Einleitung
Wenn man sich an solchen Ort begibt, weiß man natürlich auch in etwa, was einen dort erwarten wird. Und weil Furcht ja bekanntlich ein schlechter Ratgeber ist, ließen wir uns von unserer Begeisterung für Star Trek lenken und besuchten die Veranstaltung kurzerhand. Schließlich wollten auch wir die Lösung der Gretchenfrage unter den Star-Trek-Fans erfahren: Gibt es noch Geld im Star-Trek Universum oder nicht?
Lobenswerte Aspekte
Die Besucherzahl. Star Trek lebt! Als sich unmittelbar vor dem Referat die Zuhörer im Saal einfanden, konnte man das beeindruckte Raunen von einem der Mitorganisatoren hören. Leise merkte er an, dass Star Trek ungleich mehr Publikum anziehen würde, als die vorherigen Themen, die im Rahmen der "Politischen Nerdnight" bislang liefen. Vielleicht hat er auch geflüstert, dass die Idee (Star Trek) zur materiellen Gewalt geworden ist, weil sie die Massen erreicht, aber da bin ich mir nicht mehr so sicher.
Die Stuhlanzahl reichte jedenfalls nicht mehr aus und den Gewohnheiten zum Trotz mussten weitere Sitzgelegenheiten für die Besucher herangeschafft werden. War die Veranstaltung zuvor kaum etwas größeres als eine Vorlesungsreihe von nerdigen Studenten für die selben nerdigen Mitreferenten, so sprengte dieses Thema sicherlich den üblichen Rahmen und platzte aus allen Nähten. Neben den Tafelrundenmitgliedern waren durch die Bank weg Gäste zugegen, die sich wenigstens soweit auskannten, um an der abschließenden Diskussionsrunde adäquat teilnehmen zu können.
Referat. Sicher, strukturiert und
stilecht mit einer Mateflasche führte David X. Noack durch das Programm. Dabei verließ er sich nicht nur auf Stichpunkte, Zitate und Bilder, sondern frischte seine Ausführungen auch durch gut gewählte Videoschnipsel auf. Sein Video zu den auffälligen Ähnlichkeiten zwischen "
Star Wars IV: Eine neue Hoffnung" und "
Star Trek (2009)" lockerte die Stimmung zusätzlich auf und fand beim Publikum großen Anklang. Die ausführliche (wenn auch nicht komplette) Literaturliste, die Bildquellen- und Zitatsangaben verdeutlichten ferner, dass der Urheber versuchte, wissenschaftlichen Standards zu genügen, was dem Inhalt zusätzliche Seriösität verlieh. Seine Thesen und Ansichten waren nachvollziehbar, ließen aber Platz zur Diskussion.
Politische Betrachtung als legitime Nische. Alles was ich weiß ist, dass ich kein Marxist bin. So stieß die Anlehnung des von
Spock so prominent platzierten
utalitaristischen Prinzips "
Das Wohl vieler wiegt schwerer als das Wohl des Einzelnen." an Mao Tse Tung bei mir auf ebenso viel Ablehnung wie beim Philosophiestudenten Strifes. Auch der Anwendung des "
marxistisch-leninistischen Bedürfnisprinzips" vermochte ich kaum zu folgen.
Das heißt aber nicht, dass wir gleich eine Kampfrede eines Politoffiziers gehört hätten oder Lenin hinter jeder Ecke gelauert hätte und schließlich hat irgendwer auch mal gesagt "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie zu verändern.".
Natürlich lag es in der Intention des Referenten, dieses Thema aus einem linksgerichteten Blickwinkel zu betrachten, doch wie bereits beschrieben, blieb er dabei immer nachvollziehbar und sachlich.
Unter dem Motto "
Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse." zerpflückte er die Entwicklung, die Star Trek seit dem Tod des Sozialromantikers
Gene Roddenberry durchlebte. Etwa anhand von
Tweets und
Zitaten des Exilkubaners
Roberto Orci legte David Noack schlüssig dar, wie die Produktionsriege der Science-Fiction-Serie immer weiter ins konservative Lager rutschte und sich immer mehr von den ursprünglichen Idealen der ersten drei Serien abwandte.
Das Ergebnis war streitbar, aber gelungen und wenn man dieses zweifelsfrei wissenschaftliche Referat mit denen
Hubert Zitts vergleicht, stellt man zwar fest, dass sich diese vom Ansatzpunkt her deutlich unterscheiden, jedoch beide auf ihre Daseinsberechtigung pochen dürfen. Zudem wären auch weitergehende Vorträge in dieser Richtung möglich, etwa Religion als Opium für die Völker der Milchstraße, über die USA-Verherrlichung bei Star Trek bis hin zu "
Nie wieder Weltraumkrieg!". Das Potential ist auf jeden Fall da.
Diskussion. Da Freiheit auch immer die Freiheit Andersdenkender ist, stellte sich David Noack im Anschluss seiner Vorlesung den Fragen, Anregungen und der Kritik seiner Zuhörer. Und die hatten einiges zu sagen. Seine Ansätze, Thesen und Vergleiche fanden beim Publikum Gehör und in der ungezwungenen Atmosphäre fand ein Schlagabtausch zwischen beiden Parteien statt, in dem Referent und Reziepienten immer wieder auch ihr Star-Trek-Fachwissen unter Beweis stellten. So mischten auch einige der sonst vergleichsweise zurückhaltendenTafelrundenmitglieder die Gesprächsrunde ordentlich auf. Z.B. habe ich unser Mitglied Ensign nur bei einigen wenigen Tafelrunden so flammend gesehen wie bei ihrer Verteidigung "Star Trek: Voyagers". Für den Ottonormalverbraucher mag die Debatte um Folgenreferenzen, Fachvokabeln aus "Das Kapital" und Philosophie-Termini recht befremdlich gewirkt haben, doch genau dadurch verdiente die Veranstaltung wahrhaftig das Prädikat 'Nerdnight'.
Kritikwürdige Aspekte
Die Besucherzahl. Star Trek ist tot! Tatsächlich hat eigentlich kaum jemand diese Veranstaltung besucht. Wer durch den ersten Punkt der 'Lobenswerten Aspekte' einen anderen Eindruck erhalten hat, dem sei erklärt, dass alles dort nur aufgeführt wurde, weil maßlose Übertreibungen das Verständnis erleichtern. Wären die zwölf Personen nicht zugegen gewesen, die der Tafelrunde oder mit ihr verbundenen Personen angehörten, so wäre es eine ebenso beschauliche Veranstaltung wie die vorherigen Referate der Reihe geworden, in denen ein Vortragender die vor und nach ihm eingeplanten Mitstreiter allein unterhalten hätte. Das ist sehr schade, denn tatsächlich weist die gesamte Reihe spannende Inhalte auf, die neben Star Trek auch Harry Potter, Twilight oder Buffy umfassen.
Die Dimensionen einer Zitt-Vorlesung oder selbst eines Robert-Vogel-Selbstdarstellungsmonologs wird die "Montagskultur" im KuZe aber wohl nie erreichen, auch wenn die Studentenstadt Potsdam prinzipiell den Nährboden dafür bietet. Das ist sehr ärgerlich, denn gerade die abschließende Diskussion wäre bei einer echten Kontra-Meinung höchstwahrscheinlich noch spannender gewesen. Doch mittlerweile sollte man sich wohl eingestehen, dass die goldenen Jahre Star Treks, in denen ein solches Thema größere Resonanz gefunden hätte, längst vorbei sind.
Fehlende Aspekte. Auch wenn David Noack viel an Recherchearbeit in sein Thema investiert hat, haben mir einige Aspekte gefehlt, die den 'Star-Trek-Sozialismus' meiner Meinung nach ausmachen. So ist es heute unmöglich, dass jeder Mensch ein Haus am Strand besitzt, weil es schlichtweg gar nicht soviel Strand auf unserem Planeten gibt. Daher wäre die Kolonisation des Weltraums ein wichtiger Baustein zum Verständnis des in Star Trek propagierten Gesellschaftssystems, denn bislang unerreichbare Planeten wie
Pacifica,
Antede III oder gar die
moneanische Heimatwelt bieten jedenfalls die idealen Voraussetzungen für entsprechende Immobilien.
Noch wichtiger schließlich der
Replikator, der die Grundversorgung der Bevölkerung sicherstellt. Natürlich ist auch das streitbar, aber genau
dadurch ja auch so unheimlich interessant. Schon der in der Diskussion so plakativ eingesetzte Satz "
Wenn warmes Essen aus der Wand kommt, ist das noch lange kein Sozialismus." drückt dieses Dilemma wohl schöner aus, als es in der einschlägigen Fachliteratur jemals formuliert wurde.
Schließlich gilt es auch zu bedenken, dass zu jeder Äußerung, die in Star Trek gegen die Verwendung von Geld aufgeführt werden kann, mindestens zwei weitere zu finden sind, die das genaue Gegenteil aussagen. Auch wenn man das entkräften kann, sollte es in das Referat aufgenommen werden. Schließlich kann es so immerhin als berühmte 'Ausnahme von der Regel' herhalten.
Q-Less. Ein Star-Trek-Fan, der Q nicht mag? Also wirklich!
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vielen Dank an K'olbasa für diese legendäre Zote |
Fazit
Alles in allem war die familiäre Veranstaltung ein lohnendes Ziel für unsere Außenmission. "Star Trek - Eine sozialistische Vision" war zwar zweifelsohne eine provokante Losung, aber gerade deshalb ein so gelungenes Vortragsthema. Wir fühlten uns jedenfalls sehr gut unterhalten und haben aus diesem Abend sogar die ein oder andere Erkenntnis mitgenommen.
Ob es nun Geld in der Zukunft gibt? Nun, da stimme ich persönlich weniger mit den Ausführungen David Noacks überein und würde es eher mit Strifes halten:
Geld gibt es im Star-Trek-Universum zwar noch, doch es hat längst nicht mehr den Stellenwert unserer Zeit. Eine lohnende Vision und ein annehmbarer Kompromiss, wie ich finde.
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Nachschlag
Wer sich den neuen (und wahrscheinlich letzten) Star-Trek-Trailer ansehen möchte, obwohl der nichts mehr mit Gene Roddenberrys kommunistischen Ideen gemein hat, kann das bei dieser Gelegenheit auch gleich tun: