Die beste Idee in Altmans zusammengestückelter To-Do-Liste ist vielleicht die Einführung eines engagierten Supervisors für sämtliche Star-Trek-Produktionen, der sich insbesondere darum kümmert, dass die immer weiter ausufernde Franchise ihrem längst zu einer unübersichtlichen Größe angewachsenen Kanon treu bleibt. Verglichen mit Marvel steht Star Trek dem Informationsgehalt der vielen Comics durch seine sechs Serien und bislang zwölf Kinofilme in nichts nach und auch wenn J.J. Abrams die neuen Abenteuer der Enterprise-Crew in eine alternative Realität verlegt hat, tapst er doch immer wieder in diverse Fettnäpfchen, die sich durch einen gut informierten Experten hätten verhindern lassen können.
Die zweite zentrale Forderung nach der längst überfälligen Rückkehr Star Treks auf die Fernsehleinwand ist ja bekanntlich so alt wie die Absetzung von "Enterprise" selbst und es bedarf wohl keiner weiteren Erläuterungen dieses Allgemeinplatzes. Anhand dieses Punktes wird spätestens deutlich, dass Altman inhaltlich kaum mehr als ausformulierten Fanservice bietet, in dem er olle Kamellen wie die Ausweitung der Blu-Ray-Digitalisierung auf "Deep Space Nine" oder die Verwirklichung einer Trickfilmserie bzw. verschiedener Tie-In-Filme (egal ob für Videos, DVDs oder Streamingmedien) aufwärmt.
Schließlich lässt er sich zu einer würdelosen Lobhudelei auf J.J. Abrams und seine Schreiberlinge herab und lobt die Arbeit der Reboot-Hauptverantwortlichen in den Klee, wobei er die Fraktion anders denkender Star-Trek-Fans als ewig gestrige Minderheit abstempelt.
Das alles wäre aber nicht die Aufregung wert, wenn Altman das Ganze nicht unbedingt mit der Forderung überschrieben hätte, Star Trek in die Fußstapfen des Comicfilmgiganten Marvel folgen zu lassen.
Auch wenn ich den Superheldenverfilmungen noch nicht einmal ablehnend gegenüberstehe, muss ich an dieser Stelle doch mal das Wort ergreifen:
Natürlich ist es schön, die Auferstehung der Helden aus Kindertagen auf der Kinoleinwand miterleben zu können, doch der schier unaufhaltsame Boom von Comicverfilmungen in den letzten fünfzehn Jahren hat einige Begleiterscheinungen heraufbeschworen, von denen ich persönlich Star Trek lieber verschont wissen wollen würde.
Star Trek hat schon immer dann geglänzt, wenn es durch ansprechende Drehbücher mit deutlichem Science-Fiction-Bezug getragen wurde. Zumeist war dies auf die einzelnen Serien beschränkt, aber einigen Filmen wie "Das unentdeckte Land", "Der Erste Kontakt" oder "Der Aufstand" gelang der schwierige Spagat zwischen Kunst und Kommerz. Der gewöhnliche Star-Trek-Fan, durch mehr als siebenhundert Folgen an Anspruch und Niveau gewöhnt, will eben kein Popcorn-Kino, dem ausgedehnte Explosionen wichtiger sind als die überschaubare Handlung.
Und wo wir gerade beim Thema sind: Wer sich heutzutage eine Marvel-Umsetzung auf der Kinoleinwand ansieht, wird schon nach kurzer Zeit von einer CGI-Überdosis – zumeist in 3D - übermannt. Dieser Goldene Schuss rührt daher, dass Kino immer mehr eine Erfahrung für das Auge und immer weniger für das Hirn geworden ist, wobei die einzelnen Effekte allesamt den gleichen Standards genügen und daher rasch austauschbar wirken. Die hohe optische Ähnlichkeiten unter den einzelnen Superheldenstreifen führt so hin und wieder zu Ermüdungserscheinungen.
Und wenn es mal zu einer Handlung kommt, so trifft man besonders häufig auf Prequels (vgl. z.B. "X-Men Origins: Wolverine", "X-Men: First Class", "Days of the Future Past" u.a.) und ausgedehnten Entstehungsgeschichten (vgl. z.B. "Hulk", "The Incredible Hulk", "Thor" u.a.). Die wahre Herausforderung, Geschichten im direkten Anschluss zu erzählen, funktioniert vergleichsweise mäßig (vgl. "Iron Man II", "X2", "Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer" u.a.) und zuweilen lässt man derartige Bemühungen schlichtweg aus, und beginnt eine gerade erst frisch inszenierte Superheldenreihe einfach nochmal von vorn (vgl. z.B. "Spider Man" und "The Amazing Spider Man").
Das alles hat dabei einen stolzen Preis, ohne dass die Verantwortlichen vorher abschätzen können, ob die bereitgestellten Budgets sich auf längere Zeit an der Kinokasse wieder einspielen. Bei einem Kassenflop hängt schnell die Existenz ganzer Produktionsfirmen am seidenen Faden, wie bereits 1966 Fox' "Cleopatra" unter Beweis stellen konnte. Die gesamte Realisierung derartiger Blockbuster ist bei objektiver Betrachtung ein finanzielles Vabanquespiele mit Geldmitteln, die dem Jahreshaushalt mancher Staaten entsprechen würde. So betrug der Finanzpool der drei Iron-Man-Verfilmungen mehr als der Jahreshaushalt Sierre Leones (540 vs. 510 Mio. Dollar) mit dem Geld, dass in Avengers ausgegeben wurde könnte man fast den Etat des Karibikstaates Antigua und Barbuda decken (240 vs. 230Mio. Dollar und mit einem durchschnittlichen Investitionsolumen von etwa 170 Millionen Dollar pro Comic-Verfilmung könnte man bereits für ein Jahr die Ausgaben der Komoren begleichen (166 Mio. Dollar).
Doch lohnt es sich ernsthaft, sich darüber aufzuregen?
All das hat Star Trek nämlich längst erreicht. Die Kinofilme mit den Nummern elf und zwölf waren ein inhaltsarmes Popcorn-Kino, in dem nicht nur die Vorgeschichte der altbekannten Enterprise-Crew inszeniert wird, sondern auch CGIs und Lensflares einander häufiger abwechseln als sinnige Dialoge. Gekostet hat dieser Spaß einmal 150 und ein anderes Mal 185 Millionen Dollar, was zusammen mehr ist, als etwa der Vatikan pro Jahr an Finanzmitteln zur Verfügung hat.
Es ist doch reichlich offensichtlich, dass die Realität des Marvel-Film-Universums Star Trek längst eingeholt hat und die Franchise für Paramount längst das geworden ist, was Marvel für andere Produktionsfirmen ist.
Nur Mark Altman hat davon noch nicht allzu viel mitbekommen. Sein Artikel kommt in diesem Sinne einem Marvel-Film auffallend nahe: Ohne allzu viel Inhalt verlegt er sich auf den Effekt, den seine längst nicht mehr allzu originellen Forderungen verursachen.
Nur Mark Altman hat davon noch nicht allzu viel mitbekommen. Sein Artikel kommt in diesem Sinne einem Marvel-Film auffallend nahe: Ohne allzu viel Inhalt verlegt er sich auf den Effekt, den seine längst nicht mehr allzu originellen Forderungen verursachen.
Doch warum hat Altman dann überhaupt diesen Essay verfasst?
Die Antwort liegt versteckt in der Vorstellung des Autoren, die sich dem Text auf unscheinbare Art und Weise anschließt. Altman wird nächstes Jahr pünktlich zum fünfzigsten Star-Trek-Jubiläum ein weiteres Buch herausbringen, das den Titel "Fifty Years of Star Trek: From 'The Cage' to Today" tragen wird. Da muss man natürlich im Vorfeld ordentlich die Werbetrommel rühren, Präsenz im Internet zeigen und jeden daran erinnern, dass man bereits anno dazumal den richtigen Riecher bewiesen hat.
Altman ist also keineswegs ein allwissender Heilsbringer, Marvel kein geeignetes Vorbild für Star Trek und die allgemeine Kino-Evolution hat Altmans Forderungen ohnehin längst überholt. Es ist ein mäßig geschickter PR-Stunt, den man nicht auch noch dadurch belohnen sollte, sein anstehendes Buch zu erwerben, das ohnehin voller Informationen sein wird, die das Internet bereits jetzt schon bietet (vgl. die aufgeführten Argumente des Essays).
So oder so ist jeder Trailer für den nächsten Avengers-Teil eine bessere Nutzung von Zeit als die Lektüre von "How to Turn Star Trek into the Next Marvel Movie Universe"...
Hat wirklich überhaupt nichts mit Star Trek am Hut: Thor |