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Freitag, 30. Mai 2014

Star Trek und die Philosophie: Menschenrechte

"Menschenrechte, allein das Wort ist rassistisch. Die Föderation ist nichts weiter als ein Homo Sapiens-Club."

Ja, das könnte man den Föderatten wohl vorwerfen, denn ihre sogenannten Menschenrechte haben in ihrer derzeitigen Ausprägung nur Wirkung auf Menschen. Doch Star Trek geht hier einfach einen Schritt weiter und deswegen gibt es für mich als Philosoph im Nebenfach mehr als genug Folgen, die sich mit der Metaphysik auseinandersetzen. Und damit wir richtig loslegen können, verpasse ich der Leserschaft erstmal eine Gänsehaut:



Auf ins Holodeck!
Jetzt seid ihr in der richtigen Stimmung für Philosophie. Wir wollen uns heute mit dem Thema der Menschenrechte befassen. Und dazu müssen wir zurück in die Vergangenheit, genauer gesagt nach England. Es ist eine Zeit der politischen Verfolgung und der Earl of Shaftsbury und dessen Leibarzt sind auf dem Weg nach Holland um dort Schutz vor den Klauen der restaurativen Mächte unter Jakob II. zu finden. Dieser Leibarzt war John Locke, der zusammen mit Thomas Hobbes das Bild des Menschen im 17. Jahrhundert prägte. Beide sprachen von einem Souverän, welcher die Menschen aus ihrem Naturzustand erlösen sollte. Hobbes und Locke hatten jedoch unterschiedliche Vorstellungen, wie sich dies abspielen sollte. Während Hobbes das menschliche Dasein im Urzustand als Babywindel begreift ("Kurz und beschissen"), in dem sich der Mensch gegenüber anderen Menschen wie ein Wolf verhält, hellt sich dieser Zustand bei Locke gewaltig auf. Der Mensch ist von Natur aus frei und gleich und er besitzt unveräußerliche Menschenrechte. Seinen Boden und alles was ihm Gott gegeben hat, kann er kultivieren und es zum besseren Nutzen der Menschheit zur Verfügung zu stellen oder zu seinem Besitz machen. Er darf sich im Naturzustand nur so viel aneignen, wie er auch verbraucht. Lockes Personenbegriff ist also an Eigentum geknüpft. Sein Souverän, der Staat muss diese angeborenen Rechte (im folgenden als natürliches oder Naturrecht bezeichnet) und das erworbene Eigentum seiner Untertanen schützen. Tut er dies nicht oder entwendet dieses Eigentum sogar, hat das Volk ein Recht auf Revolution. 

Lockes Menschenbild und seine staatstheoretischen Entwürfe sind teilweise 1:1 in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und in der Erklärung der Menschenrechte im Zuge der Französischen Revolution vorzufinden. Die Menschenrechtscharta der Uno ist ebenso wenig frei von Lockes Gedanken:

Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen 
Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, 
Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet, (...) verkündet die Generalversammlung (...)
diese Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als das von allen Völkern und 
Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal, damit jeder einzelne und alle Organe der 
Gesellschaft sich diese Erklärung stets gegenwärtig halten und sich bemühen, durch 
Unterricht und Erziehung die Achtung vor diesen Rechten und Freiheiten zu fördern und 
durch fortschreitende nationale und internationale Maßnahmen ihre allgemeine und 
tatsächliche Anerkennung und Einhaltung durch die Bevölkerung der Mitgliedstaaten selbst 
wie auch durch die Bevölkerung der ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiete zu 
gewährleisten. 

Und nun lassen wir Chekov und Azetbur in Star Trek VI - Das unentdeckte Land zu Wort kommen:
Chekov: "Es ist unsere Überzeugung, dass alle Planeten uneingeschränkten Einspruch auf unveräußerliche Menschenrechte haben."
Azetbur: "Unveräußerliche...! Es ist jammerschade, dass sie sich nicht selbst hören können. Menschenrechte...! Schon allein das Wort ist rassistisch. Die Föderation ist nichts weiter als ein Homo sapiens-Club."

Azetbur  (Rechts),  Gorkon  (Mitte),  Spock  (Links)
Lockes Gedankenwelt hat Einfluss auf die Charta der Vereinten Föderation der Planeten, aber unzweifelhaft ist der Ausdruck 'Menschenrecht' ein wenig einseitig und daher ist die Kritik Azetburs durchaus berechtigt. Was sollen Klingonen mit Menschenrechten? Sprechen wir daher lieber von Personenrechten und lassen den Kalten Krieg hinter uns. 

Was ist Leben?
Diese Frage hat bisher wohl niemand so eindeutig klären können, denn das Leben tritt in den unterschiedlichsten Varianten auf. Sprechen wir vom menschlichen Leben auf der Erde ist der Fall sicher eindeutig, aber wie sieht es in der Pflanzen- und Tierwelt aus? Sind Pflanzen lebendig? Würde man darüber eine Umfrage erheben, kämen wohl die unterschiedlichsten Antworten heraus, also müssen wir fragen, ob sie empfindungsfähig sind. Diese Antwort ist nicht hinreichend mit Thesen aus der Biologie gesichert und heutige Philosophen hauen sich darüber die Köpfe ein. Was sagen ältere Generationen dazu? Hegel hält Pflanzen für bewusstlose Wesen. Er sagt, die Natur sei zwar von Gott geschaffen, jedoch fehle ihr der göttliche Funken oder genauer gesagt, das was man Geist nennt. Hegel meint das Bewusstsein. Der Mensch ist in der Lage sich selbst in der Welt zu empfinden, sich in ihr zu verorten. Schopenhauer widerspricht dem gern und sagt hingegen die Welt existiere nur in seiner Vorstellung. Ihr seht schon, es gibt die unterschiedlichsten Ansichten in Bezug auf Leben und Lebendigkeit. 
Auch wenn es um Tiere geht, erhitzen sich die Gemüter gern mal. Meine persönliche Meinung drücke ich gern mit dem Experiment der Bochumer Universität bezüglich des Raben aus. Die Wissenschaftler klebten einem Raben einen roten Punkt auf die Brust und setzten ihm dann einen Spiegel vor den Schnabel. Der Rabe betrachtete sich im Spiegel, blickte an sich herunter, sah wieder zum Spiegel und begann anschließend den roten Punkt von seiner Brust zu entfernen. Commander Bruce Maddox setzt in "Wem gehört Data?" drei Kriterien für das Leben fest: Intelligenz, Selbstbewusstsein und Bewusstsein. Der Rabe erfüllt alle drei. Hat er deswegen die selben Rechte wie ein Mensch oder eine Person? 



Nehmen wir uns einen zugegebenermaßen einfacheren Fall und sehen uns die TNG-Episode: Wem gehört Data? an. Ich will hier gar nicht groß auf den Inhalt eingehen. Es soll hier schlussendlich nur um die Ergebnisse gehen und welche Schlussfolgerungen wir aus dem Gerichtsurteil ziehen können. Data soll einem Wissenschaftler namens Bruce Maddox unterstellt werden, der ihn in seine Einzelteile zerlegen will um eine große Anzahl an Datas zu produzieren. Datas erste Antwort liess mich zwar schmunzeln, aber stimmte mich auch nachdenklich. Er sagt: "Das ist faszinierend." mit hörbar gesteigerter Euphorie in der Stimme.  Jeder Mensch hingegen wäre wenig begeistert, wenn sein Körper zu einem Experiment gemacht werden würde und man ihn zwecks Untersuchung auseinander nehmen würde. Wahrscheinlich dachte Data an Androiden, die ihm ähnlich wären und die seine Faszination für die Menschen teilen würden. Als er erfährt, dass Maddox mit seiner Forschung noch in den Kinderschuhen steckt, ist er allerdings weniger davon begeistert auseinander genommen zu werden. Ich vergleiche das gern mit einem Zahnarzt, dessen Patient man ist und der an einem lernen soll, wie man den Bohrer richtig benutzt. Data weigert sich in aller Form an dem Experiment teilzunehmen und es kommt zur Gerichtsverhandlung.

Um Data das Recht auf Selbstbestimmung zukommen zu lassen, muss er als Person angesehen werden. Locke sagt, dass der Mensch ein Recht darauf hat, sich zu erhalten. Wäre die Verhandlung schlecht für Data ausgegangen, hätte er sich entweder fügen können oder er würde tatsächlich eigenmächtig agieren. Das schließt auch Gewalt mit ein und wir wissen wozu Data imstande sein kann. In der Verhandlung biegt er eine Stange Parstahl um seine Kräfte zu demonstrieren. 
Das Recht auf Selbsterhaltung ist von der Natur gegeben und Locke betont es durchgängig in der zweiten Abhandlung über die Regierung. Data nimmt dieses Recht, wenn auch eingeschränkt, wahr, denn er ist in der Episode kurz davor seinen Dienst bei der Sternenflotte zu quittieren um ihrer Gerichtsbarkeit zu entgehen. Streiken in den Wolfsburger VW-Werken statt der Mechaniker, die Maschinen, würde man wohl beschließen sie abzuschalten und neu zu programmieren. Warum macht man das nicht bei Data? 

Verfolgen wir die Gerichtsverhandlung ein Stück weiter. Riker muss die Anklage führen. Er nimmt Data den Arm ab um die Schaltkreise zu zeigen. Schließlich schaltet er den Androiden einfach ab. Hat Data in diesem Zustand noch Bewusstsein? Was erlebt ein Mensch unter Hypnose? Sind sich diese beiden Zustände so unähnlich? Ist Data mehr Maschine oder schon empfindendes Lebewesen? Er kann sich selbst verorten, er ist intelligent und er ist sich über die geführte Verhandlung im Klaren. Diese Punkte hätten schon ausgereicht, um deutlich zu machen, wie sehr Data eine Person ist. Ein weiterer Schritt in Richtung Anerkennung als Person ist die Tatsache, dass für seinen Abschied eine Party organisiert wird und die Besatzungsmitglieder ihn rührend verabschieden. In den VW-Werken werden die Maschinen einfach ausgetauscht, wenn sie nicht ordnungsgemäß funktionieren. Ich muss hier gar nicht so sehr auf die Gerichtsverhandlung eingehen um zeigen, wie sehr Data als Person gilt und wie sehr er in die sozialen Gefüge der Besatzung integriert ist. 



Der Kulminationspunkt der Folge ist der Schluss der Gerichtsverhandlung, denn gerade eben beim nochmaligen Ansehen ist mir eine wichtige Sache aufgefallen. Data besitzt Eigentum. Er hat nicht nur Eigentum an sich selbst, sondern er hat durch seiner Hände Arbeit Eigentum erworben. Picard schenkte ihm eine Ausgabe mit Sonetten des in Star Trek vielzitierten Shakespeare. Er besitzt zudem eine Holographie von Tasha Yar und er behielt die Auszeichnungen, die ihm von der Sternenflotte verliehen worden sind. Damit hätte er auch Lockes Kriterium als Person erfüllt. Picard schöpft aus der Definition von Maddox, wenn er versucht zu verdeutlichen wie schwammig unser Verständnis von Intelligenz, Selbstwahrnehmung und Bewusstsein ist. Es ist wie die Frage nach der Zeit, von der Augustinus so eindrucksvoll gesagt hat: 

"Was ist die Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiss ich es. Soll ich es einem Fragenden erklären, weiss ich es nicht."

Es würde zuviel Platz verschlingen, die von Picard verwendeten Begriffe alle in sinnvolle Erklärungen zu pressen und das soll auch hier nicht das Thema sein. Deswegen kann ich ebenso wie die Richterin Louvouis feststellen, dass die Antwort auf die Definition des Wortes Seele eine Frage ist, mit der sich die Philosophen noch auseinandersetzen müssen. 

Fazit
Menschenrechte enden nicht einfach bei der Spezies Mensch. Sie sind allgemein gültig und das wichtigste Dokument der Selbstverortung des Menschen innerhalb seiner Welt. Diese Rechte zeigen, dass wir unsere innere Natur anerkannt haben und das wir uns Rechte auferlegen müssen um das zu schützen, was für uns am wichtigsten ist. Dabei muss der Mensch nach mehr als der Selbsterhaltung streben. Wenn mich jemand fragt, was der Sinn des Lebens ist, dann sage ich meistens, dass es keinen allgemeingültigen Sinn für jedermann gibt, sondern, dass wir geboren wurden, um genau diesen Sinn für uns selbst zu finden. Vielleicht ist es das was Thomas Jefferson mit dem 'Streben nach Glück' meinte, als er es 1776 in die Unabhängigkeitserklärung schrieb. 

Datas Streben ist es menschlicher zu werden oder zumindest menschliches Verhalten zu verstehen. Deswegen habe ich dieses Thema an den Anfang gestellt. Sein Verlangen nach diesen Erfahrungen führt uns wieder zurück zu John Locke, dessen These vom Menschen auf Data sicher am ehesten zutrifft, als er in seiner Abhandlung "Über den menschlichen Verstand" schrieb, dass der Mensch qua Geburt ein unbeschriebenes Blatt sei, gleichsam tabula rasa. Dieses Blatt wird erst durch die Erfahrungen zu einem vollständig ausgebildeten Individuum. Wir können diesen Prozess gerade bei Data mit jeder Episode weiter verfolgen und genau das macht auch den Reiz an seiner Figur aus. 


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