Nach so viel nachdenkenswerten Text der letzten Tage hier auf dem Block wird es mal wieder Zeit für "leichtere Kost"! Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel...aber mir qualmt vor lauter Dystopie die Birne.
Wir haben in den letzten Wochen sehr ausführlich über die Destination Star Trek in Frankfurt berichtet, bleibt für mich jetzt zum Abschluss nur noch einen augenzwinkernden Blick zurück zu werfen und die lustigen und komischen Momente hier dem geneigten Publikum zu präsentieren. Das ist also meine ganz persönliche Rückblende ohne Zeigefinger und Honig!
Viel Spaß, vielleicht gelingt es ja, euch ein kleines Lächeln abzugewinnen!
Die Kommentarfunktion ist, so leid es mir tut sehr ungenügend für eine würdige Diskussion zum Thema und es bedarf vieler Worte für mein Vorhaben, also habe ich versucht mir eure Kritik zu Herzen zu nehmen und habe mich an der Dystopie abgearbeitet. Lasst uns bitte am Freitag alle darüber reden, denn ich für mich persönlich halte es für ein wichtiges Thema, dass wir als Science-fiction-Fans nicht so im Raum stehen lassen können. Der Wikipedia-Eintrag, das hätte Redshirt60 vollkommen richtig ausgeführt, ist äußerst dürftig und literaturwissenschaftlich eine totale Katastrophe. Meine Argumentation ist sicher auch nicht an allen Ecken und Enden richtig und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber mir brennen diese Punkte unter den Fingernägeln. Ich will zeigen, warum ein Happy-End keine Dystopie in ihr Gegenteil verwandeln kann. Der Auftrag der Dystopie ist das entscheidende Kriterium. Hier nun der text, der nicht in einen Kommentar passt. Wir brauchen ein Forum für derartiges, Turon!!!!
"Und wenn es wirklich einen 'richtigen Weg' gäbe, sich einer Dystopie zu nähern (wie Dein letzter Kommentar nahelegt), hättest Du in Deinem Interview kein Streitgespräch darüber führen oder keinen Artikel dazu schreiben müssen." - turon47
"Das Grundproblem ist doch eher, dass es an einer vernünftigen, vor allem analytischen Definition mangelt. Wenn ich mir den Wikipedia-Eintrag zu Dystopie ansehe, schaudert es mich. Alles nur relationale positivistische Beschreibungen. Vor allem die Liste der vorgeblichen dystopischen Filme...?" - Redshirt60
Es ist sehr leicht sich aber nur einen Punkt heraus zu nehmen und diesen für bare Münze und als einzigen Kritikpunkt zu nehmen. Es ist richtig, dass Herr Pröve diese Meinung im Interview vertritt. Sie ist aber grundfalsch und verfälscht das Wesen einer Dystopie. Carl Schmitt war es, der die Ausnahme von der Regel definierte. Ein Gesetz bleibt trotzdem bestehen, selbst wenn es Ausnahmen, da diese nur die Regel bestätigen. Der Protagonist ist eine solche Ausnahme innerhalb einer Gesellschaft - er wird sie dadurch aber nicht verändern, denn er will nur den Zuschauer erreichen.
Ich habe heute mit Baldavez gesprochen und wir haben uns zu den Ursprüngen gewagt und uns Thomas Morus vorgenommen. Vielleicht kennt ja der ein oder andere "Utopia". Dabei geht es um einen zukünftigen Ort, genauer gesagt einen Staat - man spricht auch vom besten Zustand eines Staates im Fall einer Utopie. Des Weiteren sprechen wir dann von einer Utopie, also einem besten Staat, wenn er uns (noch) nicht realisierbar erscheint. Liegt es nicht nahe, genau dann von einer Dystopie zu sprechen, wenn hier ein Staat vorliegt, der menschenunwürdig, einseitig machtverteilt und zugleich unwirklich erscheint?
Es ist egal, ob wir von einer Utopie oder einer Dystopie sprechen - in beiden Fällen sind die Staaten oder staatlichen Gebilde, soziale Bedingungen und dazugehöriges Konfliktpotential mit allem, was dazu gehört, die Voraussetzung und die Bedingungen, die zur Geschichte einen erheblichen Anteil haben und nicht nur bloßes Setting darstellen. Utopie = wünschenswerter Staat; Dystopie = schrecklicher Staat.
Nächster Punkt: die Handlung. Hier muss man überhaupt nicht großartig analytisch vorgehen. Der Protagonist handelt in Wechselwirkung mit seiner Umgebung. Er muss dabei aber erst ein gewisses Verständnis für das Richtige(siehe 1984, Schöne Neue Welt) entwickeln, also es muss ihm deutlich werden, dass etwas falsch läuft. An dieser Entwicklung kristallisiert sich für den Leser oder den Zuschauer die Kritik der Dystopie, denn meistens werden gesellschaftliche Probleme angesprochen, die sich eher zu heutiger Zeit zutragen. Es geht dabei um Dinge wie Fremdenhass, Militarisierung einer Gesellschaft, Freiheitsentzug durch das Verbot der Selbstbestimmung um nur einige zu nennen - die Palette ist als solche wesentlich größer. In den 50ern war die Science-fiction deswegen wesentlich wichtiger, da sie als Mittel diente, versteckt Kritik äußern zu können.
Kommen wir zu meinem wunden Punkt: Was will uns das Happy End sagen! Es ist der Gegenpol. Es ist das was wir als Folie benötigen, um die Dystopie tatsächlich zu einer solchen werden zu lassen. In einer Utopie wäre so etwas nicht nötig - vermutlich würde sich die Geschichte schlichtweg auf andere Dinge konzentrieren, wie eben die Entdeckung unbekannter Regionen des Alls. Bei einer Dystopie wird sich die Geschichte hauptsächlich um die Nonkonformität des Helden drehen. Das Happy End dient in diesem Fall dazu dies deutlich zu machen. Aber: ändern sich die staatlichen Verhältnisse oder die sozialen Missstände weil Rick Deckard aufhört Replikanten zu jagen - Nein! Sein Platz wird von anderen Jägern eingenommen werden und Replikanten werden weiterhin unerwünscht auf der Erde sein. Das Happy End ändert in diesem Fall rein gar nichts - es zeigt uns nur, dass dieser Gesellschaft etwas entgeht, weil sie künstliche Wesen als minderwertig betrachtet, die uns aber wesentlich mehr an Erfahrungen und Gefühlen geben könnten, wenn wir es zulassen würden. Und deswegen ist dieser letzte Monolog Roy Battys so wichtig und er ist derjenige der diesem Film kein Happy End beschert, denn er stirbt und mit ihm auch seine Erfahrungen und sein ganzer Reichtum an Gefühlen. Dystopie par excellence!
Also nochmal das Happy End dient dem Zuschauer. Es sagt dabei aber nicht, das alles gut wird, sondern nur der Held hat überlebt und bringt sein Love Interest in Sicherheit - mehr passiert aber nicht. Keine gesellschaftlichen Umwälzungen, zurück bleibt nur die Kritik an unserer Gesellschaft - die Unterdrückung diverser Minderheiten.
Ich kann euren Punkt schon nachvollziehen, auf den Zuschauer wirkt das Ende sehr tröstend, aber es wird aus dem Staat keine utopische Gesellschaft. Es geht ja nicht darum, dass man die Handlung des Helden als utopisch klassifiziert, denn es gibt schon heute Menschen, die sich mit aller ihrer zur Verfügung stehenden Macht gegen Missstände zur Wehr setzen, deswegen reden wir aber nicht von utopischem Potential, da es sich um etwas dreht, dass als nicht realisierbar gewertet wird.
Versteht ihr, was ich meine: nicht die Handlungsweise ist die entscheidende und deshalb genauso wenig der Ausgang der eigentlichen Geschichte, sondern es ist die dem Werk immanente Gesellschaft, die als Folie dient um gewisse Konflikte unserer heutigen Unvollkommenheit zu beleuchten - genau das ist die Leistung einer Dystopie: die Kritik an Missständen. Sie wird in ihr am deutlichsten!
Wenn ich wider Erwarten jemanden angegangen haben sollte, tut es mir leid und wenn mein Umgangston etwas rau sein sollte, auch. Ich wollte aber deutlich zeigen, dass ein Happy End eben nicht das entscheidende Kriterium einer Dystopie sein darf, denn wir verlieren so die Kritik aus den Augen, die uns eine Handlung offeriert.
Seit Professor Pröve im letzten, veröffentlichten Interview die Frage in den Raum geworfen hatte, was die klassische Dystopie ist, trage ich mich mit dem Gedanken herum, ob es die Negativ-Version unserer Zukunft überhaupt geben kann. Wie heißt es so schön: wo Licht wandert, fällt auch Schatten. Es gibt eine überdimensional große Anzahl an Science-Fiction-Filmen, die sich mit den Schatten beschäftigen. Besieht man sich allein die Veröffentlichungen der Sechsziger und Siebziger Jahre Hollywoods, so fällt einem sogar eine sehr große Zahl solcher Filme auf. Sie zeigen uns Aliens, die nur dann zu Besuch kommen, wenn die Hauptspeise der Mensch selbst ist. Ganze Heerscharen an Monstern vom Mars sind es, die unsere planetaren Außenposten überfallen. Von solch plumper Filmemacherei hat man sich verabschiedet. In den Achtzigern geht man zum Cyberpunk über, der uns eine verstörende Zukunftsvision präsentiert und damit sehr eindeutig als Dystopie auftreten will.
Ich weiß nicht, warum mir das damals nicht eingefallen ist, aber das Element der Dystopie hat nicht nur Einfluss auf den Handelsstrang, sondern ist wesentliches Element der Gesellschaft, die als Beiwerk im Hintergrund des Protagonisten agiert. Sie ist durchweg vorhanden und als Element nicht wegzudenken, selbst wenn der Held in unseren Augen moralisch richtig handelt. Die Handlungsweise einer Figur kann sich nur begrenzt auf Megakonzerne in "Ghost in the Shell" auswirken. Sie werden trotzdem unbeeindruckt ihre Privatarmeen aufstellen und die politische Substanz unterwandern um ihre Interessen durchzusetzen. Das tut auch der Hauptgeschichte keinen Abbruch. Deswegen sprechen wir bei Star Wars neben anderen Gesichtspunkten auch nicht von klassischer Science-Fiction, sondern eher von einem Märchen (nein, nicht wegen der Lichtschwerter oder dem sich fast anbahnenden Inzest im Königshaus).
Eine Dystopie beherbergt viele verschiedene, meist aus heutiger Sicht negative Elemente. Einen funktionierenden Staat als solchen gibt es mitunter nicht unbedingt oder er ist klägliche Randnotiz ("Ghost in the Shell", "Johnny Mnemonic"). Hin und wieder tritt er aber auch als freiheitsraubende, allumfassende Macht auf ("Fahrenheit 451", "1984", "Schöne Neue Welt"). Die Diskriminierung bestimmter Minderheiten ("Blade Runner", "District 9") oder der Rückfall in eine sklavenähnliche Gesellschaft unter dem Joch eine fremden Macht ("Terminator", "Matrix") sind ebenfalls als Dystopien anzusehen. Naturkatastrophen, die den Planeten zu einem Wildlife-Park machen, können zu sehr guten und unterhaltsamen Dystopien ("Die Zeitmaschine", "Waterworld") werden.
Dystopie - Albtraum und Wirklichkeit in der Matrix
Wir sprachen im Interview über das Beispiel Blade Runner. Der Film wäre laut Aussage unseres Interviewpartners allein deswegen keine Dystopie, weil er ein positives Ende präsentiert. Gemeint ist hier eine der letzten Szenen, in der Rick Deckard mit der Replikantin Rachel in einem Hubschrauber über einer grünen Waldfläche seinem unbekannten Ziel entgegen fliegt. Auch die Wandlung Deckards hatte Herr Pröve angesprochen. Er wird vom Jäger zum Gejagten und sieht sich plötzlich in die Rolle eines Replikanten gedrängt, weil er Rachel schützen möchte.
Hier sind einige Dinge zu bemerken, die meine Behauptung (Blader Runner ist eine Dystopie) stützen werden. Erstens: Hollywood-Filme haben seit geraumer Zeit den Ruf, per se einen positiven Ausgang nehmen zu müssen - man spricht vom Hollywood-Ende. Von den oben in Klammern genannten Filmen nehmen fast alle Beispiele einen positiven Ausgang für den Protagonisten. Selbst wenn der Held stirbt, so hat er sich für eine positive Handlung geopfert, die das Kinoende in entsprechendem Licht erscheinen lässt.
Zweitens: Ridley Scott, Regisseur des Films "Blade Runner" bastelte über zwei Jahrzehnte an Ende des Streifens herum ohne jemals wirklich das Gefühl gehabt zu haben, dass er es bei einem Abschluss belassen könne. Ich kann nicht sagen, ob es vielleicht mit den zum Teil unseriösen Kritiken eines Roger Ebert zusammen hing, aber es würde vielleicht den einen oder anderen Cut erklären.
Für die Trekkies ist Gene Roddenberrys Vision eine Zukunft, auf die sich jeder freuen sollte (sieht man mal von den schwedischen Unwägbarkeiten aus dem Delta-Quadranten und anderen Dingen ab). Wir sind oder wir werden eine große Vereinigung innerhalb der Galaxie die auf Werte wie Gleichheit und Freiheit setzt an der jeder teilhaben kann, der gewillt es sich diesem offenen Dialog untereinander zu stellen. Ok, wir lassen Hologramme in Minen arbeiten, aber wir haben dafür Hunger und unpopuläre Krankheiten des 21. Jahrhunderts ausgelöscht. Außerdem geben wir uns auf der Erde nicht mehre gegenseitig auf die Nase und lösen diplomatischen Probleme nicht mit militärischen Einmärschen auf der Krim, sondern treten in den Dialog und nicht in den Krieg ein.
Und wie äußert sich die Zukunft bei Blade Runner aus? Es gibt eine hungernde Bevölkerung auf der Erde, versklavte, kurzlebige aber mit Gefühlen ausgestattete Replikanten, die unsere Raumstationen im All putzen müssen und tagsüber ist der Himmel über San Francisco in ein smogreiches Gelb eingehüllt. Außerdem regnet es nur (Ok, damit könnte ich leben) und echte Haustiere gibt es auch nicht mehr.
Diese Zukunft ist nicht wünschenswert und daher in ihrem Gesamteindruck als dystopisches Konstrukt zu verstehen, das als wesentliches Element dieser Geschichte einen entsprechenden Einfluss hat. Die Menschen beherrschen die Technik ihrer Replikanten nicht. Sie haben keinen Einfluss auf den Freiheitsdrang ihrer Geschöpfe. Und damit wären wir wieder bei einem weiteren dystopischen Element angelangt: der Mensch-Maschine als Schöpfer-Schöpfungskonflikt). All diese Punkte machen Blade Runner zu einer klassischen Dystopie deren Schöpfer Philip Kindred Drick in seinem Roman "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" nie an ein Hollywood-Ende dachte, sondern dessen Hauptfigur am Ende des Buches angesichts einer künstlichen Kröte der Verzweiflung anheim fällt.
Roy Battys berühmte letzte Worte
Dieser geniale Monolog auf dem Dach eines Hochhauses zeigt die Spaltung dieser Gesellschaft sehr deutlich. Roy Batty deutet mit seinen letzten Worten an, dass die Anerkennung der Replikanten eine gesellschaftliche Bereicherung darstellen würde. Sie können eben Dinge sehen und wahrnehmen, die den Menschen immer verborgen sein werden. Diese Wahrnehmung stirbt durch die strikte Verfolgung der Replikanten und durch ihre verbleibende Lebenszeit. In diesem Monolog drückt sich die Verzweiflung der Gejagten aus. Eine Verzweiflung, die Deckard teilen muss, da er nun selbst zum Gejagten wird, da er Rachel hilft, zu fliehen.
Dystopien haben die selbe Aufgabe wie ihre positiven Brüder. Sie sollen uns zeigen, in welche Richtung sich die Menschheit entwickeln kann. Sie verstehen sich dabei dennoch als Medien der Unterhaltung und enden mit einer positiven Position oder Entwicklung des Helden. Sie bleiben aber im Kern, was sie sind: eine nicht erstrebenswerte Zukunft. Daran ändert auch Hollywood nichts. Ich hoffe, dieser kleine Beitrag kann etwas zur Diskussion um die Definition der Dystopie beitragen. Falls jemand Gegenvorschläge oder andere Erwähnungen hat, soll er sie bitte in die Kommentare schreiben oder mich auf der nächsten Tafelrunde am 7. März 2014 ansprechen.