Malia zückte ihren Tricorder und
scannte die Umgebung. Es gab Anzeichen für Schwefel,
cytoplasmatische Proteine und Kohlenhydrate. „Ich muss mich
bewegen, wenn ich wieder nach oben will,“ dachte sie. Es war
unmöglich die Höhle durch das obere Loch zu verlassen. Die
Felswände waren zu steil und die einzelnen Vorsprünge wirkten nicht
vertrauenerweckend.
Nach einer Weile stellte Malia fest,
dass die Höhle nach einem vitalen System aufgebaut war und nicht
natürlichen Ursprungs sein konnte. Plötzlich fing ihr Tricorder an
zu blinken, aber Malia verstand die Anzeige zunächst nicht. Sie
änderte die Einstellungen und ortete drei fungizide Humanoide in
nächster Nähe. Sie blieb stehen und zog den Disruptor. Dann vernahm
sie schlurfende Geräusche und sprang um die nächste Ecke.
Sie musterte drei mit Holzstäben
bewaffnete aufrecht gehende Pilze deren Extremitäten unterschiedlich
geartet waren. Zwei der Wesen schienen dünn, fast ausgemergelt zu
sein, während das Dritte wie ein vollgefressener Fliegenpilz aussah.
Ihr Hände hatten drei Finger von unterschiedlicher Größe. Primäre
und sekundäre Geschlechtsmerkmale schienen sie nicht zu haben. Ihre
Augen waren kleine Schlitze unter dem Schwamm und ihr Mund war kaum
zu sehen, dennoch schien sich in diesem Bereich etwas zu bewegen,
denn sie gaben klackende Geräusche von sich. Malia suchte in der Datenbank des
Tricorders und wählte eine automatische Anpassung unter dem
Charakteristikum von cytoplasmatischen Humanoiden.
„Krrngh, thelar arborm?“
Der Tricorder suchte weiter. Malia sah
die Wesen an und schüttelte mit dem Kopf. Sie hoffte, dass man die
Geste verstehen würde.
„Hanolla, irgid penal?“ Der
Tricorder begann zu piepen. Er war fertig und Malia legte die Hand
auf die Brust.
„Ich bin Malia und euch nicht
feindlich gesonnen.“ Die Pilze schienen aufzuatmen.
„Warum hat es das nicht gleich
gesagt?“ sagte der dicke Pilz. Malia hob entschuldigend die Arme.
„Ich bin Knod, das links neben mir
ist Onar und rechts sein Bruder Lard. Wir dachten es wäre einer
dieser komischen Wesen von den Sternen, die gerade unser Land
besuchen. Es sieht nicht aus wie einer von ihnen.“ Malia musste
schmunzeln.
„Nein, ich gehöre nicht zu ihnen.
Ich habe mich verirrt. Meine Freundin sucht bestimmt schon nach mir.
Könnt ihr mir zeigen, wie ich an die Oberfläche gelange?“, fragte
Malia in höflichem Ton.
„Wir bieten ihm an uns Gesellschaft
zu leisten und mit uns zu speisen. Wir haben gutes Binarm.“ Sie
musterten die Orionerin neugierig von oben bis unten. Nach kurzer
Überlegung kam Malia zu dem Schluss den Pilzköpfen das Angebot
nicht auszuschlagen. Es wäre ja möglich gewesen, dass das Ablehnen
von Gastfreundschaft als Kriegserklärung verstanden wurde und
außerdem gefiel es ihr die Befehle der Sternenflotte zu missachten,
zumal das Pilzvolk wusste, dass sie Besuch hatten.
„OK, ich komme mit euch, aber
versprecht mir, dass ich kurz mit euch an die Oberfläche gehen kann
um meinen Freunden eine Nachricht zukommen zulassen, damit sie sich
nicht sorgen.“
„Das kann es machen. Wir begleiten
es.“
Nachdem Malia die Nachricht abgesandt
hatte, gingen sie tiefer als zuvor in das Höhlensystem. Mit
zunehmender Tiefe wurde es heller. Überall versorgten kleine
phosphoreszierende Pflanzen die Höhlen mit Licht. Ihr Tricorder
sammelte Daten während des Spazierganges. Sie hatte Knod darauf
hingewiesen und er hatte zugestimmt, dass das Gerät ihn scannen
durfte, wenngleich er auch nicht wusste, was das bedeutete. Sie
versicherte ihm, dass er nichts zu befürchten hatte. Sie nennen sich
selbst die Idari und bilden einen einzigen Stamm auf ganz Madena 3.
Das ihnen bekannte Gebiet haben sie Mykon getauft, aber sie kennen
den Ursprung dieses Namens nicht mehr. Die Idari haben erst seit 300
Sonnenumläufen etwas Ähnliches wie eine Geschichtsschreibung
entwickelt, die mündlich überliefert wird. Sie sind auffallend
neugierig, ein wenig tolpatschig und besitzen einen robusten
Körperbau. Unüblich für Pilze besitzen sie ein magnesithaltiges
Skelett, dass empfindliche Organe schützte. Mehr vermochte Malia im
Augenblick nicht herauszufinden, aber Knod redete offenbar sehr gern
und sie fand so heraus, dass er wohl einer der obersten Beschützer
des Stammesführers war. Onar und Lard sprachen nicht viel, nickten
aber hin und wieder, wenn Knod etwas sagte. Malia hoffte, dass von
ihnen keine Gefahr ausging. Sie hatte schon von carnivoren Pilzen
gehört. Allerdings gingen diese nicht aufrecht und hielten Speere in
der Hand.
Sie betraten eine große Höhle, in
deren Mitte sich ein in Stein gehauenes Gebäude befand. Malia
schätzte, dass es wohl 500 Pilzwesen in dieser riesigen Grotte gab,
die wild durcheinander wuselten. Malia konnte dabei kaum erkennen, ob
sie einer Beschäftigung nachgingen oder sich einfach nur die Zeit
mit einem Spaziergang vertrieben. Einige der Idari blieben stehen und
sahen den Neuankömmling neugierig an. Malia schossen viele Fragen
durch den Kopf. Wie konnten sich diese Wesen innerhalb einer
natürlichen Evolution durchsetzen? Wie haben sie sich entwickelt?
Warum können sie sprechen? Die Natur geht manchmal seltsame Wege.
Die Höhle besaß ein natürliches Licht, dass von einigen kleineren
Pflanzen in der Höhle ausging und das ganze Ensemble deswegen in ein
helles Grün tauchte. An den kleineren Hütten hingen
girlandenähnliche Gebilde, die wohl als Verzierung dienten. Malia
stellte fest, dass sie tatsächlich als Übertragung einer Art
Energie dienten, die sich hier aus dem Boden in dieser Grotte zu
speisen schien. Der nähere Ursprung war durch den Scanner jedoch
nicht messbar und lag wahrscheinlich noch tiefer im Erdreich. Malia
blieb kurz stehen.
„Knod, ich würde gern eine Probe von
diesem Boden entnehmen. Habt ihr etwas dagegen?“ Knod schien
zunächst nicht recht zu wissen, was er mit dieser Frage anfangen
sollte. Er nickte schließlich. Eine Untersuchung des Bodens würde
vielleicht Aufschluss darüber geben, was die Sternenflotte hier
suchte. Es konnte nicht schaden, alle Aspekte zu kennen, dachte
Malia.
Sie betraten das große Gebäude in der
Mitte und erreichten in seinem Inneren eine Art Thronsaal. Malia
stellte fest, dass sämtliche Möbel Pflanzen waren, die hier wie
selbstverständlich und planvoll aus dem Boden wuchsen. Im Thronsaal
war bereits eine kleine Gesellschaft der Pilzwesen in eine Beratung
vertieft. Unvermittelt verstummten die Gespräche als die Pilzwesen
Malia sahen. Auf dem Thron saß eine kleine Gestalt mit einem Stab in
der Hand. Am Ende dieses Stabes war eine Halterung angebracht auf der
eine Kerze thronte, die langsam hin und her wankte. „Kani Miru, wir
haben uns erlaubt Besuch mitzubringen. Es wird sich euch nun
vorstellen.“
„Es ist kein ES!“ sagte die Gestalt
auf dem Thron. Die Stimme war weiblich und Malias Tricorder
bestätigte das. Die Stammesälteste hieß Miru und laut den Daten
des Tricorders war sie 158 Jahre alt. Das kann nicht stimmen, dachte
Malia. Der Tricorder scheint nicht ausreichend Daten für eine solche
Schätzung zu haben um das genau feststellen zu können, sagte sie sich.
Die Königin machte eine kurze Geste. In Windeseile leerte sich der
Saal. Nur Malia, Knod und seine zwei Kollegen blieben im Saal.
„Malia, komm näher, lass dich
anschauen, Mädchen.“ Malia stutzte. Vielleicht Telepathie?
„Woher kennen sie meinen Namen,
Kani?“
„Nenn mich Miru. Ich bin nicht deine
Kani, auch wenn du dich auf unserem Grund befindest, bist du zunächst
einmal mein Gast und nicht mein Untertan.“ Malia hatte das
unwirkliche Gefühl vor ihrer Mutter zu stehen. Woher auch immer das
Gefühl kam, es verstärkte sich.
„Nein Kind, ich bin nicht deine
Mutter und habe sie auch nicht gekannt, aber möglicherweise bin ich
ihr sehr ähnlich. Ich bin zwar alt aber noch immer neugierig. Was
treibt dich hierher?“ Malia seufzte.
„Wir suchen jemanden, der meine Leute
bedroht. Er ist hier auf eurer Welt gelandet und tarnt sich als
Wissenschaftler.“
„Ist er einer von denen, die oben im
Berg leben. Jene, die uns beobachten?“
„Ja, sie wissen nicht, dass er
feindlich gesonnen ist. Er hat sich in einen von ihnen transformiert
und lebt verdeckt unter ihnen. Wir wissen nichts über seine
genaueren Absichten, aber wir müssen erfahren, was er vorhat.“
Miru trat von ihrem Thron herunter und
ging auf Malia zu. Sie flüsterte nun fast, als sie mit Malia sprach.
„Redest du von dem Gejagten? Ich
kenne seine Gedanken und Gefühle. Er ist tückisch und zugleich hat
er große Angst. Er scheint manchmal sehr verwirrt zu sein und hat
große Selbstzweifel.“
Malia wußte, worauf Miru hinaus
wollte. Der Transformationsprozess von Spezies 8472 führte wohl zu
einem chemischem Ungleichgewicht. Vielleicht hatte Bruce Millers
Doppelgänger doch Gewissensbisse. Dafür gab es zu wenige Daten.
Malia würde es herausfinden müssen.
„Malia, da ist etwas, was dich
bedrückt. Vielleicht hat dich dein Weg deswegen her geführt.“
„Ich bin nicht absichtlich in das
Loch gefallen, das ihr gebaut habt.“ Malia grinste, als sie das
sagte.
„Nein, sicher nicht, dennoch bist du
hier und das ist ein Zeichen.“ Die alte Miru gab Knod Anweisungen,
die Malia nicht verstand und er bewegte sich mit seinen Leuten nach
draußen. Miru zündete ein paar Kerzen an, die grün leuchteten.
„Setz dich, mein Kind.“
Beide nahmen auf dem Boden Platz. Malia
erschrak, als sie plötzlich fühlte, wie sich die Ebene unter ihr nun mit Gras füllte. Als sie nach oben sah, war die Decke dem Licht
gewichen und der ganze Raum hatte nun den Anschein, als befänden sie
sich auf einer Lichtung. Kleine Lichter tanzten durch die Luft.
„Fangen wir mit einer einfachen Frage
an: Wer bist Du?“ Malia dachte kurz nach und bis vor ein paar
Wochen hätte sie wohl sofort geantwortet, aber jetzt schien es ihr
schwer zu fallen.
„Ich bin eine neugierige Orionerin,
die es ins All verschlagen hat. Ich war nie auf Krieg aus, aber er
ist mehr denn je ein Teil von mir geworden. Er ist etwas, dass ich
gern loswerden würde. Ich bin eine sehr stolze Frau, manchmal
vielleicht ein wenig zu stolz. Aber ich glaube, dass man das bei den
Klingonen braucht, um etwas zu bewirken. Momentan fühle ich mich
manchmal hilflos und allein.“
„Dein wertvollster Besitz ist von dir
gegangen, nicht wahr?“ Malia dachte sofort an ihre Mutter.
Normalerweise hätte sie wohl etwas gesagt, wenn man ungefragt in
ihrem Kopf herum kramen würde, aber Miru schien niemand zu sein, vor
dem sich Malia fürchten musste.
„Ja, meine Mutter. Ich vermisse sie
sehr. Sie hätte gewusst, wie ich mit all dem hier fertig werden
soll. Sie wusste es immer.“
„Sie hat dich stark gemacht, aber was
du nie vergessen solltest, ist, dass wir von unseren Vorfahren stets
etwas bei uns tragen. Du hast etwas in dir was gerade dabei war zu
wachsen und nun einen gewaltigen Knacks bekommen hat, als deine
Mutter starb. Lass es nicht verblühen. Deine Mutter hätte niemals
gewollt, dass du leidest, aber sie hat den Lauf der Dinge akzeptiert
und sie würde dir vermutlich sagen, dass du das auch tun solltest.“
Malia verbarg ihr Gesicht.
„Nicht schlimm, Kindchen, es ist
nicht schlimm.“ Miru senkte ihren Stab holte die Kerze aus der
Halterung heraus und stellte sie in die Mitte. Die Kerze brannte nun
heller und in ihrer Spitze schlugen kleine Funken und formten mit dem
Rauch ein Bild. Malias Mutter war zu sehen.
„Sie ist wunderschön, Malia.“
Malia nickte. „Ich habe sie wie kaum einen anderen Menschen
gekannt. Sie war mir stets am nächsten. Mutter sagte immer: 'Was der
Geist ersinnen kann, das kann er auch erreichen, also vergiss
einfach, was die Leute so sagen von den Dingen und dass sie nicht
erreichbar wären. Die wahre Illusion sind nur jene Grenzen, die man
sich selbst auferlegt'.“ Miru grinste und nickte zustimmend.
„Die Welt ist so wie wir sie uns
machen. Als du in diese Höhle kamst, hast du auch nicht für möglich
gehalten, was du hier vorfinden würdest. Aber es ist trotzdem wahr -
es gibt uns Idari. Als junges Mädchen hast du immer von fremden
Welten geträumt und davon, sie eines Tages zu erkunden. Wir sind nur
ein Teil deines Traumes, aber du bist nun hier.“ Malia verstand, was
Miru ihr sagen wollte. Das Bild wechselte nun und man sah zerstörte
Planeten und Raumschiffe, die leblos im All trieben.
„Die Welt da draußen ist etwas Anderes. Ich kenne sie nur aus deinen Gedanken und sie gibt mir große
Rätsel auf. Ihr entwickelt euch nie weiter. Die Kriege, die ihr
führt, bringen euch regelmäßig an den Rand der Vernichtung und
trotzdem führt ihr sie immer wieder. Um Besitz, um die Illusion von
Macht und um andere Nebensächlichkeiten.“
„Aber, wir verteidigen das, was uns
gehört. Die Undinen dringen in unsere Sektoren ein und wollen uns
vernichten. Sie zwingen uns diesen Krieg auf. Zudem sind wir heute
technologisch auf einem Stand wie wir ihn 300 Jahre zuvor nicht
hatten.“
„Das meine ich nicht und eure
Technologie mag sich vielleicht entwickelt haben, aber ihr steckt
geistig in den Kinderschuhen, die euch eigentlich mittlerweile zu
groß sein sollten. Ihr streitet immer noch um Spielzeug.“
„Der Krieg zwischen Föderation und
Klingonen – das ist eine alte Geschichte.“ Miru seufzte. Sie nahm
sich etwas Gras und kaute es.
„Der Krieg entstand aus seinem
Missverständnis heraus. Anschließend habt ihr euch um Besitz
gestritten. Das was bis hierher geschah war ein Selbstläufer und der
Weg steht kurz vor dem Ende, denn die Undinen, wie ihr sie nennt,
wissen, wie man euren Konflikt zum ihrem Vorteil ausnutzt. Du bist
auf dem richtigen Weg, Malia. Ihr könnt das Komplott der Gejagten
nur mit vereinten Kräften aufdecken. Gibt es jemanden in der
Föderation, dem du vertraust?“
„Dieser Captain Jix scheint ein ganz
vernünftiger Typ zu sein. Ich glaube, er wird mir helfen können.“
Jix' Gesicht trat nun in die Funken der Kerze.
„Er muss, sonst sind eure Welten
verloren.“ Mirus Gesicht zeigte eine Ernsthaftigkeit, die Malia
zuvor noch nicht gesehen hatte. Womöglich ging es ihr auch um ihre
eigene Welt, jetzt da die Undinen hier waren.
„Die Föderation führt Experimente
auf diesem Planeten durch, die seiner Kraft schaden. Das muss
unterbunden werden. Sie verletzen ihre eigene Direktive und müssen
vor sich selbst bewahrt werden. Sie wissen nicht, was sie tun. Du
musst uns helfen.“ Das Bild in den Flammen zeigte nun Madena 3. Um
den Planeten kreisten Energiestrahlen. „Das ist die Kraft des
Planeten. Die Leidenschaft, die euch inne ist, allen Dingen einen
Namen zu geben und sie zu benennen, gilt nicht für die Idari. Über
die Benennung von Dingen habt ihr das Gefühl es kontrollieren zu
können oder es zu verstehen.Wir brauchen keine Macht über die
Energie des Planeten. Die Energie des Planeten soll ihm zu eigen
bleiben. Aber die Föderation stört den Fluss dieser Energie durch
ihre Technik.“ Malia hatte das befürchtet. Sie fragte sich, ob Jix
überhaupt in der Position war die Wissenschaftler hier abzuziehen.
„Ich werde mich darum kümmern, aber
ich brauche eure Hilfe. Wenn wir Bruce Miller gefangen haben, werde
ich die Informationen brauchen, die er hat.“ Miru lächelte.
„Wenn du mir im Gegenzug dein Wort
gibst, dass die Wissenschaftler verschwinden, werde ich dir sagen,
was er weiß.“