Star Trek wirkte schon immer besonders
dann vorausschauend, wenn es um technische Entwicklungen ging.
Universalübersetzer, iPads oder Google Glasses waren längst gängige
Ausrüstungsgegenstände einer abgesetzten Franchise, als Produkte
ähnlicher Natur auf den Markt gelangten. Und die Entwicklung der
Computertechnologie, sanfte Anfänge beim Beamen von Licht oder bei
der Verwirklichung von Replikatoren dringen immer wieder an die
Öffentlichkeit. Die Tendenz zeigt deutlich: Star Trek hat in seiner
fast fünfzigjährigen Geschichten ganze Generationen von Ingenieuren
mehr oder weniger offensichtlich beeinflusst.
Doch scheinbar nicht nur Ingenieure,
sondern auch Biologen haben sich von den Theorien Star Treks
beeinflussen lassen, wie unlängst ein Artikel unter Beweis stellen
konnte, der mit dem reißerischen Titel "Geisterteilchen – Stammen wir aus dem All?" auf Focus Online zu finden war.
Der Beitrag berichtet von den Funden
eines britischen Forscherteams, das Ende bei Untersuchungen von
Luftproben aus siebenundzwanzig Kilometer Höhe auf organische
Mikroorganismen von zehn Mikrometer Größe gestoßen sind, die ihrer
Recherche nach in dieser Form nicht auf der Erde vorkommen.
Milton Wainwright und sein Kollege
Chandra Wickramasinghe schlossen aus den Funden, dass sie aufgrund
ihrer Kontaminationsfreiheit, ihrem Gewicht und hoher Geschwindigkeit
nicht nur aus den Weiten des Weltalls stammen müssen, sondern sogar
von einer intelligenten Spezies absichtlich erschaffen wurden.
Oder, wie Wainwright es laut "Daily Telegraph" selbst ausdrückte:
“Our conclusion then is that life is
continually arriving to Earth from space, life is not restricted to
this planet and it almost certainly did not originate here."
Meine (wie gewohnt sehr freie)
Übersetzung dazu:
"Unser Schluss besteht darin, dass
das Leben fortwährend aus dem Weltall zur Erde kommt, dass Leben
nicht allein auf diesen Planeten beschränkt ist und dass es gewiss
nicht hier entstanden ist."
Das klingt doch ziemlich genau nach
dem, was in der TNG-Episode "Das fehlende Fragment"
propagiert wurde. In nur einer Folge kanonisierten die Schreiber der
Serie geschickt eine uralte Spezies, die mit ihrem genetischen Kurs
die Speziesvielfalt im Star-Trek-Universum erklärbar werden ließ.
Mit diesem cleveren Schachzug wurden nicht nur Klingonen, Menschen,
Cardassianern und Romulanern gemeinsame Urahnen untergejubelt,
sondern auch quasi im Vorbeimarsch aufgelöst, warum die meisten
Aliens in den verschiedenen Serien so langweilig-konform humanoid
erschienen.
Doch bevor man an dieser Stelle jubelnd
die Arme in die Luft reckt, um sich an der Tatsache zu erfreuen, dass
mal wieder ein Stückchen Star Trek Wirklichkeit geworden ist, sollte
man sich noch einmal genau überlegen, wie wahrscheinlich Folgen mit
entsprechendem Inhalt sind, denn thematisch ist "Das fehlende
Fragment" nicht allzu weit von eher fragwürdigen Wegbegleitern
wie "Herkunft aus der Ferne" (These: die Dinosaurier sind
vor ihrer Auslöschung in Raumschiffen von der Erde geflohen), "Der Tempel des Apoll" (These: Die griechischen Götter waren
Außerirdische) oder "Tattoo" (These: Die indigenen Kulturen Amerikas sind von Außerirdischen genetisch beeinflusst
worden) entfernt. Ein Hauch von Däniken umweht solcherlei
Plot-Ideen, die zwar zweifellos über einen gewissen philosophischen
und erzählerischen Reiz verfügen, aber wohl kaum sonderlich ernst
genommen werden können.
Aber ist die Idee, dass Leben über
Mikroorganismen im Reisegepäck von Meteoriten oder anderen
Himmelskörpern auf die Erde gelangen konnte wirklich so abwegig,
dass man die erwähnten Forschungsergebnisse gleich ins Reich der
Fantastereien verbannen müsste?
Tatsächlich: Nicht unbedingt!
Zwar ist die als "Panspermie"
bekannte Hypothese nicht unbedingt der Biologen liebstes Kind, doch
die Theorie liegt bislang immerhin im weitesten Sinne im Bereich des
Möglichen. Der Ansatzpunkt zur Kritik an diesen Erkenntnissen liegt
eher in der Arbeitsweise der Wissenschaftler.
Wainwright hatte nämlich bereits im
Jahr 2013 ähnliche Behauptungen aufgestellt, die nicht haltbar waren
(die Widerlegung überlasse ich als Laie dann doch lieber Fachleuten
wie denen vom Science Blog) und nutzte für seine Publikation eine
Zeitschrift, die nicht gerade für ihre wissenschaftliche Sorgfalt
geschweige denn einem angemessenen Umgang mit Kritikern bekannt ist.
Und als ob dieser fragwürdige Veröffentlichungsort nicht schon
suspekt genug gewesen wäre, nutzte Wainwright munter das breite
Spektrum der Regenbogenpresse von "Daily Telegraph" bis
"Bild", um seine Schlussfolgerungen unter das Volk zu
mischen. Für alternative Erklärungsmöglichkeiten zeigt sich der
Autor noch immer blind und sein Ko-Autor Chandra Wickramasinghe gilt
als unbelehrbarer Panspermie-Verteidiger.
Daher ist es eher schade, dass
ausgerechnet zu solchen Pressemitteilungen Querbezüge zwischen Star
Trek und den Naturwissenschaften gezogen werden, denn die Franchise
hat mit der "Barclayschen Protomorphosesyndrom", "Hodgkins Gesetz der parallelen planetaren Entwickung" oder "Schlezholts Multi-Urknall-Theorie" ungleich spannendere Ansatzpunkte zu
bieten als krude Theorien, die ganz offensichtlich aus
unterhaltungstechnischen Erwägungen in verschiedene Episoden
eingebaut wurden. Solchen Artikeln als Star-Trek-Anhänger auch noch
eine Glaubwürdigkeit zu unterstellen, diskreditiert nicht nur direkt
die gesamte Franchise (selbst Abramstrek!), sondern auch die Arbeit
jener tapferen Ingenieure, die jeden Tag aktiv dabei helfen, ein
weiteres Stück Star-Trek-Technologie Wirklichkeit werden zu lassen.
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