Spoilerwarnung.
Dieser Artikel enthält massive Spoiler auf "Et in Arcadia Ego, Teil Eins", die neunte Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Picard" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Folgen bereits gesehen hat.
Einleitung.
Bei der letzten Tafelrunde trat ein Mitglied unserer Gemeinschaft auf mich zu und gab mir im Hinblick auf meine Rezensionen zu verstehen, dass ich 'das alles zu ernst' nehmen würde. Auch wenn ich in diesem Moment nur auf die Runde verwies, die sich an einem Freitagabend in einer Kneipe traf, um ein (schwieriges) Star-Trek-Quiz zu spielen, sehr spezifische Details in ihren Lieblingsserien zu diskutieren oder gar über die Gestalt von Sternenflottenorden zu spekulieren, kann ich den Kern seines Anliegens gut nachvollziehen, denn mit den vielen Rezensionen, Threads und Meinungsbekundungen im Internet wird allmählich klar, dass Star Trek durch die Erfindung dieser Kommunikationsform seine Leichtigkeit endgültig verloren hat.
Besonders deutlich wurde mir dieses Dilemma, seitdem ich dabei bin, "Star Trek: Enterprise" noch einmal durchzuschauen. Da ich nun besonders viel Zeit dafür habe und ein bestimmter Streamingdienst das 'Binge-Watching' bedeutend erleichtert, fällt mir Folge um Folge auf, dass mein geschulter Rezensenten-Blick jedes Haar in der Suppe findet und ich selbst an Folgen, die mir bislang eigentlich recht gut gefielen, eine ganze Reihe kritikwürdiger Aspekte finde, die mir vorher viel weniger augenscheinlich vorkamen.
Im Hinblick auf "Picard" fragte ich mich schließlich nicht ganz zu Unrecht:
Hätte ich "Enterprise" damals zerrissen, wenn ich in jenen Tagen schon Rezensionen geschrieben hätte?
Story.
Schneller als gedacht schafft es die Crew der La Sirena zum Heimatplaneten Sojis zu gelangen. Doch dort angelangt müssen sie sich nicht nur der vehementen Angriffe Nareks erwehren, sondern auch eine Reihe von (raum-)flugfähigen Riesenorchideen, die beide Schiffe und den gerade frisch eingetroffenen Borgkubus unter dem Kommando Seven of Nines zu einer unfreiwilligen Notlandung zwingen.
Auf der Oberfläche des Planeten gelandet bricht die Crew zum Geburtsort Sojis auf, um die dort lebenden Androiden vor dem Eintreffen einer romulanischen Armada zu warnen, deren einziges Ziel die völlige Auslöschung allen synthetischen Lebens ist.
Picard, Soji und die gesamte Crew werden zunächst mit scheinbar offenen Armen empfangen, doch die Situation ändert sich dramatisch, als die Geschwister Sojis erfahren, dass es eine mysteriöse synthetischen Superrasse gibt, die allem künstlichen Leben zur Seite steht, wenn es Beistand im Kampf gegen organische Wesen benötigt. Als eine der Androidinnen ermordet wird, kippt die Stimmung völlig und Jean-Luc Picard findet sich auf verlorenem Posten wieder…
Lobenswerte Aspekte.
Im Folgenden finden sich einige Aspekte wieder, die auch unter Kritikwürdige Aspekte fallen könnten, der Übersichtlichkeit halber aber gemeinsam in einem Paragrafen behandelt werden.
Strickmuster und Moralität.
Wer anfangs noch geglaubt hat, dass auch das Staffelfinale bei "Picard" von wilden Kampfszenen, schmissigen Prügel-Choreografien und epochalen Raumschlachten geprägt sein wird, sieht sich zumindest für den ersten Teil eines besseren belehrt. Unter fachmännischer Leitung des Discovery-Regie-Veteranen und Picard-Produzenten Akiva Goldsman heißt die Marschrichtung Stabilität und vielleicht auch deshalb kehrt die Serie unter seiner Führung zu klassischer Folgenlänge, dem Verzicht auf Rückblenden und natürlich den hinlänglich verhassten Lens Flares zurück.
Dabei kommt es zu einigen Entwicklungen, die seit Beginn der Serie absehbar waren und dadurch den faden Beigeschmack des Absehbaren tragen: Picards Erkrankung am tödlich verlaufenden irumodischen Syndrom wird unausweichlich in den Mittelpunkt des Geschehens gedrängt, Brent Spiner erhält einen weiteren Auftritt und natürlich ist auch Seven of Nine auf dem Borgkubus eingefallen, um spätestens in der nächsten Episode von erzählerischem Nutzen zu sein.
Immerhin wird das Ganze mit einer gehörigen Portion Fanservice ausgeschmückt, der von den Auftritten Brent Spiners und Jeri Ryans, der Voyager-Melodie im Borg-Kubus und natürlich der Anwesenheit einer weiteren Katze namens Spot II getragen wird (die Elnor sicherlich in der nächsten Folge einmal streicheln darf).
Davon abgesehen bleibt der Folge aber zugute zu halten, dass sie trotz des späten Zeitpunktes noch den Mut aufbringt, einige großflächige Baustellen neu aufzumachen, die nun weiterer Bearbeitung harren. Völlig neue Figuren, ganz neue Konflikte und absolut neue Entwicklungen bereichern nun so unerwartet wie nachhaltig die Serie auf ihrem Schlussspurt, wobei einschränkend vielleicht an dieser Stelle bemerkt werden sollte, dass ihnen nicht immer sonderlich viel Platz oder Zeit für inhaltliche Tiefe bleibt. Immerhin garnierten die Autoren die Handlung mit einigen überraschenden Wendungen, unter denen jene, die "Mahnung" zu einem Aufruf an synthetisches Leben umzuinterpretieren der spannendste Gedanke bleibt. Die Idee, die Kolonie durch überdimensionierte Orchideen zu schützen, mag dagegen im ersten Moment möglicherweise etwas befremdlich wirken, passt aber am Ende des Tages doch recht gut in den bislang etablierten, sehr von symbolkräftigen Bildern dominierten, 'blumigen' Erzählstil Michael Chabons (er schrieb das Drehbuch zusammen mit seiner Ehefrau 'Ayelet Waldman). Der hat sich bei seinem Konzept dafür kräftig bei E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" bedient, aber vor allem hat er sich wieder einmal daran erinnert, was Star Trek insbesondere unter Picard großgemacht hat: Eine offenkundige Moral, bei der man schon konzentriert weghören muss, um sie zu verpassen.
Hier stellt Chabon stellvertretend durch Jean-Luc Picard und Soji die Frage, wie weit man gehen darf, um das Wohl einer gesamten Gesellschaft zu wahren. Oder anders, also in bester Star-Trek-Manier ausgedrückt: Wiegt das Wohl des Einzelnen nicht viel weniger als das Wohl vieler?
Mit diesem utilitaristischen Ansatz im Gepäck lässt er Soji an ihren eigenen Motiven zweifeln, den Synthetik-Bann der Erde anprangern und schließlich sogar Sutra billigend den Tod einer Schwester in Kauf nehmen.
So gibt es eine Reihe von zentralen Dialogen zu diesem Thema, die vor allem glänzend durch Patrick Stewart getragen werden. Es lassen sich ferner diverse Figuren im Umbruchprozess beobachten und gleich mehrere tolle Szenen (z.B. Raffis Abschied von Picard) schlagen den Zuschauer in ihren Bann.
Dennoch misslingt es dem munteren Mix aus Moral, neuen Story-Elementen und Dialogen am letzten Ende ein schlüssiges Gesamtbild zu ergeben. Einem Flickenteppich gleich teilen sie sich stattdessen den Platz mit zahlreichen Momente, die eingefügt wurden, um erst in der finalen Episode einen tieferen Sinn zu ergeben, was natürlich den Verständnisfluss im Hier und Jetzt bedeutend schmälert.
So bleibt "Et in Arcadia Ego, Teil Eins" nur ein weiterer erster Teil, dem es an innerer Geschlossenheit mangelt und der es deswegen nicht so recht vermag, das kommenden Finale gebührend einzuläuten. Es bleibt daher abzuwarten, was der zweite Teil zur Auflösung beitragen kann, bevor man dieser Folge wirklich Aussagekraft unterstellen könnte.
Besetzung.
Abermals wird die Folge von einem starken Cast getragen, unter dem einmal mehr Patrick Stewart heraussticht. Nun, wo die Folgen des irumodischen Syndroms zutage treten, kann man den alternden Schauspieler noch einmal zur Höchstform auflaufen sehen, wenn er in die Rolle Jean-Luc Picard schlüpft. Vor allem mit den Dialogen, an denen er maßgeblich als moralische Instanz beteiligt ist, hält er beinahe im Alleingang die Folge über Wasser, nicht zuletzt, weil der Rest der Hauptdarstellerriege zwar gute Arbeit verrichtet, aber im Zuge der vielen Neuentwicklungen nicht mehr über den nötigen Raum zur Entfaltung verfügt.
Immerhin kann Isa Briones in diesem Zusammenhang nicht über zu wenig Arbeit klagen, wobei festzuhalten bleibt, dass Soji abgesehen von einigen Szenen mit Picard recht unscheinbar bleibt. So obliegt es ihrer zweiten Rolle, der goldig pigmentierten Sutra, ein wenig mehr in den Mittelpunkt zu treten. Da zeigen sich aber bereits einige inhaltliche Makel der Serie, denn Narissa Rizzo dürfte wohl nicht zuletzt in dieser Folge mit Abwesenheit glänzen, weil ihr Charakter eine so offensichtliche wie mäßige Blaupause für diese Gold-Else im Lore-Modus bleibt.
Dahinter dominiert zwar Michelle Hurd als Raffi Musiker die ein oder andere Szene maßgeblich, bleibt aber weitgehend genauso hinter ihren Möglichkeiten zurück wie Allison Pill in der Rolle Agnes Juratis.
Santiago Cabrera als Cristóbal Rios herausragendste Szene bleibt gar jene, als er beim Betreten von "Androidenhausen" noch einmal seine fußballerischen Fähigkeiten andeuten darf.
Noch schlimmer trifft es eigentlich nur noch Evan Evagora, der einem als Zuschauer fast schon leid tut, weil er kaum etwas Gescheites zur Handlung betragen darf und zumeist nur auf einige fragwürdige Wortmeldungen reduziert wird. Im Zuge der nächsten Folge werden sich die Autoren auch vermehrt um ihn kümmern müssen oder sich fortan die gerechtfertigte Frage gefallen lassen, wozu er überhaupt in die Serie integriert wurde. Bislang bleibt Elnor jedenfalls merkwürdig irrelevant für eine Serie, in der jeder Charakter die ein oder andere essentielle erzählerische Nische besetzt.
Immerhin darf Brent Spiner als Altan Inigo (A.I.!) Soong den mittlerweile dritten von ihm gespielten Ableger der (menschlichen) Familie Soong spielen, wobei sich sein Auftritt stark an seinem letzten Beitrag in "Star Trek: Enterprise" orientiert. Immerhin bleibt ihm aber mehr zu tun als seiner Schauspielkollegin Jeri Ryan, deren Auftritt als Seven of Nine so überschaubar blieb, dass ich ernsthaft überlegen musste, ihn gänzlich zu übergehen.
Tatsächlich oblag es abermals Harry Treadaway mich in der Rolle des Nareks zu überzeugen. Ihm stehen die Zweifel an seinem eigenen Handeln so sehr ins Gesicht geschrieben, dass ich ihm sogar abnehmen würde, dass seine für Soji bestimmten Worte ernst gemeint waren. Nach bisherigem Stand wäre der Verlust seines Namens auf der Hauptdarstellerliste einer der härtesten Rückschläge für die noch junge Serie.
Abseits dieser illustren Namen gibt es nicht sonderlich viel zu berichten.
Außer natürlich, dass die etwas naiv wirkenden Androiden-Schwestern Saga und Arcana tatsächlich von den Zwillingsschwestern Nikita und Jade Ramsey gespielt wurden, wobei das bemerkenswerteste an den beiden ihr wohlklingender englischer Dialekt blieb.
Kritikwürdige Aspekte.
Kanonbrüche und Logiklöcher.
"Star Trek: Picard" bleibt sich auch so kurz vor Staffelende treu und glänzt abermals mit weitreichenden, qualitativ hochwertigen Kanonbezügen. Während die Erwähnungen eines weiteren Soong-Sprosses und einer Katze mit dem klangvollen Namen Spot II noch hinlänglich Wiedererkennungswert genieren dürften, bleiben einige andere Bezüge vergleichsweise dezent, aber deswegen nicht weniger bemerkenswert.
Die Sicherheitsgurte etwa, die auf der La Sirena Einsatz finden, erinnern keineswegs nur an von J.J. Abrams produzierte Kinofilme wie "Star Trek Into Darkness" oder "Star Trek: Beyond", sondern auch an einige herausgeschnittene Szenen in "Star Trek Nemesis" und folgen dem Ruf vieler Fans, die nach mehreren Episoden das Fehlen dieser Sicherheitsvorkehrung bemängelten.
Auch Raffis vermeintliche Angst vor 'aggressiven Reptiloiden' auf der Oberfläche kann als Referenz auf andere reptiloide Spezies bei Star Trek (allen voran den Gorn) verstanden werden. Die Angst vor 'todbringenden Pilzen' hingegen war ein netter, kleiner Seitenhieb auf "Star Trek: Discovery" (vergleiche Denkwürdige Zitate).
Am eindrucksvollsten blieb aber der Hinweis auf die ka'athyra, jene vulkanische Harfe, die Sutra angeblich so toll spielen können soll. Der vulkanische Name dieses Instruments stammt nämlich keineswegs aus der Originalserie (wo das Instrument erstmals zu sehen war), sondern aus dem Roman "Geiseln für den Frieden" von Margaret Wander Bonanno und zählte bis zur Ausstrahlung dieser Episode nicht einmal zum offiziellen Kanon. Schön, dass man hier nach einigen Folgen, in denen man die Bücherwelt bewusst ignoriert hat, wenigstens ansatzweise wieder mit dem Olivenzweig wedelt!
Natürlich kann man sich in dieser Folge trefflichst darüber ärgern, dass das Grundthema um 'böse Androiden' und deren Rechte abermals ausgerollt wird, obwohl andere Serien und Filme wie "Battlestar Galactica", "Westworld" oder "Blade Runner" das Thema bereits zur Genüge behandelt haben.
Doch die Folge gibt sich redlich Mühe, das Sujet um einige Nuance zu erweitern, die durch die Vorlage Datas in TNG ermöglicht wurden.
Dabei besticht besonders ein Gedanke durch zeitlose Relevanz. Die beinahe utopisch anmutende Gesellschaft auf Coppelius mag entwickelt und schöngeistlich sein, aber Sutra und ihr Verhalten zeigt doch, dass es überall - in jeder Kultur allen gesellschaftlichen Entwicklungen und aller vermeintlich moralischer Überlegenheit zum Trotz manipulative Personen gibt, die bereit sind über Leichen zu gehen, um ihre eigenen Ziele zum vermeintlichen Wohl der gesamten Bevölkerung durchzusetzen.
Ansonsten aber bleibt das Hare-Krishna-Camp der Androiden ein wenig hinter den Erwartungen zurück. In einer zu sehr wie eine kalifornische Villa der betuchten Teile der Bevölkerung wirkenden Kulisse erinnert alles etwas zu stark an Arik Soong und sein Verhältnis zu den gleichsam moralisch instabilen Augments. In jenen lichten Momenten, wo dies nicht der Fall ist, lässt die Szenerie hingegen an die Androiden auf Mudds Planeten in "Der dressierte Herrscher" denken; nicht zuletzt, weil dort ebenfalls auf den massiven Einsatz von Zwillingen gesetzt wurde (laut Aussagen einiger Zeitzeugen sollen damals einige von ihnen gar aus dem Rotlichtmilieu rekrutiert worden sein).
Doch während das noch irgendwie in Ordnung geht, markiert diese Episode die erste, in der sich wirklich massiv Fragen häufen, die zulasten der inneren Logik gehen.
Warum etwa dürfen Raffi und Rios gehen, während Picard und Jurati in der schmucklosen Betonvilla verbleiben müssen?
Was genau hält Elnor eigentlich auf dem Kubus? Was soll der ausgebildete Schwertkämpfer, der mit moderner Technik überfordert ist, ausgerechnet an diesem Ort?
Was trieb Bruce Maddox überhaupt nach Freecloud, obwohl er doch auf Coppelius ungleich bessere Arbeits- und Versteckmöglichkeiten gehabt hätte?
Warum können die XBs im nahegelegenen Artefakt nicht einfach helfen, die La Sirena wieder auf Vordermann zu bringen?
Und warum zum Teufel fliehen nicht einfach alle Anwesenden mit dem Borg-Königinnen-Stargate in Sicherheit?
Auch wenn noch irgendwo die Hoffnung besteht, dass diese Fragen zumindest teilweise in der kommenden Episode beantwortet werden, bleibt ein zentraler Makel an dieser Folge auch für kommenden Star-Trek-Inkarnationen bestehen.
Vulkanische Gedankenverschmelzungen waren bis hier her zu Recht ein erzählerisches Privileg der Vulkanier. Es war einfach schlüssig, dass Menschen die mentalen Fähigkeiten dafür fehlten und auch wenn der vulkanische Nervengriff von Personen wie Data, Seven of Nine oder Jonathan Archer beinahe schon inflationär verwendet wurde, blieb diese psionische Technik ein exklusives Markenzeichen der Spezies, deren Ausführung selbst nahestehenden Personen wie Michael Burnham (bislang) verschlossen blieb.
Das hat sich nun geändert.
Das ist vor allem ärgerlich, weil Androiden jeglicher Hintergrund für das Beherrschen dieser übersinnlichen Fähigkeit fehlt und hier einfach wahllos in den Zauberkasten der Star-Trek-Erzähltraditionen gegriffen wurde, ohne dass sich jemand auch nur ansatzweise Gedanken über den angemessenen situativen Einsatz gemacht hätte. Dieses willkürliche Verhalten erinnert jedenfalls eher an den vergleichsweise sorglosen Umgang mit dem Kanon in der Star-Trek-Zeichentrickserie als an die bisher größtenteils feinfühlige Weise, mit der "Star Trek: Picard" den Star-Trek-Rahmen zu nutzen verstand.
Synchronisation.
Wieder einmal zeigt sich die Harmlosigkeit der deutschen Sprache in ihrer Synchronisation englischer Kraftausdrücke. So wird etwa aus "bogie" (dt. "Popel") ein seelenloses "Objekt", während das noch unartigere "pissing me off" gar aus heiterem Himmel auf einen klingonischen Targ umgemünzt wird (vgl. Denkwürdige Zitate). Zudem bleibt der deutschen Tonspur zugute zu halten, dass der tiefsinnige lateinische Titel belassen wurde, wie er ist.
Aber wenn sich schon wieder Figuren ihre Liebe gestehen, wirkt es (bei aller Freude über die Harmlosigkeit der deutschen Sprache) nur umso unsinniger, wenn sie sich dabei noch immer siezen, als würde die Existenz des Universums vom Gebrauch dieser antiquierten Höflichkeitsformeln abhängen...
Verschwörungstheorien.
Im Folgenden sollte nur weitergelesen werden, wenn man bereit ist, sich die Überraschung verderben zu lassen, denn an dieser Stelle folgen einige Überlegungen zu möglichen Richtungen, in die sich die Serie bewegen wird.
Also: Absolute Spoilerwarnung!
In der Vergangenheit haben wir an dieser Stellen mit einigen Theorien bereits goldrichtig gelegen, während andere ihr Ziel um Längen verfehlten.
Dennoch lassen sich im Hinblick auf die letzte Folge der ersten Staffel einige Vorhersagen mit ziemlicher Sicherheit treffen.
Nummer Eins: Narek wird die Seite wechseln.
Nummer Zwei: Soji wird die Seite wechseln.
Nummer Drei: Auch Jurati wird nach ihrem Asyl bei den Androiden die Seite wechseln.
Folgt man der Logik dieser Annahmen, drängt sich eine weitere Vermutung auf:
Der eigentlich für Soong bestimmter Golem, der in seinem Labor nur darauf wartet, von einem erfahrenen Kybernetiker mit einem Hirnmuster gefüttert zu werden, dürfte in der nächsten Folge zu neuem Leben erweckt werden. Wenn es darum geht, die aussichtsreichsten Kandidaten dafür zu benennen, wäre mein Tipp tatsächlich Jean-Luc Picard, denn es wäre die ideale Win-Win-Situation für (fast) alle Beteiligten.
Patrick Stewart könnte sich ungestört auf sein Altenteil begeben, beruhigt vom Wissen, dass sein Erbe weitergeführt werden würde. Die Serienproduzenten würden einen jüngeren Darsteller einführen können, der belastbarer wäre und auch in Action-Sequenzen eine gute Figur abgeben würden.
Die einzig Leidtragenden wären die Fans daheim vor dem Fernseher, denn wenn ein alternder Schauspieler durch einen jüngeren ersetzt wird, mag der zweifelsohne mehr Energie, aber sehr wahrscheinlich auch weniger Präsenz mit sich bringen.
Die Theorie klingt nicht zuletzt deshalb wahrscheinlich, weil es wenig Sinn ergeben würde, eine Serie ausgerechnet 'Picard' zu nennen, drei Staffeln zu planen und ihn gleich in der ersten über den Jordan springen zu lassen…
Fazit.
Kurz vor dem Ende der ersten Staffel ziehen die Produzenten noch einmal alle Register: Sie eröffnen einige unerwartete Baustellen, glänzen mit einer Star-Trek-typischen Moral und einem Patrick Stewart in Hochform.
Doch die Folge bricht ein wenig unter dieser Last. Sie wirkt wie ein Flickenteppich aus halbgaren Ideen, vorhersehbaren Entwicklungen und gehetzten Darbietungen. Zudem begeht die Episode den bislang schwersten Kanonbruch der noch jungen Serie.
Und doch lässt sie sich nur eingeschränkt bewerten, denn als erster Teil eines Zweiteilers laufen noch zu viele Fäden ins Leere, um ein endgültiges Urteil fällen zu können.
Bewertung.
Ambitioniert, aber zu zerstückelt.
Schluss.
Die Antwort ist letzten Endes einfach:
Ja und nein.
Es gab auch in Enterprise – vor allem in der vierten Staffel – einige herausragende Episoden, die ich noch immer schätze und auch noch immer positiv bewerten würde.
Aber es gab natürlich auch – vor allem in der zweiten Staffel – haufenweise schlechte Folge, die ich nicht zu Unrecht zerrissen hätte.
Vor allem jedoch gab es – insbesondere bei der Staffel-übergreifenden Handlung der dritten Staffel – eine ganze Reihe von Episoden, die nicht allein funktionieren und deren Wert sich heute erst erschließt, wenn man eben die ganze Staffel am Stück ansehen kann (z.B. "Anomalie", "Die Vergessenen" oder "Der Rat"). Es gab also eine ganze Reihe von Folgen, die es nicht vermochten, auf eigenen Beinen zu stehen und nur im größeren Zusammenhang Sinn ergaben – ein Trend, der sich in vielen Zwei- oder Mehrteilern fortsetzte (z.B. in "Zeit des Erwachens", "Die Heimsuchung" oder "Dämonen").
Das ist andererseits aber auch ein Trend, der Star-Trek-Serie davor und danach ereilte und es verwundert daher nicht, dass es auch diese "Picard"-Episode da keine Ausnahme macht. Manche Geschichten lassen sich eben nur mit Abstrichen auf mehrere Einzelteile strecken.
In der ganzen recht leidenschaftlich geführten Diskussion um diese Folge zeigt sich aber auch, dass es vielleicht manchmal ganz gut tut, die Materie 'weniger ernst' zu nehmen, denn der Hang, zuerst alles kaputt zu diskutieren, bevor wir uns einfach einmal zurücklehnen, um etwas einfach genießen zu können, nimmt uns auch ein wenig des Zaubers, mit dem der größte Teil von uns dereinst die Originalserie, TNG oder Deep Space Nine gesehen hat, ohne jedes Detail, jede Handlungsentwicklung oder jede Szenenanlage zu analysieren.
Insofern sind Rezensionen fraglos ein schöner Zeitvertreib (gerade in einer Phase, in der es sonst nicht viel besseres zu tun gibt), aber es empfiehlt sich stets, die Kirche im Dorf zu lassen, denn auch wenn "Discovery" oder "Picard" nicht bei jedem unmittelbar Freudenstürme auslösen, ist es doch schön, dass es wieder Star Trek in Serienform gibt.
Und das sollte man nicht mit substanzloser, von persönlichem Empfinden geprägter Kritik in sozialen Netzwerken gefährden. Also wenn schon schimpfen wie ein Rohrspatz, dann doch bitteschön wenigstens ein wenig substanzieller als "Das ist nicht mehr Star Trek"...
Denkwürdige Zitate.
"Aus Notwehr zu töten oder einen Verwundeten beim Sterben zuzusehen macht einen Unterschied."
Jean-Luc Picard
"¡Malparido!"
Cristóbal Rios
"Was ist passiert?"
"Uns hat eine Blume erwischt!"
Picard und Agnes Jurati
"Jeder der mich wie einen Sterbenden behandelt läuft Gefahr, dass ich ihn anfalle wie ein klingonischer Targ."
Picard
"Seid vorsichtig, vielleicht gibt's ja hier - keine Ahnung - aggressive Reptiloide und todbringende Pilze... Die gibt's wirklich!"
Raffi Musiker
"Nun, die Hoffnung und die Wahrscheinlichkeit bilden kein gutes Gespann."
Picard
"Locutus!"
namenloser XB
"Wollt ihr uns beim Aufräumen helfen oder für noch mehr Chaos sorgen?"
Seven of Nine
"Mich beschleicht das Gefühl, dass wir uns zur Zeit ständig verabschieden."
Picard
"Ich fühle mich überraschend bewegt..."
Arcana zu Picard
"Es sind nur Falten... Aber sie implizieren so viel mehr... Sie haben getrauert und so viel ausgehalten... Wunderbar!"
Arcana zu Picard
"Doktor Altan Inigo Soong, verrückter Wissenschaftler. Für meinen Vater war Data sein eigentliches Kind. Daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Und nun reicht dem Mann etwas Wasser! Organische in unserem Alter trocknen schnell aus! Wir sind ja nicht alle Maschinen..."
Dr. Altan Inigo Soong
"Was Sie da getan haben - Schande über Sie, Agnes! Sie haben ein kleines, aber helles Licht gelöscht, das die alles umfassende Finsternis erhellt hat und haben eine schwere Schuld auf sich geladen. Möchten Sie die Schuld wieder gut machen? Möchten Sie ein Leben spenden, statt eines zu nehmen?"
Dr. Soong zu Jurati
"Ich steh nicht so auf Katzen, wenn ich ehrlich bin."
Cristóbal Rios
"Ich habe Durst! Behandelt ihr so Eure Gefangenen?"
"Wir hatten bislang noch nie Gefangene. Wie behandeln Romulaner ihre Gefangenen?"
"Themawechsel..."
Narek und Saga
"Ein Leben zu nehmen um ein Leben zu retten? Jemanden verletzen um andere zu retten. Das ist... Ich versuche schon die ganze Zeit die Logik des Opferns zu verstehen..."
"Die Logik des Opferns... Hm, diese Wortwahl gefällt mir gar nicht."
"Sie sehen dahinter keine Logik? Kein Kalkül über Leben und Tod?"
"Das hängt vermutlich davon ab, ob man die Person ist die das Messer in der Hand hält."
Soji und Picard
"Ich hatte befürchtet, dass mein Wunsch Dich zu töten stärker als der Bedarf an Deinen Diensten sein könnte. Doch sieh an, ich kann warten!"
Sutra
"Sehen Sie sie an! Sie haben noch nie jemals zuvor jemanden wie Sie getroffen. Ein Gesicht wie aus Granit, Weisheit und Rechtschaffenheit sprechen aus jeder Falte. Die Eloquenz; die Überzeugung! Sie wissen gar nicht, wie ihnen geschieht..."
Dr. Soong zu Picard
Weiterführende Leseliste.
01. Rezension zu "Gedenken"
02. Rezension zu "Karten und Legenden"
03. Rezension zu "Das Ende ist der Anfang"
04. Rezension zu "Unbedingte Offenheit"
05. Rezension zu "Keine Gnade"
06. Rezension zu "Die geheimnisvolle Box"
07. Rezension zu "Nepenthe"
08. Rezension zu "Bruchstücke"
09. Rezension zu "Et In Arcadia Ego, Teil Eins"
10. Rezension zu "Et In Arcadia Ego, Teil Zwei"