Samstag, 9. März 2019

Turons Senf zu Gedächtniskraft [Star Trek Discovery, S2Nr08]

Spoilerwarnung.
Diese Rezension enthält massive Spoiler zu "Gedächtniskraft", der achten Folge der zweiten Staffel "Star Trek Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Folgen der Serie bereits gesehen hat.

I. Einleitung.
Five Year Mission ist eine sympathische amerikanische Band die sich fest vorgenommen hat, zu jeder Folge der Originalserie einen Song zu fabrizieren. Zu "Talos IV – tabu, Teil I" singen sie beispielsweise

"I once was the captain oft the Enterprise, in case you remember me Christopher Pike."

Meine bescheidene Übersetzung zu dieser Textzeile:

"Ich war einmal der Captain der Enterprise, Christopher Pike, falls sie sich erinnern können."

Auch wenn der Star-Trek-Pilot "Der Käfig", in dem Pike zu sehen war, mittlerweile mehr als fünfzig Jahre her ist, hat Captain Christopher Pike spätestens seit den Auftritten Bruce Greenwoods in den Kinofilmen J.J. Abrams' fulminant den Weg zurück ins kollektive Gedächtnis der Fans gefunden. Discovery geht nun gar einen Schritt weiter und holt die historische Figur zurück an den Ort, wo alles begann – nach Talos IV.
Aber warum?
Ist das reiner Fanservice?
Ein geschickter Rückbezug auf den größeren Kanon?
Und was ist nun mit der General Order 7, die den Besuch des Systems unter Androhung der Todesstrafe verbietet?
Diese Rezension sucht Antworten auf diese und viele andere Fragen zur aktuellen Folge Discovery.




II. Story.
Michael Burnham hat es geschafft:
Sie hat ihren Bruder nach Talos IV gebracht, wo telepathisch versierte Bewohner den Verstand Spocks wieder zurechtbiegen. Doch mit der Rückkehr seiner Zurechnungsfähigkeit geht auch ein frostiger Empfang ihres nachtragenden Ziehbruders einher, dem der rote Engel nicht weniger als den Totaluntergang des biologischen Lebens in der gesamten Galaxis (!) in Aussicht gestellt hat.
Derweil brennt auf der Discovery die Luft:
Nicht nur, dass Sektion 31 das Schiff von der Suche nach Burnham und Spock ausschließt; die Crew muss darüber hinaus einen hinterhältigen Maulwurf ausfindig machen, der Daten stiehlt und den Einsatz des Pilzantriebs sabotiert. Als sich die Zeichen verdichten, dass Ash Tyler hinter den unlauteren Machenschaften an Bord steht, wird der Verbindungsoffizier von der Brücke verwiesen, noch bevor sich das Schiff zur Rettung der vermissten Adoptivgeschwister nach Talos IV aufmachen kann.
Und:
Hugh Culber macht Schluss mit Paul Stamets!?




III. Lobenswerte Aspekte.

Eine Frage des Stils.
Heidewitzka, macht das einen Spaß!
Man kann Discovery ja einiges vorwerfen, aber langweilig wird es in der illustren Gesellschaft von Pike, Spock oder Burnham nicht.
Stringent verfolgt auch die achte Folge mit Engelsgeduld ihren roten Faden und versäumt es nicht, den Zuschauer in den Wogen ihrer aufeinander aufbauenden Episoden mitzureißen. Es macht im Moment schlichtweg Spaß, der Serie zu folgen.
Hinzu kommt, dass sie abermals handwerklich auf hohem Niveau daherkommt. Die einzelnen Szenen wirken elegant orchestriert und so bildgewaltig umgesetzt, als wären sie aus einem Comic-Buch entnommen worden sein. Gepaart mit schönen Frischluftaufnahmen der kanadischen Wildnis, kunstvollen Übergängen, ansehnlichen CGIs, aufwändigen Kamerafahrten, einem sehr gelungenen Soundtrack und weitreichenden Rückblicken markiert sie ein weiteres Mal den gesteigerten Standard, den die Serie seit dieser Staffel bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat.
Doch der wahre Höhepunkt ist ein anderer:
Nachdem sich bereits am Ende der letzten Folge angedeutet hatte, dass die Reise ausgerechnet auf das unwirtliche Talos IV gehen würde, wussten voll allem alteingesessenen Fans (Neueinsteiger dürften es trotz der gut gemeinten Videoschnipselshow schwer haben, diese Episode zu verstehen), dass es zu einem historischen Schnittpunkt zwischen der modernen Erzählweise der aktuellen Star-Trek-Serie Discovery und dem nicht ausgestrahlten Originalserien-Pilotfilm "Der Käfig" kommen würde, der immerhin prominent im TOS-Zweiteiler "Talos IV - tabu" weiterverwertet wurde.
Das mag im ersten Moment vor Fanservice gen Himmel stinken, bleibt aber am Ende der Folge erstaunlich unspektakulär, denn die Momente, die dem Planeten und seinen Bewohnern innerhalb der Handlung blieben, waren nicht nur überschaubar, sondern vor allem der Funktionalität untergeordnet: Die Fähigkeiten der Talosianer trugen nicht – wie etwa im Pilotfilm – die Handlung, sondern dienten eher als eines von mehreren erzählerischen Mitteln, um eine der (vielen) Baustellen der Serie schließen zu können. Statt sich ausgiebig an den Erinnerungen des wehrlosen Vulkaniers sattzusehen, helfen sie ihm, seinen Verstand wieder in die richtigen Bahnen zurückzulenken. Dass Burnham im Austausch doch noch die talosianische Gier nach Erinnerungspornografie stillen muss, dient abermals weniger dem Bad in wohltuender Fan-Nostalgie, als viel mehr dazu ein lange vor sich hergeschobenes Geheimnis endlich zu lüften. "Gedächtniskraft" ist eben nicht sympathischer Fanklamauk wie "Immer die Last mit den Tribbles", sondern eine gute Episode Discovery, die mal etwas mehr Star-Trek-Substanz als sonst bietet.
Deswegen bleibt die Folge wohl absichtlich weit hinter den immensen erzählerischen Möglichkeiten der Talosianer zurück (vgl. Kritikwürdige Aspekte) um ein Ausrufezeichen der etwas anderen Art zu setzen:
Nachdem sich Teile der Fanszene schon darin geweidet hatten, der Serie den Status der Zugehörigkeit zum offiziellen Kanon abzuerkennen, tritt sie nun für jedermann deutlich sichtbar den Beweis an, dass sie nicht nur einen fester Bestandteil des offiziellen Kanons repräsentiert, sondern - mehr noch – in der Lage ist, ihn maßgeblich zu beeinflussen. Es markiert sein Revier und unterstreicht, dass die noch junge Serie bereits jetzt schon eine feste Größe ist, die man nicht mehr kleinreden, wegdiskutieren, oder ignorieren kann. 



Zumal der Kanon im Allgemeinen und "Der Käfig" im Speziellen mit liebevollen Querbezügen bedacht werden. Wir hören davon, dass die in "Computer M5" etablierte Duotronik die Schiffs-Computersysteme der Discovery bestimmt, die Abschiedsworte der illusionären Geschwister Spock und Burnham gegenüber Leland erinnert an Datas Verabschiedungsformel in "Der unmögliche Captain Okona" und selbst Burnhams Schmähwort "half-breed" (im Deutschen völlig unzureichend als "Halbmensch" übertragen) für ihren kleinen Bruder wurden (zumindest im englischen Original) in gleicher Form bereits in "Der alte Traum" und "Falsche Paradiese" verwendet.
"Der Käfig" und "Talos IV – tabu" werden mit der Aufnahme der singenden, klingenden Pflanzen, der Sternenbasis 11 und den pulsierenden Adern auf den Schädeln der Talosianer gewürdigt, wobei mein persönlicher Lieblingsmoment jener ist, in dem Pike getreu dem Motto "Manchmal erzählt ein Mann einem Barkeeper Dinge, die er einem Arzt nie erzählen würde." in einem klärenden Gespräch mit Tyler Alkohol (Martini?) ausschenkt.
Abgesehen von ihrem vielleicht streitbaren Umgang mit dem Kanon bleibt der Folge zugutezuhalten, dass sie allerhand überfällige Antworten liefert. Wir können nunmehr in der Gewissheit Ruhe finden, dass Spock wieder normal, der rote Engel ein Mensch und Burnham eine gehässige Adoptivschwester ist.
Im gleichen Moment entlässt uns die Serie aber auch nicht ohne stapelweise neue Fragen aufzuwerfen, die den Spannungsbogen aufrechterhalten. Das Schiff ist auf der Flucht, die Crew hat einen Spion in ihren Reihen, die ehemalige Imperatorin gewinnt Stück für Stück die Kontrolle über die Sektion 31, Culbers Identitätskrise erreicht ihren vorläufigen Höhepunkt und Ash Tylers unglückliche Position zwischen allen Stühlen führt ihn in den sicheren Stubenarrest.
Und wo wir schon bei der Sektion 31 sind [Achtung, es folgt eine Theorie!]:
Wir wissen nun, dass die Aktionen dieser elitären Sparte des Sternenflottengeheimdienstes von einer künstlichen Intelligenz namens Control gelenkt werden und dass in fünfhundert Jahren alles Leben in der gesamten Galaxis (!!) von einem technologisch hochentwickelten Gegner ausgelöscht wird.
Da steht wohl nicht ganz zu Unrecht die Frage im Raum, ob nicht diese künstliche Intelligenz dafür verantwortlich ist und als Gegner des roten Engels nun versucht, über die kybernetische Lebensform Airiam eine anderweitige Beeinflussung dieser Zukunft zu verhindern…




Charaktermomente.
Wer 'Talos IV' sagt, muss auch 'Christoper Pike' sagen.
Abermals läuft Anson Mount zur Höchstform auf und weckt berechtigte Bedenken über die Richtung von "Star Trek Discovery", wenn die bereits bestätigte dritte Staffel ohne seine Beteiligung über die Bühne gehen soll.
Hier darf er aber erst einmal die Folge mit einem persönlichem Logbucheintrag einleiten, einer Frau zärtlich über das Gesicht streicheln und die Besatzung in eine Meuterei führen, die Burnhams Revolte in der ersten Staffel nacheifert. Dabei spult Mount auf professionelle Weise ein Programm ab, dass zwischen unterschiedlichen Emotionsgraden wie nachdenklich, energisch, sinnlich, entschlossen, betrübt, optimistisch oder besorgt eine riesige Bandbreite glaubhaft vermittelt.
Daneben darf Ethan Peck erstmals zeigen, was er als Spock draufhat. Er eifert dabei - gut vorbereitet - dem Vorbild Mounts nach, indem er das fraglos schwere Erbe Leonard Nimoys und die Vorlage Zachary Quintos nicht eins-zu-eins zu kopieren versucht, sondern eine eigene Kontinuitätslinie irgendwo zwischen Nimoys ersten, sehr emotionalen Szenen in "Der Käfig" und dessen frühen Originalserienauftritten schafft. Er orientiert sich weniger am dem Zuschauer hinlänglich bekannten Bild Spocks, sondern nimmt sich ausgerechnet jene turbulente Zeit zum Vorbild, als die Rolle noch nach ihrer Identität suchte und mehrfach aus dem Rahmen brach, den spätere Folgen und Filme etablierten.
Auf diese Weise verpasst er diesem frühen Spock ein ganz eigenes Gepräge und verleiht der frühen Darstellung nachträglich eine Legitimation, die sich am besten im Spannungsfeld zwischen Emotionalität und Logik (wie es Discovery in dieser Staffel näher untersucht) zu zeigen vermag. So gesehen wurde der Ausschnitt eines lachenden Spock wohl nicht ohne Grund in die Diashow zu Beginn der Folge aufgenommen, denn sie spiegelt wieder, dass Pecks Form der Darstellung Spocks keineswegs ohne Vorbild im offiziellen Kanon ist.



Michael Burnham bleibt hingegen trotz des Besuches ihres beliebteren Bruders der Mittelpunkt der Serie und der Nabel des Universums. Tyler vertraut ihr bedingungslos, Pike sucht verbissen nach ihr und Spocks Charakter wurde erst durch ihre Taten zu dem geformt, was er heute ist. Das wirkt wie immer reichlich dick aufgetragen und es gereicht der Situation nicht immer zum besten, dass Burnham als emotionalem Gegenpart zu Spock die Aufgabe zukommt, seinen logischen Ausführungen gefühlsbetonte Reaktionen entgegenzusetzen, die bestenfalls egozentrisch, weinerlich und überdramatisisierend wirken.
Dafür kann freilich Sonequa Martin-Green nichts und in den Parametern, die diese Rolle erlauben, verrichtet sie einen guten Job.
Positiv überrascht war ich von Anthony Rapp, wohl aber vor allem, weil sein Charakter Paul Stamets in der Tat verändert wirkt. Statt des grummeligen Eigenbrötlers sehen wir hier plötzlich einen emotionalen, freundlichen und grundpositiven Menschen, der trotz aller Widrigkeiten versucht, seinem leidenden Partner nach allen Kräften zu unterstützen. Diese neue Seite steht der Figur bestens zu Gesicht, was man von seinem Partner allerdings nicht unbedingt behaupten kann.
Denn Hugh Culber ist nicht nur fremd mit sich selbst, auch ich als Zuschauer entfremde mich mehr und mehr von ihm. Zwar kann ich sein Martyrium und die damit einhergehenden Probleme durchaus nachvollziehen, aber mir fehlt der Anknüpfungspunkt zu dem liebgewonnenen, sanften Charakter aus der ersten Staffel inzwischen so sehr, dass ich mich mehr und mehr frage, ob dessen Wiederbelebung wirklich eine gute Idee war. Klar spielt Wilson Cruz den von Zweifeln zerrissenen Arzt so gut, wie Benjamin Stöwe ihn in der deutschen Synchronisation einspricht, aber der Funke vermag – bei mir persönlich – nicht überzuspringen.
Ash Tyler (Shazad Latif), Saru (Doug Jones), Philippa Georgiou (Michelle Yeoh), Sylvia Tilly (Mary Wiseman), Airiam (Hannah Cheesman) und Leland (Alan van Sprang) absolvierten allesamt stabile Auftritte mit vereinzelten Höhepunkten, ohne dabei allerdings in einer Form hervorzustechen, wie die fünf oben genannten Darsteller es taten. Allerdings wurden für jeden einzelnen von ihnen Fundamente gelegt, um in kommenden Folgen wieder mehr ins Zentrum des Geschehens zu rutschen.
Das Nhan (Rachael Ancheril) wieder zurück in den Schoß einer Besatzung fand, die als Ganzes abermals einen sehr positiven Gesamteindruck hinterließ, war insbesondere im Hinblick auf die Schlussszene (mit einer Crew die geschlossen hinter ihrem meuternden Captain steht) ein Höhepunkt ihrer Entwicklung bis hier her.
Bleibt nur noch, unser Auge nach Talos IV zurückzuwenden.
Gut, ich habe es verpasst, allzu große Ähnlichkeiten zwischen den Vina-Darstellerinnen Melissa George und Susan Oliver zu finden, die über das Statement "Sie sind beide blond." hinausgehen würden. Zudem weist Georges Neu-Interpretation so manchen Unterschied zum Original auf, der besonders traditionsbewussten Star-Trek-Fans gegen den Strich gehen könnte.
Am Ende gelingt meiner Meinung nach dennoch die Transformation einer Frau, deren Daseinszweck in der Vorlage mit dem Prädikat 'Eva' noch recht wohlwollend umschrieben wurde, zu einem Charakter, der eine Beziehung zu Pike hat, die über ein kurzes Techtelmechtel hinausgeht und rechtfertigt, dass er in "Talos IV – tabu" wieder in ihren Schoß zurückkehrt.
Exemplarisch zeigt sich an ihr die Bemühung der Serie Discovery, altbekannte Charaktere zu nutzen um durch sie eine Verbindung zum Kanon aufzubauen und dabei die ein oder andere Wertvorstellung, die seit den Sechziger Jahren zum Glück überholt ist (bestes Beispiel: das Frauenbild) ein Stückweit zurechtzurücken. Das tut nicht nur einer modernen Serie gut, sondern auch einer fünfzig Jahre alten, die heute auch deshalb schwer zugänglich wirkt, weil man sich nur bedingt in die gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit zurückversetzen mag – vor, allem wenn sie auf eine so fortschrittliche Zukunft projiziert werden.




IV. Kritikwürdige Aspekte.

Abramstrek im Discovery-Mantel.
Es wirkt in einer Folge, die sich massiv auf den Pilotfilm Star Treks stützt natürlich etwas schizophren sich zu beschweren, dass man sich zu sehr auf einen der vielen Star-Trek-Vorgänger beruft, aber für eine Serie, die in einer Zeit zehn Jahre vor der Originalserie angesetzt ist, scheint es zumindest im Hinblick auf den Stil der eigenen Show fragwürdig sich der gleichen Bildsprache zu bedienen, die zuvor der unter Fans eher unpopulären Star-Trek-Reboot etabliert hat.
Eine immense Anzahl unnötiger Lensflares, eine omnipräsente Wackelkamera und immer wieder aus den Kinofilmen entlehnte Sounds wecken schon auf einer eher unterbewussten Ebene einen unablässige Bezug zur Neuinterpretation J.J. Abrams'.
Doch während dies in den vorangegangen Folgen gleichermaßen geschah ohne zwangsweise als Kritikpunkt zu enden, geht diese Episode noch ein paar Schritte weiter.
Neben deutlichen darstellerischen Parallelen bei Spock und Pike zeigt sich der Kelvin-Schatten etwa in jenem lichtscheues Wesen, das aus dem trockenen Wald-(!) -Boden von Vulkan bricht wie ein Hengrauggi aus dem Eis von Delta Vega.
Auch der Gedankenrückblick auf eine Zukunft, in der sämtliches Leben in der Galaxis (!!!) von einer fremden Intelligenz ausgelöscht wird, erinnerte in seiner Wirkung massiv an die rote Materie des ersten Abrams-Kinofilms.
Aber man kann diesen Aspekt auch in einem positiven Licht sehen. Der gleichzeitige Einbezug von Elementen aus der Originalserie und dem Reboot könnte gleichermaßen auch als Brückenschlag verstanden werden, der insbesondere in dieser denkwürdigen Folge Alt-Fans, Abramstrek-Jünger und Discovery-Anhänger in ein Boot holt und die Unterschiede zu verwischen versucht.




Kanonbrüche und Logiklöcher.
Wie bereits besprochen ist es ein schmaler Grat zwischen Fanservice und origineller Handlung.
Die Zurückhaltung der Autoren ist in diesem Zusammenhang so sinnvoll wie notwendig, aber auf der anderen Seite lebt gerade Star Trek als abgeschlossenes Universum davon, dass es durch den größeren Kanon innerlich geschlossen erscheint.
Genau ist mit der Darstellung der Talosianer aber nicht gelungen. Dabei hab ich weniger an der optischen Überarbeitung der Supertelepathen auszusetzen, als an der inhaltlichen Darstellung.
In "Der Käfig" erscheinen sie nämlich noch als eine verzweifelte, dem Untergang geweihte Spezies, die sich eine Art Weltraumzoo aus vernunftbegabten Spezies hält, um sich ungefragt an deren Erinnerungen zu ergötzen. Das Spannende und Bedrohliche an diesem Volk ist im Pilotfilm eben der Widerspruch zur Ethik ihrer menschlichen Gefangenen, die ihre individuelle Selbstbestimmung und Unabhängigkeit über ihr eigenes Leben stellen.
Davon ist nur wenig übrig.
Nicht nur, dass die Talosianer plötzlich um Erlaubnis zur Gedankenextraktion fragen; es ist nicht mehr erkennbar, warum über dem gesamten System die (erstaunlich vielen Personen bekannte) General Order 7 verhängt wurde, die ein Betreten unter Androhung der Todesstrafe (!) untersagt. Sieht man diese freundlichen Damen und Herren, die Spock im Austausch gegen ein paar Erinnerungen gleich zweimal vor dem sicheren Tod bewahren, muss man darin eher einen Widerspruch zum großen Kanon erkennen, als den eingangs beschriebenen Schulterschluss.
Zumal die 'große Enthüllung' um den geheimnisvollen Zwischenfall, der Spock und Burnham entzweit hat, völlig unbefriedigend war. Jeder, der selbst Geschwister hat, hat in seinem Leben wohl schwerwiegendere Streitigkeiten mit seiner Sippschaft ausgefochten, ohne damit derart schwere Traumata auszulösen. Klar kann man sich darauf berufen, dass Spock Halbvulkanier ist, aber er bleibt auch zur anderen Hälfte Mensch und dieser lächerlich profane Vorfall verfehlte völlig die Wirkung, einen so tiefsitzenden Konflikt glaubhaften zu begründen. Der so lange herausgezögerte Moment ließ so andere Enthüllungen der Serie (wie Ash Tylers Identität als Voq, Lorcas Herkunft aus dem Spiegeluniversum oder Sareks Bevorzugung Spocks vor Burnham) im Vergleich jedenfalls wie ein clever inszeniertes Gehirnfeuerwerk erscheinen.
Nicht minder verwunderlich erscheint zudem, dass Spock nach dem Teilen seiner Erinnerungen mit Burnham plötzlich wie aus heiterem Himmel geheilt ist. Keine Erklärung erläutert diese rasante Entwicklung, die man mit einer Gedankenverschmelzung genauso gut hätte erzählen können, ohne den Umweg über Talos IV einzuschlagen. Nach einem so gewaltigen Anlauf von immerhin acht Folgen erschien die Blitz-Genesung des Vulkaniers arg überhastet.



Hinzu kommt, dass ausgerechnet Pike, der Dank Anson Mounts Darstellung innerhalb der ersten Folgen eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte, dass in ihm als Captain viel steckt als der ausschnittartige Einblick, den der Zuschauer in "Der Käfig" erhalten hat, hier auf die Ereignisse dieser Episode reduziert wird. Er fällt in die Arme Vinas als wären drei Tage und nicht drei Jahre Zeit vergangen, muss (zur Information des Otto-Normal-Zuschauers) eines seiner Crewmitglieder darauf hinweisen, dass er um den Status des gesperrten Planetensystems weiß und scheint am Ende doch jene Fähigkeiten der Talosianer vergessen zu haben, die er einst selbst am eigenen Leib spüren musste.
Kurzum, die Story klafft abermals vor Ungereimtheiten, halbgaren Erklärungen, ausgelassenen Gelegenheiten, Fehlinterpretationen, Falschdarstellungen und vor allem riesigen Logiklöchern.
Dabei sind die angesprochenen Kritikpunkte mal wieder nur die Spitze des Eisbergs.
"Gedächtniskraft" hinterlässt eine Vielzahl an Fragenzeichen, von denen ich einige final dem Leser zur Rechtfertigung überlasse, statt mich selbst darüber zu ärgern:
Warum hat riesige Discovery-Shuttle hat einen eigenen Transporter, obwohl die "Galileo" Jahre später keinen hatte?
Wenn die Sternenbasis 11 nur zwei Lichtjahre vom Talos-System entfernt ist, warum hat die Enterprise in "Talos IV - tabu" dann so lange dorthin gebraucht?
Ist Andoria seit neuestem plötzlich kein Mond mehr, der um einen Gasgiganten kreist, sondern ein Planet mit Ringen?
Warum gibt es im vulkanischen 'Glühofen' - einer der unwirtlichsten Regionen des gesamten Wüstenplaneten - plötzlich einen Wald?
Warum finden Sektion-31-Holo-Konferenzschaltungen mitten auf dem Flur ihres Schiffes statt?
Verliert Burnhams Shuttle etwa Plasma als es sich Talos IV nähert?
Aus welchem Grund wird bei Vinas entstellter Erscheinung zerzaustes Haar mit abstoßendem Äußeren verbunden?


V. Fazit.
Bei näherem Hinsehen entpuppt sich "Gedächtniskraft" ist nicht als die typische Cross-Over-Folge, die man nach dem Cliffhanger der letzten Woche hätte erwarten können. Stattdessen präsentiert sich die Episode als weiteres spannendes Kapitel in der geschlossenen Serien-Erzählweise, die die Vorlagen aus dem Kanon eher nutzt um die eigene Handlung voranzutreiben, als sich mit Fanservice aufzuhalten. Unter soliden darstellerischen und handwerklichen Leistungen mag die Folge zwar einige Baustellen schließen, doch sie versäumt es im gleichen Atemzug auch nicht, gleichzeitig ebenso viele neue Fragen aufzuwerfen.
So sind es am Ende wieder einmal zu viele unnötige Ungereimtheiten, ausgelassene Gelegenheiten und vermeidbare Logiklöcher die diese Folge hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben lässt.

Bewertung.
Gewohnt gute Folge mit gewohnt gleichen Mängeln.






VI. Schluss.


"You're not my hero, what are You doing in my world?"

Meine abermals bescheidene Übersetzung dieser Zeilen des Five-Year-Mission-Gassenhauers zu "Der Käfig" (mit Reimversuch!):

"Du bist nicht mein Held, was treibst Du in meiner Welt?"

Nein, Pike mag nicht wie Burnham im Mittelpunkt der gesamten Serie stehen. Und doch schafft der charismatische Captain es immer wieder, durch seinen historischen Einfluss den Rest der Discovery-Besatzung in ein Star-Trek-Fahrwasser zu lotsen, in das sie aus eigener Kraft wohl nicht gelangt wären.
So ist es nur schlüssig, dass der Weg der Discovery unter dem Kommando Christopher Pikes über kurz oder lang auch über Talos führen muss; egal wie tabu der Planet auch immer sein mag.
Je länger der Mann auf dem Stuhl sitzt, desto mehr lässt sich erahnen, dass er eine tiefe Spur in der Serie hinterlassen wird. Wer weiß, vielleicht trifft der Kommentar Damons bei der Rezension zur letzten Episode ja zu, dass am Ende hinter dem roten Engel gar dieser Christopher Pike steht, dem auf bei seinem ausgedehnten Krankenurlaub auf Talos IV durch die Einwirkung der Talosianer als einziger bekannter Figur immerhin die Möglichkeit offenstünde, im 28. Jahrhundert noch am Leben zu sein. Es wäre sicherlich ein versöhnlicheres Ende, als abermals Michael Burnham mit noch mehr Aufmerksamkeit zu überfrachten.




Denkwürdige Zitate.

"War das eine Illusion? Das ist ein Test gewesen! Jetzt sind wir wie Alice im Wunderland hinter dem Spiegel."
Michael Burnham

"Immer rein in mein Büro…"
Sylvia Tilly

"Ich kenne das so: Wer den Phaser hat, stellt die Fragen…"
Burnham

"Der Vulkanier empfindet Zeit als fließendes und nicht als lineares Konstrukt. Die konventionelle Logik hat ihn nicht weitergebracht."
Talosianerin

"Jetzt verstehst Du."
Spocks erste Worte

"Was ist denn bitte normal daran? Das hat es noch nie gegeben, dass Du für uns Essen gemacht hast!"
Hugh Culber

"Wieso bist Du so wütend auf mich?"
"Weißt Du was, das ist eine gute Frage."
Paul Stamets und Culber

"Mr. Tyler, das ist mein Schiff. Und noch wichtiger: Meine Crew. Ich gebe die Suche nicht auf. Ich lasse keinen im Stich; erst recht nicht, wenn Anschuldigungen bestehen, deren Berechtigung ich anzweifle."
Christopher Pike

"Wenn Sie Burnham mehr vertrauen als Sektion 31 – wieso arbeiten Sie dann für die?"
"Die agieren zwar in Grauzonen, doch ich schätze ihr Engagement für die Sicherheit aller Mitglieder der Föderation. Bei allem was war und was ich jetzt bin, kann ich dort von Nutzen sein."
Pike und Ash Tyler

"Spock! Du hast den roten Engel gesehen."
"Zuerst als Kind. Und dann vor ein paar Monaten."
"Wer ist er? Was ist er?"
"Wenn ich das wüsste, wären wir nicht hier."
"Das war eher eine rhetorische Frage."
"Als hätte ich mich das nicht auch schon selbst gefragt."
"Können wir unserem Gespräch eine andere Wendung geben?"
"Hast Du eine substanzielle Frage parat?"
"Ja; gibt Dir der Bart irgendwas?"
Burnham und Spock

"Eine mögliche Zukunft. Und die hängt unter Umständen von unseren Handlungen ab. Von Deinen und meinen."
"Von Deinen und meinenSpock, es gibt so vieles das ich…"
"Nein! Ich bin hier nicht um Dir Absolution zu erteilen, Michael Burnham. Es geht hier nicht um Deine Gefühle."
"Und ich bin so blöd und nehme das persönlich."
Spock und Burnham

"In der Vergangenheit werden Sie die Antworten nicht finden, Doktor. Stattdessen müssten Sie mich fragen, wieso ich mich an die Zukunft erinnere…"
Spock

"Ich weiß nicht mal, wer ich bin…"
"Was soll ich denn da sagen…"
Culber und Tyler

"Und Sie haben diesen Kampf zugelassen?"
"Ich war der Meinung die Konfrontation diene als notwendige und unausweichliche Katharsis. Für beide übrigens."
"Aber schwerlich als Beispiel korrekter Konfliktbewältigung…"
"Das Handbuch der Sternenflotte stellt leider keine verbindliche Richtlinie zum Thema Interaktionen zwischen Menschen mit eingepflanzten Klingonen und von den Toten wieder auferstandenen Schiffsärzten zur Verfügung."
Pike und Saru

"Captain, der rote Engel hat mir das Ende unserer aktuellen Zeitlinie offenbart. Wenn wir unserem Schicksal entkommen wollen, müssen wir der Vorsehung des Engels folgen."
Spock

"Sicherheit ist ein relatives Konstrukt und hat keine einheitliche Bedeutung."
Spock

"Wenn man's genau betrachtet, bin ich Dir dankbar. Deine Worte haben mir gezeigt, wie negativ meine menschliche Seite war."
"Nein, Deine menschliche Seite war wunderschön."
Spock und Burnham

"Im Versuch den Emotionen zu entkommen – und Dir – bin ich vollkommen in die Logik eingetaucht. Aber das Fundament meiner Logik – meiner Konstante – ist immer die Zeit gewesen. Jetzt lässt Die Zeit mich im Stich. Die Logik lässt mich im Stich. Die Emotionen lassen mich im Stich. Ich habe nichts worauf ich mich verlassen kann, doch genau das muss ich tun. Dieser Moment könnte für viele Zivilisationen und Millionen von Leben entscheidend sein, und ich bin nicht vorbereitet."
Spock

"Sehe ich in ihrem Gesicht etwa ein Lächeln?"
"Ich glaube schon. Ja."
Pike und Spock

"Jedenfalls sollten wir einen neuen Kurs setzen. Denn in ein paar Minuten…"
"... wird die Discovery das meistgesuchte Schiff der Galaxis sein."
 Pike und Saru

"Ich kann von keinem von Ihnen verlangen sich an etwas zu beteiligen, das einen klaren Akt des Ungehorsams…"
"Welchen Kurs, Sir?"
"Bewegen wir uns und zwar schnell!"
Pike, Kayla Detmer und Tilly

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitsturm"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"
Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"

Dienstag, 5. März 2019

Eaglemoss Bonus-Edition Nr.9: U.S.S. Bonaventure NCC-1000

Einleitung

Was für ein Raumschiff ist die Bonaventure? Auf jedenfall eines, das niemals in irgendeiner Star Trek-Serie zu sehen war.
Doch wo kommt das Schiff nun her?
Die Antwort ist eigentlich ganz simpel, den als die Serie "Star Trek - Enterprise" 2005 eingestellt wurde, hieß es damals es wird nie wieder etwas produziert, was den Titel Star Trek im Titel haben wird. Zum Glück wurde das Stigma dieser Hiobsbotschaft mit dem Film von 2009 und der aktuellen Serie "Star Trek - Discovery" durchbrochen. Aber damals waren die Designer noch lange Zeit dem Star Trek-Universum treu und dachten immer wieder "Was wäre wenn?" Diese kreativen Köpfe entwickelten dann Schiffsdesigns für den Star Trek -  Ships of the Line Calendar, der seit 2001 alljährlich erscheint.
Dort, in der Ausgabe von 2006, taucht die U.S.S. Bonaventure NCC-1000 auf und das Schiff stammt aus der Feder von Aristomenis Tsirbas. Die Idee für das Schiff stammt aus der Frage, welche Schiffsklasse zu Beginn des 23. Jahrhunderts die alternde Daedalus-Klasse ersetzen würde und so dachte sich Mr. Tsirbas die Sternenflotte würde noch einmal auf das bewährte Design der NX-Klasse zurückgreifen, aber mit  den modernen Komponenten die zu dieser Zeit zur Verfügung stehen. So entstand die Bonaventure-Klasse, die den ersten Schritt in Richtung der Constitution-Klasse darstellt, die ja auch ab den 2240ern in Dienst gestellt wurde. Der Name stammt übrigens aus der schon fast vergessene Star Trek-Zeichentrickserie wo ein Raumschiff mit dem Namen U.S.S. Bonaventure 10281NCC in der Episode "Die Zeitfalle" zu sehen war.

Das CGI-Bild, das im Kalender zu sehen wahr. (Bild: memory beta, english)

Die U.S.S. Bonaventure 10281NCC (Bild: memory alpha)

Das Modell

Na sowas, es geht ja😱...
Gemeint ist das schöne Aztec-Muster dass das Modell überzieht und eine so feine Bedruckung hätte ich mir bei einigen älteren Modellen dieser Größe auch gewünscht. Gut gelungen sind auch die Logos der Sternenflotte nebst Zierstreifen, Schiffsname und die Piktogramme auf der Unterseite. Schön sind auch die tiefroten Bussardkollektoren der Warpgondeln und auch diese herrliche Old-School-Deflektorschüssel am Bug. Doch es wäre kein Eaglemoss-Modell, wenn es nicht auch etwas daran auszusetzen gäbe. Fangen wir mal wieder mit den Fenstern an, denn diese sind gar nicht vorhanden, bzw. nur mit schlecht zu erkennenden Mulden dargestellt. Hätte man die nicht einfach aufdrucken können? Am Heck des Schiffes befindet sich natürlich der obligatorische Impulsantrieb, doch dieser ist nur trostlos angedeutet und hat auch keinerlei Farbe abbekommen. Auch bei den Warpgondeln versäumt es Eaglemoss mal wieder ein optisches Highlight zu schaffen, denn bei der Bonaventure leuchten die Warpfeldgitter noch blau, was am Modell nur mit Farbe angedeutet wird obwohl blaue Klarteile dort deutlich besser gewesen wären. Letztes Ärgernis ist der klaffende Spalt der Trennlinie auf der Unterseite, wobei das Zusammenführen der Materialien hier etwas sorgfältiger hätte ausfallen können.

Das Aztec-Muster ist einfach nur Klasse.

Der Deflektor erinnert an die klassische Enterprise.

Die Bussardkollektoren sind rote Klarteile.

Aber die Warpfeldgitter sind wieder mal nur aufgemalt.

Am Heck befindet sich der trostlos dargestellte Impulsantrieb.

Die klaffende Trennlinie auf der Unterseite.

Die Halterung

Irgendwie ist diese schlecht konstruiert. Die Pylone des Modells passen nicht perfekt in die Haltebacken und es macht den Anschein, als ob die Halterung für ein anderes Modell gedacht war. Dringende Empfehlung, das Modell nicht mit Gewalt schieben, denn es passt nicht ganz hinein.



Begleitheft

Die ersten Seiten erzählen wie Aristomenis Tsirbas das Schiff entworfen hat und zeigen einige Zeichnungen aus der Entwicklungsphase. Darauf folgt ein Artikel der beschreibt, wie der Ships of the Line-Kalender entstanden ist, der immer noch alljährlich erscheint. Der letzte Artikel beschäftigt sich mit einer weiteren Star Trek-Legende, nähmlich Doug Drexler, der unzählige Designs und Raumschiffe für vier Serien kreierte.


Spezifikationen

 

 

Daten zum Modell

 

Länge x Breite: ca. 136 mm x 64 mm
Höhe mit Stand: ca. 71  mm
Material: Kunststoff und Metall
Hersteller: Eaglemoss Collections 2019


Bewertung und Fazit

Eine nette Idee dieses Schiff als Modell zu produzieren. Die U.S.S. Bonaventure erweitert die Sammlung um ein weiteres Non-Canon-Modell.



Samstag, 2. März 2019

Turons Senf zu "Licht und Schatten" [Star Trek Discovery, S2Nr07]

Spoilerwarnung.
Diese Rezension enthält massive Spoiler zu "Licht und Schatten", der siebenten Folge der zweiten Staffel "Star Trek: Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und andere Folgen der Serie bereits gesehen hat.




I. Einleitung.
Sind wir etwa die Bösen?
In einem kürzlich von Philipp Walulis erstellten Video holt der Fernsehsatiriker zu einem Rundumschlag aus und erklärt die Diskrepanz zwischen den oft weit auseinander klaffenden Bewertungen professioneller Kritiker und denen frenetischer Fans dadurch, dass sich letztere Gruppe selbst des Vergnügens beraubt, Filme, Serien oder Einzelfolgen genießen zu können. Zu oft stellen sie sich selbst ein Bein, weil sie zu hohe Erwartungshaltungen an den Tag legen, sich in Theorien verschiedenster Qualität verlieren oder erzählerischen Neuerungen nicht aufgeschlossen gegenüberstehen.
Und Walulis hat recht.
Vieler seiner Ausführungen kann ich mich vorbehaltslos anschließen, zumal bereits in der ersten Staffel Discovery den wilden Spekulationen der Fans Tür und Tor geöffnet wurden – nicht zuletzt durch Rezensionen wie diesen hier.
Sollte man aus diesem Grund nicht besser auf diese Fan-Kritiken gänzlich verzichten, um den Kreislauf zu durchbrechen?
Nein!
Rezensionen für Fans von Fans haben eine Daseinsberechtigung.
Dass Star Trek Discovery nämlich momentan in aller Munde ist, liegt vor allem daran, dass sich Fans jeglicher Couleur damit auseinandersetzen, darüber diskutieren und auch darum streiten. Man kann und sollte als Trekkie auch eine Meinung über eine neue Serie haben dürfen und so, wie die Discovery viele begeisterte Fans hat, muss man auch der anderen Seite das Recht einräumen, damit nichts anfangen zu können.
Und da liegt der Wert von Fan-Rezensionen.
Sie geben ein Stimmungsbild jener Szene ab, die auch in den dunklen Jahren ihrer Franchise die Treue gehalten hat. Sie bieten eine Perspektive, die nur wenige professionelle Kritiker einbringen können. Und sie sind am Ende des Tages nur Einzelmeinungen bestimmter Autoren, denen man sich zum Teil, aber sicherlich nie in Gänze anschließen kann.
Womit wir die perfekte Überleitung für die Rezension dieser Woche auch schon gefunden hätten…




II. Story.
Panik auf der Discovery!
In einem Anflug spontanen Heldentums hat sich Captain Christopher Pike zusammen mit Ash Tyler hinter das Steuer eines Shuttles geworfen, um eine temporale Anomalie genauer unter die Lupe zu nehmen, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Auftauchen des roten Engels steht.
Doch es kommt wie es kommen musste.
Das Shuttle geht in diesem Riss in der Zeit verloren und die Crew arbeitet auf Hochtouren, um ihren Kommandanten und den Sektion-31-Verbundungsoffizier zurück an Bord zu holen. Ihre Trumpfkarte heißt Paul Stamets, dessen Immunität gegen Raum-Zeit-Verwerfungen den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen kann.
Vom ganzen Trubel an Bord bleibt allein Michael Burnham recht unbeeindruckt, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie einen Spontan-Urlaub auf ihrer vulkanischen Heimat eingelegt hat.
Als sie den düsteren Machenschaften ihrer eigenen Mutter auf die Schliche kommt, findet sie endlich, was sie seit so langem so verzweifelt sucht:
Ihren bärtigen Adoptivbruder Spock




III. Lobenswerte Aspekte.

Strickmuster.
Endlich ist er da!
Nach sechs Folgen vergeblichen Hoffens taucht nun in der siebenten (von insgesamt vierzehn Episoden der Staffel) der langerwartete Star-Trek-Messias Spock auf.
Doch wer allen Ernstes damit Auflösungen, Aufklärung oder gar Antworten in irgendeiner Form verbunden hat, sieht sich abermals getäuscht.
Im Gegenteil, statt Erzählstränge zu schließen werden munter neue aufgemacht.
Burnham ist durch einen Terroranschlag Waise geworden?
Jetzt kennen wir den Verantwortlichen!
Der rote Engel (jetzt in überarbeiteter Form im Vorspann!) war bislang der Retter in der Not?
Jetzt ist er beinahe für den Tod Pikes und die Infiltration eines Crewmitgliedes verantwortlich!
Wohin führt der vom roten Engel in den Wahnsinn getriebene Spock seine Adoptivschwester Michael Burnham?
Ausgerechnet in Pikes Gedankengefängnis auf Talos IV!
Die Menge an Fragezeichen in den Köpfen der Zuschauer wird kontinuierlich weiter erhöht, anstatt ihm in diesem überschaubaren Erfolgsmoment eine kleine Atempause zu gewähren. Andere Baustellen wie die Folgen Culbers abrupter Wiederbelebung, Burnhams ach so teuflischen Verhaltens gegenüber ihrem Adoptivbruder oder Sarus Transformationsprozess werden hingegen - ohne auch nur in einem Wort angeschnitten zu werden - weiter auf die lange Bank geschoben, wo sie geduldig auf eine Behandlung warten.
Das Merkwürdige dabei ist, dass man sich als Zuschauer inzwischen nicht mehr davon stören lässt. Die kurzweilige Folge hat nicht zuletzt in dieser atemberaubenden Fülle von Enthüllungen, vermeintlichen Lösungen und unerwarteten Entwicklungen ihren Reiz, die gesamte Serie in diesen Aspekten gar ihren Stil gefunden. Nachdem mittlerweile die Hälfte der zweiten Staffel ausgestrahlt worden ist, bleibt festzuhalten, dass sie sich nicht nur von den düsteren Schatten der ersten Staffel befreit hat, sondern darüber hinaus eine positive Richtung eingeschlagen hat, die deutlich optimistischer in die Zukunft blicken lässt.
Darüber hinaus ist "Licht und Schatten" eine handwerklich gelungene Folge mit mittlerweile zu Serienstandards erhobenen Elementen wie grandiose CGIs (Außenaufnahmen der Discovery, des Shuttles, der Sonde, Vulkans, des Asteroidenfeldes), ein großartiger Soundtrack, aufwändige Szenenwechsel, Schnitte und Kameraschwenke sowie porentiefe Nahaufnahmen bei Dialogen.
Dabei kann man darüber hinwegsehen, dass zu diesen Standards längst auch typischen Abrams-Elemente wie Wackelkamera und Lensflares gehören.
Zudem kann man erleben, wie neben dezenten Kanon-Referenzen auf den Mutara-Sektor, katras oder Talos IV ein ganz besonders traditionsreiches Star-Trek-Sujet angeschnitten wird: Zeitreisen. Dieses klassische Kopfschmerzthema wird mit passenden Kommentaren gewürzt, geschickt mit der eigenen Serienerzählweise verwoben (etwa mit dem Bezug auf die Episode "T=Mudd²") und (als Herkunftsort des roten Engels) gar zum Staffelgegenstand erhoben. Dass es nicht ein wenig zu sehr in die Richtung 'Temporaler Kalter Krieg' (TKKg) geht, werden zukünftige Folgen aber erst noch unter Beweis stellen müssen.
Noch mehr Star-Trek-Feeling verleiht allerdings die Zusammenarbeit der Crew dieser Folge. Sie wächst nicht nur an ihren Aufgaben, sondern auch zusammen. So wie Pike und Tyler ihre Differenzen überwinden, um in etwas überstürzter Manier zu 'best buddies' zu werden, bauen auch Burnham und Georgiou, Stamets und Tilly und natürlich Burnham und Spock ihre Beziehungen zueinander aus. Vor allem aber erhält die Crew mehr Raum in Erscheinung zu treten, was in der Aufwertung der mysteriösen kybernetischen Figur Airiam (die gleichzeitig Erinnerungen an Data und HAL 9000 weckt) seinen Höhepunkt findet.
Kurzum: Die Regiedebütantin Marta Cunningham (übrigens die amerikanische Ehefrau des britischen Sarek-Darstellers James Frain) macht einen guten Job in einer Folge, die symptomatisch für die positive Entwicklung der Serie in der zweiten Staffel herhalten kann.
Allerdings fehlt der mit vierzig Minuten im Vergleich zu den letzten Episoden etwas kurz geratenen Folge ein echter Abschluss. Viel eher sitzt man am Ende etwas irritiert vor dem Fernseher um sich etwas ungläubig zu fragen, ob das jetzt schon alles war. De Gründe dafür sind mannigfaltig. So gibt es beispielsweise einen Monolog Burnhams, der die Folge einleitet, aber keinen, der sie abschließt. Alles geht viel zu glatt. Lediglich der Erzählstrang an Bord der Discovery wird beendet, während der um Spock und Burnham in einem wenig aussagekräftigen Cliffhanger mündet. Das Ende von "Licht und Schatten" scheint jedenfalls eher wie die erste Hälfte einer Folge, bei der irgendjemand zu frühzeitig den Stecker gezogen hat.




Charaktermomente.
Auch in der siebenten Folge der zweiten Staffel erleben wir mehr Licht als Schatten.
Unter den Lichtgestalten lässt sich der Name Christopher Pike ganz weit vorne finden.
Das liegt nicht nur darin begründet, dass Anson Mounts darstellerische Leistungen mal wieder den gesamten Handlungsstrang an Bord dominieren. Nein, seine ausgeprägten Antipathien zu Ash Tyler, werden hier durch besonders schnippische Wortgefechte verdeutlicht, die erahnen lassen, wie viel Spaß den Autoren das Schreiben der Dialoge dieser Folge bereitet haben muss. Dabei sieht man nicht nur den fröhlichen (wie aus den Abramstrek-Filmen), sondern auch den nachdenklichen Pike, der (wie etwa in "Der Käfig") vehement mit sich selbst hadert. Mount spielt beide scheinbar konträren Seiten der Figur mit einer unaufdringlichen Glaubwürdigkeit, die eine perfekte Brücke zwischen beiden Universen schlägt.
Sonequa Martin-Green als Michael Burnham hingegen macht ihren Job nicht schlecht, aber ganz persönlich empfand ich ihre Figur stets dann am spannendsten, wenn sie von Arista Arhin in diversen Rückblicken auf Vulkan verkörpert wurde. Zwar gab es darüber hinaus noch die ein oder andere durchaus angenehme (weil nicht zu übertrieben sentimentale) Szene, doch als erwachsene Burnham wusste sie vor allem in der Zweikampfszene mit Michelle Yeoh zu überzeugen.
Der Zweikampfpartnerin Philippa Georgiou gelang ebenfalls ein Ausrufezeichen zu setzen. Neben den Kug-Fu-Einlagen war ihre Darstellung insofern ansprechend, dass man sich ihrer Figurenmotivation zu keinem Zeitpunkt sicher sein kann. Sicherlich hat sie nicht aus reiner Nächstenliebe gehandelt, als sie Burnham zur Entführung ihres Bruders anstiftete – auch wenn sie wieder einmal eine unabstreitbare Schwäche für diese Version ihrer Spiegeluniversumsziehtochter offenbart. Und sicherlich beschränkt sich ihr Verhalten nicht allein darauf, ihrem direkten Vorgesetzten eines auszuwischen – obgleich ihr dies sichtbar Freude bereitet. Dass sie ganz nebenbei auch noch eine der maßgeblichsten Enthüllungen dieser Folge zum Besten gibt (vgl. Denkwürdige Zitate) zeigt deutlich auf, dass man von ihr in Zukunft eher noch mehr, als weniger sehen wird.
Neben Pike stachen in meinen Augen aber vor allem zwei andere Schauspieler im Zusammenspiel heraus: Mia Kirshner als Amanda Grayson und James Frain als Sarek.
Denn Hand auf's Herz: Mir hat der leblosen Beziehung der beiden stets die Nachvollziehbarkeit gefehlt. Als hätten sich beide nach einer Annonce mit dem Wortlaut "Einsames Menschenweibchen sucht erfolgreichen vulkanischen Diplomaten zwecks Eheschließung, um ihm auf die einsame Wüstenwelt zu folgen und ein tristes Leben als gehorsame Hausfrau und folgsame Mutter zu führen, Chiffre: PonFarr4free" gefunden, bildete ihre Beziehung tatsächlich einen der dringendsten Punkte auf der Originalserien-Figurenliste, der einer Überarbeitung bedurfte.
Und die ist durchaus gelungen.
Amanda Grayson thematisiert offen und selbstbewusst (wenn auch mitunter an Über-Mutterinstinkten leidend) die Probleme ihrer Beziehung, während ihr Mann Sarek seiner Frau den berühmten vulkanischen Stoizismus entgegenhält und für den Bruchteil einer Sekunde nur eine minimale Prise Emotion erahnen lässt. Plötzlich sieht man Leidenschaft und Feuer in einer Beziehung, deren Daseinszweck in "Reise nach Babel" noch vor allem komödiantische Züge trug.



Neben diesen fünf großen Höhepunkten gibt es eine Reihe kleinerer.
Alan van Sprang etwa, der als Sektion-31-Repräsentant Leland erschreckende Überzeugungskünste offenbart und dem Zuschauer zeitweilig ein ähnlich beruhigendes Gefühl wie Michael Burnham beschert.
Oder Anthony Rapp als Paul Stamets, der sich nicht nur in die Gefahrenzone katapultiert, sondern quasi im Vorbeimarsch das labile Ego von Sylvia Tilly aufpoliert.
Oder Shazad Latif alias Ash Tyler, der nach endlosen Grabenkämpfen mit Pike seinen Frieden mit dem neuen Kommandanten der Discovery gemacht zu haben scheint.
Und natürlich Ethan Peck, dessen langersehnter erster Auftritt als Spock zwar über große Strecken unter einem Mantel des Schweigens (bzw. wirren Brabbelns) verdeckt blieb, aber in lichten Momenten durchaus andeuten konnte, dass er in kommenden Folgen für ordentlich Furore sorgen wird.
Tilly [Mary Wiseman] und Saru [Doug Jones] hingegen konnten einige nette Momente (z.B. ihre gemeinsame Spekulation über ihren wahrscheinlich verlorenen Captain) für sich in Anspruch nehmen, ohne allerdings von ähnlich großer Tragweite wie die zuvor genannten Charaktere zu sein. Das fiel aber auch nicht allzu sehr ins Gewicht, denn sie waren – zusammen mit Rhys, Detmer, Owosekun, Bryce und Airiam - Teil einer gut geölten Discovery-Maschinerie, die mit jedem einzelnen Zahnrad dazu beitrug, ihren Captain vor dem Verschwinden in einer Zeit-Anomalie zu bewahren. Diese inspirierende Team-Arbeit war wie bereits angemerkt der bestimmende Star-Trek-Moment dieser Episode.
Am Ende ließe sich daher fabelhaft darüber streiten, ob es der Folge gutgetan hätte, auch noch andere Crewmitglieder wie Jett Reno, Nhan, Linus oder Doktor Pollard in diese illustre Runde zu integrieren. Aber dass ausgerechnet Wilson Cruz alias Hugh Culber nach seinen Identitätsfindungsschwierigkeiten in der letzten Episode nun noch nicht einmal Erwähnung findet, bleibt schlussendlich einer der wenigen dunklen Flecke auf der ansonsten sauberen Weste von "Licht und Schatten".

Sci-Five!



IV. Kritikwürdige Aspekte.

Merkwürdige Bezüge zur Gegenwart.
Michael Burnham ist eine Frau, die ihren Weg geht.
Das merkt man schon an ihrem eigentlichen männlichen Vornamen, der in Verdrehung des Johnny-Cash-Klassikers "A Boy Named Sue" dafür sorgt, dass sie trotz aller Schwierigkeiten besteht. Sie ist tough, intelligent und selbstbewusst, kurzum ein Musterbeispiel in puncto weibliches Rollenvorbild bei Star Trek.
Aber gleich die Eingangsszene dieser Folge hat mich genau wegen dieses Anspruchs gestört.
Klar hat Burnham ihren eigenen Kopf und geht ihren eigenen Weg, aber dass sie tatsächlich die Koffer packt, bevor sie von Pike die Erlaubnis für einen Landurlaub erhält (vgl. Denkwürdige Zitate), ist ein völlig falsches Signal.
Captain  Pike ist nämlich nicht nur irgend ein Mann der sich den Wünschen seiner Offizierin aus purem Chauvinismus in den Weg wirft; er ist ihr vorgesetzter Captain, in dessen Verantwortungsbereich es unter anderem liegt, seiner Crew Urlaub zu erteilen oder auch zu verwehren, wenn seiner Meinung nach die Umstände einen Verbleib des Mannschaftsmitgliedes an Bord verlangen. Burnhams trotziges Kofferpacken ist dadurch keineswegs feministische Eigeninitiative, sondern ein bedenklicher Umgang mit der Befehlskette, die in einer hierarchischen Organisation von vitaler Bedeutung ist. Bricht Burnham mit diesem Grundprinzip, dann bricht damit die Serie mit der Glaubwürdigkeit des Konstrukts einer Sternenflotte, in der sich Frauen und Männer gleichermaßen am Rangsystem orientieren und zum Wohl der Gemeinschaft dessen Einhaltung befördern.
Zudem sendet es das Signal aus, dass Burnham eben nicht aus ihrer temporären Degradierung wegen Meuterei gelernt hat, sondern ungebrochen die gleiche Aufmüpfigkeit an den Tag legt, durch die die Föderation von iihr schon einmal in einen verheerenden Krieg geführt wurde.
Aber Feminismus ist ein hochaktuelles Thema und in Zeiten, in denen Frauen noch immer nicht einmal das Gleiche verdienen wie Männer auch ein legitimer Gegenstand für eine gesellschaftskritische Science-Fiction-Serie wie Star Trek. Doch an dieser Stelle hätte man vielleicht besser abwägen sollen, ob dieses Statement es wirklich wert ist, die Grundfesten des eigenen Universums und die Lernfähigkeit der eigenen Figur zu unterminieren.
Nicht weniger tagesaktuell sind auch Lernbehinderungen. Es ist fraglos eine schöne Idee, ausgerechnet den Vorzeige-Schlaukopf Star Treks frei nach dem Motto "Eine Lernbehinderung ist nicht das Ende aller Weisheit, sondern nur der Anfang." solch eine Entwicklungsstörung aus dem Nichts heraus in den Lebenslauf zu zaubern (wobei die Verheimlichung eines solchen vulkanischen  Stigmas nachvollziehbarer ist, als nie ein Wort über seine Geschwister zu verlieren). Immerhin lässt sich Zuschauern mit dieser in der Tat weit verbreiteten Erscheinung zeigen, dass sie das Potential haben, außergewöhnliches zu leisten und genauso wie Keira Knightley, Stephen Spielberg, Keanu Reeves, Jamie Oliver, Orlando Bloom, Richard Branson, Whoopi Goldberg oder eben Spock die Welt verändern können.
Dennoch bleibt der Einschub letztendlich arg konstruiert, nicht zuletzt, weil es im Dialog zwischen Spocks zankenden Eltern so klingt, als wäre allein das Vorlesen von "Alice im Wunderland" ausreichend gewesen, um Spock wieder zurück in die Erfolgsbahn zu katapultieren bzw. zurück in alte Zeiten zu stürzen. Gerade bei einem Kind, dass völlig ohne emotionale Bestärkung durch die Eltern auskommen musste, dürfte eine solche Lernbehinderung ungleich drastischere Ausmaße annehmen. Mal sehen, ob wir in kommenden Episoden noch nähere Angaben dazu erhalten.




Logiklöcher und Kanonbrüche.
Ein großer Aufreger für viele Star-Trek-Fans war gleich bei der Landung Burnhams auf Vulkan der unerwartete Regen, der das Anwesen Sareks fest im Griff hatte.
Doch bei näherem Hinsehen ist das eigentlich kein großes Problem.
Natürlich ist Vulkan eine Wüstenwelt. Doch es ist auch ein ganzer Planet mit einer Wolkendecke, mindestens einem See und einer reichhaltigen Pflanzenwelt. Selbst das Death Valley, einer der trockensten Orte der Erde, kommt im Jahr auf durchschnittlich achtundzwanzig Regentage und es ist nicht schwer nachzuvollziehen, dass die Bedingungen auf Vulkan vor allem in den stark besiedelten Regionen zumindest diesen Voraussetzungen entsprechen. Zudem ist das in erster Linie metaphorische gemeinte Wetterphänomen zeitlich äußerst begrenzt; wenige Augenblicke später ist von dem Gewitter bereits nichts mehr zu merken.
Nicht minder merkwürdig mutet an, dass Burnham abermals meutert, als hätte sie weder aus ihren Erfahrungen der ersten Staffel gelernt, noch den Ausführungen ihres Adoptivvaters gelauscht. Doch bei Lichte betrachtet bieten sich ähnliche Umstände, in denen auch Picard seine Offiziere mehrfach zu Ungehorsam gegenüber unvertretbaren Befehlen von Vorgesetzten aufgerufen hat. Burnhams Handeln zugunsten eines wehrlosen Offiziers, der darüber hinaus auch noch mit ihr verwandt ist, steht in bester Tradition von Befehlsverweigerungen wie in "Das Standgericht", "Das Pegasus-Projekt" oder "Star Trek – Der Aufstand".
Aber auch wenn ich gleich zwei Mal für die Discovery-Autoren einspringe, heißt das nicht, dass ich mit sämtlichen ihrer Entscheidungen glücklich bin.
Etwa mit der Interpretation der diplomatischen Immunität, wie sie Amanda Grayson in dieser Folge für sich beansprucht. Zwar gilt dieser Rechtsschutz in der Tat auch für Familienmitglieder, aber die Familie befindet sich immerhin auf einer der Kernwelten der Föderation! Klar ist diese Planetenallianz eine Vereinigung mehrerer eigenständiger Planeten, doch dass auf Vulkan Föderations- und Sternenflottengesetze weniger Gültigkeit als beispielsweise auf der Erde hätten, halte ich für eine sehr gewagte Hypothese.
Man stelle sich nur einmal vor, dass die französische Frau des deutschen Botschafters ihren Sohn in einem früheren Berliner Luftschutzbunker versteckt, damit dessen Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht vor dem Europäischen Gerichtshof nicht rechtskräftig werden kann.
Zudem können – jedenfalls nach aktuellem Recht – entgegen Sareks Äußerungen nicht die Diplomaten selbst, sondern nur die beauftragenden Staaten diplomatische Immunität wieder aufheben (was durchaus Sinn ergibt wenn man sich vorstellt, ein Schurkenstaat würde einen Diplomaten durch Folter zwingen, seinen Status fallenzulassen).
Unklar ist mir zudem, was mit Kaminar passieren wird. Immerhin lag die mysteriöse Raum-Zeit-Verzerrung, von der jener tödliche Zeit-Tsunami ausging, im Orbit der Heimatwelt Sarus. Hatte die Explosion Auswirkungen auf den Planeten oder lassen die Drehbuchautoren diese Ungereimtheit einfach bequemerweise unter den Tisch fallen?
Und um einen weiteren Fehler ihrerseits an dieser Stelle einmal richtigzustellen:
Nicht das Shuttle ist im Mutara-Sektor verschollen, sondern sein Passagier Spock. Das Shuttle ist nicht spurlos verschwunden – wie wir erst vor zwei Folgen in "Die Heiligen der Unvollkommenheit" gelernt haben – sondern dürfte sich wohl noch immer in Lelands Sektion-31-Schiff befinden, wohin es von Georgiou in dieser Episode gebracht wurde.
Ist es wirklich so schwer, die eigene Handlung im Hinterkopf zu behalten?
Und dann bereitet mir auch die Einbindung von Talos IV gehörig Kopfschmerzen. Laut zeitlicher Einordnung fand die Handlung von "Der Käfig" unmittelbar vor "Brother" statt und war einer der Gründe, warum Pike den Krieg zwischen der Föderation und den Klingonen verpasst hat. Doch aus der Aufnahme des Planeten in die Handlung ergeben sich gleich mehrere Fragen.
Ist Talos IV nicht eher ein Planet als ein "System"?
Was ist mit der General Order 7, die das Ansteuern des Planeten unter Todesstrafe (!) verbietet?
Oder wird dieser Besuch erst zur Entstehung dieses Befehls führen?
Es obliegt der kommenden Folge diese und noch viele andere Fragen zu beantworten…




V. Fazit.
"Licht und Schatten" ist mehr Licht als Schatten.
Die kurzweilige und mitreißende Folge hält sich kaum mit Lösungen auf und öffnet stattdessen eine Reihe weiterer spannender Baustellen, die den Großteil der kommende Episoden beschäftigen wird. Auf handwerklich und darstellerisch hohem Niveau greift sie mit Zeitreisen ein klassisches Erzählthema Star Treks auf und stellt die Crew der Discovery gleichberechtigt neben die familiären Angelegenheiten Burnhams. Zwar gilt es noch das ein oder andere Logikloch zu stopfen, aber ansonsten bleibt das größte Manko der Folge, dass sie eher wie der erste Teil einer Doppel- oder Triple-Folge wirkt.
So muss der Zuschauer wohl erst bis nach der nächsten Folge warten, um auch ein abschließendes Urteil über "Licht und Schatten" fällen zu können.

Bewertung.
Starker erster Teil eines Mehrteilers.






VI. Schluss.

Die Bösen, das sind die anderen.
Vielleicht ist es schlichtweg so, dass sich die Zeiten verändert haben. Serienkonzepte sind anders, Fernsehübertragungen sind anders und Sehgewohnheiten sind anders.
Soll der Fan vor dem Fernseher da immer derselbe bleiben?
Die Entwicklung eines kritischen Fantums ist keine Über-Nacht-Erscheinung, sondern das Ergebnis einer zeitgemäßen Evolution, die seinen Katalysator meiner Meinung nach im Internet hat und die Anhängerschar einer jeden Franchise für immer verändert hat.
Es ist zu einfach, sich als Studio, Produzent oder Geldgeber hinzustellen und mit dem Finger auf die bösen Fans zu zeigen, denn im Moment beweist gerade Discovery, dass man – bei aller noch bestehenden Kritik – auch gut fahren kann, wenn man den Fans und ihrer Meinung etwas Beachtung schenkt, statt auf Teufel komm raus das Rad neuzuerfinden. Schließlich beschränkt sich ein guter Teil ihrer Kritik nicht allein auf übersteigerten Erwartungen, wirren Theorien oder Ablehnung von Innovationen.
Und überhaupt; ist ein Fußballspiel weniger langweilig, nur weil man das Ergebnis am Abend vorher am Stammtisch richtig vorhergesehen hat?
Sicher nicht (außer natürlich es war ein 0:0).
Vor allem, wenn man sich die Gefahren bewusst macht, die von Fantheorien fraglos ausgehen können, kann es durchaus sogar Freude bereiten, mit anderen Fans zu spekulieren, sich in Absurdität seiner Theorien zu übertreffen zu versuchen oder am Ende die Genugtuung zu verspüren, Recht gehabt zu haben.
Jeder Mensch ist anders und um das zu beweisen, rufe ich an dieser Stelle einen Wettbewerb der ganz besonderen Art aus: Schreibt in den Kommentaren dieser oder zukünftiger Rezensionen auf, wen Ihr für den roten Engel haltet. Der Leser, der am Ende den richtigen Tipp zuerst abgegeben hat (es gelten Datum und Uhrzeit des Kommentars) wird vom Autor dieser Zeilen - passend zur Staffel - mit einer Flasche Vulkan-Bier belohnt (Details zum Versand werden nach Ausstrahlung der letzten Folge per Mail geklärt).
Ich bin sehr gespannt auf Eure Tipps…




Denkwürdige Zitate.

"Sie haben ihre Tasche schon gepackt?"
"Aber doch nicht ohne Ihre Erlaubnis, Sir…"
Christopher Pike und Michael Burnham

"Wo ist Burnham?"
"Auf Urlaub. Aus persönlichen Gründen."
"Warum weiß ich nichts davon?"
"Weil… eben persönlich 'persönlich' bedeutet…"
Ash Tyler und Pike

"Mr. Tyler, der Stuhl steht über dem Abzeichen."
Pike

"Kennen Sie die Redewendung vom fünften Rad am Wagen, Mr. Tyler?"
Pike

"Emotionen verwirren mich."
"Mich auch."
junger Spock mit junger Burnham

"Selbst wenn ich wüsste wo er ist, würde ich niemals – unter keinen Umständen – zulassen, dass er für Morde angeklagt wird, die er nicht begangen hat."
Amanda Grayson

"Aber ganz vorsichtig wie beim Auftauchen im Wasser. Nicht, dass sie die Zeitkrankheit bekommen, Sir."
"Die Zeitkrankheit? Gar nicht schlecht."
"Na ja, alles klingt gut, wenn man 'Zeit' davorsetzt…"
Sylvia Tilly und Pike

"Offiziere, aus unserer Forschungsmission ist eine Rettungsmission geworden. Der Captain und Tyler verlassen sich auf uns."
Saru

"Vielleicht lautet die Frage nicht wo sie sind, sondern wann."
Saru

"Hinter dem Ereignishorizont ist die Raumzeit unendlich gekrümmt. Das Shuttle zu finden ist da wie ein Sandkorn in einem Hurricane zu fangen. Und das mit einer Pinzette."
Paul Stamets

"Wie kannst Du es wagen? Ich habe dieses Leben angenommen, weil ich Dich liebe. Und jetzt bezahlt Spock den Preis dafür, so wie eh und je. Und das war immer meine größte Angst."
Amanda Grayson

"Deine Obsession mit einem Buch über das Chaos hat unseren Kindern einen schlechten Dienst erwiesen."
"Sie waren diejenigen, die auf beiden Seiten des Spiegels standen, nicht Du, Sarek. Du hattest nie wirklich Respekt vor dem Menschsein."
"Dann hätte ich wohl eine Vulkanierin geheiratet."
"Hättest Du Vulkan für mich verlassen? Nein! Ich habe alles für unsere Familie geopfert."
"Das ändert nichts an dem Fakt, dass Du einen Flüchtling beherbergt hast. Das ist ein empörender Missbrauch meiner Amtsgewalt."
"Ich lebe nicht unter Deiner Amtsgewalt. Ich bin Deine Frau. Und Deine Gefährtin. Also lass Dir etwas einfallen…"
Sarek und Amanda

"Ihn der Gnade von Sektion 31 auszusetzen wäre, wie ihn den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen."
Burnham

"Und es gibt noch einen logischen Grund dafür, warum Michael es tun muss. Deine Karriere als Sternenflottenoffizier würde erneut in Gefahr geraten, wenn Du Deine Dienstpflicht nicht erfüllst. Und ich bin nicht bereit unsere beiden Kinder an einem Tag zu verlieren."
Sarek

"Wie schön! Dann haben Sie ja, was sie wollten!!"
"Wie war das?"
"Ernste Lage, hohes Risiko, geringe Überlebenswahrscheinlichkeit und als Zugabe nehmen Sie mich mit ins Grab!"
Tyler und Pike




"Ich bin beeindruckt, dass Sie Spock vor uns gefunden und dafür Ihre Mutter ausgenutzt haben! Ha, wie gern ich meine eigene Mutter so manipuliert hätte… Wenn sie nicht so früh gestorben wäre."
"Haben Sie nachgeholfen?
"
"Wer kann das schon sagen?"
Pike und Philippa Georgiou

"Ich sag Ihnen was. Das beste was sie zum jetzigen Zeitpunkt für ihn tun können, ist dass Sie sich um sich selbst zu kümmern. Er wird Sie noch brauchen."
Leland

"Bei vier Dimensionen hört mein Matheverständnis auf. Das sieht aus als hätten Sie den Bildschirm mit Parmesan bestreut."
Tilly

"Nichtlineare Zeitverläufe sind Gehirnakrobatik."
Paul Stamets

"Nicht schlecht! Nochmal… mit Gefühl."
Georgiou

"Auf Qo'noS gäb's dafür nicht mal 'nen Pflaster."
Tyler

"Sie kam aus der Zukunft und wollte uns töten. Und der rote Engel kommt auch aus der Zukunft."
"Captain, wollen sie andeuten, dass er uns ebenfalls feindlich gesinnt ist?
"
"Mr. Tyler hat diese Möglichkeit schon zuvor angesprochen und inzwischen denke ich, er könnte damit Recht haben."
"Ob der rote Enge nun hier ist um etwas zu beenden oder zu beginnen; eines steht fest: Wir sind mitten im Kampf um die Zukunft."
"Immer, Mr. Tyler. Wir kämpfen tagtäglich um die Zukunft."
Pike, Saru und Tyler

"Wem wollen Sie denn etwas vormachen, Leland? Sie brauchen mich, damit Burnham nicht die Wahrheit erfährt."
"Die Wahrheit…"
"Sie sind verantwortlich für den Tod ihrer Eltern. Also benehmen Sie sich. Sie geben hier nicht länger den Ton an."
Georgiou und Leland

"Acht vier eins neun vier sieben."
Spock

"Wo führst Du uns hin, Spock?"
Burnham

Weiterführende Leseliste.

Staffel 2.

01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitsturm"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"
Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"