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Samstag, 28. März 2020

Turons Senf zu PICS1Nr10 "Et in Arcadia Ego, Teil Zwei"

Spoilerwarnung.
Dieser Artikel enthält massive Spoiler auf "Et in Arcadia Ego, Teil Zwei", die zehnte und letzte Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Picard" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Folgen bereits gesehen hat.



Einleitung.
Eigentlich ist es ein fast kleines Wunder, dass ausgerechnet TNG aus so vielen deutschen Fernsehzuschauern kleine Star-Trek-Fans gemacht hat, denn die erste Staffel der Serie war nur schwer zu ertragen; besonders, wenn man sie heute versucht noch einmal anzusehen. Das bleibt daher eher Nostalgiker und Hardcore-Fans überlassen, die mit den Folgen positive Erinnerungen verbinden, Anekdoten der Schauspieler zu einzelnen Szenen kennen oder weil auch diese Season irgendwie zu Star Trek dazugehört.
Insofern ist es natürlich schwierig, jetzt -am Ende der ersten Staffel von "Picard" - über diese noch sehr junge Serie herzuziehen. Denn wenn damals die erste Staffel vom Internet derart kleingeredet worden wäre, dass ungeduldige Produzenten dem "Reboot" kurzerhand den Geldhahn abgedreht und damit zu einem frühen Ende gebracht hätten, gäbe es auch nicht "Angriffsziel Erde", "In den Händen der Borg", "Das zweite Leben" oder "Gestern, Heute, Morgen".
Doch die Zeiten sind heutzutage eben andere.
Eine Serie muss gleich von Beginn an einschlagen, um nicht kurz nach ihrer Geburt vom Absetzungsteufel bedroht zu werden. Im Angesicht dieses Schreckens lohnt es sich schon, den Effekt dadurch abzumildern, dass man eine Serie auf einem erfolgreichen Vorgänger basieren lässt, um sich einer stabilen Zuschauerschaft gewiss zu sein, ohne sich inhaltlich überschlagen zu müssen, um Zuschauerinteresse von null auf hundert in wenigen Tagen zu generieren. Streut man dann noch ein wenig Nostalgiemomente für die Fans ein, dürfte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Oder etwa doch?

"Flieg! Sag den Adlern, dass ich ihre Hilfe brauche!"


Story.
Die Androiden von Coppelius haben sich entschieden: Sie werden eine riesige Weltraum-Antenne errichten, um ihre entfernten Robo-Cousins herbeizurufen, um das synthetischem Leben gegenüber feindlich gesinnte organische Leben in diesem Teil der Galaxis auszumerzen. Doch anstatt mit gutem Beispiel voranzugehen, sperrt man den verdienten Sternenflottenoffizier und wortgewaltigen Menschen Jean-Luc Picard in das alte Zimmer von Bruce Maddox und verlässt sich darauf, dass Dr. Agnes Jurati ihrem Kollegen Alton Inigo Soong dabei hilft, seinen eigenen Geist in einen vorbereiteten Androiden-Rohling zu verpflanzen.
Doch dann überschlagen sich die Ereignisse!
Jurati befreit Picard, Narek läuft zu seiner Schwester, Elnor verfolgt Narek, Narek läuft zu Rios und Raffi über, Elnor schließt sich ihnen an und alle zusammen kehren guter Dinge zurück in die Coppelius Station, um dort den Plan Sutras zu vereiteln. Doch der geniale Plan scheitert ausgerechnet an Soji, die mit erstaunlich geringer Mühe die für die Signal-Anlage gedachte Bombe abfängt und im Himmel über Coppelius zu einer folgenlosen Explosion bringt…



Lobenswerte Aspekte.

Besetzung.
Wenn man Picard etwas fraglos Gutes abgewinnen kann, dann eindeutig seine großartig zusammengestellte Darstellerriege. Jeder der einzelnen Hauptcharaktere zeigt im Hinblick auf den gesamten Staffelverlauf eine deutliche Entwicklung und den Willen, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Natürlich allen voran der Namensgeber der Serie und dessen Darsteller Patrick Stewart, der einige denkwürdige Sprüche für's Star-Trek-Poesiealbum fabriziert, die irgendwo zwischen 'pathetisch' und 'universell anwendbar' stehen. Der nostalgische Charme der sich auch in der Episode durch das Drehbuch zieht wird abermals zu einem großen Teil durch ihn und seine Art Jean-Luc Picard über jede Altersgrenze hinweg mit Leben auszufüllen bestimmt.
Der andere Teil wird dieses Mal von Brent Spiner bedient, der nicht nur in der Rolle Alton Inigo Soongs mehr zu überzeugen versteht als noch in der letzten Woche, sondern noch ein letztes Mal in die Rolle Datas schlüpfen kann, um der Figur einen würdevolleren Abschied zu verpassen, als dies in "Star Trek Nemesis" der Fall war. Spiner steht seinem alten TNG-Kameraden Stewart dabei in nichts nach und versteht es trotz seines ebenfalls fortgeschrittenen Alters trefflich (auch Spiner ist bereits 71 Jahre alt), eine Brücke zu jenem Data zu schlagen, wie er zuletzt im zehnten Star-Trek-Kinofilm zu sehen war.
Und wenn wir schon thematisch bei den alten Kameraden gelandet sind, darf natürlich auch Jonathan Frakes (blutjunge 67 Jahre alt) nicht fehlen, dessen zweiter Auftritt als Will Riker zwar ein wenig absehbar war (vergleiche unsere Rezension zu "Nepenthe"), aber nichtsdestotrotz einen entscheidenden Beitrag zum nostalgischen Gesamtmoment beitrug.
Der Rest des Cast mag zwar etwas hinter den drei Altstars zurückstehen, beginnt aber auch damit, zu einer Crew zusammenzuwachsen und gefestigt aus der gemeinsam erlebten Krise hervorzugehen.
Ein weiteres Mal bietet Santiago Cabrera als Cristóbal Rios eine überzeugende Vorstellung mit einer überrschend großen Bandbreite an Gefühlen für einen derart zurückhaltenden Charakter ab, ohne dabei die Grenzen seiner Figur zu sprengen.
Auch seiner Bettgefährtin Dr. Agnes Jurati wird von Allison Pill neuer Lebenswille eingehaucht, nachdem sie vom Ballast der Gedankenverschmelzung befreit und vom Einsatz für die moralisch richtige Seite beflügelt entscheidend zum positiven Ausgang der Handlung beiträgt. Auch sie bedient dabei eine besonders breite emotionale Palette, die durchaus glaubwürdig anmutet.
Zurück zu alter Stärke und neuer Liebe hat auch Raffi Musiker gefunden. Michelle Hurd lieferte dieses Mal eine eher fürsorglich-resolute Darstellung ab, die ihr in meinen Augen aber auch am besten zu Gesicht steht. Lediglich ihrer plötzliche Beziehung zu Seven (an der per se nichts auszusetzen ist) hätte ein wenig mehr Hintergrund gutgetan, denn wenn man von ein paar vielsagenden Blicken in "Keine Gnade" absieht, leisteten die Autoren bis hier her nicht unbedingt eine gute Arbeit darin, die Beziehung zwischen beiden mit Leben auszufüllen. Mal sehen, ob es dahingehend in der nächsten Staffel ein wenig mehr Informationen geben wird.
Seven of Nine hingegen wird von Jeri Ryan mit gewohnter Stärke verkörpert und ihr bleibt das Privileg überlassen, die fiese romulanische Agentin zu vermöbeln, die ihren XB-Kameraden Hugh umgebracht hat. Das stärkste an dieser Szene bleibt jedoch der Umstand, dass sie es ein paar Einstellungen später zu bereuen beginnt und damit zu einer Menschlichkeit zurückfindet, die in "Keine Gnade" schon verloren geglaubt schien.
Die einzige Verlustmeldung in diesem Lobgesang gilt allerdings Evan Evagora, der sich zwar sichtlich müht, den Ansprüchen an seine Rolle zu genügen, aber von den Autoren sträflichst ignoriert wird. Auch in der zehnten Folge und letzten Folge dieser Staffel sucht der junge Ninja-Nonnen-Krieger vor allem noch sich selbst und es bleibt zu hoffen, dass den Schreibern der kommenden Staffel mehr einfällt, um den Schauspieler sinnvoll zu beschäftigen.

deutlich zu erkennen: das wertvollste Mitglied des Androiden-Casts (links im Bild)


Wer im Vorfeld noch befürchtet hat, dass es unter Umständen schwierig sein könnte, kurz vor der Finalfolge noch einmal ein völlig neues Element wie Sojis Heimatwelt einzufügen, wird sich an den synthetischen Lebensformen im beschaulichen Androidenhausen bestätigt sehen. Keine der künstlichen Lebensformen abseits von Soji (und später auch Picard) spielt mehr eine beachtenswerte Rolle, wenn man vom Kontrollieren von Taschen, einer inszenierten Abschaltung oder in einer forensischen Untersuchung absieht. Selbst ihre Anteile am Dialog waren entsprechend mager. Aber auch wenn man Isa Briones' Einsatz als Sutra getrost unter den Teppich des Vergessens kehren darf, bleibt Sojis 180°-Drehung ein zentraler Aspekt der Folge, den die junge Schauspielerin mit Bravour meisterte. Ihr wahres Meisterstück aber blieb, dass sie als Sängerin der "Blue Skies"-Interpretation am Ende der Folge eingesetzt wurde, wo sie lebhaft unter Beweis stellen konnte, dass sie nebenbei ja auch noch eine talentierte Musical-Darstellerin ist.
Der Rest der – romulanischen – Darsteller ist schnell abgehakt.
Narek sinkt von einem der vielschichtigen, innerlich zerrissenen Figur herab zu einem willigen Gehilfen, dem kaum genug Basis für seinen abrupten Loyalitätenwechsel gelassen wird. Das ist schade, denn im Rahmen seiner geringen Möglichkeiten bleibt Harry Treadaway noch einer der auffälligeren Nebencharaktere.
Peyton List hingegen gelingt es auch dieses Mal nicht, Narissa Rizzo sonderlich viel Leben einzuhauchen, was zum einen am Umstand liegt, dass ihr Charakter das Zeitliche segnet und zum anderen an einem weiteren Drehbuch, das nicht allzu viel Energie darauf verwendet, ihre Rolle mit zeitintensiven Spielereien wie Motiven, Hintergrund oder Dialogen zu versehen.
Ähnliches gilt für Tomlyn Tomita, deren Auftritte als Oh keineswegs im Einklang mit dem erzählerisch reizvollen Tatbestand eines romulanischen Spions in einem der höchsten Ämter steht, das die Sternenflotte zu bieten hat…



Kritikwürdige Aspekte.

Strickmuster und Moralfaden.
Die gute, alte Sternenflotte mit all ihren Idealen, Werten und Prinzipien ist endlich wieder zurück!
Zurück in Gestalt altbekannter Gesichter, unter denen die Gastauftritte von Brent Spiner als Data und dem – vorab angedeuteten - Auftritt Jonathan Frakes als Riker hervorstechen. Das Schreckensgespenst einer dystopischen Star-Trek-Zukunft scheint zunächst einmal abgewendet, auch wenn wir natürlich jetzt schon um den Zustand der Föderation in der nächsten Staffel "Star Trek: Discovery" wissen.
So bleibt am Ende der ersten Staffel festzuhalten, dass die gesamte Serie im Prinzip kaum mehr eine zehn Stunden in die Länge gezogene TNG-Folge ist, vor allem, weil sie am Ende mit einer recht typischen Moral aufwartet, mit der Fans zur Genüge aus Folgen und Filmen vertraut sind: Das Leben ist kostbar und wir sind unseres Glückes eigener Schmied, der sich aussuchen kann, in welche Richtung sich seine Existenz entwickelt.
Das Staffelfinale ist dankbarerweise auch kein Hau-Drauf-Ende mit Phaser-Gewitter und selbst der epochale Zweikampf zwischen Seven und Rizzo fällt im Vergleich zu den ausgefeilten Zweikampf-Choreografien bei "Discovery" vergleichsweise gemäßigt aus. Statt großartiger (aber sinnfrei eingesetzter) Effekte bestimmen weise Worte und abwägende Einsichten den Ausgang der letzten Folge, die den bisherigen Traditionen der Serie durch einen hohen Symbolgehalt, schönen Schnitten (besonders mit Schmetterlingen am Ende der Episode) und einem großartigen Soundtrack genügt.
Vor allem aber ist "Et in Arcadia Ego, Teil Zwei" eine emotionale Achterbahn für langjährige Fans, denen dieser anrührende Nachruf ermöglicht, sich mit dem traumatischen Tod Datas in "Star Trek Nemesis" besser auseinandersetzen zu können, als es der Film anno dazumal anbot.
Doch die aufwühlenden - aber streckenweise doch sehr bemühten - Szenen bleiben am Ende die einzigen sehenswerten Momente in einem erschreckend belanglosen Finale. Tatsächlich sollte man es tunlichst vermeiden, über die Entwicklungen dieser Serie sonderlich intensiv nachzudenken.



Das ist schade, denn über den Inhalt von Star-Trek-Folgen nachzudenken war viele Jahre lang etwas, was Star Trek abseits von Nostalgie und Moral ausgemacht hat.
Nachdem man alle zehn Folgen gesehen hat, bleibt man aber mit dem unguten Gefühl zurück, mindestens zwei oder drei essentielle Episoden verpasst zu haben, in der grundlegende Motive, Ereignisse und Zusammenhänge behandelt wurden, die man verpasst hat.
Doch Pustekuchen!
Das Problem ist, dass "Picard" dem Zuschauer zwar kein "Discovery"-Ende aufzwingt, indem es eine überstürzte und unschlüssige Auflösung mit Knalleffekt bietet, sondern sich feige um die Beantwortung zahlreicher zentraler Fragen drückt, die zuvor das Interesse an der Serie maßgeblich bestimmt haben.
Was ist etwa mit der so aufgebauschten synthetischen Superspezies?
Die vermeintlichen synthetischen Überwesen stecken nur kurz ihre Tentakel in unser Universum, nur um kurz drauf wieder wortlos zu verschwinden.
Oder der Spion, der über Jahrzehnte hinweg die Sternenflotte unterwanderte?
Der wird auf zivilisierte Weise zurück ins Hoheitsgebiet der Romulaner eskortiert.
Das mysteriöse Artefakt?
Rostet jetzt in einer Pfütze auf einem regnerischen Planeten vor sich hin und Seven scheint gar am Ende der Episode die XBs völlig ihrem Schicksal zu überlassen, obwohl in der Gegend Verbrechersyndikate ihr Unwesen treiben, die es auf lukrative Borg-Implantate abgesehen haben.
Warum greift keiner der Bewohner von Androidenhausen ein, als Soong Sutra ausschaltet?
Vielleicht ja, weil die kindlichen synthetischen Lebensformen ohnehin arg wechselhaft in ihren Loyalitäten sind.
Der Bann synthetischen Lebens?
Wird mal eben in einem Nebensatz wieder aufgehoben.
Und das Spiel könnte man ewig so weitertreiben:
Was genau geschah denn nun auf dem Mars?
Wozu baut man Rizzo so gewissenhaft zum Bösewicht auf, nur um sie so einfallslos über das Geländer stürzen zu lassen?
Was ist mit der merkwürdig sexualisierten Beziehung zwischen ihr und ihrem Bruder?
Was ist mit der juristischen Aufarbeitung des Mordes an Bruce Maddox?
Und vor allem: Was ist mit dem Spion, der mich liebte?
Narek taucht bequemerweise gar nicht mehr auf, als die Episode seinem unausweichlichen Hurra-Ende nähert.
Alle zuvor sorgfältig aufgebaute Spannung verpufft ganz einfach ungenutzt und hinterlässt ein Gefühl der inhaltlichen Leere. Die Serie bleibt damit auch mit ihrer letzten Folge kaum mehr als ein inhaltlicher Flickenteppich aus Fanservice, halbgaren Ideen und einer gewissen Quantität, die zu oft zu Lasten der Qualität ging. Es wurden zu viele Nebenkriegsplätze aufgemacht, unter denen am Ende nur ein Teil in befriedigender Weise aufgelöst wurde.
Diese zur Gewohnheit gewordene Oberflächlichkeit setzt sich mit dem vermeintlichen Höhepunkt fort, denn der Zuschauer darf den lange erwarteten Tod Jean-Luc Picards miterleben, der – passend zu den restlichen erzählerischen Lücken - einerseits irgendwie passiert, aber anderseits dann irgendwie doch nicht.
Die ganze Art des Ablebens erinnert entfernt an eine ähnliche Entwicklung in der US-Serie "Dallas", die jemand munter mit ein paar Auszügen aus Spocks Wiederauferstehung im dritten Star-Trek-Kinofilm und Kirks Beinahe-Ableben im zwölften Kinofilm gekreuzt hat. Ob es erzählerisch wirklich ein Glanzpunkt war, Picard zu einem alterndem, sterblichen Androiden ohne irgendwelche Superkräfte zu machen, lasse ich an dieser Stelle einfach einmal dahingestellt…



Noch tragischer bleibt allerdings der Verlust des zeitpolitischen Anspruchs, mit dem die Serie so vollmundig gestartet ist (man erinnere sich der eindrucksvollen Worte Stewarts bei der Premiere in Berlin) und der in vorangegangenen Episoden deutliche Fußabdrücke hinterlassen hatte. Der noble Gedanke, die Zustände unserer Gegenwart (Populismus, Fremdenhass, Isolationismus) durch Science Fiction anzuprangern, schafft es trotz der ansprechenden Moral der Folge nicht auf nennenswerte Weise ins Finale. Die Essenz der Probleme wird soweit auf synthetisches Leben heruntergebrochen (die nicht einmal mehr zu Wortäußerungen kommen), dass sie am Ende keine größere Relevanz mehr haben.
Schlimmer noch; Das Finale bietet erschreckend demagogische Antworten, indem es massive militärische Präsenz, gezielte Täuschung und das (im wahrsten Sinne des Wortes) Ausschalten von oppositionellen Meinungen als legitime Auswege aus vermeintlich ausweglosen Krisen präsentiert. Das bleibt am Ende des Tages doch ein wenig zu einfallslos für die hohen Ansprüche, die man sich im Vorfeld selbst gestellt hat.
Aber zum Glück ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen.
Der Großteil der Bösewichter ist nämlich noch verfügbar! Narek dürfte noch irgendwo in Androidenhausen sein Unwesen treiben. Sutra könnte jederzeit reaktiviert werden. Oh sitzt mittlerweile wieder auf romulanischem Territorium und harrt ihrer Rückkehr. Und wer glaubt schon ernsthaft daran, dass Rizzos Sturz in die Tiefe das endgültige Aus für diesen Widersacher bedeutet?
Getreu der Regel 'Besser einen Bösewicht im Schrank, als gar kein Bösewicht' endet die Staffel ohne nennenswerte Verlust und es bleibt dem Finale vor allem zugute zu halten, dass es keinen Cliffhanger nutzt, um die Nerven der Fans weiterzustrapazieren.



Kanonbrüche und Logiklöcher.
Bei der Nutzung des Star-Trek-Kanons lässt sich "Picard" auch dieses Mal nichts vorwerfen. Geschickt bauten die Autoren den Vertrag von Algeron, das Picard Manöver und sogar kal-toh (jene vulkanische Mischung aus Schach und Mikado) in die Handlung mit ein.
Im Hinblick auf Alton Inigo Soong bin ich aber wohl noch schuldig, die Frage nach Noonian Soongs leiblichem Nachwuchs aufzulösen:
Es stimmt, dass Juliana Tainer in "Soongs Vermächtnis" davon sprach, dass sie und Soong niemals Kinder gehabt hätten. Doch beide heirateten 2328 auf Omicron Theta, als Tainer fünfundzwanzig Jahre jung war. Soong hingegen war – wenn man Brent Spiners Maske in "Die ungleichen Brüder" in Betracht zieht – wohl deutlich älter, was durchaus den Schluss zulässt, dass er zuvor in einer anderen Beziehung gelebt haben könnte (Memory Beta gibt sein Geburtsjahr immerhin mit 2279 an). Statt Tainers Aussage als Widerspruch zur Existenz Alton Inigo Soongs zu verstehen, kann man sie auch problemlos aus Erklärung für die Vernachlässigung des Sohnes durch seinen Vater verstehen.
Außerdem gilt es an dieser Stelle auch eine weitere Lanze zu brechen:
"Picard" blieb lange Zeit das Zeigen von Sternenflottenschiffen schuldig, doch wie sich nun zeigt, hat sich die Serie diesen unabstreitbaren Höhepunkt tatsächlich für die letzte Folge aufgehoben. Sicherlich kann man hier den gerechtfertigten Vorwurf von 'Masse statt Klasse' anbringen, denn die Flotte scheint keine allzu große Varianz an Schiffen zu bieten und wirkt nicht weniger projiziert als Juratis Schiffsflotte aus La Sirenas.
Es hätte der Glaubwürdigkeit gut getan, wenigstens ein paar Schiffe der Sovereign-, Prometheus- oder Steamrunner-Klasse in diesen Einheitsbrei zu mischen, doch man sollte bedenken, dass beim Dreh dieser Episode die Rechte an Star Trek noch zwischen CBS und Paramount aufgeteilt waren und eine Verwendung von Schiffen aus den Kinofilmen aus rechtlichen Gründen nicht möglich war.
Aber warum hat man dann nicht einfach Schiffe der Ambassador-, Nebula- oder Galaxy-Klasse verwendet (zumal wir seit TNG wissen, dass Schiffe der Excelsior-, Miranda- oder Constellation-Klasse fast hundert Jahre lang genutzt wurden)?
Die Antwort ist erstaunlich simpel und hat überhaupt nichts mit Rechten zu tun, denn laut dem Instagram-Account des Special-Effects-Leiters Ante Djekovic wurden die letzten Bearbeitungen erst am Dienstag (!) dieser Woche unmittelbar vor der Veröffentlichung fertiggestellt.
Ja, selbst Nareks Aussage

"Es wird auf eine Zeit datiert lange bevor unsere Vorfahren auf Vulkan eintrafen."

ergibt einen Sinn, wenn man bedenkt, dass in der Originalserien-Episode "Geist sucht Körper" angedeutet wird, dass die vulkanische Gesellschaft das Produkt einer Kolonisation des Planeten durch die Spezies Sargons sei (die übrigens munter an synthetischem Leben herumexperimentiere).
Auch wenn den Autoren hier sicherlich keine Absicht sondern eher ein Lapsus mit glücklichem Ausgang unterstellt werden kann, müssen sie sich einige inhaltliche Fragen gefallen lassen.
Wie etwa haben die Wachen, die Rios und Raffi so aufmerksam filzen, nicht bemerkt, wie Picard und Jurati fliehen?
Woher wissen die Weltraum-Orchideen, dass sie die La Sirena nicht angreifen dürfen?
Wie ist es möglich, die romulanische Flotte im Orbit des Planeten am helllichten Tag von der Planetenoberfläche aus zu erkennen?
Fliegt der romulanische Warbird Ohs falsch herum oder präsentiert er in der Schlacht im Planetenorbit der Heimatwelt der Androiden absichtlich ständig sein Hinterteil??
Während man sich mit derlei kleineren Unzulänglichkeiten noch zähneknirschend arrangieren könnte, ist es der Einsatz von unsinnigen, erzählerischen Gimmicks, die der Handlung einen Bärendienst erweisen, wie selbst Raffi und Rios im Umgang mit einem mysteriösen Gerät in einem erstaunlich selbstreferenziellen Moment einsehen müssen:

"Was passiert hier?"
"Nichts, was irgendeinen Sinn ergibt."

Das Werkzeug nämlich, mit dem die beiden die La Sirena wieder auf Vordermann bringen, gleicht in ihrer Anlage einem Zauberstab, der selbst Harry Potters Fähigkeiten mühelos in den Schatten stellt. Ohne sich sonderlich viel mit sachdienlichen Erklärungen aufzuhalten, kann es durch reine Vorstellungskraft Lecks reparieren und neue Apparate erschaffen, die erfolgreich die Sensoren einer ganzen Flotte täuschen. Man wundert sich schon, warum es Soong nicht einfach eingesetzt hat, um seinen Geist in den 'Golem' zu transplantieren.
Noch fauler war man nur bei der Idee, wie man Jean-Luc Picard wiederbeleben könnte. Die mühelos wirkende Übertragung seiner Hirnaktivitäten in einen 'Golem' steht in einer traurigen Tradition mit ähnlichen Hilfsmitteln wie Augment-Blut ("Star Trek Into Darkness"), dem Pilzantrieb ("Discovery") oder Transwarp-Beamen ("Star Trek" [2009]). Es bleibt eine vermeintlich revolutionäre Technologie mit dem Potential, den gesamte Star-Trek-Erzählrahmen zu sprengen, denn von jetzt an könnte ja jeder Sterbende auf diese Art und Weise davor bewahrt werden, aus dem Leben scheiden zu müssen. Aber ich wette Stein und Bein darauf, dass das in der nächsten Staffel schon kein Thema mehr sein wird…



Synchronisation.
An sich ist die deutsche Version gefällig, auch wenn sie ihre Unschuld verloren hat. Hier wird plötzlich nichts mehr beschönigt; "fucked" wird zu "gefickt", "ass" zu "Arsch" und folgerichtig auch "asshole" zu "Arschloch". Vorbei sind die Zeiten, in den die deutsche Tonspur vor der Fäkalsprache des Originals Schutz bot.
Immerhin bleibt man auch in der letzten Staffel dem unsinnigen Siezen treu, das übrigens am meisten stört, wenn sich Data und Picard verabschieden. Klar gibt es auch im englischen Original eine (förmliche) Distanz zwischen beiden, aber die findet sich nirgendwo sonst so potenziert wie im Deutschen wieder.



Fazit.
"Et in Arcadia Ego, Teil Zwei" bietet langjährigen Fans die Gelegenheit, sich in sentimentaler Weise gebührend von Data zu verabschieden und einen Picard (und seine tollkühne Crew) in Höchstform zu erleben. Wer sich aber nicht von der omnipräsenten Nostalgiewolke einlullen lässt, wird darüber hinaus nur wenige zielführende Inhalte bemerken.
Das Staffelfinale verpasst es schlichtweg, elementare Grundfragen der Staffel zu klären, aussagefähige zeitpolitische Referenzen zu bieten oder klare Verhältnisse zu schaffen. Die Episode verwendet stattdessen erzählerische Allheilmittel wie Superwerkzeuge oder Androiden-Rohlinge und versäumt es im gleichen Atemzug, sie sinnvoll einzusetzen.

Bewertung.
Ein Schwarm von Nostalgiemomenten macht noch keinen Sommer.






Schluss.
Wenn das Finale der ersten Staffel eines gezeigt hat, dann dass vieles noch nicht ausgereift ist. Es gibt noch eine Menge Baustellen, an denen man arbeiten muss, um diese Serie zu verbessern, die noch weit davon entfernt ist, perfekt zu sein.
Und doch macht "Picard" auch vieles richtig.
Die Charaktere sind ungleich zugänglicher und ausgewogener als bei "Discovery" und werden von großartigen Schauspielern verkörpert (zugegeben, der Großteil der "Discovery"-Schauspieler ist auch großartig). Der Umgang mit dem Kanon und der Einsatz nostalgischer Momente ist exemplarisch. Und wann immer es aktuelle Bezüge gab, gelang es der Serie ganz besondere Ausrufezeichen zu setzen.
"Picard" wird durch seinen Erfolg sicherlich Auswirkungen auf die ein oder andere Star-Trek-Serien haben und wirft einen langen Schatten voraus. Sie hat definitiv Maßstäbe gesetzt und die Franchise bereichert, auch wenn das kein Grund ist, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen.
Am Ende der ersten zehn Folgen mag ich persönlich nicht mit allem einverstanden sein oder jede Folge gut finden, aber eines kann ich mit Nachdruck sagen:
Es ist schön, dass es eine Serie wie diese gibt.



Denkwürdige Zitate.

"Was hast Du für ein Glück..."
Picard zu einem Schmetterling

"Bitte lassen Sie nicht zu, dass die Romulaner Sie in das Monster verwandeln, das sie fürchten."
Picard zu Soji

"Ich habe sie gefunden, Narissa! Ich, die Schande der Familie! Der Versager der Zhat Vash! Ich habe Seb-Cheneb gefunden..."
Narek

"Sag's!"
"Was soll ich sagen?"
"Diese drei schönen Worte."
"Du hattest recht..."
"Sag's bitte nochmal!"
"Du kannst mich..."
Raffi Musiker und Cristóbal Rios

"Ich habe zwölf weitstreuende Molekularlösergranaten bei mir und werfe nur Steine..."
Narek

"Nein, ich glaub dass das Geschichte ist. Und das Faszinierende an Geschichte ist, dass sie sich stets wiederholt."
Narek

"Ich dachte schon ich würde die schlechteste Geheimagentin aller Zeiten sein, aber ich glaube ich habe eine Gabe."
Agnes Jurati

"Aber Angst ist ein unfähiger Lehrer. Ja sie haben ein Leben, aber niemand hat ihnen beigebracht. wofür es gut ist. Wer lebt hat auch eine Verantwortung und nicht nur Rechte."
Picard

"Machen Sie's so."
Jurati

"Antworten Sie nicht, um Spannung aufzubauen, oder..."
Jurati

"Auf jeden Fall! Gute Sache! Immer ein Ding der Unmöglichkeit nach dem anderen."
Jurati

"Wenn Sie uns aus der Nummer rausholen würden, wird man das nach Ihnen benennen. Das 'Picard-Manöver! Moment, nein. Nein, das gibt es ja schon, oder?"
Jurati




"Nach ihrem S.O.S. habe ich um befristete Wiedereinsetzung gebeten. Nur weil ich Ihnen das nicht ausreden wollte, lass' ich Sie das doch nicht ganz allein durchziehen. Ich soll im Grünen 'rumhocken und Pizza backen während Sie den ganzen Spaß haben?"
William T. Riker

"Das Wissen um Ihre Liebe stellt einen kleinen, aber umso signifikanteren Teil meiner Erinnerungen dar."
Data

"Ich möchte leben, wenn auch nur ganz kurz. In dem Wissen, dass mein Leben endlich ist. Erst die Vergänglichkeit verleiht dem Leben so etwas wie Bedeutung, Captain. Frieden, Liebe, Freundschaft: Alles dies ist so kostbar, weil wir wissen, dass nichts davon ewig währt. Ein Schmetterling, der unsterblich wäre, ist in Wahrheit nie ein Schmetterling gewesen."
Data

"Ich hätte nichts gegen zehn weitere Jahre... Zwanzig?"
Picard


Weiterführende Links.
01. Rezension zu "Gedenken"
02. Rezension zu "Karten und Legenden"
03. Rezension zu "Das Ende ist der Anfang"
04. Rezension zu "Unbedingte Offenheit"
05. Rezension zu "Keine Gnade"
06. Rezension zu "Die geheimnisvolle Box"
07. Rezension zu "Nepenthe"
08. Rezension zu "Bruchstücke"
09. Rezension zu "Et in Arcadia Ego, Teil Eins"
09. Rezension zu "Et In Arcadia Ego, Teil Zwei"


Dienstag, 24. März 2020

Eaglemoss goes Gold - USS Enterprise NCC 1701-D

 

Einleitung


28. Februar 2016 – so lange ist es her, dass ich den Staffelstab zu den Eaglemoss-Raumschiff-Modell-Rezensionen an unseren lieben Damon übergeben habe. Ganze vier Jahre hat Damon im Alleingang uns hier auf dem Blog regelmäßig über die umfangreichste Star-Trek-Modelreihe aller Zeiten auf dem Laufenden gehalten. Er hat die Schiffe fachmännisch analysiert, verglichen und bewertet. Begriffe wie „Klarteile“, „Bedruckung“ und „Halterung“ sind seitdem nicht mehr weg zu denken. Nun braucht Damon eine Pause, und natürlich werden wir versuchen, sein umfangreiches Werk fortzusetzen – auch wenn die Fußstapfen übergroß zu sein scheinen. Also an dieser Stelle nochmals ein fettes DANKE in den Norden der Republik!
Natürlich habe ich mir für die Fortsetzung erst mal ein ganz besonderes Schiff ausgesucht: die goldene Enterprise D, was sonst!
Wer hat da nicht gleich den Briefingraum der guten alten „D“ vor Augen, in welchem hinter Glas die Schiffe mit dem Namen Enterprise in Gold zu sehen waren? Berühmt die Szene im Kinofilm „Erster Kontakt“, als Picard mit den Worten:
„Wir haben schon zu viele Kompromisse gemacht, zu viele Rückschläge erfahren. Sie dringen in unseren Raum ein und wir weichen zurück. Sie assimilieren ganze Welten und wir weichen zurück. Doch jetzt nicht! Hier wird der Schlussstrich gezogen! Bis hierher und nicht weiter!“
Ausholt und die Vitrine zerschlägt. Der trockene Kommentar von Lilly dazu: „Sie haben ihre Schiffchen zerbrochen!“


Nun haben wir also die Enterprise D in Gold vor uns liegen, und ich muss sagen: hübsch! Ich bin sicher nicht der Einzige, der schon oft darüber nachgedacht hat, aus den Eaglemoss- Modellen genau diese Vitrine nachzubauen. Kann ja nicht so schwer sein, in der Mitte durchtrennen und mit goldenem Spray veredeln?! Hey Damon, das wäre doch was für Dich, oder?

Die Briefing Lounge, Foto aus Begleitheft

Bemerkenswertes

An dieser Stelle ein ganz großes Lob an meinen Verkäufer, der hat nämlich ein Paar weiße Handschuhe mit zum Modell gepackt, clever! Aus diesem Grund sei der Internetshop auch hier mal erwähnt: Trekkiestore Ich würde niemanden empfehlen das Goldglänzende Modell mit bloßem Händen anzufassen, das gibt dann böse Flecken! Sehr schön ist auch das etwas andere Äußere der Verpackung! Auch wenn hier einfach nur eine Papphülle über den üblichen Karton geschoben wurde, macht das doch wirklich optisch was her und bringt die Exklusivität zum Ausdruck! Das Äußere des Begleithefts komplettiert diesen hochwertigeren Eindruck.



 

Kritikwürdiges

Gibt es aus meiner Sicht nicht. Natürlich ist das Modell baugleich mit dem schon 2014 erschienen Modell der USS Enterprise NCC 1701-D. Wer nochmal nachlesen will, HIER geht es zur Rezension vom 9.Februar 2014! Und Klarteile hätte ich hier tatsächlich auch nicht haben wollen, das Modell kommt ohne Bemalung, Schriftzüge oder störende Symbole – alles richtig gemacht Eaglemoss!
Begleitheft
Nun ja, es wirkt wie Teil 2 zu diesem Modell, schließlich unterscheiden sich beide Enterprise - D Modelle nur in der Kolorierung. Trotzdem haben die Autoren es geschafft, nochmal ein paar neue Informationen und Hintergründe zu liefern. Das Heft ist in englischer Sprache, da soweit ich weiß, diese Variante der Gold - Enterprise nicht für den deutschen Markt geplant war. Inhaltlich geht es um die Ausstattung und das Design des Innenlebens der Enterprise D in allen Bereichen und auf allen Decks. Mir persönlich gefallen die zum Teil bisher unveröffentlichten Skizzen sehr, aber auch die gut gemachten Fotos haben etwas. Was fehlt, sind dieses Mal Spezifikationen zum Schiff…aber das tut dem sehr positiven Eindruck keinen Abbruch, schließlich kann man diese ja im Heft 1 der sammelreihe nachlesen!

Aus dem Begleitheft, Größenrelationen der ausgestellten Schiffe im Briefingraum

Schlussbemerkung
Als ich das Modell in Birmingham im letzten Jahr auf der Destination zum ersten Mal sah waren meine ersten Gedanken: so macht man aus „Sch….“ Geld. Man neigt natürlich schnell dazu, da es sich ja um ein kein neues Modell handelt, sondern „nur“ um ein goldig Ge-„updatetes“. Jetzt, wo ich es selbst in den Händen halte bleibt mir aber nur zu sagen: Schick!



Kleine Besonderheit: Der Aufkleber unter dem Stand ist natürlich auch in Gold, nicht wie sonst in Silber!
 
Und  wenn jetzt jemand denkt, cool, warum ist denn bisher noch keiner auf die Idee gekommen? Falsch gedacht, zum Vergleich bringe ich hier mal die "Goldene" von Playmates dazu. Die ist natürlich komplett aus Kunststoff, kann aber dafür Geräusche und Licht machen. Aber dazu später irgendwann mal mehr! Ich habe die golden Playmates übrigens nicht aus der Befestigung im Karton entnommen, deswegen sind die Fotos quasi im Karton entstanden.

 

 

Daten zum Modell


L x B:                    ca.145 mm x 100 mm
Höhe mit Stand:    800 mm
Material:                Kunststoff und Metall
Gewicht mit Base: ca 177g
Hersteller:              Eaglemoss Collections 2019

Unsere Bewertung

"Ein Träumchen in Gold!"

Outtakes mit Pille und Spock

Bei dem Glanz kann man auch mal sein Spiegelbild in der Untertasse betrachten!


Samstag, 21. März 2020

Turons Senf zu PIC S1Nr09 "Et in Arcadia Ego, Teil Eins"



Spoilerwarnung.
Dieser Artikel enthält massive Spoiler auf "Et in Arcadia Ego, Teil Eins", die neunte Folge der ersten Staffel von "Star Trek: Picard" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Folgen bereits gesehen hat.



Einleitung.
Bei der letzten Tafelrunde trat ein Mitglied unserer Gemeinschaft auf mich zu und gab mir im Hinblick auf meine Rezensionen zu verstehen, dass ich 'das alles zu ernst' nehmen würde. Auch wenn ich in diesem Moment nur auf die Runde verwies, die sich an einem Freitagabend in einer Kneipe traf, um ein (schwieriges) Star-Trek-Quiz zu spielen, sehr spezifische Details in ihren Lieblingsserien zu diskutieren oder gar über die Gestalt von Sternenflottenorden zu spekulieren, kann ich den Kern seines Anliegens gut nachvollziehen, denn mit den vielen Rezensionen, Threads und Meinungsbekundungen im Internet wird allmählich klar, dass Star Trek durch die Erfindung dieser Kommunikationsform seine Leichtigkeit endgültig verloren hat.
Besonders deutlich wurde mir dieses Dilemma, seitdem ich dabei bin, "Star Trek: Enterprise" noch einmal durchzuschauen. Da ich nun besonders viel Zeit dafür habe und ein bestimmter Streamingdienst das 'Binge-Watching' bedeutend erleichtert, fällt mir Folge um Folge auf, dass mein geschulter Rezensenten-Blick jedes Haar in der Suppe findet und ich selbst an Folgen, die mir bislang eigentlich recht gut gefielen, eine ganze Reihe kritikwürdiger Aspekte finde, die mir vorher viel weniger augenscheinlich vorkamen.
Im Hinblick auf "Picard" fragte ich mich schließlich nicht ganz zu Unrecht:
Hätte ich "Enterprise" damals zerrissen, wenn ich in jenen Tagen schon Rezensionen geschrieben hätte?



Story.
Schneller als gedacht schafft es die Crew der La Sirena zum Heimatplaneten Sojis zu gelangen. Doch dort angelangt müssen sie sich nicht nur der vehementen Angriffe Nareks erwehren, sondern auch eine Reihe von (raum-)flugfähigen Riesenorchideen, die beide Schiffe und den gerade frisch eingetroffenen Borgkubus unter dem Kommando Seven of Nines zu einer unfreiwilligen Notlandung zwingen.
Auf der Oberfläche des Planeten gelandet bricht die Crew zum Geburtsort Sojis auf, um die dort lebenden Androiden vor dem Eintreffen einer romulanischen Armada zu warnen, deren einziges Ziel die völlige Auslöschung allen synthetischen Lebens ist.
Picard, Soji und die gesamte Crew werden zunächst mit scheinbar offenen Armen empfangen, doch die Situation ändert sich dramatisch, als die Geschwister Sojis erfahren, dass es eine mysteriöse synthetischen Superrasse gibt, die allem künstlichen Leben zur Seite steht, wenn es Beistand im Kampf gegen organische Wesen benötigt. Als eine der Androidinnen ermordet wird, kippt die Stimmung völlig und Jean-Luc Picard findet sich auf verlorenem Posten wieder…



Lobenswerte Aspekte.
Im Folgenden finden sich einige Aspekte wieder, die auch unter Kritikwürdige Aspekte fallen könnten, der Übersichtlichkeit halber aber gemeinsam in einem Paragrafen behandelt werden.

Strickmuster und Moralität.
Wer anfangs noch geglaubt hat, dass auch das Staffelfinale bei "Picard" von wilden Kampfszenen, schmissigen Prügel-Choreografien und epochalen Raumschlachten geprägt sein wird, sieht sich zumindest für den ersten Teil eines besseren belehrt. Unter fachmännischer Leitung des Discovery-Regie-Veteranen und Picard-Produzenten Akiva Goldsman heißt die Marschrichtung Stabilität und vielleicht auch deshalb kehrt die Serie unter seiner Führung zu klassischer Folgenlänge, dem Verzicht auf Rückblenden und natürlich den hinlänglich verhassten Lens Flares zurück.
Dabei kommt es zu einigen Entwicklungen, die seit Beginn der Serie absehbar waren und dadurch den faden Beigeschmack des Absehbaren tragen: Picards Erkrankung am tödlich verlaufenden irumodischen Syndrom wird unausweichlich in den Mittelpunkt des Geschehens gedrängt, Brent Spiner erhält einen weiteren Auftritt und natürlich ist auch Seven of Nine auf dem Borgkubus eingefallen, um spätestens in der nächsten Episode von erzählerischem Nutzen zu sein.
Immerhin wird das Ganze mit einer gehörigen Portion Fanservice ausgeschmückt, der von den Auftritten Brent Spiners und Jeri Ryans, der Voyager-Melodie im Borg-Kubus und natürlich der Anwesenheit einer weiteren Katze namens Spot II getragen wird (die Elnor sicherlich in der nächsten Folge einmal streicheln darf).
Davon abgesehen bleibt der Folge aber zugute zu halten, dass sie trotz des späten Zeitpunktes noch den Mut aufbringt, einige großflächige Baustellen neu aufzumachen, die nun weiterer Bearbeitung harren. Völlig neue Figuren, ganz neue Konflikte und absolut neue Entwicklungen bereichern nun so unerwartet wie nachhaltig die Serie auf ihrem Schlussspurt, wobei einschränkend vielleicht an dieser Stelle bemerkt werden sollte, dass ihnen nicht immer sonderlich viel Platz oder Zeit für inhaltliche Tiefe bleibt. Immerhin garnierten die Autoren die Handlung mit einigen überraschenden Wendungen, unter denen jene, die "Mahnung" zu einem Aufruf an synthetisches Leben umzuinterpretieren der spannendste Gedanke bleibt. Die Idee, die Kolonie durch überdimensionierte Orchideen zu schützen, mag dagegen im ersten Moment möglicherweise etwas befremdlich wirken, passt aber am Ende des Tages doch recht gut in den bislang etablierten, sehr von symbolkräftigen Bildern dominierten, 'blumigen' Erzählstil Michael Chabons (er schrieb das Drehbuch zusammen mit seiner Ehefrau 'Ayelet Waldman). Der hat sich bei seinem Konzept dafür kräftig bei E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" bedient, aber vor allem hat er sich wieder einmal daran erinnert, was Star Trek insbesondere unter Picard großgemacht hat: Eine offenkundige Moral, bei der man schon konzentriert weghören muss, um sie zu verpassen.
Hier stellt Chabon stellvertretend durch Jean-Luc Picard und Soji die Frage, wie weit man gehen darf, um das Wohl einer gesamten Gesellschaft zu wahren. Oder anders, also in bester Star-Trek-Manier ausgedrückt: Wiegt das Wohl des Einzelnen nicht viel weniger als das Wohl vieler?
Mit diesem utilitaristischen Ansatz im Gepäck lässt er Soji an ihren eigenen Motiven zweifeln, den Synthetik-Bann der Erde anprangern und schließlich sogar Sutra billigend den Tod einer Schwester in Kauf nehmen.
So gibt es eine Reihe von zentralen Dialogen zu diesem Thema, die vor allem glänzend durch Patrick Stewart getragen werden. Es lassen sich ferner diverse Figuren im Umbruchprozess beobachten und gleich mehrere tolle Szenen (z.B. Raffis Abschied von Picard) schlagen den Zuschauer in ihren Bann.
Dennoch misslingt es dem munteren Mix aus Moral, neuen Story-Elementen und Dialogen am letzten Ende ein schlüssiges Gesamtbild zu ergeben. Einem Flickenteppich gleich teilen sie sich stattdessen den Platz mit zahlreichen Momente, die eingefügt wurden, um erst in der finalen Episode einen tieferen Sinn zu ergeben, was natürlich den Verständnisfluss im Hier und Jetzt bedeutend schmälert.
So bleibt "Et in Arcadia Ego, Teil Eins" nur ein weiterer erster Teil, dem es an innerer Geschlossenheit mangelt und der es deswegen nicht so recht vermag, das kommenden Finale gebührend einzuläuten. Es bleibt daher abzuwarten, was der zweite Teil zur Auflösung beitragen kann, bevor man dieser Folge wirklich Aussagekraft unterstellen könnte.



Besetzung.
Abermals wird die Folge von einem starken Cast getragen, unter dem einmal mehr Patrick Stewart heraussticht. Nun, wo die Folgen des irumodischen Syndroms zutage treten, kann man den alternden Schauspieler noch einmal zur Höchstform auflaufen sehen, wenn er in die Rolle Jean-Luc Picard schlüpft. Vor allem mit den Dialogen, an denen er maßgeblich als moralische Instanz beteiligt ist, hält er beinahe im Alleingang die Folge über Wasser, nicht zuletzt, weil der Rest der Hauptdarstellerriege zwar gute Arbeit verrichtet, aber im Zuge der vielen Neuentwicklungen nicht mehr über den nötigen Raum zur Entfaltung verfügt.
Immerhin kann Isa Briones in diesem Zusammenhang nicht über zu wenig Arbeit klagen, wobei festzuhalten bleibt, dass Soji abgesehen von einigen Szenen mit Picard recht unscheinbar bleibt. So obliegt es ihrer zweiten Rolle, der goldig pigmentierten Sutra, ein wenig mehr in den Mittelpunkt zu treten. Da zeigen sich aber bereits einige inhaltliche Makel der Serie, denn Narissa Rizzo dürfte wohl nicht zuletzt in dieser Folge mit Abwesenheit glänzen, weil ihr Charakter eine so offensichtliche wie mäßige Blaupause für diese Gold-Else im Lore-Modus bleibt.
Dahinter dominiert zwar Michelle Hurd als Raffi Musiker die ein oder andere Szene maßgeblich, bleibt aber weitgehend genauso hinter ihren Möglichkeiten zurück wie Allison Pill in der Rolle Agnes Juratis.
Santiago Cabrera als Cristóbal Rios herausragendste Szene bleibt gar jene, als er beim Betreten von "Androidenhausen" noch einmal seine fußballerischen Fähigkeiten andeuten darf.
Noch schlimmer trifft es eigentlich nur noch Evan Evagora, der einem als Zuschauer fast schon leid tut, weil er kaum etwas Gescheites zur Handlung betragen darf und zumeist nur auf einige fragwürdige Wortmeldungen reduziert wird. Im Zuge der nächsten Folge werden sich die Autoren auch vermehrt um ihn kümmern müssen oder sich fortan die gerechtfertigte Frage gefallen lassen, wozu er überhaupt in die Serie integriert wurde. Bislang bleibt Elnor jedenfalls merkwürdig irrelevant für eine Serie, in der jeder Charakter die ein oder andere essentielle erzählerische Nische besetzt.
Immerhin darf Brent Spiner als Altan Inigo (A.I.!) Soong den mittlerweile dritten von ihm gespielten Ableger der (menschlichen) Familie Soong spielen, wobei sich sein Auftritt stark an seinem letzten Beitrag in "Star Trek: Enterprise" orientiert. Immerhin bleibt ihm aber mehr zu tun als seiner Schauspielkollegin Jeri Ryan, deren Auftritt als Seven of Nine so überschaubar blieb, dass ich ernsthaft überlegen musste, ihn gänzlich zu übergehen.
Tatsächlich oblag es abermals Harry Treadaway mich in der Rolle des Nareks zu überzeugen. Ihm stehen die Zweifel an seinem eigenen Handeln so sehr ins Gesicht geschrieben, dass ich ihm sogar abnehmen würde, dass seine für Soji bestimmten Worte ernst gemeint waren. Nach bisherigem Stand wäre der Verlust seines Namens auf der Hauptdarstellerliste einer der härtesten Rückschläge für die noch junge Serie.
Abseits dieser illustren Namen gibt es nicht sonderlich viel zu berichten.
Außer natürlich, dass die etwas naiv wirkenden Androiden-Schwestern Saga und Arcana tatsächlich von den Zwillingsschwestern Nikita und Jade Ramsey gespielt wurden, wobei das bemerkenswerteste an den beiden ihr wohlklingender englischer Dialekt blieb.



Kritikwürdige Aspekte.

Kanonbrüche und Logiklöcher.
"Star Trek: Picard" bleibt sich auch so kurz vor Staffelende treu und glänzt abermals mit weitreichenden, qualitativ hochwertigen Kanonbezügen. Während die Erwähnungen eines weiteren Soong-Sprosses und einer Katze mit dem klangvollen Namen Spot II noch hinlänglich Wiedererkennungswert genieren dürften, bleiben einige andere Bezüge vergleichsweise dezent, aber deswegen nicht weniger bemerkenswert.
Die Sicherheitsgurte etwa, die auf der La Sirena Einsatz finden, erinnern keineswegs nur an von J.J. Abrams produzierte Kinofilme wie "Star Trek Into Darkness" oder "Star Trek: Beyond", sondern auch an einige herausgeschnittene Szenen in "Star Trek Nemesis" und folgen dem Ruf vieler Fans, die nach mehreren Episoden das Fehlen dieser Sicherheitsvorkehrung bemängelten.
Auch Raffis vermeintliche Angst vor 'aggressiven Reptiloiden' auf der Oberfläche kann als Referenz auf andere reptiloide Spezies bei Star Trek (allen voran den Gorn) verstanden werden. Die Angst vor 'todbringenden Pilzen' hingegen war ein netter, kleiner Seitenhieb auf "Star Trek: Discovery" (vergleiche Denkwürdige Zitate).
Am eindrucksvollsten blieb aber der Hinweis auf die ka'athyra, jene vulkanische Harfe, die Sutra angeblich so toll spielen können soll. Der vulkanische Name dieses Instruments stammt nämlich keineswegs aus der Originalserie (wo das Instrument erstmals zu sehen war), sondern aus dem Roman "Geiseln für den Frieden" von Margaret Wander Bonanno und zählte bis zur Ausstrahlung dieser Episode nicht einmal zum offiziellen Kanon. Schön, dass man hier nach einigen Folgen, in denen man die Bücherwelt bewusst ignoriert hat, wenigstens ansatzweise wieder mit dem Olivenzweig wedelt!
Natürlich kann man sich in dieser Folge trefflichst darüber ärgern, dass das Grundthema um 'böse Androiden' und deren Rechte abermals ausgerollt wird, obwohl andere Serien und Filme wie "Battlestar Galactica", "Westworld" oder "Blade Runner" das Thema bereits zur Genüge behandelt haben.
Doch die Folge gibt sich redlich Mühe, das Sujet um einige Nuance zu erweitern, die durch die Vorlage Datas in TNG ermöglicht wurden.
Dabei besticht besonders ein Gedanke durch zeitlose Relevanz. Die beinahe utopisch anmutende Gesellschaft auf Coppelius mag entwickelt und schöngeistlich sein, aber Sutra und ihr Verhalten zeigt doch, dass es überall - in jeder Kultur allen gesellschaftlichen Entwicklungen und aller vermeintlich moralischer Überlegenheit zum Trotz manipulative Personen gibt, die bereit sind über Leichen zu gehen, um ihre eigenen Ziele zum vermeintlichen Wohl der gesamten Bevölkerung durchzusetzen.
Ansonsten aber bleibt das Hare-Krishna-Camp der Androiden ein wenig hinter den Erwartungen zurück. In einer zu sehr wie eine kalifornische Villa der betuchten Teile der Bevölkerung wirkenden Kulisse erinnert alles etwas zu stark an Arik Soong und sein Verhältnis zu den gleichsam moralisch instabilen Augments. In jenen lichten Momenten, wo dies nicht der Fall ist, lässt die Szenerie hingegen an die Androiden auf Mudds Planeten in "Der dressierte Herrscher" denken; nicht zuletzt, weil dort ebenfalls auf den massiven Einsatz von Zwillingen gesetzt wurde (laut Aussagen einiger Zeitzeugen sollen damals einige von ihnen gar aus dem Rotlichtmilieu rekrutiert worden sein).




Doch während das noch irgendwie in Ordnung geht, markiert diese Episode die erste, in der sich wirklich massiv Fragen häufen, die zulasten der inneren Logik gehen.
Warum etwa dürfen Raffi und Rios gehen, während Picard und Jurati in der schmucklosen Betonvilla verbleiben müssen?
Was genau hält Elnor eigentlich auf dem Kubus? Was soll der ausgebildete Schwertkämpfer, der mit moderner Technik überfordert ist, ausgerechnet an diesem Ort?
Was trieb Bruce Maddox überhaupt nach Freecloud, obwohl er doch auf Coppelius ungleich bessere Arbeits- und Versteckmöglichkeiten gehabt hätte?
Warum können die XBs im nahegelegenen Artefakt nicht einfach helfen, die La Sirena wieder auf Vordermann zu bringen?
Und warum zum Teufel fliehen nicht einfach alle Anwesenden mit dem Borg-Königinnen-Stargate in Sicherheit?
Auch wenn noch irgendwo die Hoffnung besteht, dass diese Fragen zumindest teilweise in der kommenden Episode beantwortet werden, bleibt ein zentraler Makel an dieser Folge auch für kommenden Star-Trek-Inkarnationen bestehen.
Vulkanische Gedankenverschmelzungen waren bis hier her zu Recht ein erzählerisches Privileg der Vulkanier. Es war einfach schlüssig, dass Menschen die mentalen Fähigkeiten dafür fehlten und auch wenn der vulkanische Nervengriff von Personen wie Data, Seven of Nine oder Jonathan Archer beinahe schon inflationär verwendet wurde, blieb diese psionische Technik ein exklusives Markenzeichen der Spezies, deren Ausführung selbst nahestehenden Personen wie Michael Burnham (bislang) verschlossen blieb.
Das hat sich nun geändert.
Das ist vor allem ärgerlich, weil Androiden jeglicher Hintergrund für das Beherrschen dieser übersinnlichen Fähigkeit fehlt und hier einfach wahllos in den Zauberkasten der Star-Trek-Erzähltraditionen gegriffen wurde, ohne dass sich jemand auch nur ansatzweise Gedanken über den angemessenen situativen Einsatz gemacht hätte. Dieses willkürliche Verhalten erinnert jedenfalls eher an den vergleichsweise sorglosen Umgang mit dem Kanon in der Star-Trek-Zeichentrickserie als an die bisher größtenteils feinfühlige Weise, mit der "Star Trek: Picard" den Star-Trek-Rahmen zu nutzen verstand.



Synchronisation.
Wieder einmal zeigt sich die Harmlosigkeit der deutschen Sprache in ihrer Synchronisation englischer Kraftausdrücke. So wird etwa aus "bogie" (dt. "Popel") ein seelenloses "Objekt", während das noch unartigere "pissing me off" gar aus heiterem Himmel auf einen klingonischen Targ umgemünzt wird (vgl. Denkwürdige Zitate). Zudem bleibt der deutschen Tonspur zugute zu halten, dass der tiefsinnige lateinische Titel belassen wurde, wie er ist.
Aber wenn sich schon wieder Figuren ihre Liebe gestehen, wirkt es (bei aller Freude über die Harmlosigkeit der deutschen Sprache) nur umso unsinniger, wenn sie sich dabei noch immer siezen, als würde die Existenz des Universums vom Gebrauch dieser antiquierten Höflichkeitsformeln abhängen...


Verschwörungstheorien.
Im Folgenden sollte nur weitergelesen werden, wenn man bereit ist, sich die Überraschung verderben zu lassen, denn an dieser Stelle folgen einige Überlegungen zu möglichen Richtungen, in die sich die Serie bewegen wird.
Also: Absolute Spoilerwarnung!
In der Vergangenheit haben wir an dieser Stellen mit einigen Theorien bereits goldrichtig gelegen, während andere ihr Ziel um Längen verfehlten.
Dennoch lassen sich im Hinblick auf die letzte Folge der ersten Staffel einige Vorhersagen mit ziemlicher Sicherheit treffen.
Nummer Eins: Narek wird die Seite wechseln.
Nummer Zwei: Soji wird die Seite wechseln.
Nummer Drei: Auch Jurati wird nach ihrem Asyl bei den Androiden die Seite wechseln.
Folgt man der Logik dieser Annahmen, drängt sich eine weitere Vermutung auf:
Der eigentlich für Soong bestimmter Golem, der in seinem Labor nur darauf wartet, von einem erfahrenen Kybernetiker mit einem Hirnmuster gefüttert zu werden, dürfte in der nächsten Folge zu neuem Leben erweckt werden. Wenn es darum geht, die aussichtsreichsten Kandidaten dafür zu benennen, wäre mein Tipp tatsächlich Jean-Luc Picard, denn es wäre die ideale Win-Win-Situation für (fast) alle Beteiligten.
Patrick Stewart könnte sich ungestört auf sein Altenteil begeben, beruhigt vom Wissen, dass sein Erbe weitergeführt werden würde. Die Serienproduzenten würden einen jüngeren Darsteller einführen können, der belastbarer wäre und auch in Action-Sequenzen eine gute Figur abgeben würden.
Die einzig Leidtragenden wären die Fans daheim vor dem Fernseher, denn wenn ein alternder Schauspieler durch einen jüngeren ersetzt wird, mag der zweifelsohne mehr Energie, aber sehr wahrscheinlich auch weniger Präsenz mit sich bringen.
Die Theorie klingt nicht zuletzt deshalb wahrscheinlich, weil es wenig Sinn ergeben würde, eine Serie ausgerechnet 'Picard' zu nennen, drei Staffeln zu planen und ihn gleich in der ersten über den Jordan springen zu lassen…



Fazit.
Kurz vor dem Ende der ersten Staffel ziehen die Produzenten noch einmal alle Register: Sie eröffnen einige unerwartete Baustellen, glänzen mit einer Star-Trek-typischen Moral und einem Patrick Stewart in Hochform.
Doch die Folge bricht ein wenig unter dieser Last. Sie wirkt wie ein Flickenteppich aus halbgaren Ideen, vorhersehbaren Entwicklungen und gehetzten Darbietungen. Zudem begeht die Episode den bislang schwersten Kanonbruch der noch jungen Serie.
Und doch lässt sie sich nur eingeschränkt bewerten, denn als erster Teil eines Zweiteilers laufen noch zu viele Fäden ins Leere, um ein endgültiges Urteil fällen zu können.

Bewertung.
Ambitioniert, aber zu zerstückelt.






Schluss.

Die Antwort ist letzten Endes einfach:
Ja und nein.
Es gab auch in Enterprise – vor allem in der vierten Staffel – einige herausragende Episoden, die ich noch immer schätze und auch noch immer positiv bewerten würde.
Aber es gab natürlich auch – vor allem in der zweiten Staffel – haufenweise schlechte Folge, die ich nicht zu Unrecht zerrissen hätte.
Vor allem jedoch gab es – insbesondere bei der Staffel-übergreifenden Handlung der dritten Staffel – eine ganze Reihe von Episoden, die nicht allein funktionieren und deren Wert sich heute erst erschließt, wenn man eben die ganze Staffel am Stück ansehen kann (z.B. "Anomalie", "Die Vergessenen" oder "Der Rat"). Es gab also eine ganze Reihe von Folgen, die es nicht vermochten, auf eigenen Beinen zu stehen und nur im größeren Zusammenhang Sinn ergaben – ein Trend, der sich in vielen Zwei- oder Mehrteilern fortsetzte (z.B. in "Zeit des Erwachens", "Die Heimsuchung" oder "Dämonen").
Das ist andererseits aber auch ein Trend, der Star-Trek-Serie davor und danach ereilte und es verwundert daher nicht, dass es auch diese "Picard"-Episode da keine Ausnahme macht. Manche Geschichten lassen sich eben nur mit Abstrichen auf mehrere Einzelteile strecken.
In der ganzen recht leidenschaftlich geführten Diskussion um diese Folge zeigt sich aber auch, dass es vielleicht manchmal ganz gut tut, die Materie 'weniger ernst' zu nehmen, denn der Hang, zuerst alles kaputt zu diskutieren, bevor wir uns einfach einmal zurücklehnen, um etwas einfach genießen zu können, nimmt uns auch ein wenig des Zaubers, mit dem der größte Teil von uns dereinst die Originalserie, TNG oder Deep Space Nine gesehen hat, ohne jedes Detail, jede Handlungsentwicklung oder jede Szenenanlage zu analysieren.
Insofern sind Rezensionen fraglos ein schöner Zeitvertreib (gerade in einer Phase, in der es sonst nicht viel besseres zu tun gibt), aber es empfiehlt sich stets, die Kirche im Dorf zu lassen, denn auch wenn "Discovery" oder "Picard" nicht bei jedem unmittelbar Freudenstürme auslösen, ist es doch schön, dass es wieder Star Trek in Serienform gibt.
Und das sollte man nicht mit substanzloser, von persönlichem Empfinden geprägter Kritik in sozialen Netzwerken gefährden. Also wenn schon schimpfen wie ein Rohrspatz, dann doch bitteschön wenigstens ein wenig substanzieller als "Das ist nicht mehr Star Trek"...



Denkwürdige Zitate.

"Aus Notwehr zu töten oder einen Verwundeten beim Sterben zuzusehen macht einen Unterschied."
Jean-Luc Picard

"¡Malparido!"
Cristóbal Rios

"Was ist passiert?"
"Uns hat eine Blume erwischt!"
Picard und Agnes Jurati

"Jeder der mich wie einen Sterbenden behandelt läuft Gefahr, dass ich ihn anfalle wie ein klingonischer Targ."
Picard

"Seid vorsichtig, vielleicht gibt's ja hier - keine Ahnung - aggressive Reptiloide und todbringende Pilze... Die gibt's wirklich!"
Raffi Musiker

"Nun, die Hoffnung und die Wahrscheinlichkeit bilden kein gutes Gespann."
Picard

"Locutus!"
namenloser XB

"Wollt ihr uns beim Aufräumen helfen oder für noch mehr Chaos sorgen?"
Seven of Nine

"Mich beschleicht das Gefühl, dass wir uns zur Zeit ständig verabschieden."
Picard

"Ich fühle mich überraschend bewegt..."
Arcana zu Picard

"Es sind nur Falten... Aber sie implizieren so viel mehr... Sie haben getrauert und so viel ausgehalten... Wunderbar!"
Arcana zu Picard

"Doktor Altan Inigo Soong, verrückter Wissenschaftler. Für meinen Vater war Data sein eigentliches Kind. Daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Und nun reicht dem Mann etwas Wasser! Organische in unserem Alter trocknen schnell aus! Wir sind ja nicht alle Maschinen..."
Dr. Altan Inigo Soong




"Was Sie da getan haben - Schande über Sie, Agnes! Sie haben ein kleines, aber helles Licht gelöscht, das die alles umfassende Finsternis erhellt hat und haben eine schwere Schuld auf sich geladen. Möchten Sie die Schuld wieder gut machen? Möchten Sie ein Leben spenden, statt eines zu nehmen?"
Dr. Soong zu Jurati

"Ich steh nicht so auf Katzen, wenn ich ehrlich bin."
Cristóbal Rios

"Ich habe Durst! Behandelt ihr so Eure Gefangenen?"
"Wir hatten bislang noch nie Gefangene. Wie behandeln Romulaner ihre Gefangenen?"
"Themawechsel..."
Narek und Saga

"Ein Leben zu nehmen um ein Leben zu retten? Jemanden verletzen um andere zu retten. Das ist... Ich versuche schon die ganze Zeit die Logik des Opferns zu verstehen..."
"Die Logik des Opferns... Hm, diese Wortwahl gefällt mir gar nicht."
"Sie sehen dahinter keine Logik? Kein Kalkül über Leben und Tod?"
"Das hängt vermutlich davon ab, ob man die Person ist die das Messer in der Hand hält."
Soji und Picard

"Ich hatte befürchtet, dass mein Wunsch Dich zu töten stärker als der Bedarf an Deinen Diensten sein könnte. Doch sieh an, ich kann warten!"
Sutra

"Sehen Sie sie an! Sie haben noch nie jemals zuvor jemanden wie Sie getroffen. Ein Gesicht wie aus Granit, Weisheit und Rechtschaffenheit sprechen aus jeder Falte. Die Eloquenz; die Überzeugung! Sie wissen gar nicht, wie ihnen geschieht..."
Dr. Soong zu Picard

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu "Gedenken"
02. Rezension zu "Karten und Legenden"
03. Rezension zu "Das Ende ist der Anfang"
04. Rezension zu "Unbedingte Offenheit"
05. Rezension zu "Keine Gnade"
06. Rezension zu "Die geheimnisvolle Box"
07. Rezension zu "Nepenthe"
08. Rezension zu "Bruchstücke"
09. Rezension zu "Et In Arcadia Ego, Teil Eins"
10. Rezension zu "Et In Arcadia Ego, Teil Zwei"