War das ein Wochenende!? Temperaturen um die vierzig Grad, sturmartige Gewitterfronten und eine sadistisch sengende
Sonne hielten das gesamte Land in einer unbarmherzigen Geiselhaft.
Und dennoch, trotz dieser widrigen Umstände brachen einige Tafelrundenmitglieder gemeinsam auf, um ihren freien Sonntag statt am Badesee zusammen mit vielen fremden Menschen in einem aufgeheizten Backsteinbau zu verbringen.
Vielleicht verwundert dieser an Irrsinn erinnernde Umstand etwas weniger, wenn ich gleich zu Beginn dieses Artikels verrate, dass es sich beim Reiseziel um eine Convention handelte.
„Nanu, Brettspiele?“, höre ich jetzt bereits den ein oder anderen Leser grübeln, „Was hat das denn mit Star Trek zu tun?“
Nun, zum Beispiel gibt es eine ganze Reihe an spannenden Star-Trek-Gesellschaftsspielen wie etwa das klingonische Original-„
Monopoly“, „
Star Trek: Scene It?“ oder auch die bekannte Adaption der „
Siedler von Catan“, die nicht nur Sammlerherzen höher schlagen lassen, sondern auch eine Menge Unterhaltung bieten und daher an dieser Stelle zumindest eine Nennung ehrenhalber verdienen.
Nicht zuletzt liefert schließlich niemand Geringeres als der
Wesley-Crusher-Darsteller
Wil Wheaton mit seiner Youtube-Reihe „
TableTop“ den lebendigen Beweis dafür, dass beide Fan-Universen alles andere als unvereinbar sind.
Unter den deutschsprachigen Varianten der Table-Top-Video-Shows gehört das Duo
Hunter und Cron sicherlich zu den bekanntesten Vertretern ihrer Art unter deren Ägide nun zum ersten Mal in der
Bundeshauptstadt der Versuch unternommen wurde, eine Convention für die Spieler-Szene auf die Beine zu stellen.
Zwischen zehn und zwanzig Uhr waren daher am Sonnabend und Sonntag die Tore zur Aula der
evangelischen Schule Friedrichshain geöffnet worden, wo nationale Szene-Stars wie
Uwe Rosenberg,
Klemens Franz oder
Stefan Stadler den interessierten Besuchern geduldig ihre Spiele erklärten. Ein umfangreiches Arsenal an kostenfrei ausleihbaren Spielen und eine Empore mit einladenden Tischen bot allen Gästen die Möglichkeit, eine große Bandbreite unterschiedlicher Produkte vor Ort anzutesten. Und auf der Bühne spielten währenddessen
Hunter und Cron vor laufender Internet-Kamera munter mit anderen Fans.
Ein perfektes Ziel für einen Familienausflug, möchte man meinen, doch tatsächlich blieb der große Besucheransturm nicht zuletzt aufgrund der
vulkanischen Hitze aus. Dieser Umstand mag den Geldbeutel der engagierten Organisatoren über die Gebühr geschröpft haben, doch für die Atmosphäre der Veranstaltung erwies es sich vielleicht als Glücksfall. Eine familiäre Stimmung unter den kontaktfreudigen Gästen und den freundlichen Helfern trug zum besonderen Flair der Convention bei, wobei anzumerken bleibt, dass trotz der überschaubaren Personenanzahl eine erstaunliche Internationalität herrschte.
„Gut und schön.“, höre ich an dieser Stelle wieder den ein oder anderen Leser denken, „Aber was hat das jetzt mit Star Trek zu tun?“
Nun, am Sonntag bot sich den Besuchern der Brettspiel-Con die einmalige Gelegenheit, bereits vor dem offiziellen Deutschlandstart einen Einblick in das Weltraumschiffsschlachtspiel „
Star Trek: Attack Wing“ zu erhalten.
Beschreibung. Vielleicht kommen dem ein oder anderen Leser Konzept, Aufmachung und Titel des Spieles irgendwoher bekannt vor. Das könnte daran liegen, dass es mit "
Star Wars: X-Wing" bereits seit längerer Zeit eine Vorlage aus der großen Science-Fiction-Konkurrenz-Franchise gibt, deren Spielsystem in diesem Fall für Star Trek adaptiert wurde.
Zwei bis acht Spieler können sich mit grünen und roten Aktionswürfeln epische Raumschlachten liefern, deren Mechanismen im Prinzip denen aus Computer- und Rollenspielen gleichen, nur dass man in diesem Fall das unbezahlbare Vergnügen genießen kann, seinem Gegenüber in die Augen und auf das Schiff gleichzeitig sehen zu können. Man kann sein eigenes Schiff frei bewegen und muss vor allem Angriffs- und Verteidigungswerte, Entfernung zum Ziel oder Bewegungsmöglichkeiten im Hinterkopf behalten.
Darüber hinaus hat man die Gelegenheit, verschiedene Fraktionen wie
Sternenflotte,
Klingonisches Imperium,
Romulanisches Sternenimperium, das
Borg-Kollektiv u.v.m. zu spielen (worin im Vergleich zum Star-Wars-Ableger der große Vorteil liegt) unter deren Schiffen man sich eines oder mehrere erwählen kann. Beendet ist das Spiel, wenn man entweder eine Mission abschließen konnte oder seine Gegner vernichtet hat.
Lobenswerte Aspekte. "Star Trek: Attack Wing" ist das ideale Spiel für Sammler, denn in unzähligen Erweiterungen kann man eine große Bandbreite von Schiffen erwerben und anschließend befehligen. Die Mechanismen sind so einleuchtend wie eingänglich und besonders hervorzuheben ist, dass man – unter Berücksichtigung ausgeglichener Spielparameter – auch versucht hat, dem offiziellen Kanon Tribut zu zollen. Herausgekommen ist ein unterhaltsames Spiel, in dem man sich schnell verlieren kann, eben weil es den Mitspielenden tatsächlich das Gefühl vermittelt, glaubwürdige Star-Trek-Schlachten zu schlagen.
Kritikwürdige Aspekte. Die Raumschiffmodelle sind nicht nur kleiner als ihre Cousins und Cousinen aus
dem Hause Eaglemoss, sondern auch teurer (ca. 16 bis 17€) und detailärmer. Bei der Vielzahl von Erweiterungen (vgl. dazu die
Memory-Alpha-Liste) und dem bereits vierzig Euro teuren Grundspiel kann man als ohnehin an teures Merchandise gewöhnter Fan schnell ausmalen, was das unentdeckte Land für immense Kosten mit sich bringen wird.
Bei dementsprechenden Preisen wirkt es darüber hinaus unverständlich, dass Abstandsmesser aus Pappe gefertigt sind, die Optik der Raumschiffe recht spartanisch ausgefallen ist und zur Aufbewahrung der Spieltoken adäquate Unterbringungsmöglichkeiten fehlen.
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Mit viel fachmännischer Geduld aufgewertet: Die Vor'cha dieses Abends |
Fazit. Und dennoch:
Als ich mit meinem klingonischen Vor'cha-Kreuzer nicht nur meine als
Borg-Königin getarnte
Frau, sondern auch den
Voyager-Kommandeur Atlas zu Staub im Weltall pulverisierte, war ich vollends begeistert von Spielprinzip, Spielgefühl und Spielpräsentation (durch einen Babelsberger Landsmann). Wer selbst einmal in diesen Genuss kommen möchte, kann sich gern der
Star Trek Attack Wing Gruppe Berlin bei Facebook anschließen, die ihre (absolut berechtigte) Leidenschaft in monatlichen Treffen auslebt und sich bei einem ihrer Events ein eigenes Bild vom Suchtpotential dieses Spiels machen.
Als die erste Berliner Brettspiel-Convention am Sonntag Abend schließlich ihre Pforten schloss, schwang mit den schweren Holztüren auch ein Stück Wehmut mit. Es bleibt inständig zu hoffen, dass trotz der mäßigen Besucherzahlen und des drückenden Wetters im nächsten Jahr eine zweite Auflage dieser sympathischen Veranstaltung stattfindet und dass dann auch dort wieder ein Platz für ein spannendes Star-Trek-Spiel geschaffen wird. Die mutige Delegation aus Tafelrundenmitgliedern war jedenfalls durch die Bank weg froh darüber, dass sie statt eines dösigen Nachmittags am Badesee einen spannenden Spieletag im Herzen Berlins beiwohnen konnte.
Unser Dank gilt dem Tafelrundenmitglied (ehrenhalber) Atlas, der diesen Einblick in die unendlichen Weiten der Brettspielwelt überhaupt erst ermöglicht hat...