Einleitung. Es ist mal wieder soweit –
die Welt feiert den heimlichen Nationalfeiertag der Iren, den Saint
Patrick's Day. Über das Irland-Bild bei Star Trek haben wir uns ja bereits im letzten Jahr ausführlich ausgelassen, doch nun ist es an
der Zeit, einen genaueren Blick auf einen damals angepriesenen Film
mit Colm Meaney zu werfen. Aus diesem Grund folgt an dieser Stelle
keine weitere Abhandlung über Iren und Star Trek, sondern die
Rezension zu eben jenem Streifen „Parked“.
Story. Die Wogen des Geschicks haben
Fred (Colm Meaney) auf einem einsamen Parkplatz in der Nähe Dublins
stranden lassen. Arbeits- und perspektivlos versucht er mit stoischem
Beharrungsvermögen, sein tristes Leben aus seinem Auto heraus fortzuführen. Sein Einsiedlerdasein erfährt allerdings ein rasches
Ende, als ihm der Junkie Cathal begegnet, für den er mit der Zeit zu
einer Ersatzvaterfigur wird. Aber auch Freds eingefahrener Alltag
wird vom jungen Taugenichts durchbrochen.
Die beiden liebenswürdigen Looser
schaffen es, sich im arg von der Wirtschaftskrise gebeutelten Irland
gegenseitig Halt und Auftrieb zu geben, bis einer von beiden den langen Schatten der eigenen Vergangenheit nicht länger entfliehen kann...
Lobenswerte Aspekte. „Parked“ ist definitiv etwas für das Auge. Das bildgewaltige Drama befeuert mit opulenten Landschaftsaufnahmen beinahe so etwas Reiselust auf die ferne Grüne Insel – sofern man denn auf das Wetter der britischen Eilande steht und auch die kontrastreichen Industrielandschaften mag, die immer wieder das Gesamtbild irgendwo zwischen Idylle und Tristesse ergänzen.
Andererseits ist „Parked“ aber auch etwas für die Großhirnrinde. So reihen sich aufdringlich augenscheinliche Metaphern wie das Reparieren einer stehen gebliebenen Uhr, das Freilassen von Tauben oder das Wagnis, ein Sprungbrett hinabzustürzen wie eine Perlenschnur den Film entlang. Dazwischen stechen immer wieder symbolschwangere Gegensätze wie die zwischen Feuer und Wasser, Schwimmbad und Meer oder Stadtlichter und Feuerwerk ins Auge, die sich selbst in die Gedankenwelt jener Zuschauer schleichen, die derlei Betrachtungsspielereien im Normalfall nur wenig abgewinnen können.
Wer bei „Parked“ ein großes
Star-Trek-Schauspielerensemble erwartet, muss von dieser rein
irischen Produktion zwangsläufig enttäuscht werden, denn außer
Colm Meaney gibt es keinen weiteren Veteranen der
Science-Fiction-Franchise. Vielleicht wird es die ein oder andere
weibliche Blogleserin trösten, dass immerhin der junge „Merlin“
Colin Morgan die andere große Hauptrolle ergattern konnte. Dafür
kann der Film Werte transportieren, die jedem Fan hinlänglich
bekannt sind. Wer ungewöhnliche Freundschaften wie die zwischen
einem Blinden und einem Androiden, einem Trill und einem Augment oder
einem Vulkanier und einem Menschen zu wertschätzen gelernt hat, wird
mit der ungewöhnlichen Kameradschaft der beiden Haupthelden weniger
Probleme haben. Vor allem aber der Grundtenor „Niemals aufgeben -
niemals kapitulieren!“ bietet großzügige Andockmöglichkeiten,
auch wenn Star Trek gegen die realitätsnahe Handlung nahezu klinisch
rein wirkt.
Hinzu kommt, dass Meaneys Charakter
Fred Daly eindeutig über Ingenieursqualitäten verfügt, die
zuweilen an Chief O'Brien erinnern. Und, dass man den
irischen Schauspieler weder bei TNG noch DS9 zuvor so viel nackte
Haut zeigen lassen durfte wie in diesem Nischenfilm.
Wen das nicht unbedingt reizt, dem
winkt immerhin die Aussicht, ihn in einer völlig anderen Rolle zu
sehen und sich aus erster Hand davon zu überzeugen, dass er nicht
nur ein großartiger Schauspieler ist, sonder darüber hinaus auch
die ideale Besetzung für diese Rolle.
Sein Alter Ego legt übrigens selbst in
Zeiten größter Not erschreckend deutsch-preußische Tugenden an den
Tag: Daly hängt an sinnstiftender Ordnung, beachtet gesetzestreu
Geschwindigkeitsbegrenzungen, pocht hartnäckig auf Routinen, scheut
stur das Risiko und zeigt eine große Vorliebe zu Duftbäumchen.
Topfpflanzen und Puzzles. Man kann sich – nicht zuletzt Dank der
schauspielerischen Leistungen Meaneys und Morgans – umgehend in Fred
hineinversetzen und fragt sich sicherlich mehr als einmal, ob ein
solcher Absturz nicht auch einem selbst passieren kann.
Negative Aspekte. Im ersten Moment
bekommt man einen gehörigen Schreck, denn „Parked“ beginnt wie
ein J.J.-Abrams-Streifen: Mit ausgiebigen Lens Flares.
Zum Glück nehmen diese Effekte im
weiteren Filmverlauf keine übergroße Fahrt auf und es drängt sich an
dieser Stelle schon ernsthaft die Frage auf, was zum Teufel man an
diesem Film zu meckern haben könnte.
Dass das Lenkrad auf der falschen Seite
ist?
Dass der Film durch den Bechdel-Test fallen würde?
Oder gar, dass die Töne zu "Freds Ouvertüre" den Gehörgang auf Wochen nicht verlassen werden?
Nein, meine Kritikpunkte sind viel
bodenständigerer Natur.
So sehr ich mich zum Beispiel in Fred
hineinversetzen kann, so sehr wundert es mich im gleichen Augenblick,
dass er trotz seiner reihenweise abgelehnten Sozialhilfeanträge Geld
genug hat, um sich Schwimmhallenbesuche, Autobatterien, die vielen
Coffees to go, Aerobic Schwimmkurse oder Benzin leisten zu können.
Derlei Logiklöcher nagen etwas am
Gesamtbild.
Hinzu kommt, dass man sich ab einem bestimmten Zeitpunkt so ziemlich genau ausmalen kann, in welche Richtung sich "Parked" entwickeln wird. Wer neue, kreative Ideen sucht, wird in diesem Film von erzählerischen Allgemeinplätzen rasch eingeholt werden.
Am Schlimmsten aber wiegt der Umstand, dass der Film eine doppeldeutige Moral aussendet. Fred Daly, solange er obdachlos ist, verspürt das Glück der Freundschaft und sogar jene Schmetterlinge im Bauch, die er so viele Jahre nicht mehr bemerkt durfte. Am Ende des Filmes jedoch, als er materielle Sicherung erfährt, hat er all das mühsam erkämpfte Hochgefühl verloren. Nicht, dass ich die Tragik darin nicht erkennen oder schätzen könnte, doch es nimmt der aussichtslosen Situation des sozialen Absturzes jeglichen Schrecken. Es scheint völlig okay, dass Daly zuvor dieses entwürdigende Martyrium erleidet und genau das wird in meinen Augen der Situation nicht gerecht. Es ist der verklärt-romantische Blickwinkel von Filmemachern, die die harsche Relaität der Obdachlosigkeit nie erlitten haben. Um es noch deutlicher zu sagen: „Parked“ ist ein Film, der am Handlungsgegenstand vorbei erzählt wird.
Fazit. „Parked“ ist eine
sehenswerte irische Eigenproduktion irgendwo zwischen „Ziemlich beste Freunde“, „Trainspotting“ und „Elling“, der genial
von Colm Meaney und Colin Morgan in Szene gesetzt wurde. Ein ebenso
nachdenkliches, wie bildgewaltiges Werk, dessen einziger Makel die
arrogante Perspektive und vereinzelte Logiklöcher sind.
Bewertung.Gefühlskino mit angezogener Handbremse.
Denkwürdige Zitate.
„Ja, ist schön hier...“
„Ja, ist schön hier...“
Cathal
"Tempus fugit, Cathal! Und ich
find' das nicht lustig."
Fred
„Lässt Du mich mal probieren?“
„Hattest Du nicht schon genug wildes
Leben heute?“
Fred und Cathal
„Die alten haben einfach mehr
Charakter.“
Weiterführende Leseliste.
LeVar Burton: The Supernatural
DeForest Kelley: Night of the Lepus
Walter Koenig: Moontrap
Colm Meaney: Parked
Colm Meaney: The Damned United
Nichelle Nichols: The Supernatural
Leonard Nimoy: Die Körperfresser kommen
Leonard Nimoy: Zombies of the Stratosphere
William Shatner: Mörderspinnen
Marina Sirtis: Blind Date
Marina Sirtis: The Wicked Lady