Immer wenn es weihnachtet, ostert oder pfingstet trifft sich meine Schwiegerfamilie im trauten Kreis und verbringt die gemeinsamen Abende statt mit ödem deutschen Fernsehprogramm mit unterhaltsamen Gesellschaftsspielen.
Das ist eine schöne Tradition selbst für jemanden, der so etwas bis dato noch gar nicht kannte und die Feiertage lieber mit der ein oder andern Star-Trek-Serie oder dem ein oder anderen Star-Trek-Film vor der Flimmerkiste verbrachte.
Doch inzwischen habe ich alle Folgen und Filme gesehen, so dass ich, dem Tele-5-Empfang zum Trotz, bei meinen Schwiegereltern stets anstandslos als einer der ersten am Familientisch sitze und leidenschaftlich mitdiskutiere, welche Perle aus dem Spieleschrank denn diesmal zum Gegenstand der gemeinsam verbrachten Zeit werden würde.
So einige unerwartete Perlen wie DixIt, Würfelbingo oder Thurn und Taxis hab ich in dieser Runde erst kennen gelernt, doch besondere Freude bereitet mir stets ein Spiel namens Anno Domini.
Das Spielprinzip ist so einfach wie genial. Jeder Mitspieler erhält neun Karten, auf denen verschiedene Ereignisse wie 'Das Versandhaus Sears stellt seinen Katalog auf Glanzpapier um. Es hagelt empörte Zuschriften, denn damit geht der ländlichen US-Bevölkerung ihr beliebtestes Klo-Papier verloren. ', 'Der Kaiser erhebt seine Großmutter zur Göttin' oder 'IBM-Chef Thomas Watson prophezeit: 'Ich glaube, wir werden etwa fünf Computer auf dem Weltmarkt verkaufen können.'' beschrieben werden. Auf der Rückseite, die nicht eingesehen werden darf, finden sich die dazugehörige Jahreszahl und eine kurze Erklärung.
Jeder Spieler hat nun der Reihe nach die Aufgabe, an eine Karte in der Tischmitte ein Ereignis aus seinem Fundus anzulegen, so dass nach und nach eine chronologische Reihe entsteht. Da die Ereignisse oft schwammig formuliert oder unmöglich zu erraten sind, ist das nicht so einfach, denn sobald ein Mitspieler an der angelegten Karte seines Vorgängers zweifelt, kann er eine Überprüfung verlangen. Sind seine Zweifel berechtigt, so erhält der vor ihm Sitzende drei Strafkarten, und der Zweifler darf als erster an eine neue Karte anlegen. Fordert er die Offenlegung der Rückseiten jedoch zu Unrecht, so erhält er zwei weitere Ereigniskarten zu seinen eigenen dazu.
Video-Beschreibung des Spieles
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe verschiedener Themenboxen, die man untereinander mischen kann. Die jeweils 336 Karten von Editionen wie 'Sex & Crime', 'Flopps' oder 'Deutschland' ergeben im Zusammenspiel eine breite Palette, wobei der eigentliche Spaß darin liegt, durch kluge Kommentare, hanebüchene Einschätzungen und halsbrecherische Begründungen seine eigenen Einordnung vor den anderen plausibel zu begründen. Ein Spiel für Geschichtsstudenten und Lehrer ist es jedenfalls nicht, denn selbst Besserwisser sind vor desaströsen Fehlentscheidungen nicht sicher. Mit einiger Überzeugungskraft und einer eisernen Pokermiene kann man das Spielglück jedoch auch auf die eigene Seite lenken.
Doch wieso erzähle ich das hier eigentlich alles?
Nun, zum einen, weil auch wir schon einen Spieleabend mit Star-Trek-Scene-it hinter uns haben und ein weiterer mit der klingonischen Monopoly-Version eventuell noch vor uns liegt.
Zum anderen, weil es mir einfach Spaß macht, auf eigene Faust altbekannte Spielideen so zurechtzubiegen, dass sie Trekkie-Ansprüchen genügen. Nachdem ich als Kind bereits eine Star-Trek-Version von 'Mensch-ärgere-Dich-nicht' bastelte (mit Wurmlochabkürzung!) und im Rahmen der Star-Trek-Ausstellung im Babelsberger Filmpark ein Star-Trek-Jeopardy am Computer erstellte, löste seit Weihnachten Anno Domini in mir den Drang aus, auch diese Idee mit Star Trek zu kreuzen, zumal die Macher stets nach neuen Ideen suchen.
Und warum auch nicht? Star Trek bietet (im Gegensatz zu anderen Science-Fiction-Serien mit Ausnahme Doctor Whos) nach sechs Serien und bislang elf Filmen genügend Referenzpunkte und eine ergiebige Zeitlinie mit einer ausreichenden Menge Datumsangaben aus Gestern, Heute und Morgen, so dass es nicht weiter schwer fiel, etwa 900 davon zusammenzufassen und zu Papier zu bringen. Um den großartigen Effekt des Originals zu bewahren, es überall mithin nehmen zu können (in die Kneipe, auf lange Autofahrten oder an den Baggersee) wurden die Spielkarten darüber hinaus laminiert (wobei spätestens zu diesem Zeitpunkt klar wird, dass der Preis einer originalen Karten-Box völlig angemessen ist).
Dabei gelingt der Star-Trek-Variante allerdings eindeutig, eine größere Bandbreite zu erzeugen, denn während sich im Original in so ziemlich jeder Version vor allem das zwanzigste Jahrhundert durch eine besonders hohe Kartendichte auszeichnet, verfügt diese Interpretation gleich über mehrere solcher 'Ballungszentren'.
Zum einen ist gleichermaßen das zwanzigste Jahrhundert angemessen vertreten, da auch Karten zu finden sind, die Geburts- und Todestage von Schauspielern, Kinostarts verschiedener Filme, Kuriositäten während der Drehzeit oder relevante Real-Ereignisse dieser Zeit thematisieren.
Zum anderen gibt es auf einer anderen Ebene die Abenteuer, die in den einzelnen Serien zu sehen waren, die so dem 22. Jahrhundert (Enterprise), dem 23. Jahrhundert (der klassischen Serie) oder dem 24. Jahrhundert ('Das nächste Jahrhundert', 'Deep Space Nine' und 'Voyager') ausgewogene Anteile garantieren. Daneben finden sich selbst in der Zeit davor (Urknall bis zum 19. Jahrhundert) und der Zeit danach (25. bis 31. Jahrhundert) genügend Daten und wenn man bedenkt, wie oft Zeitreisen bei Star Trek thematisiert wurden, kann man sich ungefähr ausmalen, dass kaum ein Mangel an schwer einzuordnenden Ereigniskarten herrscht. Vom Spiegeluniversum oder der von J.J. Abrams in seinen neuen Filmen eröffneten alternativen Zeitlinie ganz zu schweigen...
Anlässlich der letzten Tafelrunde gelang auch gleich der erste Praxistest dieser Spielidee im Kreise kritischer Fans aus sämtlichen Serienlagern, die die Franchise zu bieten hat. Doch die Voyager-Anhänger schienen ebenso viel Spaß daran zu haben wie die DS9-Fans, die Klassik-Verfechter oder die Jünger der nächsten Generation. Die erste Bewährungsprobe bestanden die gegen Bierlachen immunisierten Laminat-Karten jedenfall auf Anhieb. Ob der hohen Teilnehmerzahl mit lediglich sechs Karten pro Person ausgespielt, stellten sich auch hier von Anfang an die bekannten Phänomene der lebhaften Diskussion und logischen Erklärungsansätze ein. Ja selbst die Fähigkeit, mit einer gesunden Portion Selbstvertrauen Karten falsch einzuordnen, ohne dafür büßen zu müssen, fand gleich im ersten Sieger dieses Spiels seinen Ausdruck: K'olbasa.
Nachteile hat das Spiel natürlich auch. Man sollte schon über gewisse Star-Trek-Grundkenntnis verfügen, um überhaupt eine Chance zu haben. Eine grobe Idee, wann man Archer, Kirk, Picard, Sisko oder Janeway zeitlich einordnen sollte ist so ziemlich unerlässlich, auch wenn sie sich im Laufe einiger Runden vielleicht von selbst einstellen könnte. Doch selbst dann kann es noch viel zu oft vorkommen, dass die logische Folge der Serien nicht der logischen Folge der Karten entsprechen muss. Was für den einen den Reiz ausmacht, mag den anderen frustrieren.
Ebenfalls fraglich ist, ob so ein Spiel mit den anderen Versionen von Anno-Domini kombinierbar wäre (meiner Meinung nach ja eher nicht).
Großartig wäre eine solche Variante allerdings für die vielen Trekkies im deutsch-sprachigen Raum, die Sammler entsprechender Fan-Artikel oder Besucher von Conventions, die es hierzulande zur Genüge gibt.
Trügerisch: Die korrekte Reihenfolge ist hier Voyager, Deep Space Nine und Das nächste Jahrhundert
Falls irgendjemand bei Fata Morgana also hiervon erfährt:
Eine kleine Sammler-Edition (oder zwei oder drei) würde das Herz des ein oder anderen Trekkies sicher schneller schlagen lassen, und Star-Trek-Ableger der Siedler von Catan, Monopoly, Scene-it, Wer wird Millionär? oder Autoquartett haben längst bewiesen, welch Potential da auch auf dem deutschen Markt schlummert.
Zum Abschluss gibt es natürlich noch eine kleine Situation (ähnlich wie in den Schachaufgaben mancher Zeitungen).
Du bist an der Reihe.
Das ist Deine letzte Karte:
Das ist die chronologische Reihe (nach oben die Vergangenheit, nach unten die Zukunft):
Was tust Du?
Die Antwort kannst Du im Kommentarbereich posten und wer mal Lust auf eine solche Partie in einer der schönen Kneipen Potsdams hat (ein spendiertes Bier für den Erschaffer versteht sich natürlich von selbst), kann ja ebenfalls in den Kommentaren entsprechendes anregen.
P.S.:
Verkaufen werde ich das Spiel jetzt selbstverständlich nicht. Die großartige Spiel-Idee gehört dem Fata-Morgana-Verlag und wenn der nicht gerade auf mich (und die Rechteinhaber für Star Trek) zukommt, um meine für den Privatgebrauch angedachte Idee unter das Volk zu bringen, wird es auch in Zukunft zu den kleinen Gimmicks gehören, die unsere Star-Trek-Tafelrunde so besonders macht. Schließlich steckt darin viel Arbeit, einiges an Geld und eine Menge Herzblut.
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Montag, 7. Mai 2012
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