Mitunter offenbaren sich doch erstaunliche Biografien, wenn man in Deutschland nach Landsmännern sucht, die aktiv dabei halfen, Star Trek sein heute hinlänglich bekanntes Gesicht zu verleihen.
Da wäre zum einen jene Star-Trek-Stars, die hierzulande das Licht der Welt erblickten, wie etwa
LeVar Burton (Landstuhl) oder
Jeri Ryan (München), aber auch Gastschauspieler wie
Harry Groener (Augsburg) oder
Saul Rubinek (Föhrenwald). Andere, wie
Mark Allen Shepherd oder
Max Grodénchik hat es im Zuge von Familiengründungen nach Deutschland oder Österreich gezogen. Doch bei Lichte betrachtet fällt es bei diesen Personen vergleichsweise schwer, ihnen an dieser Stelle das Prädikat '
deutsch' überzuhelfen.
Anders sieht es mit Regisseuren wie
Gerd Oswald (TOS, in Berlin geboren) oder
Winrich Kolbe oder dem Art Director
Franz Bachelin (Sinsheim), die mit ihrer Arbeit hinter den Kulissen der Franchise den eigenen Stempel aufdrückten.
Das unumstrittene Aushängeschild deutscher Beteiligung bei Star Trek ist allerdings ein Mann, dessen markantes Gesicht in der TNG-Episode "
Versuchskaninchen" bis zur Unkenntlichkeit mit Make-Up entstellt wurde. Trotz dieser Beeinträchtigung schaffte es
Reiner Schöne, in Fankreisen zum Vorzeige-Teutonen bei Star Trek zu avancieren. Anlässlich der NCC1701-C, der dritten
Mini-Convention im brandenburgischen Eberswalde, stellte er sich am 17.01. dieses Jahres einer knapp vierzigköpfigen Zuhörerschaft im berühmt-berüchtigten Wäschekeller
Benjamin Stöwes.
Seinen Auftakt nahm der Nachmittag, indem Schöne sich den Weg in die enge Bühnenecke bahnte, nur um sie kurz darauf auch schon wieder zu verlassen. Der Stargast, der einen Großteil seines Lebens unter der Sonne Kaliforniens zugebracht hatte, musste sich der langen roten Unterhose wieder entledigen, die er vorsorglich in Erwartung eines kalten Untergeschosses angelegt hatte. Die Masse der Anwesenden hatte den kleinen Kellerraum jedoch hatte die Raumtemperatur in die Höhe schnellen lassen und sorgte somit nicht nur für wohlig warme Waden, sondern auch für verstimmte Gitarren.
Sein Programm bestand nämlich nicht allein darin, dass er die anekdotenhaften Kapitel seiner Autobiografie "
Werd ich noch jung sein, wenn ich älter bin" (Alternativtitel Schönes: "
Mein kommunistisches Manifest") vorlas, sondern sein Programm auch durch musikalische Exkurse auflockerte. Dabei waren die von ihm selbst verfassten Stücke wie der "
Hippiesong", "
Mitten ins Herz" oder "
Homesick for L.A." so eng mit den pointierten Auszügen aus seinem Buch verzahnt, dass man sich als Zuhörer wie an einem roten Faden entlang durch das ereignisreiche Leben Reiner Schönes geführt fühlte.
Schöne, im hessischen Fritzlar geboren und im thüringischen Weimar aufgewachsen, machte sich in der DDR bereits frühzeitig einen Namen als Schauspieler und Liedermacher, bevor er 1968 in den Westen flüchtete. Er wurde mit der Hauptrolle im deutschsprachigen Musical "
Haare" ("
Hair") auf dem Gebiet der Bundesrepublik bekannt und etablierte sich in der Folgezeit als Musiker, Entertainer, Moderator und als Schauspieler, der neben Engagements in verschiedenen deutschen Produktionen auch an der Seite
Clint Eastwoods oder
Kris Kristoffersons zu sehen war (darüber hinaus soll Schöne der Legende nach zwischenzeitlich nach Australien ausgewandert sein, wo er sich mit dem Hüten von Bantam-Schafen über Wasser hielt).
Im Jahr 1985 siedelte er in die USA über und lebte in Los Angeles, wo er in verschiedenen Fersehserien wie "
Matlock", "
MacGyver" oder "
Sliders" mitwirkte. Im Jahr 2002 kehrte er nach Deutschland zurück und gründete in Berlin eine Familie.
Mit dem "
Raumschiff Eberswalde"-Schöpfer und Gastgeber Benjamin Stöwe kam schließlich über ihre gemeinsame Tätigkeit im Bereich der Synchronschauspielerei zustande,
bei der Schöne beispielsweise als deutsche Stimme
Darth Vaders oder
Optimus Primes einige Berühmtheit erlangte.
Doch der Grund für seine Stippvisite an der Finow war natürlich sein Engagement in der TNG-Episode "
Versuchskaninchen", in der der 1,94 Meter große Schauspieler den
Chalnoth Esoqq ("
Ein brutales Wesen aus dem Weltraum ohne Manieren und Abitur.") spielen durfte. Das dazugehörige Kapitel seines Buches durfte in diesem Zusammenhang daher nicht fehlen. So berichtete Schöne den Mini-Convention-Besuchern davon, dass er die Rolle vor allem deshalb erhielt, weil er dem Rat seiner Agentin folgte und während des Castinggespräches '
in character' blieb. Der Stuhl, den er dabei durch die dünne Zimmerwand schleuderte, hinterließ scheinbar einen so schweren Eindruck bei den Produzenten, dass Schöne die Rolle erhielt.
Damit waren seine Versuche, ans Set der Hit-Serie zu gelangen, erstmals von Erfolg gekrönt. Bereits zuvor hatte er sich vergebens um die Rolle des Captains der Enterprise bemüht und nun stand er der Person gegenüber, die den Zuschlag für den Part letztendlich erhalten hatte.
So konnte er Einblicke in die Arbeit unter schwerer Maske geben, von den Schwierigkeiten erzählen, die eine Änderung des Drehbuchs nach sich zog oder vom Spaßfaktor berichten, den das Tragen der grell-grüngelben Kontaktlinsen in aller Öffentlichkeit bot.
Doch wenn man sich das bunt gemischte Publikum von acht bis achtundachtzig einmal genauer ansah, so konnte man rasch feststellen, dass nicht jeder hier war, um Star-Trek-Anekdoten zu hören. Wie etwa die beiden
Babylon-5-Uniformen (einer davon ausgerechnet vom Tafelrundenmitglied Miri getragen) bewiesen, boten sich den Anwesenden auch andere Anknüpfungspunkte an die vielfältige Karriere des dreiundsiebzigjährigen Weltbummlers.
Viele waren von seiner beeindruckende Vita als Theater-, Musical-, Fernseh- oder Kinofilmschauspieler angezogen worden, anderen boten seine offensichtlichen musikalischen Talente einen guten Grund der Veranstaltung beizuwohnen.
Enttäuscht wurde jedenfalls niemand. Neben den sechs Leseproben aus seiner Autobiografie bot er auch neun verschiedene Songs dar, darunter auch jenen, das er zusammen mit Konstantin Wecker verfasst hatte und der seinem Buch den Titel verlieh: "Werd' ich noch jung sein, wenn ich älter bin?".
Und wie im Leben auch wurde die Stimmung im Verlauf des Abends nachdenklicher. Die Auswahl an Geschichten und Lieder nahm einen mehr und mehr besinnlichen Charakter an und doch gelang es Schöne, die Stimmung nicht kippen zu lassen. Grund dafür war sein unheimlich breites Repertoire an kurzweiligen Witzen, die er aus seinen Bühnenprogrammen entliehen hatte. Stolze fünfundzwanzig dieser Witze sorgten an diesem Tag für die allgemeine Erheiterung des Publikums und dafür, dass sich Melancholie und Frohsinn stets die Waage hielten.
Abschließend lässt sich feststellen, dass sich nur ein geringer Teil des Programms tatsächlich auf Star Trek bezog, was eigentlich ein wenig Schönes eigenem Statement "Wir sind ja hier auf der Enterprise – zumindest im weitesten Sinne." entgegenstand.
Doch stattdessen nahm Reiner Schöne die Besucher der NCC1701-C auf einen wilden Ritt durch sein nicht minder wildes Leben mit und schaffte es mit seinem munteren Mix aus Anekdoten, Musik und Pointen, jeden seiner Gäste in den Bann zu schlagen.
Als der Hüne schließlich seinen Auftritt unter dem Jubel der Anwesenden beendete, stieß er mit den erhobenen Händen an die Decke des ohnehin recht niedrigen Waschkellers. Es war in gewisser Hinsicht ein Sinnbild für den gesamten Abend, denn das, was dieser Mann von seinem Leben in Deutschland und der USA zu erzählen wusste, passt wohl weder in ein einziges Buch, geschweige denn in einen Keller – selbst wenn es der des "Raumschiffs Eberswalde" mit seiner kleinsten ganz großen Star-Trek-Ausstellung ist.
Und so neigte sich ein weiterer unvergesslicher Abend in Eberswalde dem Ende zu und wenn man sich in der Pause oder im Anschluss an die Veranstaltung bei den einzelnen Anwesenden einmal umhörte, so herrschte allenthalben die einhellige Meinung vor, dass jede einzelne "NCC-1701"-Convention bislang von ihrem Nachfolger noch übertroffen wurde. Stammbesucherin Katrin zog sogar (zu Recht) Parallelen zu einer Geburtstagsparty, bei der man nicht nur ein großartiges Programm erleben darf, sondern auch noch lauter nette Leute trifft (und die mehrmals im Jahr stattfindet).
Umso trauriger, dass Schirmherr Benjamin Stöwe ankündigte, dass die NCC-1701-D im kommenden Mai bereits die vorletzte der Reihe sein wird. Nach '
E' wie '
Eberswalde' wird wohl Schluss sein, auch wenn Captain
Jean-Luc Picard, mit dem Reiner Schöne dereinst in TNG zu sehen war, der über genau jene Signatur behauptete "
Es gibt noch viele Buchstaben im Alphabet.".
Wer nicht in Eberswalde dabei war, aber Reiner Schöne auch einmal Life erleben möchte, hat in nächster Zeit übrigens mehrfach die Gelegenheit dazu, denn der Schauspieler gastiert am 25. Januar um 16Uhr zusammen mit
Peter Sattmann im Schlossparktheater Steglitz und am 7. März um 20:45Uhr im Ratskeller Köpenick.
Denkwürdige Zitate:
"
Zwanzig Jahre Kalifornien haben mich versaut."
Reiner Schöne zum Vorwurf, eine Frostbeule zu sein
"
Zwanzig Jahre Kalifornien haben aus einem Ossie einen Assie gemacht. […]
Also einen amerikanischen Ossie."
Reiner Schöne zu seiner Zeit in L.A.
"
Ich war ein Hippie."
Reiner Schöne zu seiner Zeit im Musical "Haare"
"
Das hieß 'Der Öko-Walzer'. Gibt's auch auf Youtube. [...]
Unbedingt angucken!"
"
Wisst Ihr, woran man merkt, dass man älter wird? Wenn man beim Schnürsenkelzubinden überlegt, was man noch so erledigen könnte, wenn man schonmal hier unten ist."
Reiner Schöne über das Älterwerden
"
Oh, das ist ja wiedermal eine Alliteration!"
Reiner Schöne bei der Lektüre seines eigenen Werkes
Weiterführende Leseliste:
Die
NCC-1701-A in Eberswalde am 6. September 2014
Die
NCC-1701-B in Eberswalde am 22. November 2014
Die
NCC-1701-C in Eberswalde am 17. Januar 2015
Die
NCC 1701-D in Eberswalde (RetroSPOCKtive) am 28. März 2015