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Donnerstag, 24. Oktober 2019

Star Trek, Deine Deutschen, Teil 07: Gerd Oswald

Einleitung.
In Deutschland werden 2019 dreißig Jahre Mauerfall gefeiert und auch die Star Trek Tafelrunde "Hermann Darnell" aus Potsdam Babelsberg möchte diesem Ereignis mit einer ganz besonderen Reihe Tribut zollen, in der - inspieriert vom Leben des kürzlich verstorbenen David Hurst - Deutsche bei Star Trek näher beleuchtet werden. Dabei geht es weniger um Personen wie Levar Burton oder Jeri Ryan, die im Zuge von Militärstationierungen im amerikanischen Sektor Deutschlands das Licht der Welt erblickten. Oder Schauspieler wie Mark Allen Shephard oder Nancy Kovack, die mittlerweile in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben. Selbst deutsche Charaktere wie Keyla Detmer oder Carl Jaeger finden hier keine Erwähnung.
Stattdessen erzählen wir zwischen dem 3. Oktober und dem 9. November 2019 zwölf Geschichten über zu Unrecht hierzulande weniger bekannte Darsteller, Regisseure und anderweitig mit Film und Fernsehen verbundene Personen und deren Beziehung zu Deutschland und Star Trek. Dabei wollen wir zeigen, dass Deutsche stets entscheidend dabei halfen, Star Trek zu dem Kultobjekt zu formen, das es heute ist.


Gerd Oswald.
Zwischen Gerd Oswald und Winrich Kolbe lassen sich deutliche Parallelen ziehen. Beide Regisseure zementierten bereits vor ihrer Zeit bei Star Trek ihren Ruf als zuverlässige Regisseure in Hollywood. Doch während Kolbe einen fulminanten Start hinlegte und am Ende die zweitmeisten Regie-Arbeiten bei Star Trek absolvierte, blieb Gerd Oswalds Engagement für die Franchise auf lediglich zwei Einsätze beschränkt.
Warum aber blieb Oswalds Einfluss auf Star Trek so überschaubar?


Gerd Günter Oswald wurde am 9. Juni 1919 in Berlin als Sohn von Käte Oswald und ihrem Mann Richard Oswald geboren. Sein Vater, der als Richard W. Ornstein aus Österreich nach Deutschland einwanderte, wurde zu einem der bekanntesten, aber auch umstrittensten Regisseure der noch jungen deutschen Filmszene. Neben einigen sehr erfolgreichen Filmen erregte er auch immer wieder Aufsehen: Etwa mit dem ersten offen homosexuellen Film "Anders als die Andern" (1919). Oder dem wegen pazifistischer Tendenzen beschlagnahmen Film "Das eiserne Kreuz" (1914). Oder dem deutlich gegen Antisemitismus gerichteten "Dreyfus" (1930). Als Jude wurde er in der instabilen Weimarer Republik rasch zu einer Zielscheibe der Nationalsozialisten, auch wenn dessen Werke mit der Etablierung des Tonfilms ungleich kommerzieller und damit auch politisch unverfänglicher wurden. Hier knüpfte der junge Gerd bereits erste Kontakte ins Filmgeschäft, als er zum Beispiel 1931 für einen Film seines Vaters namens "Arm wie eine Kirchenmaus" im Alter von zwölf Jahren als Kinderdarsteller eingesetzt wurde. Doch mit der Machtergreifung der Nazis 1933 wurde das Leben für die Familie, die sich bereits in vorangegangenen Jahren häufig Anfeindungen ausgesetzt sah, zunehmend schwierig und Richard Oswald hatte keine andere Wahl, als Deutschland zu verlassen und in seine österreichische Heimat zurückzukehren.

Gerd Oswald mit seinem Vater Richard Oswald

In Wien setzte Richard Oswald seine Arbeit als Regisseur fort und abermals setzte er seinen Sohn 1934 in "Wenn Du jung bist, gehört Dir die Welt" als Darsteller ein (ein Video des Film findet sich hier). Der Teenager folgte seinem Vater zu dessen Engagements in Frankreich, Großbritannien oder den Niederlanden, aber seine Heimat blieb – nachdem er Deutschland auf so schmerzhafte Weise verlassen musste – das ungleich offenere Österreich. Hier begann sich der junge Mann mehr und mehr auch politisch zu engagieren: Er setzte sich energisch für ein unabhängiges Österreich ein und gegen den aufstrebenden Faschismus im Land ein. Doch all sein Streben blieb am Ende vergebens, als Hitler 1938 mit dem Anschluss Österreichs vollendete Tatsachen schaffte. So musste die Familie ein zweites Mal vor den Nazis fliehen; dieses Mal allerdings über Frankreich in die USA.

Gerd Oswald in "Wenn Du jung bist, gehört Dir die Welt"

Während sein Vater in Hollywood nur noch sporadisch seinem Beruf nachkam, gelang es Gerd Oswald im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gut Fuß zu fassen. Er arbeitete zunächst in der Produktion, als Assistent und schließlich Regieassistent zunächst für kleinere, später größere Studios, bevor er ab 1955 das Heft in die eigene Hand nahm und zu einem vollwertigen Regisseur aufstieg. In gleich mehreren Serien erkannten die Produzenten seinen Wert als ebenso verlässlicher wie gründlicher Regisseur, sodass er gleich für acht Folgen "Daniel Boone", zehn Folgen "Bonanza" und stolze vierzehn Folgen "Outer Limits" (damit ist er bis heute Rekordhalter für diese einflussreiche Science-Fiction-Serie) die künstlerische Leitung übernahm. Er begann aber auch mit größeren Filmproduktionen, unter denen seine Verfilmung der "Schachnovelle" von Stefan Zweig zu den bekanntesten Werken zählte. Dabei blieb Oswald seiner eigenen Biografie dadurch verbunden, dass er stets versuchte, "antifaschistische Tendenzen" in seinen Werken miteinzubauen.

Oswald mit Curd Jürgens am Set der "Schachnovelle"
Das gelang ihm auch, als er ob seiner Referenzen bereits im Zuge der ersten Staffel der Originalserie als Regisseur verpflichtet wurde. Die Episode "Kodos der Henker" spielte nämlich geschickt mit dem Thema eines Despoten, der ein Terrorregime zum vermeintlichen Nutzen der Gesellschaft aufbaut und sich schließlich der Verantwortung seiner Taten entzieht. Bis heute erfreut sie die Folge großer Beliebtheit bei den Fans, auch wenn sie den Punkt markierte, ab dem an die von Grace Lee Whitney verkörperte Janice Rand nicht mehr berücksichtigt wurde.
Schuld daran war auch Gerd Oswald. Nicht zuletzt weil er während des Drehs dem Zeitplan hinterherhinkte, fielen die Szenen mit der jungen Schauspielerin dem Rotstift zum Opfer – auch wenn hinter der Ausbootung Whitneys auch andere Beweggründe seitens der Produzenten und die Alkoholabhängigkeit der Schauspielerin eine nicht unerheblliche Rolle spielten.
Eines der auffälligsten Ergebnisse der Arbeit Oswalds an der Folge bildet bis heute die spezielle Ausleuchtung. Insbesondere die Augen der Charaktere wurden auf Geheiß des Regisseurs intensiv
angestrahlt, während der Rest der Episode bewusst dunkel gehalten wurde.
Doch auch wenn Oswald einen zusätzlichen Drehtag benötigte, kam seine Arbeit gut an. Nicht nur, weil das Endprodukt qualitativ hochwertig ausfiel, sondern vor allem, weil Oswald das Kunststück gelang, trotz eines zusätzlichen Drehtages fast neuntausend Dollar unter dem ursprünglich veranschlagten Budget zu verbleiben. So blieb die erste Folge allen Beteiligten in positiver Erinnerung, auch Gerd Oswald selbst.
"Die erste [Episode] mochte ich sehr. Eine faszinierende Idee, eine gute Handlung."
Doch das Bild sollte sich mit seinem zweiten und letzten Engagement bei Star Trek drastisch ändern.



Niemand den ich kenne zählt "Auf Messers Schneide" zu den besseren Episoden von Star Trek. Zu Recht, denn die Folge stand von Beginn an unter einem schlechten Stern. Ursprünglich war für die Folge Drew Barrymore, der Vater der gleichnamigen E.T.-Darstellerin verpflichtet worden, doch der Schauspieler nahm buchstäblich Reißaus, als er kurz zuvor die abermals überarbeitete Version des Drehbuchs (es sollte während des Drehs noch mehrfach bearbeitet werden) erhalten hatte. Damit begann ein Wettlauf gegen die Zeit und die Folge wurde zu einer langen Kette an Improvisationen und Ersatzlösungen, die jeden Regisseur vor Probleme gestellt hätten.
Obwohl ihm das Kunststück gelang, trotz der Umstände eines sich ständig ändernden Skripts und eines mit Robert Brown eilig als Ersatz verpflichteten Schauspielers den ersten Tag innerhalb des Zeitplans zu verbleiben, überschlugen sich im Anschluss die Ereignisse. Oswald konnte sich nur schwer einen Reim auf den Inhalt der unfertigen Folge machen, der Dreh begann rasch, das Zeitlimit zu sprengen und der wirre Wechsel zwischen Innen- und Außenaufnahmen verschärfte zusätzlich die Situation. Am Ende musste Oswald gar einen Feiertag nutzen, um die Dreharbeiten zu beenden, was das Budget zusätzlich arg belastete. So blieb sein letzter Auftrag vor allem deswegen in Erinnerung, weil er nicht nur die Zeit überzogen hatte, sondern auch das Budget: Nach "Auf Messers Schneide" hatte sich die Negativbilanz der gesamten Serie von zuvor 20.387$ auf 46.266$ mehr als verdoppelt. Diese Bilanz verbaute es Gerd Oswald, an weiteren Star-Trek-Episoden teilzuhaben, zumal er gegen Ende der Folge einen eher lustlosen Eindruck bei allen Beteiligten hinterließ.



Doch war nicht allein eine Frage der Einstellung oder des Geldes. Auch Gerd Oswald, war als Sohn eines einflussreichen Regisseurs ebenfalls ein Faktor innerhalb dieser Gleichung. Dem konservativen Regisseur, dem von Bruce Hyde "hölzerne, preußische Persönlichkeitsmerkmale" unterstellt wurden und den auch D.C. Fontana für "altmodisch" hielt, machte sich nicht unbedingt Freunde unter den jungen Schauspielern, mit denen er zusammenarbeiten sollte. Er war Anhänger einer tradierten Hierarchie, in der der Regisseur die oberste Position einnahm und die Schauspieler seinen Anweisungen Folge leisten mussten. Damit stieß er vielen modernen Darstellern vor den Kopf. Robert Brown etwa gab zu Protokoll:
"[…] der Regisseur hetzte mich und schubste mich herum. Und er sagte mir, dass er die Schauspielergewerkschaft anrufen würde um ihnen zu sagen, dass ich ein schlechter Schauspieler sei, wenn ich mich nicht mit den merkwürdigen Dialogen beeilen wurde, die mir zugeteilt wurden."
Den größten Widersacher aber fand Oswald ausgerechnet im William Shatner, der ganz eigene Visionen für die Umsetzung seines Charakters James T. Kirk hatte. Entsprechend verstimmt äußerte sich Oswald später über seine Arbeit mit dem Kanadier:
"Nimoy war der Großartigste. Er ist absolut fantastisch. Armold Moss war exzellent. Jeder in der Besatzung war großartig, bis auf Shatner, zu dem ich einfach nicht durchdringen konnte."
Er ging sogar noch einen Schritt weiter, um seine Schwierigkeiten mit dem Star der Serie zu beschreiben:
"Mit Leuten, die wie Shatner mit eigenen Vorstellungen ankommen, kann man unmöglich Regie führen."



Ab dem Ende der Sechziger wird es allerdings still um den verdienten Regisseur. Mehr und mehr zieht er sich aus dem sich verändernden Geschäft zurück. Noch einmal kehrt er für zwei Folgen "Twilight Zone" in den Achtzigern auf den Regiestuhl zurück, bevor er sich vollständig zurückzieht. Am 22. Mai 1989 verstarb Gerd Oswald infolge einer Krebserkrankung schließlich in Los Angeles.



Vorschau.
Im nächsten Teil der Reihe geht es um einen Schauspieler, der im zarten Alter von zwei Jahren Deutschland verließ. Bis heute ist er der Deutsche mit den meisten Auftritten in der Kultshow und hat darüber hinaus noch in einer anderen berühmten Joss-Whedon-Serie als Bösewicht Spuren hinterlassen....

Quellen.
Asper, Helmut G.: Schach den Nazis. Gerd Oswald verfilm Stefan Zweigs Schachnovelle, Artikel hier.
Cushman, Marc; Osborn, Susan: These Are the Voyages. TOS, Season One. San Diego, 2013.
Justman, Robert; Solow, Herbert F.: Star Trek. Die wahre Geschichte, New York, 1996.
Pinkerton, Nick: TCM Diary - Gerd Oswald, In: Filmcomment, 11. August 2017, Website hier.
Volk, Stefan: Wie der weltweit erste Schwulenfilm Tumulte auslöste. In: Spiegel Online, 28. Mai 2019, Artikel hier.
Whitney, Grace Lee: The Longest Trek. My Tour of the Galaxy. Fresno, 1998.


Weiterführende Leseliste.

Star Trek, Deine Deutschen, Teil 00: David Hurst.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 01: Franz Bachelin.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 02: Walter Gotell.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 03: Jesco von Putkamer.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 04: Barbara Bouchet.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 05: Winrich Kolbe.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 06: Reiner Schöne.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 07: Gerd Oswald.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 08: Harry Groener.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 09: Shimon Wincelberg.

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