Montag, 14. Oktober 2019

Turons Senf zum Short Trek "The Trouble with Edward"

Spoilerwarnung.Dieser Eintrag enthält detaillierte Informationen zum Short Trek "The Trouble with Edward". Man sollte nur weiterlesen, wenn man diesen Short Trek bereits gesehen hat.


Einleitung.

Tribbles sind ein fester Bestandteil des Star-Trek-Mythos'. Seit ihrer Einführung in der Originalserie erfreuen sie sich einer großen Beliebtheit bei den vielen Fans der Franchise. Sie sind längst als Kartenspiel, Hausschuhe und natürlich als Kuscheltier erhältlich.
Kein Wunder also, dass viele andere Star-Trek-Ableger auf diesen Zug aufgesprungen sind. So spielen die possierlichen Tierchen neben dem umstrittenen Auftritt in der animierten Serie ebenfalls eine gewichtige Rolle in der legendären Deep-Space-Nine-TOS-Crossover-Episode "Immer die Last mit den Tribbles", erhielten einen denkwürdigen Kurzauftritt in der Enterprise-Folge "Böses Blut" und waren von lebensrettender Bedeutung im Abrams-Reboot-Film "Into Darkness".
Nun schickt sich Discovery an, den kleinen Kult-Objekten einen eigenen Short Trek zu widmen, nachdem sie bereits kurz in "Lakaien und Könige" zu sehen waren und in "Bruder" in einem Nebensatz erwähnt wurden.




Story.
Lynne Lucero hat es geschafft. Nachdem sie sich an Bord der USS Enterprise einen Namen als begabte Wissenschaftsoffizierin gemacht hat, wird sie als Captain auf das Forschungsschiff USS Cabot transferiert, wo sie eine Hungersnot auf einem Planeten nahe der klingonischen Grenze bekämpfen soll.
Aber schon ihr erstes Team-Meeting läuft aus dem Ruder, als sie ihren Offizier Edward Larkin kennenlernt. Der eigenbrötlerische Biologe überschreitet gleich mehrere Grenzen und beginnt schließlich hinter dem Rücken seiner neuen Vorgesetzten an ihrem Stuhl zu sägen, Befehle zu verweigern und genetische Experimente an einer neu entdeckten Lebensform namens Tribbles durchzuführen. Tatsächlich zeigen sich schnell Resultate: Das Schiff wird von einer wahren Flut der kleinen Kuscheltiere überschwemmt, so dass dem frisch gebackenen Captain nur noch eine Lösung bleibt…




Loebenswerte Aspekte.

Sonderblick.
Der Vorteil an den Mini-Episoden namens "Short Treks" ist es, in der Viertelstunde Laufzeit einen völlig anderen Blickwinkel zu präsentieren.
Diesem Motiv bleibt auch "The Trouble with Edward" treu und behandelt einen selten ausgeleuchteten Teil des Sternenflotten-Alltags. Wir sehen nämlich, wie ein Captain (in dieser Rolle wird mit der Alita-Darstellerin Rosa Salazar ein besonders hochkarätiger Gaststar für dieses Format aufgefahren) ihr neues Kommando antritt und dabei nicht auf einen hochdekorierten Schlachtkreuzer, sondern eher ein kleines popeliges Forschungsschiff versetzt wird. Wir erleben ihre ersten Zusammenkünfte mit den neuen Untergebenen, erste soziale Konflikte (mit dem anderen hochkarätigen Gaststar, dem Synchronsprecher H. Jon Benjamin) und beinharten Kommandoentscheidungen.
Dafür bleibt in den anderen Star-Trek-Serien nur vergleichsweise wenig Raum, nicht zuletzt, weil die Charaktere entweder auf die Vorzeige-Schiffe der Flotte versetzt (z.B. in TNG oder "Enterprise") oder aus Gründen der Dramatik munter verschiedene Crews zu einem munteren Haufen zusammenwürfelt werden (z.B. in DS9 oder "Voyager").
Immer wieder bemüht sich die Kleinstfolge – nicht zuletzt durch aufwändige Kamerafahrten, Schnitte und Einstellungen – um eine andere Perspektive und auch die Moral, dass man überall Idioten und den Folgen ihrer Dummheit hilflos ausgesetzt ist, ist eine so schöne wie zeitlose Moral.





Kritikwürdige Aspekte.

Balance.
Eines der Probleme dieser Folge liegt in seiner fehlenden Ausgeglichenheit.
Obwohl es primär darauf ausgelegt zu sein scheint, billige Lacher zu erzeugen (ein Mann in Unterhose, Tribbles im Staubsauger oder eine Conflakes-Werbepersiflage), versucht die Folgen immer wieder auch andere Genres in scheinbar ironischer Weise zu bedienen.
Horrorelemente, die allerdings Trash-Streifen wie "Night oft the Lepus" wie Beispiele hoher Inszenierungskunst wirken lassen.
Oder Action-Anleihen, wobei eine atemberaubende Flucht vor Tribbles in etwa so platt klingt, wie es auf der Mattscheibe dann auch herüberkommt.
Die Balance-Schwierigkeiten setzen sich aber auch innerhalb des Aufbaus fort. So fallen einige Szenen wie die Diskussion zwischen Lucero und Larkin im Bereitschaftsraum deutlich zu lang aus, während die Evakuierung des Schiffes (mit nur einem Shuttle??) hingegen arg kurz ausfällt.
Nicht minder Grund zur Sorge bereit das eigentliche Hauptthema der Folge:
Die ach so süßen Tribbles.
Die werden nämlich von den Autoren völlig neu ausgerichtet und um Aspekte ergänzt, die es entweder in den Vorgängerserien nicht gab oder den dortigen Angaben widersprechen (vergleiche Kanonbrüche und Logiklöcher). Den einzigen Nutzen den die Star-Trek-Vorbilder hier haben ist, als Inspirationsquelle für eine Handvoll Einstellungen zu dienen, die ein falsches Nostalgiegefühl befeuern sollen.
Der größte Bruch der Folge ist und bleibt allerdings die merkwürdige Werbeeinblendung nach dem Abspann der Episode. Nicht nur, dass sie merkwürdig deplatziert wirkt und in etwa so sehr zum Lachen animiert wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung; sie bleibt auch ein Fremdkörper in einer Franchise, in der Geld keine Rolle mehr spielen soll.




Glaubwürdigkeitsverlust.
Mit "The Trouble with Edward" bietet CBS vor allem sinnentleerten Fanservice, der bereits mit dem Mini-Auftritt der USS Enterprise und dem überschaubaren Auftritt Anson Mounts als Christopher Pike beginnt. Dass dann auch noch die Tribbles bemüht werden, um den Fans einen vermeintlichen Leckerbissen hinzuwerfen, passt ebenfalls ins Bild.
Doch dafür geht Autor Graham Wagner über Leichen.
Insbesondere die Edward Larkins.
Klar habe ich mich gefreut, dass H. Jon Benjamin einen Star-Trek-Gastauftritt erhält, aber die Anlage seiner Figur passt auf keine Kuhhaut. Da muss man schon seiner Vorgesetzten Lucero Recht geben, die im Privatgespräch mit ihm das zentrale Problem punktgenau umreißt:

"I don't know how you made it this far in your carreer behaving like this."

Meine sehr freie Übersetzung dazu:

"Ich habe keine Ahnung, wie sie mit ihrem Benehmen in ihrer Karriere so weit gelangen konnten."

Eine berechtigte Frage, wenn man bedenkt, wie elitär die Sternenflotte bei der Auswahl seiner Rekruten vorgeht und welche psychologischen Zulassungsprozeduren junge Kadetten über sich ergehen lassen können.
So gesehen kann man zusammen mit Lucero rätseln, wie jemand wie Edward Larkin überhaupt in den Sternenflottendienst gelangen konnte, wenn ihm das Verständnis für simple moralische Fragen fehlt, er die eigene DNA im Bestäubungsverfahren mit der fremder Lebensformen kreuzt und nicht in der Lage ist, ein intuitives Gerät wie ein PADD zu bedienen. Nein, Larkin ist kein sympathischer Loser wie Reginald Barclay, sondern ein Beispiel für einen Autor, der nicht einmal im Ansatz begriffen hat, welchen erzählerischen Rahmen er einhalten sollte.
Aber es ist nicht allein die Glaubwürdigkeit, die der unnahbaren Figur verloren geht.
Es ist auch seine Würde.
Spätestens nämlich, als Larkin in Unterhose über die Flure der USS Cabot schlendert, wird seine Erscheinung zu einem Sinnbild für diesen Short Trek und dessen eigene Position im größeren Star-Trek-Gefüge.




Kanonbrüche und Logiklöcher.
Vor allem ist "The Trouble with Edward" ein Short Trek, der sich nicht in das größere Gesamtbild einpasst. Beim Anschauen bleiben nämlich eine ganze Reihe von Fragen offen.
Wenn etwa die Trill damals schon zur Föderation gehören, warum musste sich Jadzia Dax in "Immer die Last mit den Tribbles" ihre Flecken überschminken?
Warum hat Pille bei seiner Untersuchung der Fellbälle in "Kennen Sie Tribbles" nicht bemerkt, dass sie menschliche DNA enthalten?
Und wie können Tribbles derart aufsehenerregend zur Evakuierung eines Föderationsschiffes führen, eine ganze Zivilisation zur Evakuierung zwingen und die Grenzregion zu den Klingonen destabilisieren ohne dass die gesamte Crew der Enterprise NCC-1701 davon weiß?
Das sind nur drei Fragen, die man der Folge stellen muss. Mit der Idee, den Spieß umzudrehen und den Ärger mit Tribbles ("The Trouble with Tribbles") thematisch zurück auf die Menschen zu münzen ("The Trouble with Edward"), hat man sich nämlich unnötigerweise auch massenhaft Folgefehler eingebrockt.
Jene Lieder auf den glorreichen Sieg der Klingonen gegen die Tribbles, die Odo in "Immer die Last mit den Tribbles" so sarkastisch vorgeschlagen hatte, wirken jetzt jedenfalls nicht mehr ganz so amüsant wenn man sich vor das Innere der Augen zurückruft, wie Sternenflottenoffiziere mit Phasern bewaffnet Tribbles wie Moorhühner abschießen, nur um kurz darauf vor einem Fell-Tsunami zu fliehen.
Zudem ist mir nicht so ganz klar, wie ein Tribble beim Sturz vom Schreibtisch sterben kann, aber seine eigene, kanonenschussartige Geburt überlebt.
Die niedlichen, aber harmlosen Kreaturen wurden für ein fragwürdiges Gleichnis geopfert und mit vielen Neuerungen gespickt, die nicht nur Widersprüchen auslösen, sondern auch einfach keinen Sinn ergeben.
Denn Tribbles, die sich derart rasant vermehren, Kabel durchbeißen und nicht zuletzt Edward Larkin in der wahren Tribblesflut töten, widerspricht schlichtweg allen vorherigen Darstellungen der harmlosen Vielfraße.
Wusste Wagner etwa nicht was er tat?
Die Hinweise legen eher das Gegenteil nahe.
Die Erwähnung der Heimat dieser Wesen auf Iota Geminorum IV und ihr Wert als Fleischlieferant lassen sich auf Bermerkungen Phlox' zurückführen, die er in der Enterprise-Episode "Böses Blut" zum Besten gab. Das Problem daran ist aber, dass Phlox im gleichen Atemzug davon berichtet, dass die exponentielle Fortpflanzungsrate der Tiere ihren Fressfeinden gegenüber den entscheidenden evolutionären Vorteil bringt. Diese Aussage steht mit dieser Folge allerdings im Widerspruch mit den Ausführungen Larkins, der die Reproduktion der Tribbles gegenteilig beschreibt.
Das bedeutet, dass sich Wagner bewusst dafür entschieden haben muss, diesen Fakt zum Wohle einer löchrigen Story zu ignorieren, weil er ihm nicht in den Kram gepasst hat.

Wenn eine Facepalm allein nicht ausreicht...



Fazit.
"The Trouble with Edward" bringt die Tribbles zurück in den Fokus. Die Folge ist gut besetzt, handwerklich gut gemacht und bietet einen Einblick in den Sternenflottenalltag, den man vergleichsweise selten erhält.
Doch das alles wird durch einen Autor zunichte gemacht, der sich keine Mühe gegeben hat, die Folge ausgeglichen zu gestalten, der Glaubwürdigkeit des Settings Tribut zu zollen oder den Kanon zu beachten.
Mehr noch; durch die Verkehrung des Tribbles-Motivs zu einem menschgemachten Problem begeht er einen kalkulierten Kanonbruch, der die gesamte Folge aus dem Lot bringt.

Bewertung.
So sehenswert wie Edward Larkins gebrauchte Doppelrippschlüpfer.






Schluss.

Ein Tribble macht noch keinen Sommer.
Nur weil sich Graham Wagner hier eines beliebten Motives bedient, dass sich unter Fans großer Popularität erfreut, muss es nicht zwangsweise bedeuten, dass dabei auch ein gutes Produkt entstanden ist. Tatsächlich wirkt selbst die TAS-Episode "Mehr Trouble mit Tribbles" im Hinblick auf diese Begegnung mit Tribbles plötzlich viel besser als noch vor wenigen Tagen – und die wurde von einem farbenblinden Regisseur verwirklicht, dem wir rosa Tribbles verdanken.
Aber "The Trouble with Edward" hat auch etwas Gutes. Eindrucksvoll zeigt es noch einmal die absolute Unfähigkeit der Autoren und Produzenten auf, sich in einer Epoche zu bewegen, die vom offiziellen Kanon eingegrenzt wird und unterstreicht damit abermals deutlich, wie wichtig es gewesen ist, die Discovery vor ihren eigenen Drehbuchautoren zu schützen, indem man das Schiff in eine neunhundert Jahre entfernte Zukunft entkommen ließ.

Denkwürdige Zitate.

"I'm not dumb."
Edward Larkin

"I made one oft he most important scientific discoveries of our time. I'm not the dumb one."
Larkin

"He was an Idiot."
Lynne Lucero



Sonntag, 13. Oktober 2019

Eaglemoss Discovery Nr.16: The Festoon

 

Einleitung

Zivile Raumschiffe sind eher selten in Star Trek zu sehen und über das Leben von Menschen, die sich nicht als Bürger der Föderation sehen gibt es auch nur seltene Einblicke. Einen kurzen bietet die Episode "T-Mudd²" aus "Star Trek - Discovery". Hier versucht der Schurke Harcourt Fenton Mudd die U.S.S. Discovery NCC-1031 zu übernehmen, um sie an die Klingonen zu verkaufen. Natürlich wird Mudd von der Crew des Sternenflottenschiffes überlistet, aber anstatt den Gauner zu verhaften, wird sein Aufenthalt an Baron Grimes übermittelt, der mit Mudd noch ein sprichwörtliches Hühnchen zu rupfen hat. Der Baron ist das beste Beispiel für einen Menschen, der nicht innerhalb der Föderation lebt und als Waffenhändler über ein enormes Vermögen verfügt. Als stereotyper Geschäftsmann hat auch der Baron seine eigene protzige Yacht, ein riesiges Raumschiff, das fast so groß ist wie ein Schiff der Crossfield-Klasse und auf den Namen The Festoon getauft wurde. Und wie könnte man seinen Reichtum am besten zur Schau stellen als mit übertriebenen Verzierungen? So verfügt das Schiff über eine goldene Galionsfigur, die einen Löwen darzustellen scheint. Am Bug erkennt man eine wabenförmige Deflektorscheibe und an der Unterseite sind die elegant geschwungenen Warpgondeln montiert. Ob dieses Schiff über eine Bewaffnung verfügt ist nicht bekannt, aber als Besitz eines Waffenhändlers ist dies sehr nahelegend. 
Baron Grimes will Mudd in die Finger bekommen, da seine Tochter Stella sich total in den Schurken verliebt und Mudd sich beim Baron eine Menge Geld geliehen hat, um für sich und Stella einen Mond zu kaufen. Doch in Wahrheit hatte Mudd sich das Geld geschnappt und ist damit geflohen. Und nicht nur wegen des Geldes, sondern weil der Baron darauf besteht, das Mudd seine Tochter heiratet. Dieser ist aber von der leicht naiven und herrischen jungen Frau genervt und denkt gar nicht ans Heiraten. Von daher ist Harry Mudd wenig bis gar nicht davon begeistert, als The Festoon neben der Discovery längseits geht, der Baron und seine Tochter rüberbeamen und Mudd quasi dazu zwingen mit auf das Schiff des Barons zu kommen.


Die Yacht The Festoon neben der U.S.S. Discovery. (Bild: Memory Alpha)


Das Modell

Der Designer der Schiffes hat ein interessantes Raumschiff entworfen, das Eaglemoss eigentlich sehr gut als Modell umgesetzt hat. Dieses gibt die Formen und Strukturen akurat wieder und auch die Gallionsfigur wurde nicht vergessen. Am Rumpf wurde auch der schlichte Schiffsname vorbildgerecht in einfacher Schrift aufgedruckt und der gute Eindruck wird nur mal wieder bei der Darstellung des Antriebes getrübt. Auch die Warpgondeln sind detailliert ausgefallen und verfügen sogar über Klarteile die aber nicht gelb sind, sondern durchsichtig und mit gelber Farbe übermalt wurden.

Der schlichte Schiffsname wurde nicht vergessen.

Dies gilt auch für die Galionsfigur.

Es sind Klarteile in den Gondeln verbaut, allerdings wurden diese bemalt.

Die Halterung




Begleitheft

Das Heftchen zeigt, wie üblich, in einem inhaltlich überschaubaren Bericht wie das Schiff entworfen wurde. Die The Festoon ist ein gutes Beispiel, wie weit die Computertechnik in den letzten Jahrzehnten fortgeschritten ist und das es kein Problem mehr darstellt, ein Raumschiff auf den Bildschirm zu bringen, das nur einen einzigen Auftritt bekommen soll. Früher hätte man aus Kostengründen eher darauf verzichtet und hätte so ein Schiff nur im Dialog erwähnt. Die Luxusyacht wurde von Ryan Dening entworfen, der zur Inspiration nur einen Hafen für solche Bonzenkisten besuchen musste. Ursprünglich plante Dening sein Raumschiff noch pompöser zu gestalten, was seine Skizzen im Heft zeigen, aber davon wich er wieder ab.




Spezifikationen

 

Daten zum Modell

 

Länge x Breite: ca. 180 mm x 107 mm
Höhe mit Stand: ca. 128 mm
Material: Kunststoff und Metall
Hersteller: Eaglemoss Collections 2019


Bewertung und Fazit

Baron Grimes Yacht gehört mit Sicherheit zu den skurilsten Raumschiffen des neuen Star Trek-Universums und auch das Modell ist ein kleiner Blickfang in der Vitrine.




Samstag, 12. Oktober 2019

Star Trek, Deine Deutschen, Teil 04: Barbara Bouchet

Einleitung.
In Deutschland werden 2019 dreißig Jahre Mauerfall gefeiert und auch die Star Trek Tafelrunde "Hermann Darnell" aus Potsdam Babelsberg möchte diesem Ereignis mit einer ganz besonderen Reihe Tribut zollen, in der - inspieriert vom Leben des kürzlich verstorbenen David Hurst - Deutsche bei Star Trek näher beleuchtet werden. Dabei geht es weniger um Personen wie Levar Burton oder Jeri Ryan, die im Zuge von Militärstationierungen im amerikanischen Sektor Deutschlands das Licht der Welt erblickten. Oder Schauspieler wie Mark Allen Shephard oder Nancy Kovack, die mittlerweile in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben. Selbst deutsche Charaktere wie Keyla Detmer oder Carl Jaeger finden hier keine Erwähnung.
Stattdessen erzählen wir zwischen dem 3. Oktober und dem 9. November 2019 zwölf Geschichten über zu Unrecht hierzulande weniger bekannte Darsteller, Regisseure und anderweitig mit Film und Fernsehen verbundene Personen und deren Beziehung zu Deutschland und Star Trek. Dabei wollen wir zeigen, dass Deutsche stets entscheidend dabei halfen, Star Trek zu dem Kultobjekt zu formen, das es heute ist.


Barbara Bouchet.
Denkt man als Deutscher an berühmte italienische Schauspielerinnen fallen einem vielleicht noch bekannte Namen wie Sophia Loren oder Gina Lollobrigida ein, aber dann wird es auch schon schwierig, denn obwohl das italienische Kino international einen guten Ruf genießt, gelingt deren Schauspielerinnen aufgrund der Sprachbarriere leider nicht allzu oft der Sprung über den Großen Teich und damit zu Weltruhm.
Wenn sich da auch noch die Frage nach einer bekannten Italienerin stellt, die eine Nebenrolle in der Originalserie Star Treks bekleidete, wird man eher auf Zurückhaltung stoßen. Vor allem, wenn diese Italienerin eigentlich eine Deutsche ist. Auch wenn das nur ein Mosaikstein in einer Biografie bleibt, die von Tschechien nach Deutschland und über die USA nach Italien reicht.


Als Bärbel Gutscher (laut einigen Quellen auch Goutscher, Goutscherola oder eventuell Goutscherova) am 15. August 1943 in Reichenberg im Sudetenland geboren wird, tobt in Europa der zweite Weltkrieg. Als der in einer vernichtenden Niederlage für Nazi-Deutschland endet, ändert sich auch schlagartig das gesamte Leben des jungen Mädchens. Reichenberg wird als Liberec Teil der Tschechoslowakei und die Familie, die vor Ort das Adria-Kino (dieses war bis 1939 im Besitz von jüdsichen Eigentümern) betrieb, wird über Nacht heimatlos. Ihr Weg führt ins westdeutsche Bayern, wo die Familie sich schließlich in der Landeshauptstadt München niederlässt. In einem Kino schaut sich die junge Bärbel "Der schweigende Engel" mit der zwei Jahre jüngeren Christine Kaufmann an und beschließt, ebenfalls Schauspielerin zu werden.


Doch zunächst führt das Schicksal die Familie in völlig neue Gestade. Nachdem einem langwieriges Auswanderungsgesuch von den Behörden endlich stattgegeben wird, landet die Familie 1956 im kalifornischen San Francisco.
Hier beginnt der Aufstieg der Teenagerin. Zunächst tanzt sie sechsmal wöchentlich in einer Tanz-Show eines Lokalsenders zu aktuellen Hits vor der Kamera. Schließlich aber gelangt 1959 ein Bild von ihr, dass ihr Vater – ein gelernter Fotograf – geschossen hatte, in die Endauswahl eines Schönheitswettbewerbs, der als Werbemaßnahme für einen Film mit dem (späteren) deutschen Titel "April entdeckt die Männer" aufgezogen wird. Die Fünfzehnjährige gewinnt den Titel der Miss "Gidget" (so der englischsprachige Titel des Teenie-Streifens) und damit nicht nur (erfolglose) Probefilmaufnahmen, sondern auch ein Abendessen mit dem jungen Star des Filmes: einem vielversprechenden jungen Mann namens James Darren.
Ein junger Vic Fontaine am Beginn seiner Karriere
Als sie 1962 endlich volljährig wird, zieht sie von San Francisco nach Los Angeles, aber nicht, um ins Filmgeschäft einzusteigen, sondern um als Modell zu arbeiten. Dabei schreckte sie auch nicht davor zurück nackte Haut zu zeigen und landete bereits im Mai 1965 das erste – aber keineswegs das letzte Mal in ihrer Karriere - im Playboy. Insofern kann man sie als Vorreiterin Denise Crosbys sehen, die vor ihrem Engagement bei TNG ebenfalls in dem prominenten Herrenmagazin abgebildet wurde.
Außerdem ändert sie ihren Namen zu Barbara Bouchet; zum einen, weil der deutsche Name vielen englischsprachigen Auftraggebern Schwierigkeiten bereit und zum anderen, weil der Klang noch immer an ihren ursprünglichen Namen erinnert.


Zudem beginnt sie schnell, erste kleinere Film- und Fernsehrollen zu ergattern. Ihren Durchbruch schafft 1965 mit einer Nebenrolle in "Erster Sieg" an der Seite von Kirk Douglas und John Wayne. Zu ihren bekanntesten Filmen zählt schließlich der Kassenerfolg "Casino Royal", eine Bond-Persiflage, für die die Rechte am gleichnamigen Fleming-Roman erworben wurden und in der sie Mrs. Moneypenny verkörpert. Im Anschluss folgten verschiedene Nebenrollen in kleineren Serien wie "Die Leute von der Shiloh-Ranch" (1967), "Tarzan" (1968) oder "Raumschiff Enterprise": Der Dreh für die Folge "Stein und Staub", die sich heute unter Fans großer Beliebtheit erfreut fand zwischen  10 bis 17. November 1967 statt.


Dabei war Barbara Bouchet eine Frau nach Gene Roddenberrys Geschmack: Ein Playmate, dass keine Probleme damit hatte, in eines der hautengen Kostüme aus der Hand William Ware Theiss' zu schlüpfen. Und auch für die vierundzwanzigjährige Darstellerin war die Serie laut eigener Aussage in vielfacher Sicht erfolgversprechend:
"Ich erinnere mich daran, dass ich Star Trek für eine erfolgreiche Show hielt. Ich denke, dass ich deswegen vorsprach. Meine einzige Erinnerung daran ist die an William Shatner. Ich war in ihn verschossen und bin ein paar Mal mit ihm ausgegangen."


Doch schon zwei Jahre später bricht Bouchet sämtliche Zelte in Hollywood ab, um ihr Glück an einem ganz anderen Ort völlig neu zu suchen. Nachdem ihr Agent ihm empfohlen hatte, für den Dreh des von der Kritik hochgelobten Filmes "Colpo Rovente" (im englischen als "The Syndicate: A Death in the Family" bekannt) nach Italien zu reisen, verliebt sie sich in das Land, die Farben und die Leute.
Sie trifft 1973 den erfolgreichen Produzenten Luigi Borghese, den sie ein Jahre später heiratet und schließlich bringt sie 1976 ihren ersten Sohn Alessandro zur Welt, der heute als eine Art italienischer Jamie Oliver die dortige Fernsehlandschaft bereichert.

Bouchet in "Gangs of New York"
Ihre schauspielerische Karriere auf italienischem Boden wird zunächst von einer Vielzahl von Erotikfilmen, Erotikthrillern oder Erotikkomödien bestimmt, die so vielsagende deutsche Titel wie "Sein Schlachtfeld war das Bett" (1971), "Lollipops und heiße Höschen" (1976) oder "Ein total versautes Wochenende" (1979) tragen.
Vor allem aber ist sie prominent im Kultstreifen "Milano Kaliber 9" (1972) zu sehen, der mit seinen expliziten Darstellungen von Sex und Gewalt zu einer der zentralen Inspirationsquellen Quentin Tarentinos zählt. Der Regisseur nutzte gar 2004 bei einem Filmfestival in Venedig die Gelegenheit, der Schauspielerin persönlich zu gestehen, welch großen Einfluss sie im Besonderen auf sein Schaffen hatte (andere Gerüchte besagen, dass er gar seine Teilnahme am Festival von einem Treffen mit ihr abhängig gemacht haben soll).


Anfang der Achtziger bricht Barbara Bouchet allerdings radikal mit dem Image der Sex-Ikone und wendet sich seriöseren Projekten zu. Unter anderem erlangte sie mit der Produktion von Fitness- und Aerobic-Videos nationale Prominenz. Bis heute arbeitet die unter anderem als "Jane Fonda Italiens" bezeichnete Bouchet als Künstlerin und Schauspielerin (so hatte sie 2002 einen Auftritt in "Gangs of New York"), zumal ihre Rente laut eigener Aussage gerade einmal 511€ beträgt..
Darüber, wo sich die gebürtige Deutsche mit Wurzeln in Tschechien und einer amerikanischen Jugend zuhause fühlt, lässt sie allerdings keinen Zweifel, auch wenn sie aus den Stationen ihres Lebens mehr oder weniger mitgenommen hat.
"Von den Deutschen habe ich meinen Sinn für Pünktlichkeit und Ordnung erhalten, von den Italienern hingegen meinen Sinn für Humor und Fröhlichkeit. Von den Amerikanern habe ich nur sehr wenig angenommen. Ich fühle mich als Italienerin, zumal ich mittlerweile länger in Italien als irgendwo anders gelebt habe."


Vorschau.
Im nächsten Teil geht es um einen Filmemacher, der erste Erfolge mit einer ganz anderen Science-Fiction-Serie feierte, bevor er zu einem der beliebtesten Serienregisseure der Achtziger Jahre aufstieg und schließlich zu einem der vielbeschäftigsten Mitarbeiter bei Star Trek wurde. Er begann eine Beziehung mit einer bekannten Hauptdarstellerin, auch wenn die ihn in ihrer Biografie kaum erwähnt...

Quellen.
Alberti, David Giancritofaro: Barbara Bouchet: Mi sento italiana, decisi io di prendermi una pausa di 20 anni. In: Il Sussudiario, Website hier [10. Oktober 2019]
Boccalini, Siria: Intervista a Barbara Bouchet. In: GossipOne, Website hier. [10. Oktober 2019]
Bouchet, Barbara: Official Site, Website hier. [10. Oktober 2019]
Corriere della Serra (Hrsg.): Barbara Bouchet: Viva con 511 Euro, Website hier. [10. Oktober 2019]
Cushman, Marc; Osborn, Susan: These Are the Voyages. TOS: Season Two. San Diego, 2014, S. 498ff.
di Giulio, Alessio: Barbara Bouchet in Liberec. In: Progretto Repubblica Ceca, Website hier. [10. Oktober 2019]
Glamour Girls of the Silver Screen (Hrsg.): Barbara Bouchet, Website hier. [10. Oktober 2019]

Weiterführende Leseliste.

Star Trek, Deine Deutschen, Teil 00: David Hurst.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 01: Franz Bachelin.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 02: Walter Gotell.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 03: Jesco von Putkamer.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 04: Barbara Bouchet.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 05: Winrich Kolbe.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 06: Reiner Schöne.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 07: Gerd Oswald.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 08: Harry Groener.
Star Trek, Deine Deutschen, Teil 09: Shimon Wincelberg.