Posts mit dem Label Neue Serie werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Neue Serie werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Turons Senf zur fünften Folge Discovery

Spoilerwarnung. Dieser Artikel enthält nicht nur massive Spoiler zur fünften Discovery-Folge "Wähle Deinen Schmerz", sondern auch zu allen vorangegangenen Episoden und lässt sich sogar zu Vorhersagen zu zukünftigen Folgen hinreißen. Das Weiterlesen empfiehlt sich daher nur, wenn man alle bisherigen Episoden bereits gesehen hat.


Einleitung.
Es ist eines der interessantesten Phänomene dieser Tage:
Fragt man zehn verschiedene Star-Trek-Fans nach ihrer Meinung über Discovery erhält man zehn verschiedene Antworten.
Die einen lehnen Discovery in Gänze ab und sehen Seth MacFarlanes "Orville" als einigen würdigen Nachfolger der Franchise. Andere loben die neuste Serie über den Klee und sind sich nicht zu fein, zufällig im Internet gefundene Rezensionen als Ausdruck ihrer bedingungslosen Zuneigung mit haltlosen Vorverurteilungen zuzuspammen. 
Wieder andere können mit den völlig veränderten Klingonen leben, nicht aber mit dem Aussehen der USS Discovery.
Dem nächsten fehlt der optimistische Grundtenor, während sein Nachbar die menschlichen Abgründe zu schätzen weiß. Andere stören sich am Reboot-Charakter, wiederum andere an den vermeintlichen Kanon-Brüchen.
Letztendlich liegt die Wahrheit wohl dazwischen, aber dass hält die Fan-Basis selbstverständlich nicht davon ab, auch die fünfte Folge "Wähle Deinen Schmerz", zu hassen, zu lieben oder zumindest vorsichtig zu betrachten…

Story.
Nach einem Ausflug zur Dienstberatung auf Sternenbasis 28 wird Captain Gabriel Lorca zum Entführungsopfer. Längst haben die Klingonen nämlich Wind davon bekommen, dass es da draußen ein Sternenflottenschiff gibt, das ebenso plötzlich hier und dort auftaucht, wie es auch wieder verschwindet. Um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, entführen sie kurzerhand den Kommandanten des Schiffes.
So muss sich auf der Discovery der erste Offizier Saru den Kopf darüber zerbrechen, wie er seinen Vorgesetzten aus der Hand des Feindes befreien kann und es scheint, als würde die Anwesenheit der Meuterin Michael Burnham das ganze Unterfangen weiter komplizieren. Zusammen mit dem Schiffsarzt, dem Chefingenieur und Kadett Tilly hat sie nämlich die Theorie aufgestellt, dass der endlich funktionsfähige Sporenantrieb dem als Navigator missbrauchtem Bärtierchen schadet. So prallen nicht nur an Bord der Discovery die Gegensätze aufeinander, sondern auch an Bord eines klingonischen Gefängnisschiffes, wo sich Lorca nicht nur den Klingonen und Mitgefangenen, sondern den Dämonen seiner eigenen Vergangenheit stellen muss…


Lobenswerte Aspekte.

Zeit zum Entfalten.
Besondere Hervorhebung verdient (mal wieder) der Umstand, dass einige Charaktere die Folge nutzen konnten, um sich maximal in Szene setzen zu können. Das betrifft vor allem vier Charaktere.
Allen voran Gabriel Lorca.
Bislang war in diesen Rezensionen immer wieder die Rede davon, wie genial fies Captain Lorca als Antipol zum bislang gepflegten Bild des fehlerlosen Hochglanz-Kapitäns eingesetzt wurde. Doch diesmal ist der lichtempfindliche Schattenmann vielen Fans einen Schritt zu weit gegangen:
Als er ausgerechnet die Star-Trek-Ikone Harry Mudd an Bord des Klingonenschiffes zurückließ, war der Aufschrei so groß, dass manch einer der gesamten Franchise gleich die Seele aberkannte.
Aber wer allen Ernstes geglaubt hatte, dass Lorca diese Chance nutzen würde, um seinen (bislang scheinbar gut versteckten) Großmut zur Schau zu stellen, scheint verpasst zu haben, dass Lorcas Name unter den Top-Fünf der besten Sternenflotten-Offiziere nicht ganz zu Unrecht mit Abwesenheit glänzte. Er scheint die vorangegangenen Folgen nicht aufmerksam gesehen zu haben und muss versäumt haben, welches Ausrufezeichen der Mann für gewisse Missionen bereits mit der Zerstörung der USS Buran offenbarte:
Hier geht jemand gewissensfrei über Leichen und sieht in anderen vorrangig ein Mittel zum Zweck. Instinktiv erkennt er, wie sie ihm am Besten helfen können, seine eigenen Ziele (in diesem Fall die allgemein wünschenswerte Erhaltung der Föderation) zu erreichen.
Lorca hat in seinem Inneren keinen Platz für Barmherzigkeit oder zumindest keine, wie wir sie nach jeweils sieben Staffeln Picard, Sisko oder Janeway gewohnt sind. Hat man bis  hier hin gut genug aufgepasst um das zu erkennen, verwundert es jedenfalls nicht sonderlich, dass mit Harcourt Fenton Mudd nun ein weiteres hilfsbedürftiges Individuum von ihm sang- und klanglos zurückgelassen wurde.
Der Einbezug jenes fragwürdigen Charakters namens Mudd (großartig in Szene gesetzt durch einen gut aufgelegten Rainn Wilson) war übrigens eine der cleversten Ideen der Schreiberlinge, denen es gelang, aus einer eindimensionalen Witzfigur der Originalserie einen vielschichtigen Charakter zu zaubern, die zwar von Schicksalsschlägen gezeichnet worden, aber in puncto Schlitzohrigkeit und Skrupellosigkeit kaum zu übertrumpfen ist. Dass sich Lorca mit ihm auf Augenhöhe befindet, sagt so viel über die Neuinterpretation des Händlers aus, wie über das Innenleben des neuen Captains.
Die Aussicht, dass eben diese ausgefeilte Version Mudds die Serie auch in naher Zukunft nochmals beehren wird, kann man jedenfalls als klare Bereicherung für ganz Discovery zählen. 


Als Kontrastpunkt zu den Niederungen menschlicher Abgründe (hier in Person von Mudd und Lorca) diente in "Wähle Deinen Schmerz" die Crew der USS Discovery, die ausgerechnet den Captain retten will, der seine vorherige Besatzung so skrupellos in die Luft gesprengt hatte.
Als Bindeglied wirkte dabei der Kelpianer Saru, der sich erstmals wider seine eigene Natur stellen musste, um nicht nur das Amt des Kapitäns angemessen auszufüllen, sondern auch einen Vorgesetzten befreien muss, dessen Führungsstil er nicht unbedingt teilt.
So sucht er – mithilfe des Computers – seinen eigenen Stil und findet ihn letzten Endes in seinen eigenen verschmähten Instinkten wieder. Auf dem Weg zu dieser Erkenntnis begleitet der Zuschauer ihn und seine innere Zerrissenheit, versteht seine nicht immer populären Entscheidungen und sieht ihn pragmatische Lösungswege beschreiten, die sich von denen Lorcas kaum unterscheiden.
Am Ende der Folge zeigt sich dann aber mehr als deutlich wie lohnenswert es ist, Saru mehr Screentime einzuräumen, denn die Gratwanderung zwischen den Erwartungen an Sternenflottenkommandanten (dem Über-Ich) und den eigenen Instinkten (dem Ich) macht eher einen guten Befehlshaber aus, als jeder vermeintlich Leitfaden.
Eine ähnliche Bewährungschance wie Saru erhielt auch der Pilz-Experte Paul Stamets, dem nicht nur der Verdienst gebührt, die erste homosexuelle Beziehung im Star-Trek-Universum zu führen, sondern auch seine ganz persönliche Version des Kobayashi-Maru-Tests abzulegen. Beide Umstände tun seinem bislang doch recht blass gebliebenen Charakter unheimlich gut.
Neben diesen vier außergewöhnlich gut zentrierten Figuren wird den anderen nur eine Art Nebenrolle zuteil:
Burnham ist im Vergleich zu ihrem vorherigen Auftritten bestenfalls Staffage, Tilly dient in erster Linie als Quelle derber Zoten und Ash Tylers Idealismus ist deutlich übersteigert.
Immerhin gelang es dem Arzt Hugh Culber den ein oder anderen Akzent zu setzen, ohne sich allerdings sonderlich hervorzutun.


Bruch mit der Perspektive.
Als großen Pluspunkt sehe ich noch immer den Perspektivwechsel, den Discovery mit seiner Zentrierung auf die Geschichte Michael Burnhams vorgenommen hat. Doch "Wähle Deinen Schmerz" zeigt deutlich auf, dass dies kein starres Dogma ist, sondern eine eher vom Inhalt abhängige, situative Entscheidung.
Denn was, wenn man sich überhaupt nicht mit Burnham identifizieren, ihre Handlungen nicht nachvollziehen und für ihre Geschichte kein Interesse aufbringen kann?
Dann hat man seit dieser Folge die Möglichkeit, aus dem engen Korsett des 'embedded journalism' auszubrechen und seinen Blick auch in andere Richtungen schweifen zu lassen.
Nicht zuletzt deswegen billigten viele Fans der Serie dieses Mal ein deutlicheres Star-Trek-Feeling zu, weil sich die ständigen Ortswechsel, Figureninteraktionen und Handlungsstränge deutliche Anleihen aus vorangegangenen Star-Trek-Serien offenbarten.
Man kann den Discovery-Verantwortlichen jedenfalls nicht vorwerfen, sich überhaupt nicht um die Alt-Fans zu bemühen.



Liebkosungen für den Kanon.
Vor allem nicht, wenn man bedenkt wie viel Naschwerk sie den alten Trek-Hasen direkt in den Laufweg warfen:
Von der Auflistung der besten Sternenflottenkapitäne (von Pike über Archer bis hin zu Robert April) über die detailreiche Karte der Region (mit Morska, Rura Penthe und der K7-Station) bis hin zum Auftritt Harry Mudds war in keiner Folge zuvor eine solche Dichte von stilvollen Direktbezügen auf den reichhaltigen Star-Trek-Kanon zu sehen.
Tatsächlich bekam man als Hardcore-Fan Schnappatmung bei der Art und Weise, in der hier mit Referenzen nicht nur förmlich um sich geworfen, sondern auch punktgenau ins Schwarze getroffen wurde:
Von der Erwähnung von Systemen wie Ophiucus, Benzar oder Antares bis hin zu tragischen Nennungen von Mudds Ehefrau Stella, dem aufgegriffenen Verbot eugenischer Eingriffe sowie der Verwendung eines Hypospray-Vorfahren war einfach eine Riesen-Menge an Gimmicks für aufnahmebereite Alt-Fans zu finden, die Neueinsteigern zwar nichts sagen dürften, aber sicherlich auch nicht sonderlich störend wirkten.
Ich würde sogar so weit gehen die streitbare These aufzustellen, dass noch nie eine Star-Trek-Serie es derart verstanden hat, den Kanon nicht als Feind zu betrachten, der sie in ihrer Entwicklung stört, sondern eher als Freund, der ihr mehr Möglichkeiten als bei herkömmlichen TV-Serien gibt. Wo andere vielleicht billigen Fan-Service vermuten, sehe ich persönlich eine programmatische Absicht, dass man trotz schwerwiegender Brüche (wie dem generellen Schiffsdesign, den Klingonen oder der Holokommunikation) bereit ist, den über Jahrzehnte ausgewachsenen Kanon als Besonderheit der Franchise nicht nur zu pflegen, sondern auch würdevoll miteinzubeziehen.
Dieser Ansatz lässt sich auch in verschiedenen Topoi wiederfinden, die man zwar aufgegriffen, aber auf eigene Art und Weise neuinterpretiert hat. So kennen wir längst das Bild des entführten Sternenflottencaptains (aus "Geheime Mission auf Celtris III", "Die Wolkenstadt" oder "In den Händen der Borg") sind zur Genüge mit dem Thema Folterungen vertraut (z.B. in "Geheime Mission auf Celtris III", "Der geheimnisvolle Garak, Teil II" oder "Doppeltes Spiel") und kennen die ein oder andere Folge, in der ein Crewmitglied sich wider Willens plötzlich in der Rolle des Captains wiederfindet (etwa in "Der Schachzug", "Das kosmische Band" oder "Die Waffenhändler"). Und doch transportieren alle diese Sujets innerhalb dieser Folge neue Facetten, die den älteren Vorbildern nicht das Wasser abgraben, sondern einen weiteren Aspekt hinzufügen.
Zudem gibt es noch weitere Querbezüge auf "A Clockwork Orange", den Feenstaub bei Peter Pan und auf das einzige Spaceshuttle der Sowjetunion; die Buran, die man sich heute im Technikmuseum Speyer ansehen kann.
Abschließend bleibt zum Kanon aber vor allem eines zu bemerken:
Das klassische Nitpicken – ein spaßiger Zeitvertreib für langjährige Star-Trek-Anhänger wie mich - funktioniert nicht mehr. Immer wieder werden bei der häppchenweisen Informationsweitergabe vermeintliche Widersprüche in Nichts aufgelöst, die zuvor noch als großes Sakrileg galten. Die Wahrscheinlichkeit ist dementsprechend hoch, dass dieses Schicksal bald auch andere Kritikpunkte ereilt, wie es kürzlich bei dem in meinen Augen doch recht zweifelhaften Sporenantrieb geschah.


Die Sache mit dem Pilz.
Wenn man nämlich zum ersten Mal hört, dass ein Pilzantrieb ein Schiff innerhalb von Sekunden von einer Ecke des Alls in eine völlig andere teleportiert, dann klingt das im ersten Moment tatsächlich etwas arg bemüht.
Doch dann erfährt man in der aktuellen Folge, dass die spezielle Pilzart namens Prototaxites stellaviatori ihr Wurzelwerk nicht nur im Realraum wachsen lässt, sondern auch im Subraum, wo es solcherlei Auswüchse treibt, dass sich die einzelnen Verzweigungen durch das gesamte bekannte All erstrecken.
So komisch es klingt, aber mir persönlich reicht die (nun erfolgte) Erklärung.
Ein uns noch unbekannter Weltraumpilz ist für mich nämlich nicht minder unglaubwürdig als ein uns noch unbekannter Dilithium-Kristall und von einigen irdischen Pilzen ist bekannt, dass sie über ein extensives Wurzelnetzwerk verfügen können.
So gesehen bildet die Idee des Sporenantriebs tatsächlich eine reizvolle Variante Raumflug zu betrachten und man kann ihr zumindest zugestehen, dass noch niemand zuvor darauf gekommen ist. Spannend wird es aber eher, wie dieses Netzwerk zerstört wird, denn das dies früher oder später geschehen wird, steht außer Frage.


Moralität.

"Diese Sternenflottenarroganz! Habt ihr je einen Blick aus Euren schicken Raumschiffen auf die kleinen Leute unter Euch riskiert? Denn wenn, dann hättet ihr vielleicht bemerkt, dass es viel mehr von uns hier unten als von Euch dort oben gibt. Und wir haben es satt immer in Euer Kreuzfeuer zu geraten."

Diese simplen Worte stammen zwar aus dem Munde eines Lügners, Hochstaplers und Betrügers, doch sie stellen eines der eindringlichsten Motive dar, die es in der Folge zu finden gibt. Das Prinzip 'Ihr da oben, wir da unten' ist zwar mitnichten neu, aber verliert gerade in unseren Tagen nichts an seiner Aktualität – gerade wenn man sich vor Augen hält, dass die Sternenflotte als ausführendes Organ der Föderation eigentlich zur Aufgabe hat, zum Wohl aller Menschen und Außerirdischen zu agieren.
Geschickt spielt Discovery weiter mit seinem großen Thema 'Loyalitäten' und ich wage an dieser Stelle mal zu behaupten, dass dies in den kommenden Episoden noch häufiger der Fall sein wird.
Neben diesem recht generellen Motiv ging es wieder einmal um ein Herz für Tiere (zum Glück scheint dieser Handlungsbogen zusammen mit dem Bärtierchen über Bord geworfen zu sein) und vor allem um die Überwindung der eigenen Dämonen.
Während dies bei Lorca (und seinen Gewissensbissen um die Toten auf der Buran) eher ausfällt, findet Saru einen Ausgleich zwischen seinem Sternenflottentraining und seinen Spezies-Instinkten, indem er beiden Aspekte erlaubt, seine Arbeit gleichwertig zu beeinflussen.
In einer ganz besonderen Star-Trek-Tradition war in diesem Zusammenhang auch die überfällige Aussprache zwischen Burnham und Saru zu sehen, die maßgeblich zur Entdämonisierung Burnhams beitrug und die beiden das Kriegs-Teleskop begraben ließ.
Man hat beinahe das Gefühl, als würden hier wieder gute alte Star-Trek-Ideale aufblühen – und das in einer Umgebung, die alles andere als wachstumsfördernd für zwischenmenschliche Beziehungen, Vergeben und Vergessen sowie die Existenz von Bärtierchen ist.


Kritikwürdige Aspekte.

Die Krux mit den Klingonen.

[Vorsicht, dieser Abschnitt erhält sehr wahrscheinlich einen massiven Spoiler auf kommende Folgen!]
So sehr ich noch immer hoffe, dass die Klingonen ähnlich wie der Sporenantrieb, die laterale Transportertechnologie oder das scheinbar unsinnige Design der Discovery einen Stoß in die richtige Richtung erhalten, muss ich doch zugeben, dass mich alles was mit ihnen zu tun hat mehr und mehr stört.
Da wäre – neben dem gruseligen Aussehen, an das man sich irgendwie gerade widerwillig gewöhnt – an erster Stelle mal wieder das Schiffsdesign anzubringen, das man auch in "Wähle Deinen Schmerz" sehen kann.
Nach jahrelangem Star-Trek-Konsum habe ich nämlich eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie ein D7-Schlachtkreuzer der Klingonen aussieht.
Und wie er nicht aussieht.
Wenn man sich von letzterem ein Bild machen möchte, muss man jedenfalls nur einen Blick auf dieses albtraumhafte Fortbewegungsmittel werfen, mit dem es diesen Klingonen auch noch gelingt, den Captain der Discovery zu kidnappen.
Und natürlich habe ich auch noch nie ein Shuttle der Klingonen gesehen. Jetzt, wo ich weiß wie ihre Raider aussehen (eine wirre Kreuzung aus Mistkäfer, Hubschrauber, Pfau und Kettensäge), will ich es aber auch gar nicht mehr.
Als ob das nicht schon genug wäre, stört mich etwas ganz anderes noch viel mehr.
Nachdem uns Discovery ja schon auf die harte Tour gelehrt hat, dass man den einzelnen Informationen der Charaktere höchste Aufmerksamkeit zollen muss, kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass sich hinter dem Neuzugang Ash Tyler der Klingone Voq verbirgt.
Warum?
Nun, zum einen hat L'Rell (die ich in dieser Folge kaum wiedererkannt habe) ihm bereits eröffnet, dass er alles aufgeben muss, um der Sache T'Kuvmas weiterhin dienen zu können.
Zum anderen wissen wir, dass L‘Rell aus einem Haus der Agenten stammt und dass solche Spione der Klingonen in dieser Zeit gern in menschlicher Form auftauchen.
Der Ausbruch und die gesamte Entführungssituation waren so durchschaubar, dass der Verdacht einer mäßig durchdachten Inszenierung verdammt nahe liegt.
Desweiteren war wohl nicht nur Lorca misstrauisch, was einen Sternenflottenoffizier angeht, der mehr als sieben Monate in einem solch guten Zustand in deren Gefangenschaft überleben kann. Zumal sich die Frage stellt, wie die Klingonen (die sich ja mitten im Gefecht zurückzogen) bei der Schlacht am Doppelstern Gefangene gemacht haben (obwohl sie laut Kirk ja keine Gefangenen machen).
Und welchen besseren Grund sollte es für Tyler geben mit dem klingonischen Captain zu schlafen, als dass er niemand geringeres als ihr Fackelträger ist?
Es ist einfach ein wenig schade, dass bei aller Geheimniskrämerei ausgerechnet diese Erkenntnis so offensichtlich daher kommt.
Natürlich kann ich mich noch immer irren und dann werde ich an dieser Stelle zu Kreuze kriechen. Aber der Teil von mir, der von Discovery darauf getrimmt wurde, jede Äußerung auf die Goldwaage zu legen, ist ob der Offensichtlichkeit dieses Umstandes jetzt schon ein wenig enttäuscht.


Kanon und Logiklöcher.
Es war ein erhabener Moment, als Saru die besten Sternenflotten-Captains auf seinen Bildschirm projizierte. Doch auch wenn ich mich über jeden einzelnen von ihnen gefreut habe, fehlte mir doch der Name Garth von Izar. Als persönlicher Held Captain Kirks und Sieger der Schlacht von Axanar hätte er einen Listenplatz sicherlich mehr verdient als Captain Pike, der zu diesem Zeitpunkt wohl kaum länger als ein Jahr im Amt sein dürfte.
Daneben erstrecken sich – neben der deplatzierten Holokommunikation - ein oder zwei kleinere Logiklöcher.
Wie konnte das Bärtierchen, das kurz zuvor über 99% des körpereigenen Wassers verloren hatte, sich im Weltall wieder zu voller Größe aufplustern?
Und warum muss Lorca mit einem Shuttle zum Rapport bei der Sternenflotte fliegen, wenn eigentlich jedem höherrangigen Offizier dort bewusst ist, wie wertvoll er für die Mission ist?


Übersetzung.
An sich wirkt die Übersetzung stabil, auch wenn es noch immer ein wenig befremdlich wirkt, dass die Klingonin L'Rell ausgerechnet Deutsch mit einem französischen Akzent sprach (oder war das ein Teil der Folter?).
Zudem verpasst man, dass es die erste Star-Trek-Episode überhaupt ist, in der das Wort 'fuck' fällt.
Und endlich gibt es ab der Ausstrahlung einen deutschen Titel.
Eines hat mich am Ende aber viel mehr geärgert.
In der deutschen Fassung kann man nämlich nicht erfahren, dass Lorca den Klingonen bei Benzar ein Schnippchen schlug und auch der Umstand, dass Culber nicht der Chefarzt des Schiffes ist, geht in der Synchronisation letztlich vollkommen unter.
Das weckt natürlich unangenehme Erinnerungen an die Art und Weise, mit der die deutsche Übersetzung bereits in den Jahren zuvor mit Star Trek umgegangen ist. Es ist schlichtweg ärgerlich als Fan, dass man einige Informationen erst erhält, wenn man zur Originalspur wechselt.
Denn wenn man in seiner eigenen Sprache nicht das volle Paket bekommt, sinkt die Motivation natürlich, die deutsche Version als äquivalente Alternative zu betrachten. Es ist andererseits aber auch schlichtweg so, dass vielen Fans hierzulande gar keine andere Wahl bleibt, mit eine informationsärmeren Variante Vorlieb zu nehmen. Ein wenig mehr Einfühlungsvermögen hätte ich mir an dieser Stelle schon gewünscht.


Fazit.
"Wähle Deinen Schmerz" ist die bislang beste Folge Discovery. Nicht nur, weil man kurzzeitig 'back to the roots' geht und von der Monoperspektive in die traditionelle Multiperspektivität zurückkehrt, sondern auch, weil den Charakteren beeindruckend viel Raum zur Entfaltung geboten wird, den sie nicht minder beeindruckend zu nutzen verstehen. Hinzu kommt, dass man den Star-Trek-Kanon aus der Schmuddelecke holt und ihn gewinnbringend einsetzt, so dass er Neulinge nicht stört, und Alt-Fans Glücksgefühle beschert. Gewürzt mit einer gelungenen Moral ergibt sich eine gute Star-Trek-Folge, die sich problemlos ins größere Gesamtbild einfügt.
Wenn da nicht die Klingonen wären, die als Wehmutstropfen immer wieder sämtliche positiven Bezüge zum Kanon abmildern. Zudem gelang es den Autoren nicht, ausgerechnet den viel zu offensichtlichen Spion mit der notwendigen Unauffälligkeit auszustatten.

Bewertung.

Bis hierher das Beste.






Schluss.
Ich für meinen Teil bin nach dieser Folge endgültig warm mit Discovery geworden. Zwar stören mich noch immer zwei oder drei Aspekte massiv, aber bislang empfinde ich den Neustart Star Treks in einem Zeitalter, in denen Serien eine viel größere Bedeutung zukommt, durchaus angemessen.
Aber das heißt noch lange nicht, dass jeder so empfinden muss. Es liegt in der Natur der Dinge, dass es Fans geben wird, die nichts mit Discovery anfangen können.
Und was soll ich sagen?
Das ist völlig okay.
Schließlich hat jeder eine Serie, die er mehr mag und eine, die er weniger mag. Und dass es Fans gibt, die einen der Ableger Star Treks partout nicht leiden können, wissen wir spätestens seit dem Start von TNG. Und selbst wenn ich Discovery durchaus mag, muss ich festhalten, dass es wohl nie den gleichen Stellenwert einnehmen wird, den für mich die Originalserie und "Das nächste Jahrhundert" innehaben.
Aber das muss es ja auch nicht, denn als Star-Trek-Fan hat man den Luxus, den keine andere Fanbasis auf dieser Welt hat:
Man kann sich seinen Favoriten aus mittlerweile sieben Serien aussuchen.


Denkwürdige Zitate.

"Es liegt nicht an Dir, sondern an mir."
Michael Burnham zu Sylvia Tilly

"Auf meinem Schiff hab ich das Sagen."
Gabriel Lorca

"Das einzige Verbrechen dessen ich schuldig bin ist zu sehr zu lieben."
Harcourt Fenton Mudd

"Verurteilen Sie mich nicht! Sie sollten es sich nicht mit mir verscherzen. Ich bin Überlebenskünster – genau wie Sie."
Mudd

"So kommen wir keinen Schritt weiter. Wollen Sie eine Lösung finden, oder wollen Sie Recht haben?"
Paul Stamets zu Burnham

"Wie seltsam der Weltraum jetzt für Sie aussehen muss, durch diese versehrten Augen…  Ein ganzer Kosmos voll von unerträglichem Licht. Eine andere Kreatur hätte sich in der Dunkelheit verkrochen. Aber nicht Sie. Sie streben nach Ruhm! Doch Ruhm gibt es nicht umsonst. Nein, er will verdient werden; durch Opfer… und Schmerz!"
L'Rell zu Lorca

"Es soll ja helfen, sich etwas von der Seele zu reden. Zu blöd, dass wir alle keine mehr haben."
Mudd

"Hast Du geglaubt Du kannst mich verlassen, nach allem was geschehen ist?"
L'Rell

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Dienstag, 10. Oktober 2017

Turons Senf zur vierten Folge Discovery


Spoilerwarnung.

Dieser Artikel enthält nicht nur heftige Spoiler zu der vierten Discovery-Folge "The Butcher's Knife Does not Care fort the Lamb's Cry" sndern auch zu allen vorangegangen Episoden. Das Weiterlesen empfiehlt sich daher nur, wenn man sämtliche vorherigen Episoden bereits gesehen hat.

Einleitung. Endlich wieder eine Woche rum!
Es ist ein wahres Martyrium, eine Woche warten zu müssen, um die neue Folge sehen zu können (ich will gar nicht daran denken, wie das ist, wenn man ab Anfang November zwei Monate warten muss!).
Tatsächlich macht es sicherlich viel vom Reiz aus, eine neue Serie so eng begleiten zu können, vor allem, wenn man in der Lage ist, diesen besonderen Moment mit anderen Star-Trek-Fans teilen zu können. Insofern bringt Discovery jetzt schon Fans zusammen, egal ob sie zusammen auf einer Couch fernsehen, Rezensionen im Internet lesen oder – wie ich es am meisten mag – sich in Kommentaren dazu austauschen…


Story.
Michael Burnham ist angekommen. Vielleicht nicht dort, wo sie sich selbst, andere wie Sarek oder Captain Georgiou oder ihr Potential sie unter normalen Umständen hingeführt hätten, aber immerhin trägt sie auf einem Sternenflottenschiff wieder eine Dienstuniform.
Doch ihre Arbeit auf der USS Discovery führt noch immer zu mehr Fragen als Antworten. Spätestens aber, als sie von Captain Lorca beauftragt wird, jenes Monster von der USS Glenn auf verwertbare Waffentechnologie zu untersuchen, findet sie einen Fluchtpunkt aus dem Krieg der sie umgibt und erstmals kann sie sich wieder auf das konzentrieren, was die Sternenflotte ausmacht:
Forschung und Entdeckung.
Doch die Realität des Kriegs-Alltags holt sie und ihre Schiffskameraden schon bald ein, als die Hauptdilithiumquelle der Föderation von Klingonen angegriffen wird und Lorca die Wissenschaftler des Schiffes drängt, einen Weg zu finden, die hilflosen, eingeschlossenen Minenarbeiter zu entsetzen. Burnham entdeckt dabei, dass es ausgerechnet 'ihr' Monster ist, dass den lang gesuchten Schlüssel zur Verwendung der neuen Antriebstechnologie bergen könnte…


Lobenswerte Aspekte.

Charakterliche Abgründe.
Man kann Discovery ja viel vorwerfen (einer Tätigkeit, der Star-Trek-Fans ohnehin nur allzu gern nachkommen), aber sicherlich kann zu den Vorwürfen nicht gezählt werden, dass es der Serie nicht gelingen würde, erstmals seit langem wieder eine eigene Serien-Prägung entwickelt zu haben.
Dieser Umstand liegt meiner Meinung nach vor allem darin begründet, dass die Perspektive aus der die Geschichte erzählt wird, klarer zu verorten ist als je zuvor:
Hatte Star Trek zuvor einen vergleichsweise multiperspektivischen Blickwinkel (aus dem es in den besten Folgen ausbrechen konnte), teilt der Zuschauer nunmehr eher den Informationsstand, über den auch Burnham verfügt. Wie sie muss er sich die Details mühsam zusammenpuzzeln, eigene Schlüsse ziehen und gegebenenfalls (wie ich nach dieser Episode) die eigenen Vermutungen zum weiteren Ablauf des Geschehens ad acta legen.
Beim Blick in Burnhams Abgründe, in die man sich problemlos hineinidentifiziert ohne es so recht zu merken, kann man feststellen, dass man nicht zuletzt deshalb eine so große Schnittmenge erreicht, weil man als Zuschauer wie sie zu sein scheint. Man wird gegen den eigenen Willen in einen Krieg geworfen, muss aus den spärlichen Informationen eine Interpretation schustern und will doch eigentlich nur forschen und entdecken.
Und auch wenn Burnham noch immer von der restlichen Crew begafft wird, weiß sie doch wie der Hase läuft, bewährt sich in bester Sternenflottenmanier und wird schließlich wieder Teil von etwas größerem – einer Crew, in der sie ihren Platz noch finden muss.
Mein persönliches Highlight bleibt hingegen Captain Gabriel Lorca, aus dem einfachen Grund weil er ein Arschloch ist.
Er applaudiert gehässig, als seine eigene Crew eine Kampfsimulation nicht schafft. Er folgt seinem verletzten Chefwissenschaftler auf die Krankenstation, wo er den absurden Arbeitsdruck auf ihn noch weiter erhöht. Und er scheut sich nicht, das Gewissen der gesamten Crew durch einen Übertragung der Transmission der eingeschlossenen Minenarbeiter von Corvan II in Geiselhaft zu nehmen, um seine Ziele zu erreichen.
Das alles sind Verhaltensweisen, die weder ein Picard, noch ein Sisko und erst recht keine Janeway an den Tag gelegt hätten. Auf den ersten Blick wirkt das wenig wie Star Trek und völlig deplatziert.
Aber so manipulativ, berechnend und kaltblütig Lorca auch daherkommt, ist er bei Lichte besehen ein vergleichsweise typischer Sternenflotten-Führungsoffizier, denn die Archers, Kirks oder Georgious, unter denen es der Crew ein Privileg ist zu dienen, sind keineswegs die Regel, sondern eher die Ausnahme in ihrer Organisation.
Der Standard sind andere Befehlshaber, wie Star Trek sie nie müde wurde zu zeigen:
Personen wie Tracey, Merik, Ransom, Maxwell, Jellico, Benteen, Leyton, Dougherty, Marcus, Jameson usw.
Allenthalben gibt es derlei opportunistische Kommandanten und sie sind der Grund, warum wir Star Trek als so leuchtend empfinden – schließlich waren die bisherigen Serien-Captains allesamt ohne Fehl und Tadel. Aber die Wahrheit ist der ganze dreckige Rest da draußen, der immer nur dann hervorgekramt wird, wenn es gilt, dem leuchtenden Vorbild ein schlechtes Bespiel entgegenzusetzen.
Und deswegen mag ich Lorca. Erstmals erhält man einen Eindruck davon, wie andere Schiffe unter ihren Kommandanten funktionieren, was die anderen hochrangigen Offiziere antreibt und wie andere reagieren, wenn sie vor der gleichen Frage stehen, die Sisko in "Im fahlen Mondlicht" beantworten musste.



Gab es sonst noch was?
Kaum.
Die meisten Charaktere blieben im Hintergrund. Das gilt für Stamets genauso wie für den erstmals aufgetauchten Bordarzt. Der instinktgesteuerte Saru bleibt sich noch immer treu, vor allem darin, zu wenig Screentime zu erhalten. Und der größte Verdienst der Sicherheitsschefin Landry bleibt es, das Zeitliche effektvoll gesegnet zu haben, um dem Zuschauer in bester "Game of Thrones"-Manier zu zeigen, dass man zu keinem Charakter an Bord des Schiffes eine emotionale Bindung aufbauen sollte.
Davon abgesehen gab es nur noch einen erfrischenden Auftritt, nämlich den der Klingonin L’Rell. Ihr Darstellung war die lebendigste, die man unter den scheußlich dargestellten Klingonen bislang gesehen hat – nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht so hilflos durch die Geschichte stolpert, wie sämtliche männlichen Artgenossen es bislang tun.


Unberechenbarkeit.
Eine der besten Szenen der Folge spielt sich gleich in den ersten Sekunden ab. Erstmals wird man als Zuschauer Zeuge einer Replikation von innen, während man sich eigentlich fragt, was für eine scheußliche Weltraumanimation das jetzt wieder sein soll.
Doch weit gefehlt! Discovery spielt geschickt mit den Erwartungen des Publikums und ist sich nicht zu schade, ein mäßig dramatisches Setting durch den unerwarteten Tod eines Hauptcrewmitglieder drastischer zu gestalten. Mehr als bei Abramstrek, wo der Tod von Crewmitgliedern zwar von Anfang an als stilistisches Mittel billigend in Kauf genommen wurde, macht Discovery gleich von Anfang an Nägel mit Köpfen und ist sich nicht zu schade, Personen wie  Georgiou, T’Kuvma oder Landry kurzerhand abzusägen.
Am Beeindruckendsten war jedoch, dass man irgendwann inmitten der Folge den Eindruck erhielt, dass das abstoßende Äußere des Schiffes (ich bleibe bei dieser Kritik) bei aller Hässlichkeit einen praktischen Nutzen haben könnte, der mit dem neuartigen Weltraumsporenantrieb zusammenhängt. Es drängt sich nun die Frage auf, ob eine derartige spontane Sinnhaftigkeit mit allen vermeintlich anti-kanonischen Elementen wie der Holo-Kommunikation, dem unlogischen Aussehen der Klingonen oder der Gestaltung der Armaturen geschehen wird. Wenn Discovery dieses Kunststück am Ende der fünfzehn Episoden tatsächlich gelingen sollte, wäre dies ein weiterer Aspekt, der der generellen Qualität der gesamten Serie zugutekommen würde.


Kanon.
Hand auf's Herz – es gab recht wenig ergiebige Anlehnungen an den offiziellen Star-Trek-Kanon.
Dort eine kaum erkennbare Referenz an corvanische Gilvos, hier ein flüchtiger Untertitel zum Haus des Kor und irgendwann wird auch mal Zefram Cochranes Name beiläufig in den Raum geworfen.
Da hilft es auch nicht sonderlich, dass es einen Charakter namens Zaphod (Beeblebrox) gibt, Elon Musk als bahnbrechendem Erfinder Erwähnung findet oder die Spice-ähnliche Sporen ein Wesen derart beeinflussen, dass an die Navigatoren aus Dune erinnert.
Der Topos des unverstandenen Monster-Aliens ist hingegen so alt wie die Hortas selbst ("Horta rettet ihre Kinder"), der Topos der missbrauchten Wunderkreatur so alt wie die erste Mission der Enterprise-D ("Mission Farpoint") und der Topos mittels andersartiger Kreaturen die eigene Geschwindigkeit zu manipulieren so alt wie Voyager ("Equinox").
Immerhin sind die Anleihen aus anderen Star-Trek-Serien nicht so offensichtlich geklaut wie bei Seth MacFarlanes "Orville".
Daher ist, nachdem es der Folge erstmals nicht gelingt, einen großen Cliffhanger zu setzen ein anderer Punkt von immenser Bedeutung:
Spannung erstmals ein Privileg für Fans.
Der Antrieb der Discovery funktioniert endlich und man ist als Fan so ziemlich im Bilde, in welche RIchtung die Produzenten jene Kuh treiben werden. Als Trekkie ist man aber trotzdem gespannt, denn man weiß besser als jeder Gelegenheitszuschauer, dass das Ganze nicht funktionieren wird. Man ist sich schlichtweg im Klaren, dass dieses Unterfangen zu einem derartigen Fiasko mutieren wird, dass man noch Jahrhunderte später nicht darüber spricht, was mit der Discovery und ihrer revolutionären neuen Reise-Technologie passieren wird. Wir wissen, dass es eben keine Sternstunde der Sternenflotte werden wird und wir wollen erfahren warum.


Kritikwürdige Aspekte.

Moral mit der Brechkeule.
Zugegeben, "The Butcher's Knife Does not Care fort the Lamb‘s Cry" ist so ziemlich die erste Folge der Serie, in der jener puristische Forschungs- und Entdeckungscharakter das elende Kriegsthema übertrumpft. Ein Loblied auf besonnene Forschung ebenso, wie auf die Ideale, die Menschen zu Höchstleistungen anspornen.
Aber erstmals in der überschaubaren Geschichten der noch jungen Serie wird einem die Moral ins Gesicht geschleudert wie ein stinkender Fisch im Dorf der unbeugsamen Gallier.
Das wird besonders deutlich, wenn niedliche Kinder in die erste Reihe geschoben werden, um Emotionen zu schüren. Frei nach dem Motto "Kann denn mal einmal jemand an die Kinder denken?" fühlt man sich als Zuschauer nicht minder manipuliert wie die Crew der Discovery; spätestens wenn das kleine, ach so putzige Kiemen-Kind seinen kleinen Kopf in den Nachthimmel erhebt und seine ratlosen Eltern fragt, wem es die Wunderrettung gerade zu verdanken hat.
Das war echt unterste Schublade.
Aber es geht noch weiter!
Dazu kommt noch eine mäßig verschleierte Anklage an den Missbrauch von Tieren, die dem Rezipienten in einer so brachialen Offensichtlichkeit aufgetischt wird, dass man den Eindruck gewinnen kann, dass hier jemand versucht hat eine Peta-Broschüre im Science-Fiction-Gewand zu verfilmen.
Die stilvolle Subtilität, mit der die tiefere Moral in vorangegangenen Folgen behandelt wurde, ist in dieser - schon mit einem derart pathetischen Titel versehenen - Episode (meine recht eigenwillige Übersetzung: "Des Schlachters Messer kümmern die Schreie des Lammes nicht") völlig verlorengegangen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Drehbuchautoren sie in den kommenden Folgen wiederfinden…


Kanonlöcher und Logikfehler.
Die offensichtlichen Sachen, wie das Äußere der Klingonen, der Widerspruch zwischen dem klobigen Äußeren der Schiffe und der modernen Bedienfelder sowie die unsinnige Verwendung von Holo-Kommunikation habe ich in den vorangegangenen Rezensionen ja bereits ausführlich angesprochen. So wie es jetzt aber aussieht, wird die Liste nunmehr um einen noch weiteren Punkt ergänzt.
Kols Diebstahl der Tarntechnologie, die den Klingonen im Kampf gegen die Föderation helfen soll steht in einem völligen Widerspruch zur Tatsache, dass die Klingonen diese Technologie zehn Jahre später in der Originalserie nicht benutzen. Klar, es wird auch niemals behauptet, dass sie nicht über einen solchen Vorteil verfügen, den schon im dritten Kinofilm niemanden mehr vom Hocker reißt, aber auch hier ist eine Unstimmigkeit entstanden, die zumindest einer näheren Erklärung bedarf.
Ansonsten ärgern mich in erster Linie die Vielzahl an Logiklöchern.
Wenn die Klingonen schon aus Verzweiflung Georgiou gegessen haben, warum sammeln sie nicht die 8.186 Sternenflotten-Toten der Schlacht vom Doppelstern ein, um sich von ihnen zu ernähren?
Warum brauchte die Enterprise-D in "Verdächtigungen" ein spezielles Schutzschild vor Sonneneinwirkungen, wenn die USS Discovery in ähnlicher Situation so lässig rausspaziert?
Was für ein kranker Geist liefert Pakete aus, die ständig piepsen wenn man sie nicht öffnet?
Und macht Burnham am Anfang der Folge nicht genau das, was sie am Ende der letzten Episode genau nicht machen wollte?
Meine Hauptfrage an die Produzenten bleibt allerdings diese:
Wer hat sich eigentlich die Mühe gemacht, bei der Evakuierung der USS Shenzou das Teleskop Georgious mitzunehmen, damit Burnham es später einmal erben kann?


Tempo, Tempo.
Ich kann nicht genau sagen, woran es genau gelegen hat, aber der gesamten Episode gelang es bei mir nicht, ein schlüssiges Maß an Dialog und Action zu finden. Durch die wichtigen Ereignisse raste die Story durch, um sich an den scheinbar weniger relevanten Stellen aufzuhängen.
Die Themen Krieg und Forschung lieferten sich einen so heftigen Schlagabtausch, dass man beinahe zwangsläufig  den Überblick verlor, was die Folge eigentlich zu sagen versucht.
So scheint es unlogisch, dass die Handlung zwischen dem Tod der Sicherheitschefin, dem Kampf gegen die Klingonen und dem ersten erfolgreichen Einsatz des Warpsporen-Antriebs im Vergleich zu den Vorgängern irgendwie bedächtig wirkte.
Eine gewisse Statik lag aber nicht zuletzt deswegen über der Szenerie, weil die gnadenlos ablaufende Zeitspanne von knapp sechs Stunden bis zum Fall der Kolonie auf Corvan II mit so vielen Entwicklungen, Irrwegen, Dialogen, Charaktermomenten, zu Untertitel-lastigen Klingonisch-Dialogen, Sterbeszenen und Durchbrüchen überfrachtet war, dass es am Ende zu dick aufgetragen wirkte. Hier hätte man sich an den Vorteilen des Streaming-Mediums orientieren können, dass im Gegensatz zum klassischen Fernsehserienformat nicht auf eine bestimmte Folgenlänge reduziert ist, sondern auch mal die Dreiviertelstunde deutlich überziehen darf.
Vielleicht wäre es von Vorteil gewesen sich einzugestehen, dass mehr manchmal eben doch mehr ist.


Übersetzung.
Die Übertragung ins Deutsche ist so gut gelungen, dass ich mich tatsächlich langsam sogar der deutschen Tonspur ohne Widerwillen beuge. Nur eines muss ich an dieser Stelle mal bemängeln:
Es gibt ein allenthalben akzeptiertes Wort im Deutschen, dass den englischen Begriff "Tardigrade" umschreibt. Er lautet 'Bärtierchen' oder auch 'Wasserbär'. Das hätte auch noch absolut zu den Erläuterungen Burnhams gepasst, aber stattdessen wurde auf einen kaum gebräuchlichen lateinischen Terminus zurückgegriffen. Das ist doof, vor allem, weil ein selbst ein 'Bär' trotz aller Verniedlichung noch immer ein gefährliches Tier ist…

Fazit.
Die vierte Discovery-Episode "The Butcher's Knife Does Not Care fort he Lamb's Cry" ist kein Kracher. Es ist eine durchaus stabile Folge mit einigen gelungenen Elementen, die vor allem in der Unberechenbarkeit und dem immensen Spielraum bei den Charakteren deutlich wird. Am Ende war die Informationslast aber zu viel, um nur von fünfundvierzig Minuten getragen zu werden. So fehlt ihr, wenn der Abspann anläuft, nicht nur ein angemessenes Tempo oder schlüssige Szenen ohne klaffende Logiklöcher, sondern auch die Subtilität in der Moralfrage, die diese Folge zur bislang schwächsten  werden ließen.


Bewertung.

"Sehr freundlich! Sehr gesittet!"




Schluss.
Auch wenn die vierte Folge Discovery etwas vom Fahrtwind verloren hat, bleibt man als Zuschauer etwas ungläubig zurück.
Wie geht es weiter?
Was passiert als nächstes?
Wie scheitert man in den kommenden Folgen?
Auch wenn ich über den ein oder anderen Teil schimpfe, komme ich am Ende doch nicht davon ab, auch der nächsten Episode entgegenzufiebern.
Es freut mich, dass Star Trek wieder da ist.
Es freut mich, dass es neue Wege betritt.
Und es freut mich, dass ich diese Freude gestreckt und nicht in einem Abwasch erleben kann.

Denkwürdige Zitate.

"Burnham. Michael. Vorläufige Zuweisung: Wissenschaftsabteilung. USS Discovery. Rang: Keiner. Replikation der Uniform beendet."
Computer der Discovery

"Es hat eine natürliche Aversion gegen Licht - so wie ich."
Captain Gabriel Lorca

"Ich merke immer wieder, wie sehr ich vulkanische Weisheiten hasse. Sie sind neu hier, deshalb gebe ich Ihnen jetzt mal einen Rat: Lorca interessiert sich nicht dafür, wer Sie sind. Er interessiert sich dafür, was sie tun können - für ihn. Und wenn er von uns erwartet, dass wir dieses Ding für seinen Krieg nutzbar machen können, dann werden wir genau das tun."
Sicherheitschefin Landry

"Kollision ist keine Option!"
Captain Lorca

"Zu verstehen wie es sich fühlt, ist nicht unsere Mission. Der Captain will wissen wie es kämpft. Und tötet. Lorca meinte, ich soll Sie im Auge behalten. Dass Ihre Neugier Sie vom rechten Weg abbringen könnte. Wir werden ihn nicht enttäuschen..."
Landry

"Jedes Raumschiff in der Galaxis - ob von den Klingonen oder der Föderation - braucht Dilithium. Wenn wir Corvan nicht beschützen können, werden tausende sterben und der Krieg ist verloren. Können Sie auch seine Unfähigkeit heilen unser Schiff dorthin zu bringen, wo es hin muss?"
Lorca

"Sie haben sich wirklich keinen Deut verändert, Burnham. Ihre reuevollen Worte waren nur geheuchelt. [...] Ich habe mich geirrt, was ihre Eingnung für die Crew angeht: Sie werden sich perfekt mit Captain Lorca verstehen."
Saru

"Ohne den Sporenantrieb schaffen wir es nicht rechtzeitig nach Corvan II. Und dann sterben sort alle. Ich kann den Leuten nicht helfen. Aber Dir kann ich helfen."
Sylvia Tilly

"Hallo Michael! Ich hoffe es geht Dir gut, wo immer Du Dir das auch gerade ansiehst. Inzwischen hast Du bestimmt Dein eigenes Kommando und bist Captain Deines eigenen Schiffes. Ich habe immer versucht Dir beizubringen nach einer Maxime zu leben. Der beste Weg sich selbst kennenzulernen ist, andere kennenzulernen. Du bist neugierig. Eine Entdeckerin. Und aus diesem Grund vermache ich Dir meinen geliebtesten Gegenstand. Seit Jahrhunderten wird er in meiner Familie weitergereicht. Meine Hoffnung ist, dass Du ihn benutzt, wenn Du damit fortfährst die Mysterien des Universums zu erforschen. Sowohl im Inneren als auch im Äußeren. Und halte die Augen offen und Dein Herz. Immer. Leb wohl, Michael und viel Glück! Ich bin wirklich so stolz auf Dich als wärst Du meine eigene Tochter. Gib gut auf Dich acht. Aber noch viel wichtiger: Gib gut auf die acht, die unter Deiner Obhut stehen.
"
Captain Georgious Hologramm


01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Mittwoch, 27. September 2017

Turons Senf zum Discovery-Piloten [Spoilers!]


Spoilerwarnung
.
Dieser Eintrag enthält detaillierte Informationen zu den ersten beiden Folgen von Star Trek: Discovery. Man sollte nur weiterlesen, wenn man die ersten beiden Episoden bereits gesehen hat.


Einleitung.
Bei aller Ironie steckt ein Körnchen Wahrheit im obigen Meme:
Es ist tatsächlich eine großartige Zeit für Star-Trek-Fans diese Tage miterleben zu können.
Nachdem das Science-Fiction-Urgestein in einen tiefen Dornröschenschlaf gefallen war - der nur sporadisch durch die drei unter Fans höchst umstrittenen Kinofilme unterbrochen wurde - kehrt es nun fulminant auf die Mattscheibe zurück. Wobei 'Mattscheibe' natürlich viel gesagt ist, denn tatsächlich muss man hierzulande den Streaming-Bezahldienst Netflix bemühen, um in den Genuss neuen Star-Trek-Materials zu kommen.
Doch plötzlich wallen wieder längst verloren geglaubte Gefühle hoch, die sich einstellten, wenn man wie zu guten alten TNG-, DS9- oder Voyager-Zeiten nach Hause kam und wusste, dass einen dort im Fernsehsessel eine neue Folge erwartete.
Den Anfang machen dabei die beiden Episoden "Das vulkanische Hallo" und "Kampf beim Doppelstern", die in dieser Rezension nicht zuletzt deshalb als einheitlicher Pilotfilm behandelt werden, weil sie trotz unterschiedlicher Regisseure eine gemeinsame abgeschlossene Handlung beinhalten.
Nun erwarte ich persönlich als alter Star-Trek-Hase, der mittlerweile sechs Star-Trek-Pilotfilme gesehen hat, von einem solchen Einstiegsmoment vor allem drei zentrale Dinge:
Dass die neuen Charaktere angemessen eingeführt werden, eine stimmige Handlung den Startpunkt für weitere Abenteuer setzt und dass es in bester Tradition eine Moral und einen Ansatzpunkt zum Philosophieren – oder gar Streiten – gibt.


Story.
Michael Burnham ist ein Kind zweier Welten. Als Weise wächst das Menschenkind auf Vulkan unter dem erfolgreichen Diplomaten Sarek auf, der ihre Karriere fördert, bis sie zum ersten Offizier der USS Shenzhou aufsteigt. Burnham findet einen Weg zwischen Logik und Emotionen, bis ihr Schiff eines Tages zu einem scheinbaren Routineeinsatz am Rand des Föderationsgebietes gerufen wird.
Es gelingt Burnham herauszufinden, dass ausgerechnet die Klingonen, die dereinst ihre leibliche Familie töteten, hier im Hinterhalt lauern um die Anwesenheit der Shenzhou zu nutzen, um ihr zerstrittenes Reich wiederzuvereinen. Verzweifelt stemmt sich Burnham gegen den drohenden Ausbruch eines Krieges zwischen der Föderation und dem Kriegerimperium, bis sie eine so tragische wie folgenreichen Entscheidung fällt…


Lobenswerte Aspekte.

Charakterzeichnung.
Man kommt kaum umhin, sich gleich von Anfang an in den (weiblichen) Hauptcharakter Michael Burnham hineinzufühlen, was bei Lichte besehen gar keine Selbstverständlichkeit ist.
Burnham ist nämlich von den kühlen Vulkaniern großgezogen worden und trägt die Widersprüche zwischen ihren menschlichen und vulkanischen Hälften wie einen Schild vor sich her.
Vielleicht liegt die spontane Sympathieübertragung  ja in der spannenden Anlage dieses Charakters, seiner mitreißenden Biografie oder ihrem beinahe revolutionäre Ansatz (jedenfalls für Vulkanier), die eigenen Gefühle als Inspiration für die eigene Logik heranzuziehen, begründet.
Wahrscheinlicher ist es aber wohl, dass Sonequa Martin-Green einfach schauspielerisch brilliert und den Spagat zwischen kühler, abweisender Vulkanierhaltung und aufgewühlter, impulsiver Menschlichkeit beispiellos zu meistern versteht.
Das bemerkt man vor allem dann, wenn sie in Interaktion zu Michelle Yeoh als Philippa Georgiou (dem Captain der Shenzou) und Sarek (dem leiblichen Vater Spocks) tritt. Die Dynamik zwischen ihr und ihrer Ersatzmutter sowie ihr und ihrem Ersatzvater ist nicht nur glaubhaft dargestellt, sondern hilft dem Zuschauer ungemein, in die derlei sozialen Interaktionen einzutauchen und mitzufiebern.
Zwar sind auch die anderen Schauspieler gut und passend gecastet, aber eine Person, die in spezieller Beziehung zu Burnham steht, verdient eine gesonderte Erwähnung:
Der Kelpianer Saru (Doug Jones).
Neben Burnham gebiert ihm am Ende die Ehre, dem Zuschauer am ehesten in Erinnerung zu bleiben, denn im Zusammenspiel mit Burnham, seiner Herkunft und seinem Habitus verfügt er über das Potential, als wirklich Alien-Konzept in die Fußstapfen von Data, Odo oder Phlox zu treten.
Besonders hilfreich erweist sich ferner ein Aspekt, der in den Trailern nicht zur Geltung kam:
Humor.
Tatsächlich liegt dem Piloten trotz aller Ernsthaftigkeit eine gewisse unaufdringliche Komik zugrunde, die in besonderer Weise hilft, den Figuren zusätzlichen Anstrich zu verleihen.


Handlungsstart.
Zunächst einmal kann man festhalten, dass es Discovery gelingt aufzuzeigen, woran etwa die letzte Star-Trek-Serie scheiterte:
Es handelt sich erstmals um einen wirklich klaren Bruch mit Sehgewohnheiten, die seit TNG in der Franchise ohne Rücksicht auf Verschleiß tradiert wurden. Man kann problemlos erkennen, dass man sich nunmehr an den Standards zeitgenössischer Serien orientiert, anstatt wiederzukäuen, was bis dato stabil funktioniert hat. Und man ist sich vor allem nicht zu schade, zentrale Figuren sterben zu lassen.
Den oft beschworenen Vergleich mit 'Game of Thrones' hält Discovery deswegen aber noch lange nicht stand, schon allein weil die Handlung zwar stabil, aber keinesfalls von ähnlich epischem Ausmaß ist.
Dennoch markiert es den vielversprechenden Beginn einer umfassenderen Story, den man trotz einiger Längen getrost als 'großes Puzzle für den Zuschauer' bezeichnen kann. In drei Erzählsträngen, unter Zuhilfenahme mitreißender Action und in einem vergleichsweise zügigen Tempo ergibt sie nach und nach ein Gesamtbild, das sich teilweise jedoch erst nach dem zweiten oder gar dritten Ansehen völlig erschließt.
Das funktioniert aber leider nicht ohne übertriebene Effekthascherei, die sich in gängigen Star-Trek-Sujets wie etwa einem bösen Riesenraumschiff (wie z.B. in Star Trek I, X, XI oder XII), einem rasanten Weltraumspaziergang (wie z.B. in Star Trek X, XI oder XII) oder dem effektvollen Rammen eines anderen Schiffes (wie z.B. in Star Trek X oder XI) äußert.
Am Ende wird schließlich klar, dass in der neuen Serie ein blutiger Krieg das zentrale Thema sein wird, weswegen sich Discovery für Alt-Fans vor allem an Deep Space Nine wird messen lassen müssen. Da jedoch – ähnlich wie in der dritten Star-Trek-Serie – insbesondere politische Aspekte eine große Rolle zu spielen scheinen und die ersten beiden Folgen am Ende dialoglastiger daherkamen, als es die Trailer zuvor vermuten ließen, besteht Grund zur Hoffnung, dass dieses Thema weniger als bei J.J. Abrams' Interpretation von Star Trek der bloßen Action untergeordnet sein wird. Zudem wird mittels eines klassischen Cliffhangers ein deutliches Ausrufe-Zeichen für die garantierte Wiederaufnahme der vorgestellten Erzählstränge gesetzt.
Statt also 'Game of Thrones' zu kopieren, kann man die Bemühungen aller Beteiligten erkennen, ein eigenes Äquivalent zu schaffen, das sich einerseits nicht den Neuerungen moderner TV-Serien versperrt, aber andererseits auch seine Wurzeln nicht vergisst. Das erkennt man nicht zuletzt daran, dass ein fester Bestandteil Star Treks auch hier zu finden ist:
Die Moralität.



Die Moral von der Geschicht'.
Zugegebenerweise hat es mich zweimaliges Sehen und einen sehr langen Nachhauseweg gekostet, die tiefere Moral dieser ersten beiden Episoden zu erkennen.
Ein zentrales Zitat Sarek half mir schließlich:

"Große Einiger sind rar gesät und doch treten sie manchmal auf den Plan. Oft benötigen solche Anführer einen profunden Grund, um Unterstützer um sich zu scharren."

T’Kuvma ist kein geborener Einiger. Er ist jemand, der Freund (seine Untergebenen) und Feind (die etablierten klingonischen Häuser und die Sternenflotte) für seine Ziele manipuliert und instrumentalisiert, in dem er (anhand historischer Muster) genau abschätzt, in welchen Parametern sie handeln.
Nur einmal sind seine Pläne – ohne sein Wissen – in Gefahr, als nämlich Michael Burnham unter Berücksichtigung der blutigen Geschichte vulkanisch-klingonischer Erstkontakte – eine vom üblichen Sternenflotten-Schema abweichende Strategie entwirft. Doch ihr plötzlicher Ausbruch von Individualismus wird von den starren Hierarchien und Wertevorstellungen der Sternenflotte – so gut gemeint oder angemessen sie auch sind – verhindert, obwohl durch Burnhams Lösung weitaus mehr Leben geschont worden wären.
Gleich in seiner ersten Folge stellt Discovery damit zwei zentrale Star-Trek-Elemente in Frage:
Die hierarchische Organisation der Sternenflotte mit ihren starren Regeln, Moralvorstellungen und Verhaltenscodices und das utalitaristische Prinzip, das Spock einmal so schön mit den Worten "Das Wohl von vielen wiegt schwerer als das Wohl von wenigen oder eines Einzelnen." umschrieben hatte. Das ist sicherlich ganz schön harter Tobak für eine Serie im Geburtsstadium, aber definitiv ein schönes Comeback eines der spannendsten Merkmale der Franchise.


Der Konflikt mit dem Konflikt.
Der andere Zugang zu Star Trek bringt in Discovery auch den Bruch mit vormals ehernen Regeln mit sich. So ist zum Beispiel die große Roddenberry'sche Anweisung, Konflikte unter der Crew aus der Story herauszuhalten stets ein Dorn im Auge der Schreiberriege gewesen.
Immerhin leben die meisten Geschichten vorrangig von den Konflikten ihrer Figuren.
Dieser Bruch in Discovery ist schonungslos und brutal. Spätestens, wenn Georgiou einen Phaser auf Burnham richtet, ist auch der letzte Zweifel beseitigt, dass diese neue Serie Neuland betreten wird. Nun gab es sicherlich schon zuvor Konflikte innerhalb einer Star-Trek-Crew (und wieder erinnere ich an Deep Space Nine), aber in einer solchen Radikalität war dies noch nicht einmal bei Abrams zu sehen.
Das bringt durchaus eine gewisse Würze in die ersten beiden Folgen, aber es bleibt abzuwarten, ob man am Ende nicht den Wiedererkennungswert aushebelt, zumal dieses Verhalten eine Ausnahmesituation in der siebenjährigen gemeinsamen Dienstzeit von Georgiou und Burnham darstellte. Per se bot es aber eine erfrischende Neuerung, die Neugier erweckt, wie man solcherlei Konflikte künftig vermehrt schüren will.


Der Name der Rose.
Als ich den Titel "Das vulkanische Hallo" erstmals las, empfand ich ihn als dämlich und eines Star-Trek-Piloten unwürdig.
Doch nach Ansehen der ersten beiden Folgen entwickelte er sich – im Gegensatz zum etwas uninspirierten "Kampf beim Doppelstern" – zu einem meiner persönlichen Highlights, denn tatsächlich ist er mehr als nur ein Verweis auf die Geschichte der klingonisch-vulkanischen Diplomatie. Zusammen mit "Lebe lang und in Frieden." ist "Wir kommen in Frieden." nichts weiter als der Ausdruck einer vulkanisch-pazifistischen Grundidee, auf der die ganze Föderation basiert.
Und doch haben ausgerechnet die logischen Vulkanier einen praktischen Nutzen in der Anwendung von Gewalt gefunden! Michael Burnham als Brücke zwischen Vulkaniern und Menschen obliegt es scheinbar, diesen Widerspruch und die damit einhergehenden Probleme von Anfang an auf ihre Schultern zu laden.
Kein sehr schönes Begrüßungswort für Burnham, aber fraglos ein programmatisches Versprechen zu Beginn einer neuen Serie.
Bemerkenswert ist an dieser Stelle übrigens, dass der Erstkontakt zwischen Vulkaniern und Klingonen im Erdenjahr 2016 stattfand, also just zu jenem Zeitpunkt, als Star Trek fünfzig Jahre alt wurde.


Frische Infusion für den blassen Kanon.
Nach mehreren Jahren, in denen der Input für die Star-Trek-Wikipedia 'Memory Alpha' vor allem in Informationen aus den Abrams-Filmen bestand, die größtenteils in einem Paralleluniversum angesiedelt waren, erhält der offizielle Kanon endlich wieder neuen Input.
Dabei vollzieht Discovery eine Gratwanderung zwischen klassischem Star-Trek, Abrams-Trek, Enterprise und etwas völlig Neuem. Es versucht redlich, eine Brücke zwischen all diesen Elementen zu schlagen.
So erfahren wie viel Neues (z.B. über den  vulkanisch-klingonischen Erstkontakt, die Spezies der Kelpianer oder die vierundzwanzig großen Häuser der Klingonen), aber auch den ein oder anderen netten Anklang an frühere Serien und Filme (z.B. dass es auf Gamma Hydra eine Andorianerkolonie gibt, dass Vulkanier und Klingonen im H'atoria-System aufeinandertrafen oder dass auch in diesem Universum Vulkaniern in Schulungszentren Prüfungen ablegen).
Dazu gibt es eine Menge neuer Schiffe zu sehen (den Modellschiffversand Eaglemoss wird es freuen), unter denen Namen wie USS Shran, USS T‘Plana Hath oder USS Earhart ebenfalls Querbezüge zum Kanon bilden.
Ja selbst die klingonische Sprache wurde mit Discovery sicherlich in ihrem Wortschatz bereichert.
Daneben gibt es aber auch subtilere Anleihen. So überlistet Burnham in bester Kirk-Manier einen Computer und steht in schlechtester Kirk-Manier am Ende vor einem Kriegsgericht. Derlei Verweise kommen allerdings nicht – wie z.B. bei Seth MacFarlanes Orville – mit der Brechstange, sondern wirken weit weniger plump und augenfällig.
Darüber hinaus verleiht zumindest der TOS-Brücken-Sound dem Geschehen ebenso das richtige Star-Trek-Feeling wie die Verwendung der guten, alten Nummer siebenundvierzig
Und doch gibt es einige neue Zugänge, die in einem gewissen Kontrast zu Star Treks sauberem, anmutigen und professionellem Habitus stehen.
Manchmal klappt etwas bei den hochspezialisierten Sternenflottenoffizieren einfach nicht (z.B. dass das Bild eines versteckten Schiffes sofort angezeigt wird), weiß ein Crewmitglied eben keine Antwort auf die Frage seines Captains (z.B. Saru zum versteckten Schiff) und tatsächlich konnte man zwei Schiffe sehen, die mal nicht auf einer imaginären gemeinsamen Ebene des Raumes lagen, sondern schief im All zu hängen schienen.
Und obwohl es auch beim Kanon sicherlich den ein oder anderen Punkt zu bemängeln gibt, gibt es gleichermaßen auch einen Grund zur Hoffnung:
Nachdem im Internet bereits Bilder des Transporter-Raums den Unmut so mancher Fans auf sich zogen erfahren wir nun, dass es sich bei der 'lateralen Transporter-Technologie' um eine Art Brückenfossil zwischen Enterprise- und TOS-Beamen handelt, die geschickt das Dilemma des abweichenden Aussehens zum Original umgeht. Wenn Gleiches wenigstens ansatzweise mit den anderen Kanon-Ungereimtheiten passiert, könnte es gelingen, mit der Zeit auch konservativere Fans beschwichtigen zu können.


Kritikwürdige Aspekte.

Nosferatus Klingonen.
Vieles ist im Vorfeld ja bereits zum Aussehen der Klingonen gesagt worden. Nachdem im Vorgänger Enterprise so viel Energie darauf verwendet wurde mühselig zu erklären, wie das abweichende Aussehen der Kriegerspezies in der Originalserie zustande kam, findet man hier plötzlich allenthalben stirnwülstige Klingonen wieder, die es eigentlich nicht geben dürfte. Sie tragen Uniformen, die mit ihren Vorläufern und Nachfolgern nichts gemein haben, lassen Worfs so wild wallendes Haupthaar schmerzlich vermissen und brechen selbst mit ihren Schiffen aus dem traditionellen Designschema heraus. Von der Unsinnigkeit, die schützenden klingonischen Schlachtschiffe vor dem endgültigen Sieg fortzuschicken, fange ich besser nicht an zu reden, aber taktisch fragwürdig agierende Gegenspieler sind wohl ein ebenso ein geläufiges Bild bei Star Trek wie explodierende Konsolen (vergleiche dazu auch 'Kanon und Logiklöcher').
Im Laufe der ersten beiden Episoden gewöhnt man sich fraglos irgendwie daran, aber es fühlt sich spätestens zu Beginn des Abspanns wieder falsch an.
Zum anderen finde ich es prinzipiell ja wirklich toll, dass der klingonischen Sprache so viel Raum eingeräumt wurde wie noch nie zuvor. Das führt aber auch zu unangenehmen Längen, nervigen Untertitelfluten und reißt die Geschichte viel zu oft aus ihrem Fluss.
Noch mehr stört aber, dass den unendlich langen Ausführungen T‘Kuvmas jegliche Betonung, Intonation und vor allem Pathos fehlt, den z.B. General Chang der Sprache dereinst in "Das unentdeckte Land" verlieh. Chris Obis Klingonisch wirkt seelenlos auswendig gelernt, lustlos runtergerasselt und so einschläfernd wie das Rattern der Gleise auf einer Bahnfahrt durchs ländliche Brandenburg bei Nacht.
Am Ende bleiben ausgerechnet die Klingonen, die die Hauptlast der Kriegs-Handlung tragen, ein hausgemachter Schwachpunkt der Serie.


Design und Optik.
Es ist nicht alles doof. Ich möchte an dieser Stelle einmal explizit die schöne Kameraführung loben (z.B. aus All in Burnhams Zelle), die viel zur Ästhetik der einzelnen Szenen beiträgt.
Aber ansonsten setzt sich leider das schlechte Urteilsvermögen, das sich bereits in der Konzeption der Klingonen andeute, die auch in den Bereich Design und Optik fort.
 Zum einen liegt das daran, dass die Serie, die zehn Jahre vor der Originalserie (aber dreiundzwanzig Jahre nach Abspaltung der Kelvin-Zeitlinie) spielen soll, sehr stark an den Designvorstellungen J.J. Abrams orientiert ist. Nun ist natürlich jedem klar, dass man niemanden mehr mit Designs wie den bunten Knöpfen, grellen Pyjamas oder klingonischen Low-Budget-Make-Ups hinter dem Ofen hervorlocken kann.
Andererseits hat aber erst vor kurzem ein Fanprojekt namens Axanar gezeigt, dass man im gleichen Zeitraum angesiedelt sehr wohl ein ansprechendes, glaubwürdiges aber doch spürbar anderes Design anbringen kann.
Doch statt daraus zu lernen, klagte CBS den unliebsamen Konkurrenten lieber in Grund und Boden, bis es kaum mehr wiederzuerkennen war. Das hinterlässt natürlich ein 'Geschmäckle',  zumal sich Discovery insbesondere in puncto Schiffskonstruktion eine dicke Scheibe vom vermeintlichen Widersacher hätte abschneiden können.
So bleiben die Fans, für die das Design von Schiffen oftmals von zentraler Bedeutung ist, mit kantigen, klobigen und vor allem glanzlosen Schiffen zurück, die in ihrer Eleganz ein wenig an rostige Ostblock-Automobile der Marken Fiat Polski, Dacia oder Lada erinnern.
Diese absichtlich primitiver gestalteten Schiffe stehen wiederum in einem krassen Widerspruch zu den überaus modernen Displays, die auf ihnen benutzt werden. Überall lassen sich Touch-Funktionen finden, die eigentlich eher in die TNG-Ära und danach gehören. Am Ende wirkt dieser Gegensatz so aufgesetzt, als würde man z.B. ein gutes altes Nokia 3310 benutzen, um darauf 'Angry Birds' zu spielen.
Zum anderen setzt man noch immer auf unzählige Lens Flares, die nichts von ihrer Nervigkeit eingebüßt haben. Obgleich J.J. Abrams sich für ihre Verwendung längst entschuldigt hat, der dreizehnte Kinofilm auf ihren Einsatz größtenteils verzichtete und der Großteil von ihnen völlig unnötig ist, begleiten sie den Zuschauer durch die ersten beiden Folgen wie der Durchfall einen Ruhr-Patienten.
Das bedeutet im Gegenzug aber auch, dass der Rest der Serie erschreckend dunkel gehalten ist. Was normalerweise ein Anzeichen dafür ist, dass ein Fanfilm seine mangelnde Ausstattung kaschieren möchte wird hier zu einem fragwürdigen Stilmittel erhoben, das zu Folge hat, dass man mehr als einmal ungläubig seinen Monitorwinkel im festen Glauben daran verändert, ihn falsch eingestellt zu haben.
Außerdem verfügt Discovery über ein erschreckend konservatives Intro; zumindest aus musikalischer Warte. Immerhin ist der Vorspann, dessen Laufzeit in erster Linie von Einblendungen der erschreckend vielen beteiligten Produzenten (insgesamt stolze zwanzig Nennungen) geprägt ist, mit seinen Set-Skizzen, Blumenmotiven und der einzigen Sichtung der Discovery bis hierhin nett anzusehen.


Kanon und Logiklöcher.
In bester Star-Trek-Tradition scheut auch Discovery nicht davor zurück, gleich im Pilotfilm mit Kanon-Verletzungen und Logik-Löchern aufzuwarten.
Das beginnt schon mit der Eingangsszene, die trotz aller gegenteiligen Beteuerungen Burnhams und Georgious eine eindeutige Verletzung der obersten Direktive – dem zentralen Leitgedanken der Sternenflotte - darstellt. Ich hoffe inständig, dass dies kein Sinnbild für den weiteren Umgang mit dem Kanon war.
Aber bei Lichte besehen gab es eigentlich nur einen wirklichen Kanon-Bruch (neben dem bereits angesprochenen Klingonen-Aussehen):
So sind die verschiedenen Schiffe dieser Ära alle in der Lage, Holo-Kommunikation zu betreiben und direkt mit ihrem Gegenüber in Kontakt zu treten. Das erscheint insofern verwirrend, dass diese Technologie eigentlich erst viel später in der DS9-Episode "Für die Uniform" eingeführt wurde.
Alle anderen vermeintlichen Widersprüche können mit Gegenbeispielen locker widerlegt werden.
Klingonen können sich nicht tarnen?
Ihre Schiffe taten dies zwar in der Originalserie nicht, aber es wurde auch niemals behauptet, dass sie nicht dazu in der Lage wären. Immerhin wundert sich im dritten Kinofilm niemand, dass die Kriegerrasse dazu 'plötzlich' in der Lage ist.
Michael Burnham beherrscht den vulkanischen Nervengriff?
Entgegen weitläufiger Ansichten unter Fans ist dieses Verfahren keine explizit vulkanische Spezialität. So sehen wir sowohl Data in "Wiedervereinigung?", als auch Odo in "Das verlorene Paradies", Picard in "In der Hand von Terroristen", Archer in "Kir‘Shara", Seven of Nine in "Der schwarze Vogel" und Gary Seven in "Ein Planet genannt Erde" bei der Durchführung dieses Manövers. Immerhin würde Burnhams fehlende vulkanische Stärke erklären, warum Georgiou nur vergleichsweise kurzzeitig außer Gefecht gesetzt blieb.
Sarek kann über Lichtjahre hinaus mit Burnham kommunizieren?
Die Möglichkeit für solche Katra-Ferngespräche besteht tatsächlich. Schließlich konnte Spock den Tod seiner spitzohrigen Landsleute auf der USS Intrepid in "Die Weltraum-Amöbe" sogar ohne vorherige Gedankenverschmelzung über Lichtjahre hinweg spüren.
Sind Meutereien in der Sternenflotte vor der Originalserie nicht ausgeschlossen?
Zwar fällt eine solche Behauptung tatsächlich in einem Gespräch zwischen Spock und Chekov in "Das Spinnennetz", aber bereits Kirks Vorbild Garth von Izar wurde von einer meuternden Crew seines Kommandos enthoben.
Warum gibt es vor Data schon einen Roboter?
Anhand des schmerzerfüllten Schreis des Brückenmitgliedes der Shenzou und der Tatsache, dass die Hände eindeutig menschlich sind, gehe ich eher davon aus, dass es sich um einen Cyborg oder einen Mensch mit Maske handelte.
Ist der Körper eines verstorbenen klingonischen Kriegers nicht nur eine wertlose Hülle?
Rein prinzipiell schon, aber bereits die Erwähnung von klingonischen Mummifizierungsglyphen im vierten Star-Trek-Kinofilm weist darauf hin, dass es auch anderen Praktiken im Umgang mit den Toten auf Qo'noS gab.
Während vieler dieser vermeintlichen Widersprüche also leicht aufzulösen sind, bzw. anderweitig erklärt werden können, gibt es noch einige Logiklöcher wie diese:
So zum Beispiel spottet Sareks Behauptung, man könne nach wenigen Minuten im halben Quadranten den Schein des Klingonenschiffes sehen, völlig dem Konzept der Lichtgeschwindigkeit. Und auch der Albino Voq hat ein merkwürdiges Schmerzempfinden, wenn er problemlos seine Hand ins Feuer hält, aber nicht minder problemlos überwunden werden kann, als Burnham ihn mit dem Fingernagel unter's Auge piekt…


Übersetzung.
Die Übersetzung ist größtenteils gut gelungen, auch wenn es insbesondere zu Beginn schwierig war, die Stimmen von Georgiou und Burnham auseinanderzuhalten. Man wird sich wohl endgültig damit abfinden müssen, dass der Begriff 'Ensign' (seit Enterprise) den Begriff 'Fähnrich' (seit TNG) abgelöst hat. Hoffen wir, dass "mein Katra" dahingehend nur ein einmaliger Ausrutscher war und dieses Wort seinen ursprünglich weiblichen Artikel (seit Star Trek III) beim nächsten Mal wieder zurückerhält.
Besonders angenehm fiel übrigens der Versuch aus, so ziemlich zum ersten Mal in der Geschichte Star Treks vorsichtig mit Duzen und Siezen zu experimentieren. Tatsächlich war es so gut eingesetzt, dass es mir beim ersten Sehen gar nicht aufgefallen war.
Die an sich schlüssige Idee, zum besseren Verständnis die deutsche Untertitelspur zu verwenden, fiel hingegen desaströs aus. Selten stimmten sie  mit dem Gesagten überein, ließen gern Eigennamen unter den Tisch fallen und wirkten streckenweise so fürchterlich übertragen, dass man das Gefühl bekommen konnte, dass hier ein unmotivierter Praktikant dazu vordonnert wurde, die deutschen Dialoge durch Google Translate zu jagen. Hinzu kommt, dass sich haarsträubende Fehler wie z.B. "Befehl 1" statt "oberste Direktive", "Taktik Team" statt "taktische Konsole" und "zum Qo’noS" statt "nach Qo'noS" eingeschlichen haben.
Da lohnt es sich wahrscheinlich eher, die ebenfalls bei Netflix verfügbaren klingonischen Untertitel zu verwenden, denn die wurden wenigsten von Star-Trek-Fans verfasst (tatsächlich sogar von einem uns bestens bekannten Experten; sie stammen nämlich aus der Feder von Lieven Litaer).



Fazit.
Es ist nicht alles Gold was glänzt.
Die Klingonen in Discovery sind ein offener Affront gegen die Alt-Fans und nehmen in ihrer Umsetzung viel zu viel vom Tempo aus der neuen Star-Trek-Serie. Optisch bricht Discovery mit der Chronologie Star-Treks und beruft sich ausgerechnet auf Stilelemente, die selbst J.J. Abrams einmal als Fehler bezeichnete. Hinzu kommen Kanon-Fehler, Logik-Löcher und zumindest einige Entscheidungen, die man als fragwürdig bezeichnen kann.
Doch auch Silber versteht durchaus zu glänzen.
Sicher, Discovery ist keinesfalls 'das Game of Thrones der Star Trek-Franchise', aber der Pilot vereint alle Elemente in sich, die man für eine traditionelle Star-Trek-Einführungsfolge braucht:
Angefangen von einer Schar vielversprechender Charaktere über eine stabile Handlung bis hin zur unverzichtbaren Moralität.
Daneben greift es gleichsam eine Vielzahl erzählerischer Neuerungen wie offen ausgetragene Figurenkonflikte, den Tod von Hauptcharakteren oder ein erst am Ende erkennbares Gesamtbild auf, die diese Serie in die Zukunft katapultieren.
Discovery gelingt am Ende trotz des ein oder anderen Haltungsfehlers der schwierige Drahtseilakt zwischen menschlicher Impulsivität und vulkanischer Logik, Kanon und Neuland sowie Tradition und Moderne zu meistern.
Man darf zu Recht gespannt sein, was in den kommenden Wochen nachgeliefert werden wird, aber eines ist sicher:
Wir leben in einer großartigen und vor allem spannenden Zeit für Star-Trek-Fans…

Bewertung.





Ein stabiles Fundament für zukünftige Aufbauten.

Schluss.
Ich hatte das große Vergnügen, den Serienstart zusammen mit Freunden, Tafelrundenmitgliedern und anderen Gleichgesinnten erleben zukönnen, was mir die Gelegenheit gab, ein größeres Stimmungsbild (anhand der von mir verwendeten Skala) einzufangen. Von den vierundsechzig Abstimmenden vergab niemand null oder nur einen Punkt. Im Gegenzug war aber auch nur eine Person bereit, die volle Punktzahl zu geben. Drei Stimmberechtigte vergaben lediglich zwei und sieben von ihnen drei Sternenflottendeltas. Die überwiegende Mehrheit hingegen vereinte sich auf vier (dreißig Personen) bzw. fünf Punkte (dreiundzwanzig Personen). Die überwiegende Mehrheit stimmte also meinem eigenen Urteil bereits an diesem tollen und denkwürdigen Abend zu.




Denkwürdige Zitate.


"Wir kommen in Frieden."
T’Kuvma, Michael Burnham und Philippa Georgiou

"Sie fällen ein Urteil weil sie etwas sehen das sie nicht verstehen."
Burnham zu Saru

"Das einzige Wort, das es angemessen beschreibt, ist 'wow'."
Michael Burnham

"Es wäre unklug, Rasse und Kultur zu verwechseln."
Micheal Burnham

"Die Sternenflotte schießt nicht zuerst."
Philippa Georgiou

"Benimm Dich."
Sarek

"Warum kämpfen wir? Wir sind die Sternenflotte! Wir sind Forscher, keine Soldaten!"
Danby Connor


Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"