Einleitung. Für Star-Trek-Fans ist das
wohl die traurigste Dekade in der Geschichte ihrer Franchise, denn es
ist das erste Jahrzehnt seit der Ausstrahlung der Originalserie, in
dem im Fernsehen keinerlei Star-Trek-Serie über die Mattscheibe
flimmert – und das kurz vor dem fünfzigjährigen Jubiläum der
Science-Fiction-Sparte!
Klar, mag da der ein oder andere
einwerfen, es gibt natürlich die Abramstrek-Kinofilme, die aber
unter den langjährigen Fans aufgrund ihrer Anspruchsarmut zumindest
umstritten sind und wenn es einen Grundtenor innerhalb der
Anhängerschaft gibt, so ist es die Ansicht, dass Star Trek seine
Stärken vor allem als Serie ausspielen kann.
Aufgrund vielfältiger Ursachen (etwa
dem Dauerstreit zwischen Paramount und CBS, den aktuell schwächelnden
Zuschauerzahlen von Science-Fiction-Serien oder den Nachwirkungen der
weit unter ihrem Potential produzierten Serie 'Enterprise') wird der
Traum einer neuen Fernsehpräsenz vorerst wohl nicht in Erfülllung
gehen. Doch muss man damit auch alle Hoffnungen auf neues
Star-Trek-Material abseits des Abramsverse zu Grabe tragen?
Mitnichten!
Nicht von ungefähr beschwor der
Science-Fiction-Blog io9 in einem Artikel, dass wir gerade im
'Goldenen Zeitalter der Star Trek Webserien' leben würden und
tatsächlich entbehrt dieser Blickwinkel nicht einer gewissen
Daseinsberechtigung.
Vor allem jenseits des Großen Teiches
wird Star Trek mit aufwandsintensiven Fan-Produktionen wie Star Trek Continues, Star Trek Renegades oder der mit Hochspannung erwarteten
Realisierung von Star Trek: Axanar der Durst der Fans nach neuen
Abenteuern gestillt. Streckenweise ist den entsprechenden Projekten
kaum mehr anzumerken, dass es sich um nicht kommerzielle Werke
handelt, denn längst hat ein Großteil der Beteiligten ein Niveau
erreicht, dass ihre Arbeit mit der Aura einer Professionalität
umgibt.
Blickt man sich außerhalb der
Vereinigten Staaten um, bleibt festzustellen, dass dem Ursprungsland
Star Treks beinahe eine Monopolstellung bei der Realisierung derartiger Werke zukommt. Erst auf den zweiten Blick könnte dem
interessierten und vor allem recherchegeübten Internetnutzer
auffallen, dass es auch unter der noch immer zahlreichen deutschen
Fangemeinde ebenfalls einige Projekte gibt, die das Land der Dichter
und Denker ebenfalls – wenn auch in weitaus bescheidenerem Umfang –
zum einem Standort engagierter Fanproduktionen macht. Auffallend
dabei ist, dass aktuell vor allem der Bundeshauptstadt Berlin mit den
beiden Gruppen der Euderion und USS K'Ehleyr der Aktivposten unter
den nationalen Fanfilmbeiträgen bildet. Am gestrigen Sonnabend lud
die IG USS K'Ehleyr zur Premiere ihres neuesten Streifen „Dark
Horizon“ - und natürlich waren Vertreter der Tafelrunde 'Hermann
Darnell' bei diesem Event zugegen, um ihren Lesern davon zu
berichten.
Die Veranstaltung. An die bei Star Trek
propagierte Vision vom 'Sozialismus der Zukunft' zu glauben, fällt
nicht zuletzt aufgrund der vielen Widersprüche innerhalb Star Treks
nicht immer leicht. Wenn man aber sieht, wie eine kleine Fangruppe
Essen und Getränke organisiert und an einem solchen Abend
gemeinschaftlich miteinander und seinen Gästen teilt, scheint eine
erste Hürde in Richtung Verbesserung der Menschheit bereits
genommen. Egal, ob die engagierten Grillstandbetreuer, die fleißigen
Techniker oder die uneigennützigen Bereitsteller von Speisen (unter
denen der Autor an dieser Stelle einmal den leider anonym gebliebenen
Rote-Beete-Kartoffelsalatproduzenten hervorheben möchte) verlieh der
Veranstaltung, der immerhin knapp siebzig Personen beiwohnten, einen
gewissen familiäre Atmosphäre.
Die war auch bitterlich nötig. Nicht
etwa, um den Gästen ein schlechtes Gewissen zu verpassen, wenn sie
den Film doof fanden, sondern eher um den äußeren Umständen
entgegenzuwirken, denn im beschaulichen Friedrichshagen, tief in den
Eingeweiden Ost-Berlins, war man nicht nur weit ab von pulsierenden
Anlaufpunkten wie Berlin-Mitte, Potsdam oder Wilhelmshagen: Darüber
hinaus herrschten bei der schwülen Hitze um die dreißig Grad
Bedingungen, die es erschwerten, einer Filmhandlung zu folgen,
langärmelige Star-Trek-Kostüme zu tragen oder zum Schutz der
Anwohner die Türen des Vorführraumes zu schließen.
Und dennoch vermochte es die
Gastfreundlichkeit und ansteckende Vorfreude der K'Ehleyr-Crew,
Spannung zu erzeugen, sich mit ihnen zu freuen und die kleinen
Erfolge, die das Team mit ihren begrenzten Mitteln erreichen konnte,
anzuerkennen.
Qualität. Denn natürlich konnte man
darauf warten, dass erste Stimmen Kritik an „Dark Horizon“ übten.
Aus diesem Grund bietet sich an dieser
Stelle ein Wort der Ehrlichkeit an: Ja, es gibt die ein oder andere
Unzulänglichkeit in diesem Fan-Film und ja, man kann auch einen
guten Teil der 'Beginner Mistakes' an einzelnen Szenen festmachen.
Doch nicht umsonst setzten die Verantwortlichen einen sinnvollen Vorsatz an den Anfang ihres Films, der darauf hinwies, mit welchem Budget etwa eine Folge TNG abgedreht wurde. Und natürlich hat selbst ein Fan-Kollektiv aus der Bundeshauptstadt nicht den personellen oder technischen Hintergrund, den eine amerikanische Webserie wie etwa Star Trek Continues aufweist.
Man sollte eher bedenken, dass die
K'Ehleyr-Truppe nicht zur Beteiligung an einer Kickstarter-Kampagne aufrief, keinerlei Eintrittsgelder für Besucher ihres Hauptsitzes im
FEZ verlangte und im Zuge der Premiere noch nicht einmal ein
Tellariten-Sparschwein zur Verwirklichung kommender Projekte
herumreichte.
Stattdessen ist der gesamte Film ein
Statement für das Engagement von Fans, die ihre eindrucksvollen
Requisiten in mühevoller Kleinarbeit selbst fertigten, bei
arktischen Temperaturen nicht davor zurückschreckten Strandszenen zu
drehen und ihrem Traum von einem eigenen Star-Trek-Beitrag mit den
bescheidenen Mitteln ihres eigenen Geldbeutels und der
eingeschränkten Freizeit neben einem Vollzeit-Berufsleben auf
ansehnliche Weise verwirklichten.
Vergleicht man „Dark Horizon“
ferner mit seinen Vorgängerwerken, so kann man nicht verneinen, dass
das mittlerweile eingespielte Team an seiner Mission gewachsen ist.
Im Vordergrund steht aber noch immer, wie man etwa in den Gesprächen
mit Beteiligten wie Tom Jones, Winston Jayna oder Mark Logan erfahren
konnte, vorrangig der Spaß an Projekten wie diesen. Ausgebildeter
Tontechniker, Cutter oder gar Schauspieler ist jedenfalls niemand im
Team und es ist abzusehen, dass sich dieser Umstand im Zuge kommender
auch nicht ändern wird. Schließlich würde ein solcher Wandel
zugunsten der Qualität auf Kosten der einzigartigen Atmosphäre
gehen, in der die USS K'Ehleyr-Crew miteinander umgeht und
produziert. Es würde seine Seele und seinen Charme verlieren.
Besonders unter dieser Prämisse ist
„Dark Horizon“ auch Ausdruck der Leidenschaft, mit der Fans
in der Region Star Trek eine eigene und sehr persönliche Ausprägung
verleihen. Der Vergleich mit den Original-Serien und Filmen oder
anderen mit kaum mehr als 'Low Budget' etikettierbaren US-Webserien
ist obsolet, da bereits in puncto Motivation, Bedingungen und
Anspruch völlig andere Grundlagen herrschen. Wer sich darauf
einlassen kann, dürfte mit diesem Film jedenfalls seinen Spaß
haben.
Handlung. Die Crew des
Defiant-Class-Raumschiffes USS K'Ehleyr wird durch ein besonderes
Sternenflottenprotokoll aus seiner alltäglichen Routine und
Freizeitgestaltung gerissen: Die Omega-Direktive zwingt die
Führungsebene, alles stehen und liegen zu lassen um dem
gefährlichsten Partikel des Universums in der direkten Umgebung
eines schwarzen Loches auf den Grund zu gehen.
Doch das zerstörerische Element weckt
Begehrlichkeiten. Im Spiegeluniversum hat eine terranische Fraktion
ein Auge auf die seltene Substanz geworfen, um die politisch
instabile Situation in ihrer eigenen Realitiät zu ihren Gunsten
verändern zu können. Die Crew der K'Ehleyr wird vor ein moralisches
Dilemma gestellt, in dessen Zuge sie sich ihrer eigenen
Spiegeluniversumszwillinge stellen müssen...
Lobenswerte Aspekte. 'Episch' ist in letzter Zeit zu einem inflationär verwendeten Begriff verkommen, der seiner ursprünglichen Bedeutung kaum mehr gerecht wird. Aber wenn man zu Beginn von „Dark Horizon“ mit Ernst Meincke die deutsche Synchronstimme Jean-Luc Picards zu hören bekommt, muss man den Machern schon zu dieser geschickten Verpflichtung gratulieren die maßgeblich dazu beiträgt, gleich in den ersten Minuten ein Star-Trek-Feeling zu erzeugen.
Doch damit nicht genug. „Dark
Horizon“ ist ein Film von Fans für Fans und auch, wenn man als
Quereinsteiger arge Probleme haben dürfte, der Story zu folgen, wird
man als Fan häufig Déjà Vus, Wiedererkennungsmomente und das ein
oder andere NIb'poH durchleben, die sich nicht allein auf Star Trek
beschränken, sondern darüber hinaus auch Klassiker wie Knight Rider
(wirklich geschickt eingebaut: Das Autogramm David Hasselhoffs),
Terminator und Spaghetti-Western umfassen.
Einen hilfreichen Zugang zum Film für
Auskenner und Novizen haben die Veranstalter für alle Anwesenden auf
der Premierenfeier gleich ins Programm aufgenommen. Indem den
Zuschauer im Vorfeld und Anschluss Interviews, Making Of und Outtakes
vorgeführt wurden, entwickelten sich zusätzlich Einblicke, die die
verschiedenen Szenen mit Hintergrund, Insidergags (etwa der notorisch
barbrüstige Tom Jones) und bekannten Gesichtern ausfüllten.
Eines dieser Gesichter gehört übrigens
unserem Tafelrundenmitglied V'Nai, die in Doppelfunktion als Dax und
als sadistische Spiegeluniversumsvulkanierin zu bewundern war und daneben noch für das Kostümdesign und die Kostümfertigung zuständig war. Aber
auch wenn sie damit gleich vier zentrale Rollen einnehmen musste, bedeute dies
nicht, dass dem Film an Frauenrollen mangelte. Nicht weniger als
sechs verschiedene Schauspielerinnen sorgte für ein ausgewogenes
Verhältnis innerhalb der Darstellerriege. Neben V'Nai sollte in
diesem Zusammenhang auch Silvana-Simone erwähnt werden, die mit
ihrer Darstellung der bajoranischen Antagonistin maßgeblich zum
Flair des Films beitrug.
Multifunktionscrewmitglied: V'Nai |
Ein weiteres Tafelrundenmitglied hatte
ebenfalls einen – wenn auch sehr kurzen - Auftritt innerhalb des
Films: Rok, einer der Stammschreiber dieses Blogs und in seiner
Freizeit Hobbymusiker brachte sich nicht nur als namenloser Redshirt,
sondern vor allem als Komponist der Filmmusik zu „Dark Horizon“
ein. Natürlich ist es an dieser Stelle schwer, die Objektivität
gegenüber der Arbeit eines geschätzten Kollegen und engen Freundes
zu wahren, aber für den Autor persönlich war die musikalische
Untermalung der Szenen ein wesentlicher Aspekt zur Entstehung einer
eigenen Atmosphäre und eigenen Identität.
Die gelungene, abwechslungsreiche
Vertonung verlieh der Handlung zusätzliches Tempo und ließ weder
den Kritikpunkt 'generischer Musik' aufkommen (vgl. Dazu die
angesprochenen „Top 15 Mistake Beginner Filmmakers Make“) sondern
verlieh dem gesamten Werk ein gewisses Hollywood-Feeling.
Kritikwürdige Aspekte. Mit der
Problematik der kritischen Herangehensweise an Fan-Filme haben wir
uns ja bereits im Absatz Qualität ausgiebig beschäftigt, aber eine
Sache bleibt daneben dennoch festzuhalten:
Es ist nicht nur für Star-Trek-Novizen
etwas schwierig der Story zu folgen, sondern auch für Personen, die
mit dem Konzept des vertrackten USS-K'Ehleyr-Universums nicht
vertraut sind. Selbst als eingeweihten Zuschauern fällt es jedoch
schwer, den mitunter etwas verworrenen Eingenentwicklungen innerhalb
dieses Paralleluniversums zu folgen und es wäre durchaus hilfreich,
wenn dem eigentlichen Film so eine Art 'Prelude to K'Ehleyr'
vorgeschaltet wäre, die dem geneigten Rezipienten die eigenwillige
Historie dieser Zeitlinie noch einmal vorstellt. Denn gerade in einer
Zeit, in der sich Star Trek in einem Überangebot an alternativen
Zeitlinien zu verlieren droht, kann es von Vorteil sein, sich
gegenüber anderen Entwicklungen abzugrenzen – ganz besonders dann,
wenn man dieses Sonderuniversum mit einem weiteren Paralleluniversum
kreuzt.
Fazit. Nein, „Dark Horizon“ wird
das Genre des Fanfilms nicht neu erfinden. Es wird sich nicht messen
lassen können mit finanzstarken amerikanischen Fanfilm-Produktionen
oder gar den Folgen und Filmen die Star Trek bislang hervorgebracht
hat. Und es gibt die ein oder andere Unzulänglichkeit, die so vielen
Fanfilmen anhängt.
Und dennoch lohnt es sich, diesen Film
anzusehen.
Es lohnt sich, weil er ein Monument für
die Begeisterungsfähigkeit ist, mit der Berliner und Brandenburger
ihre Leidenschaft für Star Trek ausleben.
Es lohnt sich, weil noch echte Laien
sich vor die Kamera gestellt, die Szenen geschnitten und die Musik
komponiert haben.
Es lohnt sich, weil vielleicht der ein
oder andere Anfängerfehler begangen wurde, aber dennoch ein stabiles
Werk entstanden ist, das in weiten Teilen davon zeugt, das die
Strukturen innerhalb des eingespielten Teams bereits auf einem hohen
Niveau liegen.
Und es lohnt sich, weil alle
Beteiligten ihren Spaß auf Zelluloid (oder besser: auf Festplatte)
gebannt haben und es nur sehr schwer ist, sich diesem Zauber zu
entziehen, ganz besonders dann, wenn man sich von diesem Spaß auf
der Premierenfeier selbst ein Bild machen konnte. Die Vertreter der
Star Trek Tafelrunde "Hermann Darnell" hatten auf der
Premierenfeier jedenfalls eine Menge Spaß und sehen bereits mit
Spannung dem nächsten Projekt der USS K'Ehleyr entgegen.
Denkwürdige Zitate.
"Auch Q kam in kurzen Hosen."
Sabine
"Der Abend ist noch lang."
ebenso prophetische wie wahre Worte Martins
"Das Schwierigste waren die emotionalen Szenen, wenn man mit Frauen im Gespräch war und so..."
Tom Jones verrät im Making Of die wahren Bürden des Fan-Film-Filmens
"Die letzte Grenze hat einige Linien, die nicht überschritten werden sollten."
Logan
Der Film zum selber eine Meinung bilden.