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Samstag, 28. November 2020

Turons Senf zu "Wiedervereinigung, Teil III" [DIS, S3Nr07]


Spoilerwarnung.
Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Wiedervereinigung, Teil III", die siebente Folge der dritten Staffel von "Star Trek: Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Episoden bereits gesehen hat.


Einleitung.
Seit seiner Erstausstrahlung in Deutschland zählt der TNG-Zweiteiler "Wiedervereinigung" für mich persönlich zu den besten Folgen der Serie. Dabei bleibt bemerkenswert, wie sehr sich meine Rezeption dieser Folge über die Jahre verändert hat, ohne dass die Episode selbst an Qualität eingebüßt hätte.
In meinen Kindertagen ging der Hauptteil der Faszination für die Folge vor allem auf die Anwesenheit Leonard Nimoys zurück. Dass der zentrale Originalseriencharakter hier einen Auftritt in der 'nächsten Generation' absolvierte verband beide Universen zu einem stimmigen Ganzen und half dabei, meine Faszination für den verbindenden Kanon zu begründen, auf dem beide Serien gemeinsam fußten.
In späteren Wiederholungen war ich eher von der Kultur der Romulaner beeindruckt, denen niemals zuvor und nur bedingt danach so viel Aufmerksamkeit verliehen wurde. Vor allem deren innere Ambivalenz und reichhaltige Historie hat mich seitdem nicht wieder losgelassen und die Folge verlieh der gesamten Spezies eine nie gekannte Tiefe, von der spätere Inkarnationen noch bis heute zehren.  
Erst viele Jahre später war ich auch in der Lage, dem Begriff der "Wiedervereinigung" auch eine tagesaktuelle Bedeutung abzuringen. Die Geschichte eines Volkes, das sich aufgrund von ideologischen Differenzen in zwei unterschiedliche Welten auseinanderlebte, war als Metapher für die deutsch-deutsche Geschichte zwar nicht unbedingt gut verschleiert, aber als Wendekind mit ganz eigenen Erfahrungen zur Materie auch nicht auf Anhieb zu entschlüsseln. Zumal es in der Folge ja nicht um die Wiedervereinigung als solche ging, sondern um die Macht dieser Idee. Schon allein deshalb rechne ich der deutschen Synchronisation bis heute hoch an, dass im Gegensatz zum englischen Original ein Fragezeichen hinter dem Titel zu finden war, wodurch die Folge im Deutschen Spocks missionarischer Expedition ins Romulanerreich inhaltlich deutlich näher kam als dem englischsprachigen Vorbild.
Als sich nun "Star Trek: Discovery" anschickte, den Titel einer ihrer Episoden an diese legendäre Folge anzulehnen, schossen die Erwartungen schlagartig in die Höhe. Befeuert von Posts in sozialen Medien wie diesem stellt sich allerdings die Frage, ob "Wiedervereinigung, Teil III" diesen Erwartungen auch gerecht werden kann…


Story.
Michael Burnhams Suche nach dem Ursprung des großen Dilitihiumbrandes erhält zusätzlichen Auftrieb, als sie von einem weit verteilten Sensornetzwerk erfährt, dass zeitgleich zur Katastrophe von den Vulkaniern betrieben wurde. Natürlich brennt sie darauf, die Informationen von ihrer Adoptiv-Spezies zu erhalten und endlich das ultimative galaktische Rätsel zu lösen.
Doch Vulkan ist nicht mehr die Welt, die sie als junge Frau verlassen hat. Nachdem die Wiedervereinigung mit den Romulanern nach einer verheerenden Supernova Wirklichkeit wurde, bildeten sich unterschiedliche Fraktionen aus, die nach zunehmendem Misstrauen den Föderationsaustritt beschlossen und den Namen des Planeten gar in Ni'var änderten.
Um an die Daten zu gelangen, muss Burnham nun ein altes vulkanisches Ritual heraufbeschwören, um überhaupt eine Chance zu erhalten, doch die Angelegenheit wird weiter verkompliziert, als sie erfährt, wer die Position ihres Rechtsbeistands in dieser heiklen Situation einnimmt…


Lobenswerter Aspekt.

Besetzung.
Wieder einmal glänzt "Star Trek: Discovery" durch großartige schauspielerische Leistungen, auch wenn anzumerken bleibt, dass einige Darsteller wie Wilson Cruz, Michelle Yeoh, Tig Notaro, Blu del Barrio, Ian Alexander oder David Benjamin Tomlinson überhaupt nicht zu sehen sind. Positiv zu bewerten bleibt allerdings, dass die Schauspieler dadurch auch nicht zu gezwungenen Dialogen, aufgesetzten Slapstick-Auftritten oder unnötigen Showeinlagen herangezogen wurden und dieser Mut zur Lücke sich schon allein durch das Fehlen entsprechender Sequenzen bezahlt gemacht hat.
Die überschaubaren Szenen mit Nebendarstellern wie Emily Coutts, Oyin Oladejo, Sara Mitich, Patrick Kwok-Choon oder Ronnie Rowe junior ließen allerdings auch nicht sonderlich viel Platz zur Entfaltung und der Ehrlichkeit halber muss man gestehen, dass selbst Anthony Rapp als Paul Stamets trotz seiner Namensnennung im Vorspann dem Arbeitspensum dieser Kollegen nur wenig entgegenzusetzen hatte.
Immerhin war es Douglas Jones aufgrund des Kapitänsrangs seiner Rolle Saru vergönnt, etwas mehr Anteil am Geschehen zu haben. Doch abseits seiner zaghaften diplomatischen Ausführungen bleibt er in dieser Episode vorrangig aufgrund einer fragwürdigen Personalentscheidung in Erinnerung (vgl. Kanonbrüche und Logiklöcher).
Das wiederum ruft Sylvia Tilly auf dem Plan. Mary Wiseman wirkt ein wenig gesetzter als in vorangegangenen Folgen, als hätte der neue Posten bereits Auswirkungen auf ihre Darstellung, aber ein wenig mehr Screentime (z.B. durch ein Gespräch mit Hugh Culber) hätte der Figur in Anbetracht der Tragweite der Entscheidung sicherlich gut getan.
David Ajala bleibt als Cleveland Booker hinter seinen Möglichkeiten zurück und wirkt ein wenig so, als würde er vor allem in Lohn und Brot gehalten werden, bis in kommenden Folgen ein wenig mehr Action mehr Einsatz von ihm verlangen würde. Auch das mysteriöse orangene Glühen seines Kopfes, das man in dieser Episode abermals sehen kann, bedarf noch immer der Auflösung. Immerhin bietet er einen emotionalen Anker für Burnham und ermöglicht uns einen Blick auf seine Katze.


Eigentlich wollte ich ja kein Wort mehr zur Monoperspektive auf Michael Burnham [Sonequa Martin-Green] verlieren, weil es als Stilmittel der Serie kaum einer Änderung unterliegen dürfte. Die Schauspielerin kann zudem nichts dafür und in den letzten paar Folgen blieb es sogar anderen Figuren vergönnt, Burnham dabei helfen zu können, den Tag zu retten. Beinahe hätte man glauben können, dass dies eine positive Tendenz der neu ausgerichteten dritten Staffel sei, aber mit "Wiedervereinigung, Teil III" fällt Michael Burnham nicht nur in alte Verhaltensmuster zurück, sondern potenziert diesen unpopulären Charakterzug auch noch um mehr, als noch gerade so auf eine Kuhhaut ginge. Sie dominiert die Handlung (vgl. Der lange Schatten Vulkans), die Auftritte ihrer Kollegen (ein weiterer Burnham-Moment gipfelt selbst jene Szene, in der Tilly den Zuspruch ihrer Mannschaftskameraden erhält) und erhält auch noch personelle Unterstützung ausgerechnet in der Person ihrer Mutter.
Diesem Motiv entsprechend rangiert Sonja Sohns Auftritt nach dem ihrer Serientochter vom Dialogumfang her an zweiter Stelle. Dabei kann sie allerdings mehr als Mutter und weniger als Qowat-Milat-Schwester überzeugen – nicht zuletzt, weil diese Entwicklung arg bemüht wirkt. Denn auch wenn ihre Wiederkehr früher oder später abzusehen war, bleibt ihre Mitgliedschaft in einem romulanischen Samurai-Orden ein sinnfreier Winkelzug in der fragwürdigen Tradition der ersten und zweiten Staffel.
Die übrigen Darsteller haben zwar mehr Platz als so manches Crewmitglied, lassen sich aber dennoch schnell abhaken:
Die romulo-vulkanischen Gegenspieler Oliver Becker [N'Raj], Stephanie Belding [She-Ra], Emmanuel Kabongo [V'Kir] und Tara Rosling [T'Rina] bieten dem Setting einen würdevollen Rahmen ohne die ganz großen Ausrufezeichen zu setzen und allein dem Badmiral Charles Vance [Oded Fehr] war es abermals nicht vergönnt, über den Status einen Schlagwortgebers hinauszukommen.



Kritikwürdige Aspekte.

Folgenanlage.
Nach einer Laufzeit von fünfzig Minuten bleibt der Zuschauer am Ende von Erstaunen gezeichnet zurück.
Erstaunt zum Beispiel davon, wie wenig nennenswerten Inhalt diese Folge zu bieten hat, deren aufgeblähte Handlung man bequem in einem Halbsatz zusammenfassen könnte.
Oder erstaunt davon, wie wenig Tempo dieser Folge innewohnte. Nachdem in der letzten Woche die Balance zwischen den langsamen Szenen an Bord und den Action-geladenen Einstellungen auf Hunhau nicht gelingen mochte, wird man nun unfreiwillig Zeuge davon, wie eine ganze Episode völlig ohne nennenswerte Spannung auskommen kann. Die größte 'Actionszene' blieb gar jener Moment, in dem eine planetare Verteidigungsplattform sich für ein paar Millisekunden in Richtung Discovery drehte. Nicht dass ich falsch verstanden werde; ich mag bedeutungsschwangere Star-Trek-Dialoge wie die in "Wem gehört Data?", "Das Standgericht" oder "Todessehnsucht" sehr (und diese Folge spielt definitiv nicht in einer Liga mit diesen Beispielen)! Aber für eine Folge, in der ein schwertkämpfender Ninja-Nonnen-Orden auf das Schiff mit der karate-affinen Spiegeluniversumsimperatorin trifft, kann man dieses seichte Plätschern als sträfliche Vernachlässigung von Potential werten, zumal sich über die Qualität der Dialoge trefflichst streiten ließe.
Oder man zeigt sich über den wuchtvollen Tritt in die Tränendrüse erstaunt, denn die Folge gibt sich so viel verzweifelte Mühe, auf kitschüberfrachtete Weise Gefühle beim Publikum zu erzeugen, dass reine Fremdscham beim Ansehen der ganzen Gefühlsduselei überhandnimmt. Letzten Endes werden alle Register der Gefühlsklischees bedient, die sonst schon gereicht hätten um nur eine Folge allein zu ruinieren. Hier aber bombardiert man den Zuschauer gleichzeitig mit schmierigen Explosivsprengstoffen wie Beziehungsherzschmerz, Mutterliebe, Heimatverlust, Unterstützungsbeifall, Selbstfindungsschwierigkeiten, Lobhudeleien oder Familiendrama und es drängt sich der Eindruck auf, als würde man in Erwartung von gekünstelten Tränen aus dem Fernseher heraus beständig mit Papiertaschentuchpackungen beworfen werden.
Aber wahrscheinlich merkt man das ja auch gar nicht mehr, denn nachdem die Hälfte der dritten Staffel ausgestrahlt ist, hat man sich bereits an derlei Unstimmigkeiten und andere Begleiterscheinungen wie Wackelkamera, Lens Flares oder die obligatorischen Krokodilstränen (diesmal sogar im preiswerteren Familienpacken!) gewöhnt.
So bleibt der Reingewinn am Ende etwas, das die Vorgänger dieser Folge bereits eindrucksvoller etabliert haben: Es wurde ein weiterer Baustein zur unausweichlichen Renaissance der Föderation gesetzt und Burnham weiß mal wieder, wo sie hingehört - zumindest bis es sich die Autoren kommender Episoden anders überlegen.


Der lange Schatten Vulkans.
Die 'Kanonfee' Kirsten Beyer ist zurück bei "Discovery" um eine ganz besondere Folge zusammenzuköcheln. Dafür hat sie ganz viele Drehbuchhappen aus dem Resteeimer von "Picard" mitgebracht, die nun noch einmal zum Verzehr in einer achthundert Jahre späteren Zukunft aufgewärmt werden!
Bereits der Folgentitel leitet Fans in die Irre, denn mit dem gleichnamigen TNG-Vorbild "Wiedervereinigung" hat dieser als dritte Teil angepriesene Discovery-Ableger inhaltlich bestenfalls eine periphere Schnittmenge. Es ist vielmehr eine nahtlose Fortführung dessen, was in der vierten "Picard"-Episode "Unbedingte Offenheit" etabliert wurde: Die romulanische Diaspora, die Qowat Milat und das Misstrauen den Motiven der Föderation gegenüber.
Natürlich wird durch einen schönen Einstieg mittels eines Ausschnitts aus dem Original-TNG-Zweiteilers eine inhaltliche Nähe suggeriert, aber dass dieser Etikettenschwindel kaum mehr als Fanservice bleibt wird spätestens dann klar, wenn man sich vor Augen führt, dass die Kombination von Vulkaniern und Romulanern zu Ni'Var nicht etwa umgesetzt wurde, weil Spock dafür so geflissentlich wie erfolglos über Jahrzehnte hinweg Propagandaarbeit betrieben hat, sondern weil eine Supernova der Romulus-Sonne in "Picard" für vollendete Tatsachen gesorgt hat.
Dieses explosive Gemisch aus Halbwahrheiten, gefühlten Kanonzusammenhängen und kontextfreien Schlagworten zieht sich aber wie ein roter Faden weiter durch die Episode. So wird der sinnstiftende, utilitaristische Ansatz der Vulkanier ("Das Wohl der vielen ist wichtiger als das Wohl der vielen.") ins komplette Gegenteil verkehrt, ein Forum zum Austausch von Logik, Fakten und wissenschaftlichen Werten zur Bühne einer emotionalen Selbsterkenntnis uminterpretiert und am Ende bleibt das T'Kal-in-ket nicht zuletzt deshalb bedeutungslos, weil die Präsidentin T'Rina die SB-19-Daten unabhängig von der Entscheidung des Quorums sowieso an Michael Burnham übergibt. Dass die Ereignisse der Folge als Bottle Show allein auf der Discovery konzentriert bleiben, ohne auch nur einmal die Oberfläche des wichtigsten Planeten der Franchise zu zeigen, trägt zusätzlich dazu bei, an der fragilen Glaubwürdigkeit dieser Episode zu zerren.
Dabei ist es beileibe nicht so, dass alle Ideen Vulkan betreffend vergebener Liebesmühe gleichen würden.
Einige der zuvor genannten Punkte wären nämlich (mit viel Wohlwollen) auch als Ergebnis einer jahrhundertelangen Entwicklung der wiedervereinigten Gesellschaft interpretierbar.
Die Idee, die Expertise Burnhams den Planeten betreffend auszunutzen ist ebenso schlüssig, wie die verschiedenen Fraktionen, die nunmehr die Geschicke der Welt lenken. Ihr bewusster (aber folgenloser Verzicht) auf die Daten ist gleichzeitig logisch-vulkanisch, als auch von besten Sternenflottenidealen geprägt. Ebenso ist es nur folgerichtig, den Vulkaniern den schwarzen Peter einer Antriebsalternative jenseits von Dilithium zuzuschieben, zumal die moralischen Spätfolgen (die ja im Föderationsaustritt gipfelten) für die pazifistische Spezies nicht minder nachvollziehbar wirken. Und selbst das Konzept des T'Kal-in-ket ist ein pfiffiger Einfall, der gut in die vulkanische Gesellschaft passt, die sich wie in "Enterprise" abermals in der ungewohnten Position des Gegenspielers wiederfindet.
Ja sogar die Idee, ausgerechnet die Krieger-Nonnen des Qowat Milat aufgrund ihrer Wahrheitsliebe zu Rechtssprechern zu erklären, hat durchaus ihren Reiz, zumal der Brückenschlag zu "Picard" einen überfälligen Schulterschluss mit einer anderen Serie der dritten Star-Trek-Welle bedeutete.


Doch Kirsten Beyer bleibt ihrer Philosophie treu, den Kanon immer dann auszuklammern, wenn er droht, ihren Handlungsentwürfen ein Veto entgegenzusetzen, denn die Autorin hat mittlerweile mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie nur allzu schnell bereit ist, allen Widerständen zum Trotz ihre eigenen Dickkopf durchzusetzen (vgl. dazu unser Kurzinterview im Rahmen der Picard-Premiere).
Sie nimmt sich Freiheiten heraus, die zulasten des erzählerischen Rahmens gehen, von denen drei schwerwiegende Entwicklungen an dieser Stelle noch einmal ganz besondere Erwähnung finden müssen.
Als erstes muss die fragwürdige Entscheidung ins Feld geführt werden, ausgerechnet Michael Burnhams Mutter Gabrielle als Mitglied des Qowat-Milat-Ordens auftreten zu lassen und damit auch das T'Kal-in-ket zu einer öffentlichen Familientherapiesitzung des Burnham-Clans zu degradieren. Der mäßig konstruierte und emotionsgeladene Gastauftritt trug maßgeblich die Hauptschuld daran, dass der Rest der Folge den vorherigen Besuchen auf der Erde oder Trill qualitativ hinterherhinkte.
Im Zusammenhang damit steht auch der zweite Punkt: Sämtliche sorgsam inszenierten Kanonbezüge sind einzig und allein Staffage für die moralische Integrität Michael Burnhams. Die "Wiedervereinigung" dient nämlich nicht als eigenständige Handlung, bietet kein moralisches Dilemma und steht auch nicht im Vordergrund dieser Episode. Alles, was man über die aktuelle romulanisch-vulkanische Gesellschaft erfährt lässt sich auf bloßes Hintergrundtheater für den Selbstfindungsprozess der Hauptfigur reduzieren; auf schmückendes Beiwerk, dem jegliche Tragweite fehlt.
Der dritte Punkt jedoch wiegt am schwersten. In Burnhams schon beinahe manisch anmutenden Vergleichen mit ihrem (über die Grenzen Star Treks hinaus bekannten) Bruder lag schon vom Beginn der Serie an eine unnötige Rivalität, die mit dem Ende der zweiten Staffel eigentlich einen verhältnismäßig würdevollen Abschluss erhalten hatte. Doch nun schmückt sich Burnham nicht nur mit den fremden Federn ihres Bruders und beansprucht dessen Erfolge für sich, sondern versucht sich auch über seine Leistungen zu erheben. Der "kleine Bruder" wird als Person sogar auf die Beeinflussung seiner Adoptivschwester zurückgeführt (vgl. Denkwürdige Zitate), was inzwischen jegliche Relation zu den mehr als fünfzig Jahren Star-Trek-Geschichte vor "Discovery" vermissen lässt. Diese Megalomanie einer Serie, die sich auch in ihrer dritten Staffel erst beweisen muss, erscheint nicht nur arg deplatziert, sondern auch reichlich arrogant.


Kanonbrüche und Logiklöcher.
Bei so wenig Substanz ist es immerhin möglich, auch weniger Kanonbrüche und Logiklöcher zu fabrizieren. Frei nach dem Motto "Wo wenig Inhalt herrscht, kann man über weniger Fallstricke stolpern." lassen sich nur wenige Widersprüche ausmachen, während der Bezug auf Vulkan sogar einige besonders clevere Querbezüge ermöglicht.
Der schönste von ihnen ist sicherlich die neue Bezeichnung "Ni'Var" für Vulkan, die auf eine Star-Trek-Kurzgeschichtenreihe der siebziger Jahre zurückgeht und den vulkanischen Begriff für "Zwiegestalt" beschreibt. Zusammen mit dem chimären IDIC-Warbird-Logo und der Erwähnung der Wissenschaftsakademie von Ni'Var trugen sie mit dazu bei, dem Hintergrundflair der Folge den passenden Anstrich zu verleihen.
Auch die Erwähnung einer USS Yelchin war eine nette Hommage an den Schauspieler, selbst wenn der Umstand, dass es sich um ein zerstörtes Schiff handelte, einen etwas bitteren Nachgeschmack im Hinblick auf das tragische Ableben des Darstellers hinterlässt.
Ansonsten gibt es die für Discovery üblichen Unstimmigkeiten.  
Die Aufzeichnungen über die Discovery und ihre Crew sind seit mehr als neunhundert Jahren Verschlusssache, aber Michael Burnham ist auf Vulkan bekannt wie ein bunter Hund?
Blockiert Books Schiff nicht die Shuttlehangareinfahrt der Discovery?
Widerspricht die Union Ni'vars nicht den Umsiedlungsproblemen, denen sich Jean-Luc Picard vor seinem Rückzug aus der Sternenflotte stellen musste? Und wie hat er die Aufnahmen Spocks auf Romulus machen können?
Inwiefern sind andere Romulaner wie die auf Vashti von der Wiedervereinigung betroffen oder bleibt dieses Motiv auf die Bewohner Vulkans beschränkt? Gibt es den romulanischen Freistaat noch?
Warum besinnen sich die Romulo-Vulkanier nicht auf die Idee, statt eines so gefährlichen Projektes wie SB-19 einfach die künstliche Quantensingularität der Warbirds wiederaufleben zu lassen?


Der folgenreichste Kanonbruch dieser Folge bleibt allerdings die ausstehende Beförderung Sylvia Tillys auf den Posten des ersten Offiziers.
Dabei will ich die Gelegenheit nutzen darauf zu verweisen, dass ich nicht der Meinung bin, dass Tilly als Person eine schlechte Wahl wäre. Zum einen gehört sie zu den wenigen Charakteren der Serie, denen neben Michael Burnham genügend Aufmerksamkeit zuteilwurde, um überhaupt so etwas wie eine nennenswerte Persönlichkeit zu entwickeln. Zum anderen wurde diese Entwicklung in den zurückliegenden Folgen für Discovery-Verhältnisse behutsam vorbereitet und entbehrt auf einer rein persönlichen Ebene noch nicht einmal einer gewissen Nachvollziehbarkeit.
Das Problem liegt eher in den fehlenden Dienstjahren. Erst in der letzten Staffel stieg Tilly vom Kadett zum Fähnrich auf, womit sie noch immer zu den Junioroffizieren an Bord des Schiffes zählt, die durch ihre jahrelange Arbeit an Erfahrung gewinnen, die sie für höhere Kommandoposten qualifiziert, indem sie ihre Fähigkeiten im Vorfeld z.B. die Leitung einer Abteilung unter Beweis stellen. Dass Tilly jedoch noch nicht einmal das Kommandotrainingsprogramm abgeschlossen hat, beseitigt den Widerspruch zwischen den niederen und höheren Rängen der Sternenflottenhierarchie, dem mit "Lower Decks" ja thematisch immerhin eine ganze Serie gewidmet ist. Saru führt mit seiner Entscheidung - die nebenbei auch noch qualifizierteren Offizieren wie Paul Stamets, Hugh Culber oder Jett Reno vor den Kopf stößt - die gesamte Kommandostruktur der Sternenflotte ad absurdum (man stelle sich ferner vor, Captain Picard hätte Wesley Crusher, Janeway Harry Kim oder Archer Travis Mayweather zum ersten Offizier gemacht!). Selbst die Ernennung eines ersten Offiziers aus dieser Zukunft, der dieser Crew bei ihren Eingewöhnungsschwierigkeiten hilft und sicherstellt, dass dieser Trumpf im Ärmel Admiral Vances auf einer Linie mit den Entscheidungen des Oberkommandos bleibt, wäre eine sinnvollere Entscheidung gewesen. Vor allem aber wird eine Beförderungsmethode salonfähig gemacht, die zuvor allein auf das Abramsverse beschränkt geblieben war und nicht unbedingt zu den Sternstunden der Franchise zählte.
Natürlich ist der Versuch, in diesem Fall Rang und Position zu trennen an sich löblich und in der siebenten Folge von "Lower Decks" war Beckett Mariner ebenfalls als Fähnrich kurzzeitig in die Position eines ersten Offiziers aufgerückt. Allerdings war diese Entwicklung von Anfang an als temporäre Maßnahme gedacht und selbst wenn es ähnliche Beteuerungen auch auf Seiten Sarus gibt, darf im Hinblick auf die bisherige Geschichte von "Discovery" wohl eher bezweifelt werden, dass dies nur einen Übergangscharakter hat. Es unterstreicht nur ein weiteres Mal, wie wenig Verständnis die Autoren für eine Organisation wie die Sternenflotte aufbringen und wie egal ihnen die innere Glaubwürdigkeit im Hinblick auf ihre eigene, aber auch auf andere Serien ist.


Synchronisation.
Wie eingangs bereits erwähnt, war der deutsche Titel der Vorbild-gebenden TNG-Episode seinem englischsprachigen Pendant gegenüber ungleich besser gewählt, weswegen es schade ist, dass das auch in diesem Fall angebrachte Fragezeichen aus irgendeinem Grund (ich vermute an dieser Stelle frecherweise einmal Recherche-Faulheit) entfallen ist. Immerhin müssen die Verantwortlichen die Folge noch einmal in der Hand gehabt haben, denn auch die deutsche Tonspur des damaligen Leonard-Nimoy-Auftrittes wurde übernommen.
Ansonsten ist abermals anzumerken, dass das Duzen und Siezen gleichermaßen sinnvollen wie wechselnden Einsatz findet und die deutsche Übersetzung recht gelungen ausgefallen ist.


Fazit.
Michael Burnhams Rückkehr nach Vulkan ist nicht das Bravourstück, das der ebenso ambitionierte, wie unzutreffende Titel vermuten ließe. Die "Wiedervereinigung" , der "Vulxit" aus der Föderation oder die Probleme des Planeten sind zwar schlüssig erzählt, dienen aber eher als blasse Staffage für die persönlichen Probleme Burnhams, die in einem besonders schweren Rückfall in die Monoperspektive ohne Rücksicht auf Verluste, Freunde oder Adoptivgeschwister zu Tage treten. Zusammen mit einer fragwürdigen Personalentscheidung Sarus, eklatanten Spannungsdefiziten und einer gezwungen wirkenden Emotionalität beschließt es eine Folge, die letztendlich weit hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Bewertung.
Schwache Kür.







Schluss.
Am Ende des Tages ist die Bezeichnung der Folge als dritter Teil einer TNG-Episode nichts weiter als eine billige Werbemasche, die mit dem tatsächlichen Inhalt des Vorbilds nur wenig gemein hat.  
Doch bei Lichte besehen war der erste und zweite Teil von "Wiedervereinigung" thematisch auch nur eine Wiederaufnahme der in der TOS-Episode "Spock unter Verdacht" etablierten Geschichte der Romulaner, die seither mit Folgen und Filmen wie "Das Gesicht des Feindes", "Unter den Waffen schweigen die Gesetze", "Star Trek Nemesis" oder eben "Unbedingte Offenheit" beständigen Ausbau erfahren haben.
So mag "Wiedervereinigung, Teil III" vielleicht einen unpassenden Titel tragen, inhaltliche Mängel aufweisen oder sträflichst den Planeten Vulkan auslassen, aber der Episode gebührt der Verdienst, ebenfalls sein Scherflein zum Gesamtbild der romulanischen Spezies beizutragen.
Und das ist nicht das einzige, was es mit dem namensgebenden Vorbild gemein hat.
So überschaubar Spocks Video-Auftritt auch gewesen sein mag, schlägt er dennoch eine Brücke zu TOS und TNG und hilft dabei, "Discovery" mit dem größeren Kanon zu verbinden.
Und dem Thema der "Wiedervereinigung" bleibt es trotz aller tagesaktueller Brisanz (man denke nur an Nord- und Südkorea) ebenfalls nicht vergönnt, eine ähnliche Rolle zu spielen. Zwar gibt es de facto eine Reunion beider Völker, doch diese ist nicht das Ergebnis von mutigen Massenprotesten, diplomatischen Verhandlungen oder komplizierter Großmachtpolitik, sondern einem Naturereignis (?) geschuldet. Es ist fast ein wenig so, als wäre die deutsche Wiedervereinigung passiert, weil alle Atomkraftwerke der Sowjetunion explodiert sind und die Bewohner der DDR in den Nachwehen des atomaren Fallouts massenhaft in den Westen flohen, um dort überleben zu können.
Somit markiert die Folge eher eine Absage an die Idee, die deutsche Wende in eine geistige Nähe zur romulo-vulkanischen Wiedervereinigung stellen zu können, denn hinter den streitenden Fraktion auf dem Planeten steckt mittlerweile eher ein Sinnbild des ideologischen Risses, der sich quer durch die amerikanische Gesellschaft zieht. Aus deutscher Sicht ist das vielleicht ein wenig schade, aber einen vielversprechenden Erzählgegenstand mit einem deutlichen Bezug auf die Probleme unserer Zeit bietet es in bester Star-Trek-Manier auf jeden Fall.


Denkwürdige Zitate.

"Die denken sie hätten den Brand verursacht?"
"Nein, sie denken wir hätten sie dazu getrieben den Brand zu verursachen."
Michael Burnham und Charles Vance

"Ich möchte Sie bitten als mein erster Offizier einzuspringen bis ich einen permanenten Ersatz gefunden habe."
"Was? Sir, was? Äh, ich, ich habe das Kommandotrainingsprogramm nie abgeschlossen!"
Saru und Sylvia Tilly

"Sir, fragen Sie mich wegen meiner Folgsamkeit oder wegen meiner Qualifikation?"
Tilly

"Selbst die Wissenschaft lässt sich nicht von Kultur und Politik trennen. Es gibt immer Wechselwirkungen, auch Spock musste das lernen."
T'Rina

"Es ist das alte Lied, nicht wahr? Dass das Schicksal zweier Völker so eng verflochten ist, dass sie sich ähneln aber einander dennoch vertrauen."
T'Rina

"Man wird sich an Spocks Schwester immer als Heuchlerin erinnern, wenn Sie sich als unglaubwürdig erweisen und das hätte schwere Konsequenzen."
T'Rina

"Meiner Lebenserfahrung nach lernen wir die größten Lektionen dann, wenn wir einen hohen Preis dafür bezahlen."
Saru

"Sie führt ihren Bruder in den offensichtlichen Bemühen ins Feld, uns emotional zu bewegen. Doch dies ist ein Forum für Logik, Commander Burnham."
V'Kir

"Drei Quorumsmitglieder, drei Meinungen, kein Konsens."
Gabrielle Burnham

"Ganz ehrlich, die Vorstellung von Ihnen Befehle anzunehmen fühlt sich ziemlich, ziemlich schräg an. Man könnte sagen fast schon verstörend."
Paul Stamets

"Du bist eine Qowat Milat und Du bist meine Mutter."
Burnham

"Wir mögen unvollkommen und voller Fehler sein und stecken uns trotzdem hohe Ziele."
Burnham

"Sie hat außerdem gesagt sie frage sich wie viel von dem Mann zu dem Spock geworden ist eigentlich auf seine Schwester zurückgeht."
Gabrielle Burnham

"Meine Toilette müsste repariert werden. Da läuft das Wasser nach."
Keyla Detmer


Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil I"
02. Rezension zu "Fern der Heimat"
03. Rezension zu "Bewohner der Erde"
04. Rezension zu "Vergiss mich nicht"
05. Rezension zu "Bewährungsprobe"
06. Rezension zu "Aasgeier"
07. Rezension zu "Wiedervereinigung, Teil III"
08. Rezension zu "Das Schutzgebiet"
09. Rezension zu "Terra Firma, Teil I"
10. Rezension zu "Terra Firma, Teil II"
11. Rezension zu "Sukal"
12. Rezension zu "Es gibt Gezeiten..."
13. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil II"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Donnerstag, 26. November 2020

Turons Senf zu "Much Ado About Boimler" [LD. S1Nr07]


Spoilerwarnung.
Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Much Ado About Boimler", die siebente Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Lower Decks" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Episoden bereits gesehen hat.


Einleitung.
Es ist erstaunlich, wie zielsicher sich die noch junge Serie "Lower Decks" der gängigsten Erzähltraditionen Star Treks annimmt, um ihnen einen völlig neuen Anstrich zu verleihen.
Die Geschwindigkeit, mit der Sternenflotteningenieure ihr Schiff vor einer Bedrohung retten?
Wurde ausgiebig in der dritten Episode behandelt!
Die zahlreichen Doppelgänger, derer sich schon Kirk, Picard oder Janeway erwehren mussten?
Darum drehte sich der größte Teil der fünften Folge!
Hologramme laufen auf dem Holodeck Amok?
Hatten wir erst in der letzten Woche!
Immer wieder überraschen die Autoren mit einer völlig neuen Herangehensweise an wohlbekannte Folgenmuster und fügen dem einen munteren Mix aus Humor und Kanonreferenzen hinzu. Man fragt sich daher jede Woche aufs Neue, mit welchem neuen, alten Erzählgegenstand die "Lower Decks" nun aufwarten werden und auf welche Weise sie dieses Mal den Staub aufwirbeln werden, der sich auf diesen ausgetretenen Themen angesammelt hat.


Story.
Während Captain Carol Freeman, ihr erster Offizier Jack Ransom und der Sicherheitschef Shaxs auf einer geheimen Mission weilen, befehligt ein neuer Captain aushilfsweise die USS Cerritos. Während sich Fähnrich Beckett Mariner anfangs nur mäßig begeistert zeigt, will ihr Schiffskamerad Bradward Boimler die Gelegenheit nutzen, um beim neuen Vorgesetzten Eindruck zu schinden. Doch sein Plan scheitert spektakulär, denn im Zuge eines Transporterunfalls gerät er außer Phase wird der mysteriösen Sternenflottenabteilung Division 14 übergeben, die an seiner Regenerierung arbeiten soll. Aber auch für Mariner wendet sich das Blatt, denn der neue Captain ist eine alte Bekannte, die sie ohne langes Federlesen zu ihrem ersten Offizier macht. Doch die Beziehung zwischen den beiden Akademiefreundinnen bekommt erste Risse, als Mariner scheinbar absichtlich beginnt, ihre Mission zu sabotieren…


Lobenswerte Aspekte.

Kanonfutter.
Nach sieben Folgen weiß man als Zuschauer längst, dass auch diese Woche ein Potpourri aus Referenzen kredenzt wird. So hören wir von der Zeitreisepolizei (gemeint ist natürlich die Föderationsbehörde für temporale Ermittlungen), die Bezeichnung Nummer Eins, die Borg, vulkanisches Jujitsu (gemeint ist wohl eher Suus Mahna), "Rascals", Delta-Strahlung und das traditionelle Thema der Meuterei.
Auf die Augen gibt es hingegen durch den ersten Rigelianer seit "Star Trek: Enterprise", eine Gorn-Puppe im Trophäen-Regal von Captain Freeman, eine Uniform aus dem achten Kinofilm, mehrere Strahlungsopfer im klassischen Pike-Rollstuhl und ein "Schwellen"-Lurch namens Anthony. Darüber hinaus erinnert 'die Farm' stark an ein TOS-Mattepainting und das Weltraumwesen im Bauch der Rubidoux lässt an ein recht ähnliches Geschöpf in "Mission Farpoint" denken.
Erstmals schlägt die Serie darüber hinaus auch einige offensichtliche Brücken in die Star-Trek-Neuinterpretation J.J. Abrams! Neben den Geräuschen des startenden Shuttles sieht man Samanthan Rutherford zum Transporterraum rennen, wie es einst die alternative Variante Pavel Chekovs im elften Kinofilm tat.
Daneben feiert auch der Zeichentrickvorgänger TAS durch den ersten Auftritt eines Edosianers seit den Siebzigern eine respektvolle Würdigung (die mit dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sogar einen interessanten Gegenwartsbezug zu bieten hat).
Einen Querbezug aber gilt es mehr als jeden anderen herauszukehren: Der Aushilfscaptain, der wegen einer geheimen Mission des eigentlichen Kommandeurs einspringt, verweist ganz offensichtlich auf den TNG-Zweiteiler "Geheime Mission auf Celtris III"; zumal Beckett Mariner sogar explizit auf Edward Jellico verweist.
Schließlich aber bleibt sich die Serie darin treu, altbekannte Inhalte neu zu verpacken. Nachdem Transporterunfälle bereits in zahlreichen Episoden wie "Kirk:2=?", "Ein Paralleluniversum", "Todesangst beim Beamen", "Erwachsene Kinder", "Riker:2=?", "Gefangen in der Vergangenheit", "Tuvix" oder "Daedalus" scheinbar schon alle Facetten dieses Topos' behandelt zu haben schien, schafft es "Lower Decks" abermals, mit einem frischen und innovativen Ansatz das direkte Gegenteil unter Beweis zu stellen.


Vorbild durch gutes Beispiel.
Wobei der abermals starke Umgang mit dem offiziellen Kanon nicht der einzig lobenswerte Aspekt dieser Serie bleibt. "Much Ado About Boimler" ist alles in allem eine sehr flüssige Folge mit zwei sehr guten Handlungen die mal wieder staunen lässt, was alles in zwanzig Minuten Episodenlänge untergebracht werden kann, wenn man sich denn wirklich Mühe gibt. Daneben unterstützt sie die Entwicklung dreier ihrer Hauptcharaktere: Sie spinnt das Mysterium um den niedrigen Dienstrang Mariner weiter fort, zementiert Boimlers Hang zum Pechvogeldasein und etabliert D'Vana Tendis sympathische Naivität ebenso wie ihre Fähigkeiten. Allein Rutherford bleibt auf die Bedienung von Transportern beschränkt.
Im Angesicht dieser Lobeshymnen sollte aber auch keineswegs unter den Teppich gekehrt werden, dass "Lower Decks" sich zwar großzügig beim Kanon bedient, aber ihn auch auf ganz besondere Weise bereichert.
Etwa um den unpopulären Status einer Sumpfwelt, die im Vergleich zu anderen Welten noch trostloser erscheint – selbst wenn deren Bewohner an riesige Axolotl erinnern. Wir lernen, dass auch Matschhosen zur Sternenflottenausrüstung gehören und dass es Captains wie Dayton gibt, die nicht unbedingt die Autorität eines Kirks, Picard oder einer Janeway ausstrahlen.
Vor allem aber gelingt der Episode mit der Einführung der Division 14 und deren als "die Farm" bekannten Basis auf Endicronimas V eine logische Behörde zu etablieren, die in Hinblick auf die vielen Gefahren, die im Weltall auf Sternenflottenoffiziere lauern, durchaus Sinn ergibt. Vor allem aber möchte ich mir gar nicht ausmalen, wie viel Geduld es die Autoren gekostet haben mag, den Star-Trek-Kult-Satz "Beam Me Up" endlich mit dem Nachnamen Bradward Boimlers in Verbindung zu bringen!
Und schließlich sind abermals grandiose Sprecher verpflichtet worden, die den ohnehin bereits verdienstvollen Stimmen der "Lower Decks" zusätzliche Verstärkung verschaffen. Unter den (englischsprachigen) Gaststars sind insbesondere Toks Olagundoye als Captain Amina Ramsay und Maurice LaMarche zu erwähnen. Während erstere vor allem als Schauspielerin (z.B. als Hayley Shipton in der achten Staffel von "Castle") auf sich aufmerksam machen konnte, ist LaMarche im anglophonen Sprachraum als Stimme von Ghostbuster Egon Spengler, Inspector Gadget, Kif Kroker, Calculon, Disenchantments Odval oder der Laborratte Brain bekannt.


Kritikwürdige Aspekte.

Logiklöcher und Kanonbrüche.
Da gibt es nicht viel zu meckern!
Klar könnte ich an dieser Stelle ausführen, dass die Registrierungsnummer der USS Rubidoux für ein Schiff der California-Klasse erstaunlich niedrig ausgefallen ist. Oder dass Boimlers folgenlanges Martyrium ein wenig verwunderlich erscheint, wenn man bedenkt, dass Mariner und Ramsey am Folgenende erstaunlich zügig von den Auswirkungen der Transporterfehlfunktion befreit sind.
Außerdem wirken die eigentlichen Führungsoffiziere der USS Cerritos deutlich blasser als das bei ihren Pendants in "Geheime Mission auf Celtris III" der Fall war, wodurch der Querbezug zu dieser Folge auch ein wenig geschmälert wird.
Aber das ist auch schon Meckern auf verdammt hohem Niveau…


Fazit.
"Much Ado About Boimler" brilliert in einer weiteren Neuinterpretation eines vermeintlich zu Tode erzählten Star-Trek-Themas und schafft es daneben in nur zwanzig Minuten Sendezeit zwei Handlungen durchzupeitschen, die nicht nur die Entwicklung des größten Teils der Charaktere vorantreibt, sondern darüber hinaus auch hohen Unterhaltungsfaktor mit Kanonnährwert bietet. Die wenigen, kleineren Unzulänglichkeiten (wenig Raum für Rutherford und die Führungsoffiziere der Cerritos sowie unbedeutende Kanonunstimmigkeiten) sind vernachlässigungswürdig.

Bewertung.
Eine Sternstunde der "Lower Decks".







Schluss.
Während diese Woche also das reichhaltige Sujet der Transporterunfälle ausgiebig abgegrast wurde, bleibt an dieser Stelle – abseits davon, verdienten Applaus zu spenden – weitere klassische Themen vorzuschlagen, mit denen sie die USS Cerritos in Zukunft herumschlagen können.
Wie wäre es zum Beispiel mit einer Zeitreise in die Erdgeschichte?
Folgen und Filme wie "Griff in die Geschichte", "Gestern ist Morgen", "Ein Planet genannt Erde", "Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart", "Star Trek: Der erste Kontakt", "Gefahr aus dem 19. Jahrhundert", "Gefangen in der Vergangenheit", "Kleine grüne Männchen", "Vom Ende der Zukunft", "Carpenter Street" oder "Sturmfront" haben die Grundlagen dafür bereits gelegt und mit ihrer bloßen Existenz bereits genügend Vorlagen hinterlassen, die seit Jahrzehnten ungenutzt im Raum schweben.
Oder wie wäre es, eine der vielen Erdenkolonien zu finden, die bereits vor dem Erstkontakt zwischen Menschen und Vulkaniern auf unterschiedlichste Weise ihre Heimat verlassen haben?
So etwas gab es ähnlich häufig in Episoden wie "Der Obelisk", "Die 37er", "Herkunft aus der Ferne", "Faustrecht" oder "New Eden" (vom ähnlichen Thema bei "Ich heiße Nomad", "Star Trek: Der Film", "Die Neutrale Zone", "Hotel Royale", "Ein kleiner Schritt" oder "Friendship One" ganz zu schweigen!)
Oder man lässt durch den extensiven Auftritt eines wohlbekannten Charakters aus einer anderen Star-Trek-Serie die gesamte Folge bestimmen, wie es etwa bereits mit illustren Charakteren wie Khan Noonien Singh, Sarek, Montgomery Scott, Spock, James T. Kirk, William Riker, Q, Lwaxana Troi, Worf, Deanna Troi oder Reginald Barclay geschah.
Der Star-Trek-Stoff, an dem sich "Lower Decks" auch zukünftig weiterhin großzügig bedienen kann, ist jedenfalls noch reichhaltig genug, um der Serie mehrere Staffeln zu bescheren…


Denkwürdige Zitate.

"When did you even find time for that?"
"Sometimes, when I say I'm going to the bathroom I'm really recoding her DNA."
Bradward Boimler und D'Vana Tendi

"The Farm cures all."
Edosianischer Offizier der Division 14

"Tonight, freaks fight back!"
Anführer der Patienten an Bord der USS Osler

"We're all Starfleet! We have to follow the Rules!"
"I am the rules!"
Boimler und der edosianische Offizier

"Please don't hurt me! Please don't hurt me! I'm just a freak like you, see!? Ha! It wore off! I'm not a freak anymore!"
Boimler

"Farewell, Tendi! May the suns shine upon you!"
Der Hund


Weiterführende Leseliste.

Staffel 1.

01. Rezension zu "Second Contact"
02. Rezension zu  "Envoy"
03. Rezension zu "Temporal Edict"
04. Rezension zu "Moist Vessel"
05. Rezension zu "Cupid's Errant Arrow"
06. Rezension zu "Terminal Provocations"
07. Rezension zu "Much Ado About Boimler"
08. Rezension zu "Veritas"
09. Rezension zu "Crisis Point"
10. Rezension zu "No Small Parts"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Seltsame Energien"

Freitag, 20. November 2020

Turons Senf zu "Aasgeier" [DIS, S3Nr06]


Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Aasgeier", die sechste Folge der dritten Staffel von "Star Trek: Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Episoden bereits gesehen hat.


Einleitung.
So recht warm werde ich persönlich mit dem Zukunftsbild der dritten Staffel "Star Trek: Discovery" noch immer nicht. Die Schiffe weisen zu wenig Schnittmenge mit den von mir geschätzten Vorbildern auf, die großen technologischen Sprünge scheinen auf optische Gimmicks beschränkt zu sein und bislang blieb die Idee der programmierbaren Materie noch weit hinter den Möglichkeiten des Begriffs zurück.
Dabei war es stets eine der großen Stärken Star Treks gewesen, durch gutes Beispiel unser Bild der Zukunft zu prägen. Viele Requisiten aus den Serien und Filmen der Franchise wie aufklappbare Kommunikatoren, PADDs oder Bildschirmkommunikation sind von bloßer Zukunftsmusik längst zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden.
Manchmal jedoch vermisse ich diese Visionärsmentalität bei "Discovery". Während man nämlich noch versucht hat, entsprechende Elemente in einer Zeitlinie kurz vor der Originalserie zu etablieren, obwohl es dem Design dieser Epoche widersprach, empfinde ich eine gewisse Ideenlosigkeit in dem, was als Technologielevel des zweiunddreißigsten Jahrhunderts verkauft wird.
Kann es sein, dass "Discovery" hier den klassischen Star-Trek-Serien hinterherhinkt?


Story.
Während die USS Discovery radikal umgerüstet und auf Hochglanz poliert wird, stiehlt sich Michael Burnham zusammen mit der ehemaligen Imperatorin Philippa Georgiou heimlich, still und leise davon, um ihren neuen besten Freund Cleveland Booker aus den Fängen der Smaragdkette zu befreien und nebenbei eine 'Black Box' sicherzustellen, um mehr über den mysteriösen Dilithium-Brand zu erfahren, der die Raumfahrt im bekannten Universum behindert.
Auf der kargen Welt Hunhau angekommen, zeichnet sich ein düsteres Bild: Die mafiöse Gangstervereinigung aus Andorianern und Orionern hat einen intergalaktischen Schrotthandel aufgebaut, in dem sie ihre Gefangenen als Sklaven halten, unverhohlen Vetternwirtschaft betreiben und willkürlich über Leben und Tod ihrer Leibeigenen entscheiden. Doch Michael Burnham hat einen Plan: Mithilfe ihres früheren Partners initiiert sie eine Revolte, um die bestehende Gesellschaftsordnung über den Haufen zu werfen, Book aus den Klauen der Organisation zu befreien und die wertvollen Daten über den Brand zu erhalten…


Lobenswerter Aspekt
.

Besetzung.
Auch in dieser Woche gilt es zu bemerken, dass die Schauspieler ihre Arbeit mit Bravour verrichten, selbst wenn ihnen die Drehbuchautoren diesen Job nicht immer einfach machen. Immerhin konnten sich in dieser Woche einige Charaktere in den Fokus spielen, die zuvor eher im Hintergrund standen oder ein wenig aus der Zeit gefallen schienen.
Zu jenen Personen zählt ganz klar Philippa Georgiou [Michelle Yeoh], der es gelang, die zarten Andeutungen in "Fern der Heimat" zu unterstreichen, nach denen ihrer zwielichtigen Rolle in dieser verrohten Zukunft eine besondere Bedeutung zukommen könnte. Als neues Gimmick erhielt ihr Charakter in diesem Zusammenhang Flashbacks angehängt, die ihrem merkwürdigen Verhalten seit ihrer Privataudienz mit Kovich mehr Tiefe verleihen. Die neue/alte Ambivalenz zwischen Misstrauen und Zuneigung zu Burnham steht ihr jedenfalls gut zu Gesicht, zumal sie endlich einmal mehr zu tun bekommt, als nur kluge Kommentare zu den Nachlässigkeiten der Autoren zu geben.
Die zweite gute Nachricht bleibt, dass Cleveland Booker [David Ajala] wieder da ist! Ihm sind nicht nur einige Dialoge vergönnt, sondern auch ein Kuss mit Michael Burnham, auf den der Zuschauer seit der ersten Folge gewartet hat.
Vor allem macht sich bemerkbar, wie gut die Anwesenheit Books besonders Michael Burnham [Sonequa Martin-Green] tut. Die unbestreitbare Chemie tut allen Beteiligten gut und es fällt auf, dass zwar die obligatorischen Krokodilstränen kullern, aber die Monoperspektive zugunsten von Georgiou und Book eine Pause einlegt. Vor allem aber bleibt Burnham trotz des Rückfalls in alte Verhaltensmuster charakterlich vielfältiger und damit auch ein wenig nahbarer.
Leidtragender dieser Entwicklung bleibt Saru, auch wenn Douglas Jones immerhin Raum gegönnt wird, dies auf der Mattscheibe mit einem fundierten Auftritt auszuleben. Er kann einige Ausrufezeichen in seiner Funktion als Captain setzen, der bei seiner Suche nach einem eigenen Führungsstil erkennt, dass auch Enttäuschung ein Erziehungsmittel sein kann. Allerdings bleibt seine Konsequenz zu bemängeln, denn die bewusste Befehlsverweigerung hätte Burnham ruhig mehr als nur den eher dekorativen Posten eines ersten Offiziers kosten können.
Wobei natürlich auch die Frage bleibt, wer diese vakanten Position an ihrer Stelle einnehmen sollte.
Obwohl Paul Stamets vom Rang her sicherlich in Frage käme, bleibt auffällig, dass Anthony Rapps Aktivitäten auf den Sporenantrieb und dem damit verbundenen Team beschränkt sind. Er plaudert munter aus dem Beziehungsnähkästchen und zeigt sich durchgängig von seiner sanften Seite, was allerdings auch ein klein wenig den Eindruck hinterlässt, dass man von ihm hätte mehr zeigen können. Immerhin erhält er eine recht intime Schlafzimmerszene mit Wilson Cruz, auch wenn bei dieser Gelegenheit anzumerken bleibt, dass Hugh Culbers Anteil an dieser Episode recht überschaubar ausfällt.



Wäre Sylvia Tilly [Mary Wiseman] nicht Fähnrich, würde sie sich sicherlich als gute Wahl entpuppen, zumal sie wiederum dabei hilft, Saru auf den richtigen Weg zu bringen. Bedenkt man ferner, wie sehr sie als Mitgleid des untersten Offiziersrangs ihre Schiffskameraden herumkommandiert, bleibt nur zu hoffen, dass die Autoren hier nicht zu Schnellschüssen neigen, die abermals unnötig dem Kanon entgegenwirken würden. Obwohl ihre Rolle als Pausenclown dieses Mal von Linus [David Benjamin Tomlinson] besetzt wird, bringt sie dennoch mit ihrer Ablehnung Katzen gegenüber und einem zu übertriebenen Rückfall in die Vulgärsprache (ein unangebrachtes "Scheiße" hätte an dieser Stelle genügt) auch genügend Gegenargumente für dieses verantwortungsvolle Amt ein.
Adira [Blu del Barrio] und ihr imaginärer Freund Gray [Ian Alexander] vermögen es kaum, in der begrenzten Zeit nennenswerte Ausrufezeichen zu setzen und vollziehen abermals Purzelbäume auf dem schmalen Grad zur Teenager-Telenovela. Immerhin befreit der Wesley-Crusher-Ersatz ihren neuen Freund Stamets von dessen persönlichem Interface und öffnet neuen Entwicklungen des Sporenantriebs Tür und Tore.
Der Rest der Discovery-Crew hat nicht viel zu melden – wenn er denn überhaupt auftaucht. Zwar kann man einige Schauspieler wie Oyin Oladejo, Emily Coutts oder Sara Mitich ein paar Szenen durch ihre Anwesenheit bereichern sehen, aber sonderlich viel Platz bleibt ihnen nicht vergönnt. Andere Crewmitglieder wie Tig Notaros Jett Reno sind überhaupt nicht zu sehen.
Der Großteil der Gastdarsteller bleibt in gewohnter Discovery-Manier entweder weit hinter ihren Möglichkeiten zurück oder bestenfalls ein Abziehbild eines glaubwürdigen Charakters (man beachte zum Beispiel, dass die Schrottplatzwärter wie Stormtrooper zielen). Das Paradebeispiel für letzteres lässt sich im "Bösewicht der Woche" namens Tolor [Ian Lake] finden, der so sehr nach Schema-F gestrickt ist, dass die Autoren sich genötigt sahen, diesen Umstand mit einigen flapsigen Bemerkungen Georgious (erfolglos) wenigstens auf eine humoristische Ebene zu heben.
Doch auch Vanessa Jackson und Oded Fehr als Audrey Willa und Admiral Charles Vance vermögen es nicht, in dieser Folge mehr als schmückendes Beiwerk beizusteuern. Und das Bemerkenswerteste am ebenso antennen- wie kantenlosen Andorianer Ryn blieb die Tatsache, dass die Vetternwirtschaft in dieser Folge auf der Besetzungsliste fortgeführt wird, denn Noah Averbach-Katz ist im wahren Leben der Ehemann Mary Wisemans. Immerhin bleibt sich "Discovery" in diesem Punkt selbst treu, denn auch Sonequa Marin-Greens Gatte Kenric Green durfte in der zweiten Staffel ja einen Gastauftritt absolvieren.
So bleibt am Ende nur noch der Auftritt Leeus als Groll zu erwähnen, die in ihrer Eigenschaft als Katze einen gewissen Wohlfühlcharakter in die Serie miteinbringt.


Kritikwürdige Aspekte.

Pausenfüller.
Meine Güte, diese Handlung ist selbst für Discovery-Verhältnisse extrem dünn ausgefallen!
Burnhams nicht-genehmigter Kurzausflug in die Unterwelt der Smaragdkettenträger lässt sich inhaltlich problemlos auf Energiewaffenblitze, Weltraumkarate und Sprinteinlagen (wenigstens haben sich die Statisten für ihr Geld bewegen müssen!) reduzieren, während das seichte Geplänkel auf der frisch renovierten USS Discovery sicherlich in einem deutlichen Gegensatz dazu steht, aber inhaltlich kaum etwas von Mehrwert zu bieten vermag. Es wirkt fast ein wenig so, als wäre der Staffel mit Erreichen der Streckenhälfte die Luft ausgegangen, die man zuvor in so verschwenderischen Zügen verbraucht hat.
"Aasgeier" bleibt in seiner Gesamtheit also eher ein vorhersehbarer Lückenbüßer, der von Anfang an keinerlei Zweifel lässt, wie die generelle Marschrichtung dieser Episode aussehen wird. Sie hangelt sich von plakativen Motiven (flache Gangstercharaktere, eine flache Beraube-den-Räuber-Story, flaches Milieu mit ebenso flach in Szene gesetzten Opfern), über absehbare Entwicklungen (der überfällige Kuss zwischen Burnham und Book, die unausweichliche Zuspitzung des Konfliktes zwischen Burnham und Saru, die zu erwartende Flucht des Bösewichtsneffen mit Zweitauftrittspotential) bis hin zu uninspiriertem Weiterspinnen zuvor etablierter Charakterentwicklungsfäden (Stamets offenes Ohr für Adira, Tillys Beistand für Sarus Führungsstil, Burnhams halbherzige und auf den Rang des ersten Offiziers beschränkte Degradierung). Sie wirkt offensichtlich konstruiert (Books Schiff kommt allein zur Discovery und lädt Burnham förmlich zu einem Einzelabenteuer ein, Gray gibt der Freundschaft Adiras zu Stamets seinen Segen, ein Bauernopfer muss die Effizienz des Schrottplatz-Verteidigungssystems beweisen), verfügt über ein unausgewogenes Erzähltempo und lässt sogar zu, dass sich einige der zentralen Charaktere dieser Serie von einer Katze an die Wand spielen lassen.
Immerhin gibt es neben ein paar schönen Kameraeinstellungen auch einige spannende Ideen, deren Entfaltung man jedoch kommenden Folgen vorbehält: Georgiou scheint an den Nachwehen ihres Sektion-31-Bewerbungsgesprächs mit Kovich zu leiden, mit Ryn hat man ein Werkzeug um die Andorianer aus ihrer unheilvollen Symbiose mit den Orionern zu befreien und mit Osyraa wird ein weiblicher Haupt-Gegenspieler weiter etabliert, der in seiner finalen Ausgestaltung hoffentlich  mehr zu bieten hat als Narissa Rizzo bei "Star Trek: Picard".
Da auch der Fokus der Folge nicht allein auf Michael Burnham liegt, sondern beinahe gerecht auch auf die Schultern von Book und Georgiou verteilt wird, nährt die Folge sogar die Hoffnung, dass dieser Gedanke in kommenden Episode des Öfteren zum Tragen kommt und eventuell sogar auf andere Personen wie Saru, Paul Stamets oder Adira Tal ausgeweitet wird. So oder so hängt die Messlatte für die nächste Episode durch diesen Ausrutscher keineswegs niedriger, zumal der ambitionierte Titel "Unification III" alles andere als dienlich ist, die Erwartungen kleinzuhalten…


Kanonbrüche und Logiklöcher.
Natürlich werden in "Aasgeier" einige schöne Anspielungen gestreut. So kann man ein Wiedersehen mit einigen Schiffen der vorherigen Folge feiern, weitere wohlbekannte Planeten auf der Deckengemälde-gleichen Raumkarte entdecken oder im Weltraummüll von Hunhau TNG-Phaser, Klingonenabzeichen oder andere Props wiederfinden. Doch auch wenn man verschiedene altbekannte Spezies (Cardassianer, Bajoraner, Zaraniten) sieht und sogar von selbstdichtenden Schaftbolzen oder einer Baryon-Reinigung hört, wird schnell klar, dass es in dieser Episode dann doch nicht reicht, um das hohe Referenz-Niveau des unmittelbaren Vorgängers zu erreichen.
Vor allem aber stellt diese Folge lebendig unter Beweis, dass eine Flucht in eine tausend Jahre entfernte Zukunft nicht gleichzeitig bedeutet, dass man vor den Auswirkungen des Kanons sicher ist. Tatsächlich schafft es "Discovery" nämlich nicht nur, mehrfach im Widerspruch zum größeren Star-Trek-Rahmen zu stehen, sondern auch, sich in unnötigen Diskrepanzen zur eigenen Erzähltradition zu verlieren.
Das Paradebeispiel für beides kann man gleich zu Beginn der Episode miterleben, als die USS Discovery im Zuge ihres 'Upgrades' die neue Kennzeichnung "NCC-1031-A" erhält.
Natürlich kann ich gut verstehen, was die Autoren damit aussagen wollten; der betonte Abstand zu den Ereignissen der beiden zurückliegenden Staffeln ist im Grunde etwas, was man lobend erwähnen sollte. Dennoch bleibt das Anfügen eines Buchstaben an die Registrierungsnummer der Star-Trek-Tradition nach Schiffen vorbehalten, die in die Fußstapfen eines stillgelegten oder zerstörten Vorgängers treten sollen. Die USS Enterprise hatte schließlich – ähnlich drastischen Umbauarbeiten zum Trotz – erst ein 'A' erhalten, nachdem das Original in der Atmosphäre des Genesis-Planeten verglühte und kurzerhand ein anderes Schiff den Namen erhielt.
Als wäre das nicht schon ein ausreichender Beweis dafür, dass den Autoren eines angemessenen Grundwissens der Star-Trek-Welt mangelt, verstrickt sich diese Runderneuerung auch in Widersprüche mit der eigenen Erzählhistorie. So steht die USS Discovery mit ihren völlig losgelösten Warpgondeln, der hypermodernen Technik und der veränderten Registrierungsnummer in einem krassen Gegensatz zur Darstellung im Short Trek "Calypso", der eigentlich die thematische Grundlage für den Wechsel der Serie in eine weit entfernte Zukunft gelegt hat. Die komplette Handlung der Mini-Folge wirkt im Angesicht der Entwicklungen dieser Folge jedenfalls zunichte gemacht und der Bedeutungslosigkeit preisgegeben.
Wobei die Sache mit den entkoppelten Warpgondeln sowieso ein Thema für einen eigenen Artikel wäre, denn abgesehen davon, dass dies arg an die Podracer aus dem ersten Star-Wars-Film "Eine dunkle Bedrohung" erinnert, mag sich mir der Sinn dieser radikalen Veränderung nicht erschließen. Immerhin dienen diese prominenten Bauteile unter anderem dazu, die Plasmaversorgung zwischen Warpspulen und dem Antrieb eines Schiffes sicherzustellen, weswegen eine direkte Verbindung zum Schiff (durch die das Plasma transportiert werden kann) durchaus sinnvoll erscheint. Während ich aber noch irgendwie zugestehen mag, dass dies in einer mehr als achthundert Jahre von "TNG" entfernten Zukunft Änderungen unterworfen sein kann, bedauere ich dennoch, dass der Wiedererkennungswert von Sternenflottenschiffen durch den Wegfall dieses stilprägenden Merkmals geschmälert wird.
Zumal auch jeglicher vermeintliche Vorteil dieses Arrangements fragwürdig erscheint, wenn man bedenkt, dass die Mission der USS Le Guin ganze zwei Monate benötigt, um eine simple Versorgungsmission nach Na'Seth zu bewerkstelligen. Doch warum eigentlich? Auch wenn Dilithium knapp geworden ist, sollte die Geschwindigkeit eines Schiffes durch diesen Mangel nicht beeinträchtig sein und Books Transformer-Schiff stellt mit seinem raschen Ausflug nach Hunhau deutlich unter Beweis, dass sich die Drehbuchautoren selbst nicht ganz so sicher zu sein scheinen, welche Auswirkungen der große Dilithiumbrand von anno dazumal wirklich auf die von ihnen konstruierte Zukunft hatte.


Stattdessen neigen sie zu recht absoluten Statements, die ihnen nur all zu schnell wieder auf die Füße fallen.
Warum sollte das Bestehen der Föderation vom Aufdecken der Dilithium-Brand-Ursache abhängen?
Warum etwa besteht Saru auf den Verbleib Burnhams an seiner Seite und gestattet ihr nicht einfach die Mission nach Hunhau (zumal es Präzedenzfälle für eine derartige Sondermission selbst bei Discovery gäbe und Saru selbst zugibt, dass man die Mission auch ohne ihre Beteiligung problemlos durchführen kann)?
Woher weiß der persönliche Transporter ohne Spracheingabe eigentlich, wohin er seinen Träger schicken muss?
Warum hinterlässt das Implantat eine Narbe, die man selbst zu Kirks Zeiten mit einem simplen Hautregenerator hätte verschwinden lassen können?
Was ist mit den anderen Sklaven auf Hunhau? Müssen die anderen Schichtarbeiter auf dem Planeten oder den Schiffen verbleiben? Oder hat Georgiou sie mit den Schüssen auf die schwebenden Schrottentnahmestellen allesamt getötet?
Am absurdesten aber wirkt die Idee, einen Zeichen dadurch zu setzen, einem Andorianer ausgerechnet die Antennen abhacken, wenn man bedenkt, dass dieses auffällige Körperteil bei jener Spezies von allein wieder nachwächst. Als Statement einer Verbrecherbande ist es in etwa so sinnvoll, wie einem mit Schutzgeldzahlungen in Rückstand geratenen Menschen das Brusthaar zu rasieren, die Fußnägel zu stutzen oder die Schnupfnase zu putzen.
Dabei wäre all das problemlos durch eine überschaubare Recherche auf der kostenfrei zugänglichen Star-Trek-Wiki "Memory Alpha" vermeidbar gewesen, weswegen diese Episode an der Autorin dieser Folge im Speziellen und ihren Kollegen im Allgemeinen zeigt:
Man kann fraglos gute Drehbücher für "Battlestar Galactica", "Smallville" oder "The Boys" schreiben, aber für Star Trek sollte man auch gewillt sein, ein wenig mehr Arbeit zu investieren, indem man den größeren Rahmen der Franchise und der eigenen Serie in Betracht zieht.


Synchronisation.
Abermals findet die Folge die Balance zwischen Duzen (Georgiou gegen jeden) und Siezen (zwischen Sternenflottenoffizieren) und von kleineren Auffälligkeiten wie die Übersetzung von "meat sack" mit "Bohnenstroh" bleibt da wenig Grund zum Schimpfen.
Bestenfalls vielleicht, dass mit dem wenigen Platz für Hugh Culber auch weniger Platz für dessen deutsche Synchronstimme Benjamin Stöwe bleibt...


Fazit.
Der frische Schwung der dritten Staffel wird mit "Aasgeier" jäh unterbrochen, weil die Folge zu konstruiert, unoriginell und ausrechenbar wirkt. Erschwerend kommt hinzu, dass sie nicht nur mit Star-Trek-Erzähltraditionen im Allgemeinen, sondern auch Serienentwicklungen im Speziellen bricht und kaum über den Status eines Lückenbüßers für kommende Episode hinauszureichen vermag.
Immerhin lässt sie genügend Raum, um Georgiou einmal Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten und mit der Rückkehr von Book weckt sie auch die Hoffnung, dass kommende Folgen wieder mehr vom Zusammenspiel der einzelnen Charaktere profitieren könnten.

Bewertung.
Ein Lückenbüßer und Pausenfüller.







Schluss.
Tatsächlich mochte ich einen technologischen Aspekt dieser Folge ganz besonders: Die Kommunikatortechnologie beinhaltet hier endlich einmal das, was heutzutage schon durch ein Smartphone abgedeckt wird (von persönlichen Transportern vielleicht einmal abgesehen.).
Denn bei allen Zukunftsvisionen bleibt der Haken bestehen, dass sie schnell veraltet wirken können.
Drucker zum Beispiel waren im TOS-Pilotfilm "Der Käfig" noch state of the arts, während sie heute kaum mehr mit dem Zukunftsbild von Star Trek vereinbar scheinen. Die Klappschalteramaturen der Originalserie wirken mehr als fünfzig Jahre nach der Erstausstrahlung reichlich antiquiert. Und wer benutzt heutzutage schon noch ein Telefon, das man aufklappen muss?
Das alles zeigt, wie wenig konstant unsere Wahrnehmung von Zukunft sein kann. Was wir heute noch für modern erachten, kann schon in zehn Jahren den Stempel der Vergangenheit tragen.
Insofern sehe ich ganz persönlich den Zukunftsgedanken bei "Discovery" eher auf ideeller Ebene, denn angelehnt an Gene Roddenberrys Idee einer weiter entwickelten Menschheit ist im Rahmen der Serie ein homosexuelles Paar, ein non-binärer Darsteller oder ein Transgender-Charakter ein mittlerweile ganz normaler Bestandteil des Alltags.
Das wird am Ende weniger schlecht altern als AirPods, Spracheingabemöglichkeiten oder PADDs und auch wenn die Serie noch immer viele Fehler hat, bleibt dieser Aspekt in seiner Unaufgeregtheit ein bemerkenswertes Stück Zukunft.


Denkwürdige Zitate.

"Der Admiral wird sich nicht von einer Katze auf einem Schiff überzeugen lassen."
Saru

"Du hattest mich schon bei 'unauthorisierte Mission'."
Philippa Georgiou

"Was hat dieser Katzenliebhaber denn, dass Du ihn mit den Augen verschlingst wie eine Zweijährige rosa Zuckerwatte?"
Georgiou

"Was schert mich Dein Auge, solange es nicht an meinem Gürtel baumelt?"
Georgiou

"Diese Katze kann gar nicht verloren gehen! Die übt ihre eigene Schwerkraft aus!"
Georgiou

"Ich hätte wohl das Gleiche wie Michael getan... Nur für's Protokoll!"
"Nur für's Protokoll: Ich glaube nicht, dass Sie das getan hätten..."
Sylvia Tilly und Saru

"Commander, warum sagen Sie mir nicht, was mir auf der Zunge liegt?"
"Die Ursache des Brands zu erforschen ist ein Luxus, den Sie sich nicht leisten können..."
"Korrekt!"
"...Weil sie täglich einhundert neue Feuer vorfinden, die Sie löschen müssen..."
"Korrekt!"
"Und ich habe einen Befehl missachtet. Und damit die Authorität meines Captains untergraben. Und Ihre."
"Korrekt."
Admiral Chares Vance und Michael Burnham



Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil I"
02. Rezension zu "Fern der Heimat"
03. Rezension zu "Bewohner der Erde"
04. Rezension zu "Vergiss mich nicht"
05. Rezension zu "Bewährungsprobe"
06. Rezension zu "Aasgeier"
07. Rezension zu "Wiedervereinigung, Teil III"
08. Rezension zu "Das Schutzgebiet"
09. Rezension zu "Terra Firma, Teil I"
10. Rezension zu "Terra Firma, Teil II"
11. Rezension zu "Sukal"
12. Rezension zu "Es gibt Gezeiten..."
13. Rezension zu "Ein Zeichen der Hoffnung, Teil II"

Staffel 2.

01. Rezension zu "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"