Sternzeit: 86338,12
Donatru-Sektor
Biremm kalibrierte die Sensoren neu, als der Captain die Brücke betrat. Malia wirkte müde und stolperte mehr, als das sie ging. Nur mit Mühe nahm sie im Kommandosessel Platz. Eine Strähne ihres langen grünen Haares hing lose in ihrem Gesicht. Trotz der gestrigen Nacht saß ihre Uniform perfekt, wenn man das, was der Captain trug als Uniform bezeichnen konnte. Biremm hatte am Anfang Schwierigkeiten mit dem Captain auf normaler Ebene zu kommunizieren. Die Pheromone einer Orionerin sind sehr stark ausgeprägt. Jakaria, ebenfalls Orionerin und Schiffsärztin, verordnete deswegen Impfungen, damit ein normales Arbeiten auf der Brücke möglich war. Sie hätte es gern durch mehrere Hypnosestunden gelöst, aber der Captain bestand darauf sofort zu starten. Biremm betrachtete den Captain aufmerksam. Malia sah ihn an und lächelte. Biremm nickte nur knapp zurück und drehte sich zu seiner Konsole um. Er war noch nie ein Nausicaaner großer Worte gewesen.
Am gestrigen Abend hatte der Captain seinen Plan offenbart - Blutwein und Gagh waren mit von der Partie. Sie hatten alle geahnt, dass der Captain die Undinen an der Nase herumführen würde. Laskas Kommentar hatte Malia allerdings verunsichert. Der Captain fühlte sich genötigt die gemeinsame Vorgehensweise noch einmal zu erläutern. Laska hatte gelacht und dem Captain versichert, dass sie niemals vorgehabt hatte die Befehle des Captains in Frage zu stellen, sondern nur das Schauspiel entsprechend zu begleiten, wenngleich sich die Wisssenschaftsoffizierin wunderte, warum die beiden Undinen zugestimmt hatten. Miru war die Trumpfkarte in diesem Spiel. Ihre Kräfte verdeutlichten dem Undinen, der Millers Körper besaß, dass es besser wäre, den Worten des Captains zu glauben. M'rel konstatierte, dass dies auch das Zittern des Undinen erklärte. Millers seelischer Stress hatte sich körperlich bemerkbar gemacht. Hitassam fragte den Captain, wie sie nun vorgehen werden, nachdem er seine dritte Portion Gagh verschlang. Der Hunger des Gorn war in der Mannschaft berühmt. Hin und wieder fragte sich Malia, wen der OPS-Offizier wohl als ersten essen würde, wenn die Küche mal Notstand hätte oder die Energie für die Replikatoren ausfallen würde. Der Gedanke amüsierte sie seltsamerweise. Malia gab an, dass sie sich zunächst Koan, dem Verbindungsmann der Undinen im Hohen Rat zu erkennen geben würde um ihn schlussendlich doch bloß zustellen. Davor müssten sie Jix kontaktieren, der dies ebenfalls bei seinem Verbindungsmann lösen müsste. Es bedurfte einer Kriegslist um eine andere zu verhindern. Nur so ließen sich die Undinen von ihrem Weg abbringen. Malia wollte das Blutvergießen verhindern, also musste sie diplomatische Wege beschreiten, denn eine direkte Konfrontation mit den Undinen würde sie verlieren.
„Notiz an den Koch. Nie wieder Blutwein aus der Taragosa-Kolonie liefern lassen.“ Hitassam räusperte sich. „Ich werde es dem Replikator mitteilen, Captain.“ Lächelnd drehte sich der Gorn wieder zu seiner Konsole um und arbeitete weiter an der Umstellung der Schiffsysteme.
„Wie weit sind sie mit der Überarbeitung, Hitassam?“ Der Gorn sah von seiner Konsole auf und überprüfte einige Zahlen auf dem Hauptschirm, die dort projiziert wurden.
„In einer Stunde ist das neue Steuerungssystem einsatzbereit. Dann hat das Schiff seine volle Kapazität erreicht.“ Malia versuchte sich zu erinnern, ob Hitassam das Schiff jemals geflogen hatte und verfluchte sich, dass sie keinen Piloten mitgenommen hatten. Es wäre ein Leichtes gewesen, das entsprechende Personal bei der KVS anzufordern oder auf Deep Space Nine einen Frachterpiloten anzuheuern. Der Gorn hatte die Energieverteilung und die Steuerung des Schiffes auf seiner Konsole zusammengelegt. Er hatte das Wartungssystem und die Schiffsprotokolle dafür komplett überarbeiten müssen. So etwas dauerte für gewöhnlich mehrere Wochen. Hitassam hatte nur eine gebraucht.
„Dieser Saurier ist sein Gewicht in Latinum wert!“ dachte Malia.
„Captain, ich habe hier etwas auf den Sensoren! Es ist ein Schiff. Ich dachte erst es sei ein Wrack, weil es sich stundenlang nicht bewegt hatte – bis jetzt. Die Energiesignatur war zu stark für Wrackzuckungen.“ sagte Biremm.
„Vielleicht sollten wir uns das mal ansehen. Hitassam, setzen sie einen Kurs auf diese Koordinaten!“ Malia spürte die Bodenplatten unter sich als das Schiff den Kurs wechselte. Ein leichtes Brummen durchfuhr ihren Körper. Sie setzte sich in den Kapitänssessel und stützte ihren Kopf mit der Hand. Wenige Zeit später setzte sie sich wieder auf und starrte mit großen Augen auf die Leinwandprojektion der Außenkamera.
„Hier stimmt doch was nicht. Laska, geben sie mir mal die Messwerte durch.“
„Die Gravitationswellen am Bug des Schiffes haben sich seit den letzten Kellicams extrem verstärkt. Unweit von uns befindet sich ein schwarzes Loch bei den Koordinaten 736 zu 382. Es ist riesig, Captain. Ich empfehle den Abstand zu wahren.“ Malia blickte irritiert auf das Schiff. „Kalibrieren sie die Sensoren auf die Energiequellen um das Schiff. Da muss doch irgendetwas sein. Ein Schiff von dieser Größe müsste doch von einem Schwarzen Loch angezogen werden.“
„Ja, Captain. Aber es gibt keine Anzeichen für eine externe oder sonstige Energiequelle.“ Malia ging zu ihrer Konsole und tippte wild auf den Anzeigen herum. Das fremde Schiff war die USS Cygnus, ein Schiff der Miranda-Klasse. Malia fragte sich, was es hier unentdeckt im Klingonischen Raum machte. Die Energieversorgung des Schiffes war aus ungeklärten Gründen abgeschaltet. Hin und wieder blinkten ein paar Restsignaturen auf. Irgendwas störte die Sensoren der Lebensanzeige. Sie konnte nicht herausfinden, wie viele Besatzungsmitglieder an Bord waren. Sie musste wohl oder übel hinübergehen, um es herauszufinden.
„Hitassam, wenn sie das Schiff mit dem Traktorstrahl erfassen, könnten wir einen Energietransfer auf die Umweltsysteme des Schiffes vornehmen, richtig?“
„Ja, Sir, die Miranda-Klasse ist in der Klingonischen Datenbank wohl bekannt. Das sollte machbar sein. Soll ich beginnen?“ Malia nickte und Hitassam drehte sich um. Nachdem er einige Sequenzen angepasst hatte, brachte er das Schiff in Richtung des Fangstrahls und begann mit der Erfassung. „Energie wird übertragen.“
„Sir, ich registriere die Aktivierung der Umweltsysteme. Ich versichere nichts dergleichen getan zu haben, was das auslösen könnte.“ Das wird immer besser, dachte Malia. Jemand oder etwas ist dort drüben und will oder kann sich nicht zu erkennen geben. „Bereiten sie den Transporter vor. Biremm, sie kommen mit mir!“ Der Waffenoffizier nickte kurz und folgte seiner Vorgesetzten. Wenig später materialisierten sie auf dem Schiff. Die Luft war atembar, aber stickig. Biremm und Malia hatten ihre Waffen bereits beim Beamen gezückt. Es schien sie jedoch niemand zu erwarten. Der Transporterraum des fremden Schiffes war leer. Sie betraten den Gang und folgten den Leitungen zur nächsten Kreuzung. Biremms Scanner piepte.
„Sir, ein schwaches Signal. Es kommt von der Brücke.“
„Hier muss es irgendwo einen Schacht in die oberen Decks geben, aber vielleicht sollten wir einfach die interne Energieversorgung wiederherstellen. Kommen sie mit!“ sagte Malia. Sie löste eine Ummantelung von der Wand und scannte die Systeme. Dann begann sie die Schnittstellen anzuzapfen und leitete die Energie um. Ein lautes Zischen war zu hören. Einer der Turbolifts war urplötzlich auf geglitten und offenbarte Schreckliches. Eine Gestalt lag reglos in der Kabine. Ihr Körper schien schon sehr lange im Aufzug festzustecken, denn das Gesicht war schwarz, fahl und wirkte eingefallen. Es schien sich regelrecht aufzulösen. Nach ihren Messwerten war dieser Mensch von irgendetwas innerlich aufgesogen worden, als hätte man seine Zellen zum Implodieren gebracht. So etwas hatte Malia noch nie gesehen. Sie kontaktierte Hitassam und erklärte die Situation. Jakaria solle die Krankenstation auf Verletzte vorbereiten und die Leiche untersuchen. Malia erhoffte sich Genaueres von der pathologischen Untersuchung.
Nachdem der Leichnam auf den Bird of Prey gebeamt wurde, setzten die beiden ihren Weg zur Brücke fort. Auf der Brücke angekommen, lugte Biremm vorsichtig aus der Kabine. Das Lebenszeichen schien stärker zu werden. Irgendetwas bewegte sich auf der Brücke ohne dass sie es wirklich identifizieren konnte. Biremm ging mit gestreckter Waffe auf die Brücke, Malia folgte ihm. Die Brücke war ein einziges Schlachtfeld. Kabel hingen aus der Decke und Konsolen standen in Flammen. Dann bemerkten sie den Schatten an der Tür zum Aufsichtsraum des Captains. Der Schatten liess sich nicht definieren und formte sich je nach Lichtquelle anders. Ein brummendes Geräusch war von ihm zu vernehmen. Ein zähflüssiger Humanoid bearbeitete mit Schlägen seiner undefinierbaren Masse die Tür zum dahinterliegenden Raum. Sein Körper sah aus, als wäre er aus Sirup gemacht. Er oder es schien die Eindringlinge nicht zu bemerken. Malia hatte schon einmal etwas von diesem Wesen gehört. Sie sah Biremm an und legte ihren Finger auf die Lippen. Sie nahm ihren Bioemitter und warf ihn auf das Wesen. Das Wesen drehte sich um als es den Gegenstand bemerkte. Sein Blick viel auf Biremm und Malia. „Hitassam, beamen sie meine Biosignatur ins All, schnell!“
„Aber Sir, ich...“
„Machen sie schon, das ist ein Befehl!“ Hitassam murmelte etwas unverständliches, dann brach die Verbindung. In diesem Moment kam das Wesen langsam auf sie zu. Die schlurfenden Geräusche nahmen langsam an Intensität zu.
„Nicht feuern, Biremm. Sie könnten die Signatur treffen.“ Biremm sah sie verständnislos an, gehorchte aber.
Fast hatte es sie erreicht, da hörte Malia die vertrauten Beamgeräusche und das Wesen verschwand.
„Captain, was zum Teufel habe ich da erfasst?“
„Das wollen sie nicht wissen. Ich erkläre es ihnen später.“ Sie gab Biremm einen Fingerzeig zur Tür des Aufsichtsraumes. Dann folgte sie ihm und machte sich an der Türkonsole zu schaffen. Nachdem die Tür mit einem lauten Zischen aufglitt, streckte Malia sofort die Waffe in das Zimmer, nur um festzustellen, dass drinnen jemand auf die selbe Idee gekommen war. Zwei blaue Fühler bewegten sich unablässig auf einem Kopf mit kurzen weissen Haaren und mindestens ebenso blauer Haut. Die Andorianerin schien zwar erleichtert zu sein die beiden zu sehen, senkte aber keinesfalls ihre Waffe.
„Wer seid ihr? Wie kommt ihr hierher?“
„Ich bin Malia, Captain des …“ sie druckste herum. Ihr Schiff hatte noch immer keinen Namen.
„Ist nicht weiter wichtig. Was ist hier passiert?“ Die Andorianerin schien sichtlich verwirrt zu sein.
„Ich bin Shranze, erster Offizier der Cygnus. Wir sind angegriffen worden, als wir das Schwarze Loch untersuchten. Als wir es scannten, öffnete es sich plötzlich und unser Schiff wurde mit dieser schwarzen Substanz kontaminiert. Wir wurden hinein gezogen und sind hier gelandet, dann brachen die Systeme Stück für Stück zusammen. Dieses Ding hat alle unsere Versuche abgewehrt, die Transporter zu aktivieren. Wir konnten es nicht erfassen.“ Sie sah Biremm an. „Seid ihr so eine Art Piraten? Hier gibt es nichts zu holen. Die Cygnus ist total veraltet.“ Malia konnte sich die Situation der Andorianerin gut vorstellen. Sie war die einzige Überlebende in einem zu groß gewordenen Schiff voller Gefahren. Ein plötzliches Flüstern oder Rascheln und die mit jeder Sekunde schwindende Selbstkontrolle bis man das beklemmende Gefühl beobachtet zu werden nicht mehr los wird. Hinter jeder Biegung lauert der Tod und an Schlaf ist nicht zu denken, bis man den Verstand dem Wahnsinn anheim fallen lässt und die Kontrolle über den Körper verliert.
„Du hast nichts zu befürchten. Wir mögen die Föderation zwar nicht besonders, aber wir können dich hier unmöglich zurücklassen. Die KVS wird sich um die Cygnus kümmern und das Schiff übergeben, aber du musst zunächst mit uns kommen.“ Die Andorianerin stutzte.
„Als Gefangene?“fragte Shranze. Malia lächelte.
„Klingonen machen keine Gefangenen. Bist du schon mal einen Bird-of-Prey geflogen?“ Shranze schüttelte den Kopf. „Aber ich bin ein guter Pilot, falls sie das meinen, Captain?“
„Nenn mich Malia! Du bist nicht meine Untergebene, verstanden! Betrachte dich als Gast, denn ich glaube nicht, dass du hier bleiben möchtest.“
„In Anbetracht der Situation hätte ich sogar gegen einen Teller Gagh nichts einzuwenden.“
Malias Logbuch I: Steriler Start
Malias Logbuch II: Ein dicker Fisch
Malias Logbuch III: Ankunft im Eridon-Nebel
Malias Logbuch IV: Breen, Romulaner oder Klingonen?
Malias Logbuch V: Ein alter Freund
Malias Logbuch VI: Tanz mit dem Teufel
Malias Logbuch VII: Nebenwirkungen
Malias Logbuch VIII: Kein Ende in Sicht
Malias Logbuch IX: Klach D'Kel Brakt
Malias Logbuch X: Gewissheiten
Malias Logbuch XI: Routine
Malias Logbuch XII: Allein
Malias Logbuch XIII: Flucht
Malias Logbuch XIV: Bündnisse
Malias Logbuch XV: Gute und schlechte Nachrichten
Malias Logbuch XVI: Maulwürfe und Piraten
Malias Logbuch XVII: Die Hunde des Krieges
Malias Logbuch XVIII: Begegnungen
Malias Logbuch XIX: Die Blutfelder des Orion
Malias Logbuch II: Ein dicker Fisch
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