Samstag, 30. Mai 2015

Zum Geburtstag Colm Meaneys: The Damned United

Einleitung. Selbst unter den großen Star-Trek-Stars gibt es einige, die eng mit dem Thema Fußball in Verbindung stehen und sich auf die ein oder andere Weise zumindest mit einem englischen Fußballverein in Verbindung bringen lassen.

Stewart in den Farben 'seines' Clubs
Patrick Stewart zum Beispiel ist Fan von Huddersfield Town, einem Club, der vor allem in den Zwanziger Jahren drei Meisterschaften in Folge sich reißen konnte und nach kleineren Höhepunkten (wie einigen Pokalfinalspielen) ab den Siebzigern weitestgehend in der Bedeutungslosigkeit niedriger Ligen verschwand. Erst 2012 gelang dem Team der Aufstieg in die zweite englische Liga (die Tafelrunde berichtete), in der die Mannschaft seither mit relativer Konstanz im unteren Mittelfeld zu finden ist.

Sirtis in den Farben 'ihres' Clubs
Marina Sirtis ist hingegen ein so glühender Anhänger des ungleich erfolgreicheren Ex-Klinsmann-Clubs Tottenham Hotspur. Sie verlieh ihrer Liebe zum Verein sogar mit einem Tattoo Ausdruck, dass man als Zuschauer beispielsweise auf der Star-Trek-Destination Germany bewundern durfte (die Tafelrunde berichtete ebenfalls).

Natürlich gibt es daneben aber auch den ein oder anderen Leser, der sich jetzt sicherlich fragen wird, inwiefern Star Trek überhaupt mit Fußball zu tun haben könnte und warum hier und heute ein Artikel darüber zu lesen ist.
Nun, die Star-Trek-Tafelrunde „Hermann Darnell“ lässt sich nicht in das Klischee des Sport-hassenden, fettleibigen Geeks pressen. Entgegen Meinungen, wie sie etwa Christian Humberg mit den WortenStar-Trek-Freunde gehen nicht ins Stadion“ in „Sorge Dich nicht, beame“ formulierte, gibt es auf diesem Blog deutliche Beweise für entsprechende Exkursionen zu Sportstätten in der Region und passend zum WM-Finale Deutschland gegen Argentinien befassten wir uns auch ausführlich mit jenen Momenten, in denen auch innerhalb Star Treks die menschliche Vorzeige-Sportart Fußball thematisiert wurde.

Heute, am Geburtstag des Miles-O'Brien-Darstellers, wollen wir allerdings die Gelegenheit nutzen, noch einen weiteren Star-Trek-Darsteller mit einem englischen Fußballclub zu verbinden, nämlich Colm Meaney mit Leeds United.


Wie jetzt?
Einen Iren?
Der noch nicht einmal großer Fußballfan ist?
Mit dem Erzrivalen von Huddersfield United, dem Lieblingsclub Patrick Stewarts?


Grundlage für diese zugegebenerweise ungewöhnliche Verbindung bildet ein Film, den wir an dieser Stelle – quasi als Geburtstagsständchen für Meaney - eines genaueren Blickes würdigen wollen.


Story. Don Revie (Colm Meaney) hat es im Jahr 1974 endgültig geschafft: Mit seinem Club Leeds United konnte der Trainer zwei englische Meisterschaften, zwei Messepokalsiege (dem Vorläufer des UEFA-Cups) und jeweils einen Erfolg im FA-Cup, Liga-Pokal und Superpokal (Charity Shield) erringen. Drei Mal wurde er zum Trainer des Jahres gewählt und erst unter seiner Ägide formte sich Leeds zur dominierenden englischen Spitzenmannschaft der Sechziger und Siebziger Jahre. Als die englische Nationalmannschaft es verpasst, sich für die WM '74 in Deutschland zu qualifizieren, fällt die logische Wahl eines neuen Nationaltrainers daher beinahe zwangsläufig auf den sympathischen Titelsammler, der sich der neuen Herausforderung auch umgehend stellt.
Sein Nachfolger auf dem Posten des Cheftrainers bei Leeds United wird allerdings mit Brian Clough einer der härtesten Konkurrenten Revies in der höchsten englischen Spielklasse. Mit Derby County gelang ihm das Kunststück, innerhalb kürzester Zeit einen Verein aus dem unteren Drittel der zweiten Liga zu einem veritablen Meisterschaftskandidaten zu formen.
Beide Männer verbindet eine intensive Rivalität, der sich weder Fans noch Spieler entziehen können. Und so kommt es, wie es kommen muss: Clough kämpft mit seiner wenig einfühlsamen Art und seinem Ersatz-Co-Trainer Jimmy Gordon (Maurice Roëves) auch von Beginn an auf verlorenem Posten. Mit seiner Amtszeit von nur 44 Tagen als Trainer von Leeds geht er in die Geschichtsbücher des englischen Fußballs ein... 


Lobenswerte Aspekte. Das kurzlebige Trainer-Intermezzo Brian Cloughs bei Leeds United ist im Kollektivgedächtnis der Fußballnation England in etwa so sehr verankert wie bei uns die „Flasche-leer“-Rede Trappattonis, der Stinkefinger Stefan Effenbergs oder die Radio-Reportage des Endspiels der WM 1954 von Herbert Zimmermann.
Über ein solches kulturelles Allgemeingut kann man nichts Neues mehr inszenieren. Dieser Tatsache war sich nicht nur David Pearce bewusst, der den (noch viel drastischeren) Roman schrieb, auf dem dieser Film basiert, sondern auch Ausnahmeregisseur Tom Hooper („The King's Speech“, „Les Misérables“) und so erzeugt sein Film die Spannung nicht über die Abfolge der Ereignisse, sondern über den Versuch, die Motivation der Charaktere zu ergründen.
Deutlich wird dieser Verzicht auf eine chronologische Ordnung bereits darin, dass sich die Geschichte in zwei Hauptstränge teilt. In einem kann man Cloughs Martyrium als Hauptverantwortungsträger bei Leeds miterleben, während im anderen sein Aufstieg aber auch sein Fall als Übungsleiter bei Derby County thematisiert werden.
Und so wird aus diesem Sportfilm ein wahres Meisterstück, denn der Sport bietet zwar den Rahmen für die Handlung, bildet aber keineswegs ihr Hauptanliegen. Stattdessen geht es um den Umgang mit Ehrgeiz, Macht, Besessenheit und Rache, wobei gerade letzterer Aspekt den Film in eine skurrile, aber noch nicht einmal abwegige Traditionslinie mit dem zweiten Star-Trek-Kinofilm „Der Zorn des Khan“ stellt.


The Damned United“ ist als Sportfilm daher nicht mit unsäglichen Auswüchsen wie der kaum erträglichen Goal-Trilogie zu vergleichen, sondern spielt viel eher in einer Liga mit Geistesgenossen wie „Invictus“, wobei Hoopers Film besonders dadurch glänzt, dass sein Fokus eben nicht auf den positiven Eigenschaften der Menschheit basiert, sondern eher auf ihren Abgründen.
Allerdings gibt es auch einen Lichtblick in diesem Film, der die dunklen Seiten Cloughs wieder ins Lot rückt: Seine Freundschaft zum Co-Trainer Peter Taylor. Hier finden sich wiederum Anleihen wieder, die problemlos auch in Star Trek funktionieren würden, denn für die Figurendynamik bedeutet das Verhältnis zwischen Clough und Taylor eine geistige und emotionale Symbiose, wie sie bereits Jahrzehnte zuvor als erzählerisches Mittel auch zwischen Kirk und Spock etabliert wurde. Beide kehren ihre besten Seiten nur im Team heraus und sind nur im Zusammenspiel in der Lage, ihre Unzulänglichkeiten auszugleichen.


Das alles gewinnt zusätzlich durch die Ausstattung an Flair, wobei nicht nur die detailgetreue Inszenierung von Tapeten, Kleidung, Frisuren, Nikotinkonsum, Werbung, Testbildern, Bauwerken oder Fahrzeugen gemeint ist, sondern auch die großartige Stimmung, die an jene längst verlorene Zeiten erinnert, in denen Fußball in England noch ein Arbeitersport war. Durch das Einspielen von Originalausschnitten, aber auch die Nachstellung von glanzlosen, aber frenetisch zelebrierten Zweikampfszenen erhält man eine Lehrstunde zur Geschichte der höchsten englischen Spielklasse, deren deutlicher Kontrast zu den Hochglanzübertragungen der heutigen Zeit beinahe als Anklage zu verstehen ist.
Glanzparaden gegenüber jeglicher Kritik bietet zusätzlich der Block an außergewöhnlichen Darstellern. Colm Meaneys Ähnlichkeit zu Revie mag vielleicht teilweise durch seine Darstellung und seinen Friseur begründet sein, aber sie lässt sich nachdem man ihn in dieser Rolle erst einmal gesehen hat, nicht mehr abschütteln. 

Spielte mal bei Star Trek mit: Der Mann im Redshirt
Übrigens ist er nicht der einzige Star-Trek-Darsteller, der in „Damned United“ zu sehen ist. Mit Maurice Roëves, der in der TNG-Episode „Das fehlende Fragment“ den Kommandanten des romulanischen Warbirds spielte, zeigt noch ein weiterer Star-Trek-Alumni Präsenz als Cloughs Sidekick Jimmy Gordon.


Aber sie alle werden von Michael Sheen (der in keinerlei verwandtschaftlichem Verhältnis zu Martin, Charlie oder Emilio Estevez steht) an die Wand gespielt, der bereits in „Frost/Nixon“ brillierte und das breite Spektrum an Emotionalität in Cloughs zwiespältigem Wesen mit atemberaubender Eindringlichkeit verkörpert. Vor allem durch seine Darstellung kann man sich des Schicksals des Hauptcharakters als Zuschauer unmöglich entziehen.


Kritikwürdige Aspekte. Die Ehefrau des inzwischen verstorbenen Brian Cloughs hasst diesen Film. Sein Sohn Nigel, im Film von Frank Skillin und Oliver Stokes verkörpert, weigert sich gar, diesen Streifen überhaupt zu sehen. Der schottische Fußballer Dave McKay verklagte ob der Darstellung seiner Person schließlich erfolgreich die Produktionsfirma. Gerade bei Zeitzeugen kam der Film nicht sonderlich gut weg, denn er hat vor allem ein Problem:
Obwohl er auf einem real existierenden Ereignis beruht, nimmt er sich extrem viele Freiheiten, um die Figuren, ihre Konstellationen und Dynamik zum Leben zu erwecken. Streckenweise sind ganze Szenen frei erfunden, verändert oder woanders eingefügt worden, die nichts mehr mit der Originalvorlage zu tun haben, nur um die Themen Ergeiz, Macht, Besessenheit, Rache und Freundschaft dramaturgisch zu bedienen. 
Fakt und Fiktion verschwimmen in diesem Film völlig, den man wortgerecht aus diesem Grund schon gar nicht mehr als 'Biopic' bezeichnen dürfte.


Auf der anderen Seite würde der Film weder funktionieren, noch verkauft werden können, wenn die Namen der Beteiligten nicht auftauchen würden oder verfremdet worden wären. Die Köpfe hinter dem Film waren daher zu einem Drahtseilakt gezwungen, der ihnen – wie man an den Reaktionen sehen kann – beileibe nicht gelungen ist.
Und doch kann die Kritik die Intensität des Filmes nicht mindern. Gerade jene Szene, in der Sheens Charakter ein Spiel gegen Revies Leeds in den Katakomben des Stadions verbringt, die der BBC-Sportreporter Pat Murphy als ein enger Freund Cloughs ins Reich der Legenden verwies, gehört nicht nur zu den stärksten des gesamten Streifens, sondern unterstreicht das Anliegen mehr als alle anderen. Defacto machen die Ausschmückungen „The Damned United“ erst zu dem außergewöhnlichen Sportfilm, der er ist, und lassen ihn seinen mehrdeutigen deutschen Untertitel „Der ewige Gegner“ verdienen.


Daher stört an dem Film weniger der bunte Mix aus Wahrheit und Mythos, den man als Potsdamer ohnehin aus dem anekdotenreichen Leben Friedrichs des Großen zur Genüge kennt, sondern die merkwürdige Quintessenz, die die Schlusseinstellungen des Filmes dem Werk aufdrücken.
In ihnen kann man nämlich durch Bildunterschriften erfahren, dass Don Revie nicht nur als Nationaltrainer Englands scheiterte, sondern auch im Anschluss jegliche fußballerische Kompetenz vermissen ließ, während sein Rivale Clough mit Nottingham Forrest zur Heilsfigur des darbenden englischen Fußballs avancierte. 
Dabei stört an dieser Stelle weniger, dass damit Colm Meaneys Figur ins Hintertreffen gerät, sondern viel eher, dass mit Clough ein eindeutiger Sieger im unausgesprochen Duell zwischen beiden gekürt wird.


Schließlich hatten sich Darsteller und Regisseur über 90 Minuten fieberhaft Mühe gegeben um aufzuzeigen, wie unsinnig die Rivalität zwischen beiden Männern war und welche Opfer sie von allen Seiten erforderte. Dadurch, dass man Clough am Ende die Meisterschale in diesem Zweikampf verlieh, entriss man auch der gesamten Handlung und allen Ausschmückungen die Daseinsberechtigung und erst mit diesen Ausschnitten aus Originalaufnahmen spielte man argumentativ Dave McKay, Barabara und Nigel Clough in die Hände. Gut gemeint ist halt nicht immer gleich gut gemacht.


Übersetzung. Es ist noch nicht einmal so, dass die deutsche Übersetzung von haarsträubenden Fehlern durchsetzt wäre. Aber wenn man das Flair und die Atmosphäre der Handlungszeit tatsächlich am eigenen Leib miterleben möchte, so lohnt es sich, der englischen Tonspur der DVD den Vorzug zu geben. „The Damned United“ spielt nämlich auch in einer reizvollen Dialektzone der englischen Sprache, die in der deutschen Fassung keinerlei Bedeutung mehr hat, den Arbeitercharakter Cloughs aber weiter unterstreicht. Zusammen mit anderen Varietäten bildet der Film nicht nur für anglophile Ohren ein wahres Dialektfeuerwerk, in dem selbst die unartigsten Schimpfwörter plötzlich stilvoll wirken.


Fazit. Mit seinem Engagement in „The Damned United“ ist Colm Meaney der Clou gelungen, in einem der besten Sportfilme überhaupt eine tragende Rolle zu ergattern. Zwar gelingt es ihm nicht, sich am großartigen Michael Sheen vorbei in das Gedächtnis der Zuschauer zu spielen, doch ihm bleibt die Genugtuung, ein unverzichtbarer Teil eines Bravourstücks gewesen zu sein, das den Fokus auf menschliche Abgründe statt sportliche Berg-und-Talfahrten setzt. Dass es dabei etwas großzügig mit dem Verhältnis zwischen Fakt und Fiktion umgeht, ist noch nicht das Problem, sondern eher, dass der Film sich durch sein Ende jeglicher Legitimation für solche Eingriffe beraubt.


Der 'echte' Don Revie

Denkwürdige Zitate.

But I'm not Mr. Revie!
Brian Clough

Some fella in London, England named, some Brian... Brian Clough. I heard all the way in America that this fella talks too much. They say he's another Mohammed Ali. There's just one Mohammed Ali! Now, Clough, I've had enough! Stop it!
"Are you gonna stop it?"
"No, I'm going to fight him...“
Muhammed Ali, Peter Taylor, Brian Clough

Oh that's right! You were chairman of Derby County before I came here! I remember that...
When Derby County were at the fucking foot of the Second Division. When nobody had heard of them for twenty years and nobody had heard of Sam bloody Longson ever. Full Stop! And that's where you'd still fucking be if it wasn't for me! At the foot of the bloody second Division where nobody remember you and nobody had heard of you. There would be no Derby County without me! No League title, no champions of England – not without Brian Clough!
I'm gonna give you some good advice, Brian Clough. No matter how good you think you are, how clever, how many fancy new friends you made on the telly; the reality of footballing life is this: The chairman is the boss, then come the directors, then the secretary, then the fans, then the players and finally, last of all, bottom of the heap, lowest of the low, comes the one who in the end we can all do without – the fucking manager!
Club-Eigner Sam Longson und Trainer Brian Clough


„You bloody fool.
Sam Longson

That's the problem!
No, it's not. It's you. This mad ambition. It comes and it goes. Sometimes it's good, oh yes, like a fire that stirs everything up. Then there's this, this thing that takes over. Destroys everything that's good in your life!
Brian Clough und Peter Taylor


Schlussworte. Für den deutschen Fußball war 1974 ein großartiges Jahr. Deutschland wurde Weltmeister, Bayern München gewann den Vorläufer dessen, was wir heute als Championsleague bezeichnen und der 1. FC Magdeburg gewann den inzwischen eingestampften Europapokal der Pokalsieger.
Es war aber auch ein gutes Jahr für Star-Trek-Fans in Deutschland, denn großartige Originalserien-Episoden wie „Weltraumfieber“, „Brot und Spiel“ oder „Planet der Unsterblichen“ feierten in diesem Jahr ihre Deutschlandpremiere im ZDF.
Der junge Schauspieler Colm Meaney war damals gerade einmal einundzwanzig Jahre alt. Seinerzeit in London ansässig wird er damals unweigerlich von Brian Clough und Don Revie aus erster Hand erfahren haben. So gesehen schloss sich für ihn mit der Darstellung Revies sicherlich ein Kreis in seine eigene Biografie.
Heute bietet der Film Star-Trek-Anhängern daher nicht nur die Möglichkeit, einen ihrer Stars einmal in einer völlig anderen Rolle zu sehen, sondern auch, ein Stück weit in eine Vergangenheit zu schauen, die auch die Kulisse für die noch junge Karriere Colm Meaneys diente.


Weiterführende Leseliste.

LeVar Burton: The Supernatural
DeForest Kelley: Night of the Lepus
Walter Koenig: Moontrap
Colm Meaney: Parked
Colm Meaney: The Damned United 
Nichelle Nichols: The Supernatural
Leonard Nimoy: Die Körperfresser kommen
Leonard Nimoy: Zombies of the Stratosphere
William Shatner: Mörderspinnen
Marina Sirtis: Blind Date
Marina Sirtis: The Wicked Lady

1 Kommentar:

  1. Interessanter Artikel! Ich habe ih mir vor allem wegen Michael Sheen angesehen, aber Colm Meaney war auch ein Argument für den Film - obwohl ich mich kein Stück für Fußball interessiere!
    Mir sind die Szenen im holzgetäfelten (Manager)Büro in Erinnerung geblieben. Die Zigarettenschwaden waren zum Schneiden dick!

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