Mittwoch, 4. Februar 2015

Turons Senf zum Fund außerirdischen Lebens

Star Trek wirkte schon immer besonders dann vorausschauend, wenn es um technische Entwicklungen ging. Universalübersetzer, iPads oder Google Glasses waren längst gängige Ausrüstungsgegenstände einer abgesetzten Franchise, als Produkte ähnlicher Natur auf den Markt gelangten. Und die Entwicklung der Computertechnologie, sanfte Anfänge beim Beamen von Licht oder bei der Verwirklichung von Replikatoren dringen immer wieder an die Öffentlichkeit. Die Tendenz zeigt deutlich: Star Trek hat in seiner fast fünfzigjährigen Geschichten ganze Generationen von Ingenieuren mehr oder weniger offensichtlich beeinflusst.


Doch scheinbar nicht nur Ingenieure, sondern auch Biologen haben sich von den Theorien Star Treks beeinflussen lassen, wie unlängst ein Artikel unter Beweis stellen konnte, der mit dem reißerischen Titel "Geisterteilchen – Stammen wir aus dem All?" auf Focus Online zu finden war.

Der Beitrag berichtet von den Funden eines britischen Forscherteams, das Ende bei Untersuchungen von Luftproben aus siebenundzwanzig Kilometer Höhe auf organische Mikroorganismen von zehn Mikrometer Größe gestoßen sind, die ihrer Recherche nach in dieser Form nicht auf der Erde vorkommen.
Milton Wainwright und sein Kollege Chandra Wickramasinghe schlossen aus den Funden, dass sie aufgrund ihrer Kontaminationsfreiheit, ihrem Gewicht und hoher Geschwindigkeit nicht nur aus den Weiten des Weltalls stammen müssen, sondern sogar von einer intelligenten Spezies absichtlich erschaffen wurden.
Oder, wie Wainwright es laut "Daily Telegraph" selbst ausdrückte:

Our conclusion then is that life is continually arriving to Earth from space, life is not restricted to this planet and it almost certainly did not originate here."

Meine (wie gewohnt sehr freie) Übersetzung dazu:

"Unser Schluss besteht darin, dass das Leben fortwährend aus dem Weltall zur Erde kommt, dass Leben nicht allein auf diesen Planeten beschränkt ist und dass es gewiss nicht hier entstanden ist."


Das klingt doch ziemlich genau nach dem, was in der TNG-Episode "Das fehlende Fragment" propagiert wurde. In nur einer Folge kanonisierten die Schreiber der Serie geschickt eine uralte Spezies, die mit ihrem genetischen Kurs die Speziesvielfalt im Star-Trek-Universum erklärbar werden ließ. Mit diesem cleveren Schachzug wurden nicht nur Klingonen, Menschen, Cardassianern und Romulanern gemeinsame Urahnen untergejubelt, sondern auch quasi im Vorbeimarsch aufgelöst, warum die meisten Aliens in den verschiedenen Serien so langweilig-konform humanoid erschienen.


Doch bevor man an dieser Stelle jubelnd die Arme in die Luft reckt, um sich an der Tatsache zu erfreuen, dass mal wieder ein Stückchen Star Trek Wirklichkeit geworden ist, sollte man sich noch einmal genau überlegen, wie wahrscheinlich Folgen mit entsprechendem Inhalt sind, denn thematisch ist "Das fehlende Fragment" nicht allzu weit von eher fragwürdigen Wegbegleitern wie "Herkunft aus der Ferne" (These: die Dinosaurier sind vor ihrer Auslöschung in Raumschiffen von der Erde geflohen), "Der Tempel des Apoll" (These: Die griechischen Götter waren Außerirdische) oder "Tattoo" (These: Die indigenen Kulturen Amerikas sind von Außerirdischen genetisch beeinflusst worden) entfernt. Ein Hauch von Däniken umweht solcherlei Plot-Ideen, die zwar zweifellos über einen gewissen philosophischen und erzählerischen Reiz verfügen, aber wohl kaum sonderlich ernst genommen werden können.


Aber ist die Idee, dass Leben über Mikroorganismen im Reisegepäck von Meteoriten oder anderen Himmelskörpern auf die Erde gelangen konnte wirklich so abwegig, dass man die erwähnten Forschungsergebnisse gleich ins Reich der Fantastereien verbannen müsste?
Tatsächlich: Nicht unbedingt!
Zwar ist die als "Panspermie" bekannte Hypothese nicht unbedingt der Biologen liebstes Kind, doch die Theorie liegt bislang immerhin im weitesten Sinne im Bereich des Möglichen. Der Ansatzpunkt zur Kritik an diesen Erkenntnissen liegt eher in der Arbeitsweise der Wissenschaftler.
Wainwright hatte nämlich bereits im Jahr 2013 ähnliche Behauptungen aufgestellt, die nicht haltbar waren (die Widerlegung überlasse ich als Laie dann doch lieber Fachleuten wie denen vom Science Blog) und nutzte für seine Publikation eine Zeitschrift, die nicht gerade für ihre wissenschaftliche Sorgfalt geschweige denn einem angemessenen Umgang mit Kritikern bekannt ist. Und als ob dieser fragwürdige Veröffentlichungsort nicht schon suspekt genug gewesen wäre, nutzte Wainwright munter das breite Spektrum der Regenbogenpresse von "Daily Telegraph" bis "Bild", um seine Schlussfolgerungen unter das Volk zu mischen. Für alternative Erklärungsmöglichkeiten zeigt sich der Autor noch immer blind und sein Ko-Autor Chandra Wickramasinghe gilt als unbelehrbarer Panspermie-Verteidiger.


Daher ist es eher schade, dass ausgerechnet zu solchen Pressemitteilungen Querbezüge zwischen Star Trek und den Naturwissenschaften gezogen werden, denn die Franchise hat mit der "Barclayschen Protomorphosesyndrom", "Hodgkins Gesetz der parallelen planetaren Entwickung" oder "Schlezholts Multi-Urknall-Theorie" ungleich spannendere Ansatzpunkte zu bieten als krude Theorien, die ganz offensichtlich aus unterhaltungstechnischen Erwägungen in verschiedene Episoden eingebaut wurden. Solchen Artikeln als Star-Trek-Anhänger auch noch eine Glaubwürdigkeit zu unterstellen, diskreditiert nicht nur direkt die gesamte Franchise (selbst Abramstrek!), sondern auch die Arbeit jener tapferen Ingenieure, die jeden Tag aktiv dabei helfen, ein weiteres Stück Star-Trek-Technologie Wirklichkeit werden zu lassen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen