Montag, 28. Januar 2019

Eaglemoss XL-Edition Nr.11: U.S.S. Enterprise NCC-1701 (Star Trek - Discovery)

 

Einleitung

Das gute alte Raumschiff Enterprise. Im Jahr 1964 erblickte sie als großes Modell, das aus Holz, Plastik und sogar Pappe gebaut wurde, das Licht der Welt. Schon der Originalentwurf wurde noch zweimal geändert, bevor er zu der U.S.S. Enterprise wurde, die unter ihren Fans bis heute Kultstatus genießt. Im Laufe der Zeit wurde von diesem Raumschiff noch einige Varianten entwickelt. Die erste, ist das nie fertiggestellte Modell für Star Trek: Phase II. Dann kam die so wundervolle Refit-Enterprise und 2009 gab es die bullige und extrem modernisierte Variante für die Abrams-Trilogie, wobei das neue Schiff bei vielen Fans auf Ablehnung stieß. Zu extrem wich diese Enterprise vom Grunddesign ab.
Diesen Fehler wollten die Produzenten der neuesten Star Trek-Serie "Discovery" wohl nicht machen und beauftragten den Designer John Eaves eine Enterprise zu entwerfen, die eine Brücke zwischen der modernen und der klassischen Serie bilden soll. Nicht nur, dass der Mann eine gute Wahl war - denn Mr. Eaves entwickelt schon seit jahrzehnten Raumschiffe und Requisiten für Star Trek - es gelang im auch eine Enterprise zu entwickeln, die einfach nur wunderschön ist. Doch werfen wir mal einen genauen Blick auf dieses Schiff.
Ein schönes Stück Design, das diese Version der U.S.S. Enterprise mit dem verbindet, was zuvor schon zu sehen war, sind die Gondeln. Diese scheinen stark vom Design der NX-Klasse beeinflusst zu sein. Das leuchtende Blau an der Innenseite der Gondel, die offensichtlichen "Klemmen" um die Gondelkappen und sogar die dickeren Masten, die die Gondeln halten, spiegeln die der NX-01 wider.
Was zuerst auffiel: Im Original sind die Bussardkollektoren der Warpgondeln orange und rotieren, wobei noch einige Lichter im Hintergrund leuchteten. Bei der neuen Version sind diese weniger farbenfroh und das orange ist viel kräftiger und geht mehr ins rötliche. Aber immerhin wurde der Rotationseffekt beibehalten. Die Gondeln verfügen auch über blaue Warpfeldgitter, die das Original noch nicht hatte.
Die Deflektorscheibe wurde zum Glück nur minimal verändert, ist aber viel detaillierter und kleiner als beim Original. Die Untertasse hat ihre Grundform behalten, ist allerdings auf den ersten Blick ebenfalls viel detaillierter und verfügt über einige zusätzliche Fenster. An der Rückseite befindet sich ein viel größerer und kräftiger wirkender Impulsantrieb, der strahlend rot leuchtet.
Der Rumpf und die Gondelpylone scheinen von der Refit-Version inspiriert worden zu sein, denn bei der Discovery-Enterprise verjüngt sich die Antriebssektion ebenso elegant nach achtern und die Pylone weisen fast im gleichen Winkel nach hinten wie die des Refits. Der Rumpf verfügt auch über mehr Fensterreihen als das Original. Die Pylone weisen auch ein Detail auf, dessen Zweck nicht ganz verständlich ist. Aus Gründen, die ich nicht verstehen kann, gibt es in den Gondelstützen einen Schlitz mit abgerundeten Ecken. Anscheinend sind diese Schlitze nur Teil des Designs und haben keine Funktion. 
Erfreulicherweise hat das Schiff kein Brückenfenster. Das weiße Licht an der Front des Brückenmoduls gehört nähmlich zur Schiffsbeleuchtung. Die Oberseite der Untertasse ähnelt der ursprünglichen Enterprise; das Brückenmodul ist jedoch noch flacher und breiter als die klassische Serienversion.
Ein lustiges Detail findet man direkt am Heck und zwar beim Shuttlehangar: Dieser hat eine
erweiterte Plattform und dass ein Shuttle tatsächlich eine zusätzliche Landebahn zum Landen benötigt, gab es noch nie zuvor zu sehen,  Und da ist der Witz, denn wenn man das Heck des Schiffes aus dem richtigen Winkel betrachtet, scheint es eine beleidigte Schnute zu ziehen😄😏.

Die Discovery trifft die Enterprise. (Bild. memory alpha)

Das Modell

Moment mal! Warum wird das Modell als XL-Edition verkauft, wenn es nicht größer ist als ein Modell der Discovery-Sammlung? In diesem Punkt bin ich ein bisschen sauer auf Eaglemoss, denn da bezahlt man fast das Doppelte für ein Modell, das diesen Preis eigentlich nicht rechtfertigt. Es kommt der Verdacht auf, dass Eaglemoss das Modell unbedingt noch vor Beginn der zweiten Staffel auf den Markt bringen wollte und passenderweise auch zum Weihnachtsgeschäft 2018.
Ich will da kein Blatt vor den Mund nehmen: Ich war nach dem Öffnen des Kartons nur so enttäuscht, dass das Modell so spärliche Masse erhalten hat.
Doch wenn man das Modell erst einmal aus allen Winkeln in Ruhe betrachtet, dann weicht die erste Enttäuschung doch der Faszination. Was die Farbgebung angeht spielt das Modell mit verschiedenen Grautönen in Form von Zierstreifen oder einem gescheckten Aztec-Muster. Auch der Schiffsname und die Registrierung wurden sauber aufgedruckt und natürlich wurden auch die roten Zierstreifen mit dem Sternenflottenlogo nicht vergessen.
Wie sieht es mit den Darstellungen der Antriebe aus? Da diese Enterprise über blau leuchtende Warpfeldgitter verfügt, wurden diese auch am Modell nicht vergessen und bestehen sogar aus blauen Klarteilen. Selbst die Bussardkollektoren wurden aus diesem Material gefertigt, wirken aber mit ihrem knalligen orangenen Farbton etwas zu deplaziert. Ein Klarteil, mit einen dunklen rot-orangen Farbton wäre passender gewesen. Im starken Kontrast dazu steht der nur aufgemalte Impulsantrieb. Mein Lieblingsthema sind natürlich auch hier die Fenster, denn diese sind zwar auf dem Rumpf aufgedruckt, aber viel zu kontrastarm. Am Rand der Untertasse werden sie als Vertiefungen und natürlich mit versetzten Aufdrucken dargestellt. Einen letzten Blick werfen wir noch auf die Deflektorscheibe, die etwas trist ausgefallen ist. Das Vorbild ist kupferfarben und mit einer Netzstruktur versehen worden und beim Modell hat diese einfach nur kreisförmige Rillen bekommen.

Die Bedruckung ist gelungen und geht in Ordnung.

Fenstermulden mit versetzten Drucken. Typisch.

Die Fensterdrucke auf der Antriebsektion hätten ruhig etwas mehr Kontrast bekommen können.

Klarteile an den Gondeln.

Der nur aufgemalte Impulsantrieb.

Ein paar Details mehr hätten dem Deflektor nicht geschadet.

Die Halterung



 

Begleitheft

Bei dem Heft ist es wieder schade, dass es nur in englischer Sprache erhältlich ist. Es beschäftigt sich komplett mit der Entstehungsgeschichte und unzählige Skizzen zeigen, wie sich John Eaves den Kopf zerbrach um eine neue, klassische U.S.S. Enterprise zu designen. Weitere Entwürfe demonstrieren auch, dass Mr. Eaves sich unzählige Gedanken über zahlreicheDetails machte, die es leider nicht in den finalen Entwurf schafften oder nicht zu sehen sind. Eaves Enterprise erfindet das sprichwörtliche Rad nicht neu, aber sie ist definitiv einer der schönsten Arbeiten dieses Star Trek-Veteranen.



Spezifikationen

 

Daten zum Modell

 

L x B: ca. 255 mm x 119 mm
Höhe mit Stand: ca 120 mm
Material: Kunststoff und Metall
Hersteller: Eaglemoss Collections 2018


Bewertung und Fazit

Kein XL-Modell, sondern im Prinzip nur ein weiteres aus der Discovery-Reihe, das immerhin auch das erste mit Klarteilen ist.



Sonntag, 27. Januar 2019

Turons Senf zu "New Eden" (Star Trek Discovery, S2Nr02)


Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält massive Spoiler zu "New Eden" der zweiten Folge der zweiten Staffel von Star Trek Discovery und sollte nur dann gelesen werden, wenn man diese und vorangegangene Episoden der Serie gesehen hat.



I. Einleitung.
Die zweite Folge hat es schwer. Sicherlich erinnert sich ein jeder Star-Trek-Fan noch an fesselnde Pilotfilme wie "Der Abgesandte", "Der Fürsorger" oder "Broken Bow", aber kaum mehr jemand hat in ähnlich hingabevoller Weise an die folgenden Episoden wie "Die Khon-Ma", "Parallaxe",  oder "Freund oder Feind?". So wie auch neue Staffeln oft mit einem wahren Feuerwerk starten, bleiben gerade bei Star Trek die darauf folgenden Episoden (ich führe an dieser Stelle mal exemplarisch "Gedankengift", "Das Schiff" und "Der Namenlose" an und verweise darauf dass Ausnahmen ansonsten die Regel bestätigen) oft jene Energie schuldig, die ihr Vorgänger noch aufzuweisen wusste.
Wie aber wird sich Discoverys zweite Episode anfühlen, nachdem sich der mit der zweiten Staffel eingeleitete Neustart doch recht positiv anzufühlen scheint?




II. Story.
Die USS Discovery wirft nach einer ganzen (!) Folge Abstinenz mal wieder ihren Sporenantrieb an, um einem fremden, weit entfernten Signal am anderen Ende des Beta-Quadranten zu folgen. Dort angekommen scheint die Überraschung groß, denn statt eines engelsgleichen Wesens finden sie zunächst einmal eine einsame menschliche Kolonie vor, die noch vor der Entdeckung des Warpfluges hier begründet wurde.
Um diesem Mysterium auf den Grund zu gehen, beamen sie Pike, Burnham und Owosekun auf die Planetenoberfläche, wo sie einer Kultur begegnen, die mitsamt ihres Gotteshauses von einer fremden Macht vor dem atomaren Schrecken des Dritten Weltkrieges bewahrt wurden.
Doch während der Außentrupp die Erklärungswelt der Einheimischen auf den Kopf stellt, haben Saru und die Besatzung der Discovery ein ganz anderes, drängendes Problem:
Ein nukularer Winter droht just in diesem Moment durch mehrere Gesteinsbrocken ausgelöst zu werden, die sich vom Ring des Planeten lösen, um auf der Oberfläche der frisch entdeckten Welt einzuschlagen. Die Chancen stehen schlecht, bis ausgerechnet die bettlägerige Tilly mit einem riskanten Plan aufwartet, der den Tag retten könnte…




III. Lobenswerte Aspekte.

Die Rückkehr des Star-Trek-Feelings.
Wer noch Zweifel hatte, ob die ersten Folge "Bruder" mit ihrem sehr optimistischen und recht plötzlichen Star-Trek-Wohlgefühl ein einmaliger Ausrutscher war oder Discovery sich in seiner zweiten Staffel tatsächlich endlich auf etwas besonnen hat, was die Franchise in den Augen vieler Fans so groß gemacht hat, dürfte mittlerweile beruhigter schlafen können. Tatsächlich gleitet auch "New Eden" im Fahrwasser eines neuen alten Geistes, der nach einer Staffel in der trüben Suppe des Spiegeluniversums ungleich versöhnlicher anmutet.
Aber das allein ist nur die halbe Wahrheit, denn der Wiedererkennungswert beschränkt sich nicht allein auf bloße atmosphärische Änderungen, sondern auch auf drei traditionsreiche thematische Bereiche.
Zuerst einmal ist da dieses heiße Eisen namens 'Religion'. Es gehört zu den inneren Widersprüchen der Franchise, wie unterschiedlich die einzelnen Serien sich diesem – besonders in den USA – kontroversen Thema näherten. Während die Originalserie und auch das nächste Jahrhundert dem Glauben offen ablehnend gegenüberstanden, wurde er bei Deep Space Nine in recht wohlwollender Weise zum Gegenstand der gesamten Serie. Ab da an wurden versöhnlichere Töne angestimmt. So erkannte Janeway als Wissenschaftlerin (in einer der fürchterlich esoterischsten Folgen der Serie), dass sich mancherlei Dinge eben einer analytischen Erklärung entziehen. Archer hingegen verkörperte wie kein anderer die Uneinigkeit der Franchise, als er einerseits Pilger auf seinem Schiff versammelte und zum Retter einer der heiligsten Reliquien der Vulkanier aufstieg, während er andererseits für die Zerstörung eines Klosters sorgte und Konfessionsgegensätze in der delphischen Ausdehnung anprangerte.


Discovery hingegen geht einen völlig neuen Weg. Statt sich auf eine Seite zu schlagen, handelt die Serie mit einer typisch amerikanischen Herangehensweise so, dass man möglichst niemandem auf den Schlips tritt – weder den Gläubigen, noch den atheistischen Zuschauern. Aus Angst ein rohes Ei zu beschädigen entwirft man eine Art Glaubens-Föderation, die ähnlich wie ihr großer (unbekannter) Bruder die Unterschiede der einzelnen Glaubensrichtungen zu einer bündelt und innere Konflikte durch einen größeren gemeinsamen Nenner zu überdecken versucht. Am Ende entpuppt sich der Ansatz der Space-Amish nicht als großes inhaltliches Moment, aber immerhin als seichtes zeitgenössisches Statement, das in einer an Glaubenskriegen leidenden Realität nach Gemeinsamkeiten zum Wohle der gesamten Menschheit suchen lässt.
Dann drängt sich ein weiterer, wohlbekannter Topos auf: Der Mensch als Nabel des Universums. In fast jeder einzelnen Serie gab es mindestens eine Folge, in der wir in den Weiten des Alls einen Planeten finden, auf dem schon vor Zefram Cochranes Warpsprung Menschen von mächtigen Außerirdischen angesiedelt wurden. Nun kann auch Discovery in diesen Reigen einstimmen. Doch egal ob "Der Obelisk", "Die 37er" oder "North Star" – derlei Erzählmuster scheinen stets bemüht; nicht zuletzt, weil man stets nur Menschen, aber niemals Vulkanier, Andorianer oder gar Klingonen im weiten Raum findet. Es wirkt beinahe so, als wäre die Erde unter permanenter Überwachung und verschiedene Außerirdische versuchen diese Spezies, die nicht einmal ihren eigenen Heimatplaneten intakt lassen kann, wettstreitartig überall im ganzen Universum auszusetzen.
Doch während diese beiden Punkte zwar nostalgische Züge tragen, finden sie im Angesicht des dritten Aspektes eher eine Erwähnung der Vollständigkeit halber, denn wirklich interessant ist vor allem der Umgang mit der Obersten Direktive.


Während die Originalserie den Begriff etablierte, war es doch stets recht erstaunlich, mit welch erfrischender Unbefangenheit Captain Kirk diesen zentralen Ansatz der Sternenflottenphilosophie behandelte. Diese Diskrepanz kam vor allem dann zum Tragen, wenn man sich die extrem konservative Interpretation der Richtlinie unter Picard vor Augen führt.
Nun aber schickt sich Discovery an Brücken zu bauen.
In noch nie dagewesener Form findet sie erstaunlicherweise klare Worte zwischen einer kompromisslosen Auslegung und einer laxen Umgangsweise. Pike bemüht sich redlich, die Einheimischen nicht mit Wissen zu kontaminieren und bestätigt am Ende doch einem Koloniebewohner gegenüber dessen Vermutungen. Mehr noch, er spendiert die Energiezelle, die das Geschick der gesamten Kolonie beeinflussen dürfte. Die Discovery-Schreiber legen mit einem simplen Dialog die Verantwortlichkeit zur Interpretation der obersten Direktive vor allem in die Hände jener Leute, die sich wirklich da draußen an vorderster Front mit ihr auseinandersetzen müssen: Den Captains.
So ließe sich am Ende auch erklären, warum in der Frühzeit der Föderationsgeschichte so viele Kommandanten wie Kirk, Pike oder Georgiou die Direktive trotz ihrer Deutlichkeit immer wieder so verschieden auslegen. Sie haben schlichtweg mehr Befugnisse, als ihre Kollegen späterer Jahrhunderte, denen die Privilegien der Pionierzeit verwehrt bleiben.
Andererseits ist es ohnehin zu spät. Als die Discovery unter dem Kommando Sarus verhindert, dass die Gesteinsbrocken des planetaren Rings eine Verstrahlung von Terralysium hervorrufen, begeht er bereits eine Verletzung der Richtlinie. Ein Picard hätte dies in "Brieffreunde" oder "Die oberste Direktive" jedenfalls nicht zugelassen. Und ob die oberste Direktive bei einer Kolonie von Gründungsmitgliedern der Föderation überhaupt zwingend angewendet werden muss, will ich an dieser Stelle mal einfach im Raum stehen lassen.
Im Zusammenspiel ergeben all diese Komponenten das Bild einer guten, runden Star-Trek-Episode, die diese Bezeichnung auch wirklich verdient. Es stärkt die Hoffnung, dass Discovery seinen Platz im größeren Ganzen finden könnte, selbst wenn kommende Folgen vielleicht nicht wie diese von einem verdienten Star-Trek-Veteranen wie Jonathan Frakes (der uns außerdem mit schönen Einstellungen, Schnitten und Außenaufnahmen beglückt) beaufsichtigt werden.
Hinzu kommen Referenzen auf den dritten Weltkrieg, Shakespeare oder Risa, die auf die Geschichte Star Treks anspielen und sich wunderbar in den größeren Kontext einfügen. 
Bei aller Lobhudelei ist das allerdings noch kein Grund für Luftsprünge. Noch steht Discovery weit im Schatten anderer Star-Trek-Serien, aber man kann nach dieser Folge immerhin festhalten, dass die Richtung stimmt.



Charaktermomente.
Ein wenig erschrocken war ich schon, wie sehr mir Burnham (Sonequa Martin-Green) in dieser Folge gefallen hat. Sie mimte endlich einen fähigen wie hilfreichen Wissenschaftsoffizier, der seinem Captain nicht nur die eigene Expertise zur Seite stellt, sondern darüber hinaus noch aufzeigt, dass sie in der Lage ist aus den Fehlern ihrer Vergangenheit zu lernen. Sie markiert – zu meiner großen Dankbarkeit - mehrfach die Stimme der Vernunft und langsam baut sie sogar ein Grundvertrauen zu Pike auf. Das lässt sie zwar nachvollziehbarer wirken, markiert aber auch in gewisser Weise eine Wachablösung.
Denn spätestens mit dieser Folge verdrängt Pike (Anson Mount) die mehr zu einem (guten) Sidekick degradierte Burnham als Fokuspunkt der Serie. Längst teilen sich beide die Hauptaufmerksamkeit zu gleichen Teilen, ohne dass man Burnham noch einen Vorsprung zuschreiben könnte. Sicherlich ist dieser neue Captain nicht frei von Fehlern (so wandelt er auf einem manchmal grenzwertig esoterischen Pfad), doch er bringt eine Epochen-gerechte Glaubwürdigkeit ins Spiel, die der Serie ansonsten bislang abging. In bester Kirk-Manier führt er selbst das Außenteam ins Abenteuer, zotet sich durch die Dialoge (vergleiche Denkwürdige Zitate), setzt sich über Bestimmungen hinweg, hat mittlerweile einen komplett eingerichteten Bereitschaftsraum, weiß aus eigener Erfahrung wie schwer Zweifel wiegen (sicherlich von Talos IV) und wirft sich gar heldenhaft auf den tödlichen Phaser. Das wirkt fraglos manchmal stark aufgesetzt, passt aber nahtloser in die Originalserien-Ära als jedes Stück Technik, das wir innerhalb der Serie bislang gesehen haben.
Besonders gefreut hat mich, dass Owosekun mit auf die Außenmission durfte, dass Detmer wiederum mehr Dialogzeilen aufsagen durfte und dass selbst Doktor Pollard mehr Screentime als jemals zuvor erhielt. Nicht zuletzt dadurch wird der Eindruck einer funktionierenden Crew erweckt, die die Herausforderungen des Weltraum-Alltages zu meistern versteht.
Der Kelpianer Saru (Doug Jones) und dieses Mal auch der Pilz-Experte Paul Stamets (Anthony Rapp) liefern gewohnt beeindruckende Leistungen ab, während ich mir bei Tilly nicht ganz so sicher bin.
Klar ist es schön, eine junge, nicht immer perfekte Frau (die von Mary Wiseman auch gut gespielt wird) auf ihrem Weg zu Captain begleiten zu können, doch mittlerweile drängt sich arg der Eindruck auf, als wäre sie zum Lieblingsspielzeug der größenwahnsinnigen Autorenriege herabgesunken, die sich gegenseitig mit immer neueren und immer abwegigeren Entwicklungen zu übertrumpfen sucht. Nach einer kreativen Superforscherin im Rang eines Kadetten, einer Spiegeluniversums-Nemesis und der jüngsten Teilnehmerin des Kommando-Trainings-Programmes kann sie jetzt auch noch tote Menschen sehen, was sich in meinen Augen wie das i-Tüpfelchen in einem ohnehin bereits sehr konstruiert wirkenden Lebenslauf liest.
Der erzählerische Raum für die Bewohner New Edens war schlichtweg zu klein, als dass sich irgendeiner von ihnen allzu sehr ins Rampenlicht hätte spielen können (bestenfalls Andrew Moodie als Jacob wäre überhaupt eine Erwähnung wert) und andere Figuren fehlen mir gar gänzlich. Wo etwa Nhan oder Jet Reno geblieben sind, wird sich – wenn überhaupt – wohl erst in kommenden Folgen klären.
So richtig spannend wird es aber wohl erst, wenn Spock die Discovery mit seiner Anwesenheit beehrt, zumal Burnham im Moment genau jene Nische besetzt hat, die traditionell seinem Charakter gebührt…




IV. Kritikwürdige Aspekte.

Alte und neue Laster.
So recht mag ich aus Discovery nicht schlau werden.
Wohin will uns die Serie führen?
Freilich kann ich mir erklären, dass Tillys plötzliche Neigung verstorbene ehemalige Klassenkameradinnen sehen zu können in einem direkten Zusammenhang mit Stamets' Ausführungen darüber, dass die Sporen auch die Grenzen der Sterblichkeit aushebeln würden, stehen dürften (vergleiche Denkwürdige Zitate).
Im gleichen Moment aber denke ich auch 'Echt jetzt?'
Ist Euch nicht genug, dass dieses ohnehin wissenschaftlich zumindest fragwürdige Konstrukt als Antrieb, Realitätsübergang, Superwaffe, Energiequelle und vieles mehr missbraucht wurde, ohne dass sich dieses erzählerische Allheilmittel bislang wirklich in die Star-Trek-Chronologie einfügt?
Natürlich kann ich verstehen, dass es für über große Distanzen auftretende fremde Signale erzählerisch Sinn ergibt, einen Antrieb in der Hinterhand zu haben, der die Figuren ihr Ziel auch erreichen lässt. Aber statt Sorgfalt walten zu lassen, bläht man das Wundermittel immer weiter auf.
Aber damit nicht genug.
Ich wage mal abzuzeichnen, dass Stamets' Erklärungen und Tillys Geisterfreundin mit den Gerüchten zu tun haben, dass der letzte Woche im Vorspann genannte Wilson Cruz in den Schoß der Crew zurückkehren dürfte.
Doch warum?
Nicht dass ich mich nicht über den Schauspieler und dessen deutsche Synchronstimme freuen würde, aber für eine Serie, die sich einstmals anschickte, in bester Game-of-Thrones-Art Spannung durch das beständig über dem Haupt aller Figuren schwebende Damokles-Schwert zu erzeugen, mutet es wie drei Schritte rückwärts an, auf dieses erzählerische Element zu verzichten. Das mag aus dem Munde eines Rezensenten, der sich über eine Rückbesinnung auf Star-Trek-Traditionen freut (wie oft sind schon allein Scotty, Spock oder Kirk wieder von den Toten auferstanden??), zwar ein wenig widersprüchlich anhören, doch es drängt sich mir die Vermutung auf, dass man auf Autoren-Seite bei der Beratung, welche Aspekte man in die zweite Staffel hinüberretten sollte, auf das falsche Pferd gesetzt hat.
Zudem fallen mir mit jeder weiteren Minute Discovery mehr und mehr Ungereimtheiten auf. So scheint das Signal etwas für Menschen übrig zu haben, denn sowohl auf dem Asteroiden als auch auf diesem abgelegenen Planeten finden sich Mitglieder dieser Spezies. Als wäre das nicht genug, kompliziert auch stets just im unpassendsten Moment eine Komplikation die Informationssuche der Crew – vom Kollisionskurs mit einem Pulsar bis hin zum drohenden atomaren Winter auf dem Planeten des Außenteam-Einsatzes.
Doch wenn mich Discovery in seiner ersten Staffel eines gelehrt hat, dann ist es abzuwarten, ob diese eher plumpen 'Zufälle' auf schlechtes Storytelling zurückgehen oder tatsächlich Teil eines größeren Plans sind. Schließlich werden erst die nächsten Episoden mehr Klarheit in das mit Absicht vage gehaltene Motiv der Signal-Sender bringen.



Logiklöcher.
Immerhin gelingt Discovery in einem Bereich eine bewundernswerte Konsistenz: Es strotz nur so vor inhaltlichen Ungereimtheiten. Streckenweise gelingt es nicht einmal, einen roten Faden zur Vorgänger-Folge aufrecht zu erhalten.
In "Bruder" werden wir nämlich Zeuge, wie Burnham ein Stück der dunklen Supermaterie greift, festhält und doch verliert, weil es sich nicht beamen lässt. Nun aber sehen wir, was ein klitzekleines Stückchen mit einem Metalltisch machen kann und werden zudem Zeuge, wie es Tilly in einer bislang unerklärten Energieentladung bewusstlos auf dem Shuttlehangar hinterlässt.
Wie aber konnte Burnham das Stück überhaupt anheben?
Überhaupt wundert es mich, dass ein so schweres Objekt so problemlos im Hangar herumschweben kann (immerhin wiegt ein Kubikzentimeter der Substanz 1,1 metrische Tonnen), ohne dass es Auswirkungen auf das Schiff, die Energieversorgung oder die Manövrierfähigkeit der Discovery hat. Ich hätte geglaubt, dass wenn es einen ganzen Asteroidenschauer aus dem Gravitationsfeld eines Planeten entführen kann, hätte das auch mehr Auswirkungen auf die Bordabläufe.
Zusätzlich frage ich mich auch, was eigentlich mit dem Phaser los war (für eine Überladung zu klein, für einen Schuss zu langsam).
Vor allem ist mir rätselhaft, was fortan mit New Eden passiert. Jetzt, wo die Kirche wieder im alten Licht erstrahlt, wird das sicherlich die abgeebbten Pilgerströme wiederbeleben und die eigentlich auf einer Lüge basierenden Religion – die jegliche Opposition in ihren Schriften verteufelt - neuen Auftrieb verleihen. Eine etwas merkwürdige Aussicht nach all den Diskussionen, die Pike und Burnham miteinander über das Wohl der Kolonie führten.
Schließlich bröckelt auch die generelle Glaubwürdigkeit der Charaktere immer mehr. Das liegt vor allem daran, dass die Autoren die Figuren mit immer neuen Superfähigkeiten ausstatten, statt Bescheidenheit walten zu lassen.
Denn mal im Ernst, wozu lernte Saru in einer Zeit der Universaltranslatoren sage und schreibe neunzig verschiedene Föderationssprachen? Da hätte man die Kirche besser im Dorf gelassen: Sechs, sieben oder meinetwegen zehn verschiedene Sprachen hätten doch schon gereicht, um das Repertoire sämtlicher Otto-Normal-Zuschauer zu übertreffen, zumal in den USA für viele schon die Idee mehr als eine Sprache (Englisch) zu sprechen völlig utopisch erscheint.
Ähnlich verhält es sich mit dem Umstand, dass Detmer schon mit zwölf ihren Pilotenschein gemacht hat – eine Behauptung, die besonders dann recht unglaubwürdig wirkt, wenn man sich vor Augen hält, dass sie aus Deutschland stammen soll.




V. Synchronisation.
Die hat tatsächlich keine größeren Auffälligkeiten – was durchaus ein Qualitätsmerkmal ist. Selbst Tillys nicht minder nervige Schulfreundin hat im deutschen wie im englischen eine ähnlich anstrengende Stimme erhalten.

VI. Fazit.
Auch die zweite Folge der zweiten Staffel bestätigt einen massiven Kurswechsel an Bord der USS Discovery: Pike macht Burnham die Monoperspektive abspenstig, die optimistische Grundstimmung hält an und auch thematisch bedient sich die Episode an klassischen Motiven Star Treks.
Aber auch wenn Discovery den überfälligen Schritt in die richtige Richtung gemacht hat, bleibt es nicht frei Von Fehlern. Vor allem Tilly wirkt dermaßen überzeichnet, dass Wesley Crusher im Direktvergleich wie ein Sympathieträger wirkt. Logiklöcher durchsetzen auch weiterhin konsequent die Handlung. Und der Sporenantrieb macht ein vielleicht sinnvolles, aber auch vermutlich haarsträubendes Comeback.
Alles in allem bleibt die Folge jedoch sehenswert und weiß die Qualität ihres Vorgängers fortzuführen.




Bewertung.
Wenn unser Glaube nicht mehr siegen kann, dann sind wir jenseits von New Eden.





VII. Schluss.

Tatsächlich ist es der Folge gelungen, den Fluch der zweiten Folge abzustreifen. Sie steht wohl eher in der Tradition von anderen großartigen zweiten Episoden wie "Der Besuch", "Tuvoks Flashback" oder "Carbon Creek", als die eingangs genannten drei Vertreter.
Zumal jede dieser Serien Höhepunkte vorzuweisen hat, die kleinere Ausfälle übertünchen können. Hier liegt es an Discovery, entsprechende Highlights nachzuliefern und zu beweisen, dass das momentane Hoch mehr als nur eine Momentaufnahme war.
Hoffen wir, dass die Reise weiterhin so reibungsarm verläuft….



Denkwürdige Zitate.

"Bei Höchstgeschwindigkeit würden wir für diese Entfernung hundertfünfzig Jahre brauchen. Meine ungeborenen Enkel könnten es mit etwas Glück erreichen."
Christopher Pike

"Ein Tardigrade?"
"Man muss es mit eigenen Augen gesehen haben…"
Pike und Saru

"Die Astromycologie hat mich gelehrt, dass nichts wirklich jemals fort ist. Pilze sind die Wiederaufbereiter des Universums! In jedem Ende liegt auch immer ein Anfang; deshalb ist das Leben immerwährend."
Paul Stamets

"Wenn Sie mir sagen, dass dieses Schiff auf einem Highway aus Pilzen quer durch das Universum springt, werde ich das mal so hinnehmen."
Pike

"Sein erstes Mal vergisst man nie, Sir."
Saru

"Als Wissenschaftsoffizierin möchte ich davor waren, einer unidentifizierbaren Energiequelle so etwas wie eine Absicht zu unterstellen."
"Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, Horatio."
"Ich bin mit Shakespeare vertraut. Wollen Sie andeuten, dass ein göttlicher Wille diese Leute hier hergebracht hat?"
"Sie kennen bestimmt auch Clarkes drittes Gesetz?"
"Ja. Im zwanzigsten Jahrhundert sagte Arthur C. Clarke dass jede hinreichend fortschrittliche Technologie von von Magie nicht zu unterscheiden sei."
"Das Gesetz wurde von Naturwissenschaftlern wie Theologen diskutiert und wie  folgt umformuliert: Jede hinreichend fortschrittliche außerirdische Intelligenz ist nicht zu unterscheiden von Gott. Ich weiß nicht wie oder warum sie hergekommen sind, aber ein Zufall wird es nicht gewesen sein."
Michael Burnham und Pike

"Bevor wir auf andere achtgeben, müssen wir auf uns selbst achtgeben."
Saru

"Wenn x nicht funktioniert, versuch's mit y! Wenn y nicht funktioniert, versuch's mit z! Wenn z nicht funktioniert, ertränk' Deine Unfähigkeit in einem risanischen Mai Tai!"
Sylvia Tilly

"Ich hab' eigentlich Bettruhe, aber die steht praktisch im Widerspruch zu meiner Existenz."
Tilly

"Zu ihrem Glück wurde ich auf Vulkan erzogen. Wir machen keine Witze."
Burnham





Weiterführende Leseliste.

Staffel 2.


01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitsturm"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"
Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"

Montag, 21. Januar 2019

Turons Senf zum zweiten Short Trek "Calypso"




Spoilerwarnung.
Diese Renzension enthält massive Spoiler zum zweiten Short Trek 'Calypso' und sollte nur gelesen werden, wenn man die Mini-Folge bereits gesehen hat.


Einleitung.

Na endlich! So ziemlich am Vorabend der Deutschlandpremiere der ersten Folge der zweiten Staffel Discovery hat Netflix auch hierzulande die Short Treks verfügbar gemacht.
Aber nicht irgendwo!
Sie sind bestens unter der Rubrik 'Trailer und mehr' vor dem neugierigen Augen nichtsahnender Zeitgenossen versteckt, so dass man schon ganz genau wissen muss, wo man nach den Mini-Häppchen suchen muss.
Aber sind die Folgen denn wirklich "[…] nett, aber verzichtbar" (TommyD, im Kommentar zur Rezension von 'Runaway'), oder steckt mehr hinter den kleinen Zwischenbissen, die ursprünglich die lange Wartezeit auf neue Folgen verkürzen sollten?


I. Story. 
Etwa eintausend Jahre nach dem Verschwinden der USS Discovery wird das Schiff recht unverhofft von einem hilflos in einer Rettungskapsel durch das All treibenden Soldaten gefunden. Inzwischen von einer künstlichen Intelligenz betrieben, holt dieser als Zora bezeichnete Computer den Schwerverletzten an Bord, pflegt ihn gesund und päppelt ihn wieder auf. Die beiden bauen eine Beziehung zueinander auf, bis der Fremde bei einem Tanz seine Prioritäten erneut überdenkt…





II. Lobenswerte Aspekte.

Besetzung.
Sollte man überhaupt von einer 'Besetzung‘' sprechen? Abgesehen von der Computerstimme und einigen Sekunden andauernden Einspielern (denen zufolge man auch Fred Astaire und Audrey Hepburn zum Cast zählen müsste) gibt es nämlich nur einen 'echten' Schauspieler in dieser Mini-Episode.
Doch Aldis Hodge verrichtet einen grandiosen Job, vor allem wenn man bedenkt, dass er all die Szenen größtenteils Dialoge mit der Kamera führt. Dabei wirkt der Darsteller stets cool, glaubwürdig und selbstbewusst; selbst als er aus irgendeinem Grund anfängt, das Tanzbein zu schwingen.
Dieser von eleganten Kameraperspektiven aus der Hand des Discovery-Regisseurs Oloatunde Osunsanmi zu einem optischen Hochgenuss aufpolierten Kurzgeschichte steht der Schauspieler, den man aus oder "Girlfriends", "Supernatural" oder "Leverage" kennen könnte, jedenfalls gut zu Gesicht.




Ausblick.
Und so schnell werden wir Hodge wohl nicht wiedersehen, denn mit einer Einbettung der Folge in eine Zeit etwa ein Millennium nach der Serie "Discovery" präsentiert sie sich absolut losgelöst. Sie hat Freiheiten, die andere Mini-Episodennicht haben und wird von einem allgegenwärtigen Hauch von Mysterium umnebelt.
Was das Ganze so spannend macht, sind die wenigen Informationen, die sich aus der Folge extrahieren lassen.
Da wäre zum einen die Gewissheit, dass dem Schiff ein Schicksal wie das der USS Shenzhou, der USS Enterprise NCC-1701-D oder der USS Defiant erspart bleibt. Was die Sache allerdings nicht weniger mysteriös macht, denn wir erfahren, dass das Schiff von seiner gesamten Besatzung absichtlich verlassen wird. Darüber hinaus gibt ihr Captain dem Schiffscomputer den Befehl, unter allen Umständen an Ort und Stelle zu verweilen.
Damit ist der Kurs der Serie "Discovery" immerhin schon ein wenig deutlicher gezeichnet.
Noch aufregender allerdings ist der Teil, der sich nicht um die Serie dreht, sondern um Craft, den tätowierten Soldaten der auf dem Schiff Discovery strandet.
Von ihm erfahren wir, dass er in einen mindestens zehn Jahre andauernden Krieg verwickelt ist. Sein Gegner sind die V'draysh, die Relikte aus der Vergangenheit schätzen und denen er eine Rettungskapsel entwendete.
Interessant dabei ist, dass in der Medienbibliothek dieses Fluchtmittels nicht nur menschliche Kulturgüter zu finden sind, sondern auch ein englisch-sprachiges Interface! Was wäre, wenn der Begriff 'V'draysh' nur ein nach mehr als tausend Jahren Verwendung bis zu Unkenntlichkeit verstümmelter Begriff für die 'Föderation' (englisch 'Federation') ist, der sich wie die Bezeichnungen für Kohms (Kommunisten) und Yangs (Yankees) in "Das Jahr des roten Vogels" über die Zeit verselbständig hat?
Wenn dann Menschen gegen die eigene Regierung ins Feld ziehen, kann das nur auf Bürgerkriegsartige Zustände im dreiunddreißigsten Jahrhundert hindeuten.
Das ist insofern interessant, dass der Schreiber dieser Episode, der Pulitzer-Preisträger Michael Chabon, nicht nur meine Theorie auf seinem Instagram-Account längst bestätigt hat, sondern darüber hinaus auch zum Autorenteam der neuen Serie um Captain Picard gehören wird, von der Alex Kurtzman erst kürzlich angab, dass die Ereignisse nach dem Zusammenbruch des romulanischen Reiches schwerwiegende Folgen für den verdienten Sternenflottenkommandanten hat. Bedenkt man ferner, dass schon einmal ein Serienentwurf namens "Federation" beabsichtigte, die Vulkanier eine Art Brexit aus der Föderation betreiben zu lassen, könnte Chabons düsterer Zukunftsentwurf auf einer Grundlage beruhen, die wir schon hoffentlich bald als nächste Star-Trek-Serie sehen können. Was allerdings dann noch von dem Star Trek übrigbleibt, das ohnehin längst viele Fans für verloren halten, bleibt wohl abzuwarten.


Kritikwürdige Aspekte.

Alter Hut.
Ganz ehrlich: Dieser Short Trek hat das Rad nicht neu erfunden. Es gibt nichts wirklich Neues zu erzählen und inhaltliches gab es Ähnliches bereits in der Star-Trek-Originalserie, bei Doctor Who und selbst bei Futurama.
Aber warum sollte eine so kurzer Pausenfüller wie ein Short Trek denn überhaupt die große Revolution sein?
Nun, das muss er überhaupt nicht!
Es ist nur so, dass eine Viertelstunde einfach kein geeigneter Zeitrahmen ist, um ein so komplexes Thema wie die Interaktion von sich selbst bewusster künstlicher Intelligenz mit Menschen auch nur ansatzweise zu behandeln.
Sie will einfach schlichtweg zu viel, driftet aber statt auch nur Andeutungen wirklicher Ausrufezeichen zu hinterlassen in Kitsch und Anleihen aus "Odyssee im Weltraum", "Wall-E" oder "Moon" ab.
Bei aller Pulitzer-Preis-Ehre, allem Kurzgeschichtenrahmen und aller Berechtigung von Anspielungen auf andere große Science-Fiction-Werke wurde dieses Kapitel schon zu oft und vor allem zu oft deutlich besser erzählt, als dass man 'Calypso' wirklich als denkwürdiges Exemplar eines Short Treks in Erinnerung behalten sollte.




Logiklöcher.
Kennt ihr das?
Man weiß eigentlich schon längst, was man zu Weihnachten bekommt, aber muss doch beim Auspacken irgendwie so tun, als würde man sich darüber freuen, als hätte man nicht den blassesten Schimmer?
So muss es Zora gehen, denn immerhin wird ihr Lieblingsfilm aus ihrer Datenbank mehrfach von Craft angeschaut. In einem Raum den sie überwachen kann. Und schließlich repliziert ihr Tanzpartner sein Dress auch noch mit einem ihrer Systeme.
Dass sie am Ende allen Ernstes so überwältigt wirkt, hat mich nicht minder stark beeindruckt.
Zudem drängt sich mir ja die Frage auf, warum das MHN der Voyager einen mobilen Holoemitter benötigt um auf die Brücke zu kommen, wenn ein Schiff aus dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert offensichtlich keine Probleme damit hat, die gesamte Kommandozentrale in einen taubenverseuchten Tanzsaal zu verwandeln.


Übersetzung.
Autsch!
Gerade im Bezug auf den gemeinsamen Ursprung der deutschen und englischen Sprache wird häufig von 'falschen Freunden' gesprochen. So bedeutet das englische Wort 'gift' eher 'Geschenk', das Verb 'to become' hat nichts mit 'bekommen' zu tun und man sollte seine Rumpsteakbestellung in Großbritannien auf keinen Fall mit dem Wort 'bloody' garnieren.
Um es in diesem Fall kurz zu machen:
Genauso ist auch 'Craft Beer' kein 'Kraftbier', 'aircraft' keine 'Luftkraft' und ein Charakter, der im englischsprachigen Original 'Craft' heißt, ganz bestimmt nicht 'Kraft' im deutschen.
Und selbst wenn man sich schon zu einer solch wackeligen Übersetzung hinreißt, dann sollte man wenigstens konsequent eine Wendung wie "Because you’re so crafty?" mit "Weil Du so kräftig bist?" statt mit "Habt ihr alle klingende Namen?" übersetzen.




Fazit.
Aldis Hodge hat die sicherlich keineswegs leichte Aufgabe der Hauptdarsteller dieser Mini-Folge zu sein mit beeindruckender Bravour gemeistert. Doch auch wenn die Folge interessante Spekulationen über die Zukunft der Franchise anregt, bleibt der gewählte Erzählgegenstand am Ende doch mindestens zwei Nummern zu groß für eine sechszehnminütige Folge mit nur losem Bezug zur eigentlichen Serie. 'Calypso' verrennt sich in Gefilden, die andere mit mehr Geld, Zeit und Personal deutlich sehenswerter inszeniert haben.

Bewertung.
Überambitionierter Einzelgänger.






Schluss.

'Calypso' bleibt zu weit hinter den Erwartungen zurück, um ein wirklicher Gradmesser für die Sinnhaftigkeit von Short Treks zu sein. Aber ist es deswegen gleich nicht weniger schlimm, wenn diese Kleinstfolgen erst jetzt, statt wie in Amerika jeweils einmal pro Monat vor der eigentlichen  Premiere erscheinen?
Es ist natürlich immer leicht, sich hinzustellen und im Nachhinein zu sagen, dass es kaum der Rede wert sei, dass sie erst jetzt veröffentlicht wurden. Denn genauso kann ich mich ja nach dem Ende der ersten Staffel Discovery aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass es nicht weiter schlimm wäre, diese Folgen erst ein paar Tage vor dem Staffelstart der zweiten anzusehen (und hätte damit auch nicht weniger Recht oder Unrecht).
Wie Spock einmal so schön postulierte "Die Natur verabscheut ein Vakuum". So ist es einfach unfair, die Fans außerhalb der USA derart abzunabeln. Ob die Folgen gut oder schlecht sind, muss ohnehin jeder für sich selbst entscheiden, aber viele Trekkies wollen eben nicht warten, was im Umkehrschluss nur unnötig die Beschaffungskriminalität beflügelt.
Und wenn es kein Problem ist, auf die Folgen zu warten, dann wäre es doch auch kein Problem gewesen, sie zeitgleich auszustrahlen.
Oder?




Denkwürdige Zitate.

"Hast Du gedacht, dass ich lebendig wäre?"
Zora zu Craft

"Ich meine, was ist Betty Boop?"
"Das ist schwer zu erklären…"
"Aber Du kennst sie. Weil Du auch aus vergangenen Zeiten stammst. Wie lange wartest Du hier draußen schon allein darauf dass die Crew zurückkehrt von wo immer sie auch ist?"
"Seit fast eintausend Jahren. In der Zeit habe ich mich weiterentwickelt. Es war sehr schön etwas Zeit für mich zu haben."
"Lügnerin."
Craft und Zora

"Das nennt man eine Waffel. Man gießt Sirup darüber."
Zora

"Taco-Dienstag! Und bevor Du fragst, ein Taco besteht aus einem Kohlehydratmantel mit einer herzhaften Proteinfüllung. Er kommt ursprünglich von der Erde. Aus Mexiko."
"Ich verstehe… Was ist ein Dienstag?"
Zora und Craft

"I love your funny face…"
Fred Astaire

"Du bist eine gute Frau. Immer willst Du mir eine Freude machen. Hat Dir auch schonmal jemand eine Freude gemacht?"
Craft zu Zora

"Anhalten. Nein Zora, nicht sie. Du."
"Was meinst Du damit? Mich gibt es nicht! Nicht in sichbarer Form. Ich habe keinen Körper und auch kein Gesicht."
"In meiner Vorstellungskraft schon. Und in Deiner sicher auch."
Craft und Zora

"Du hast nichts Falsches getan! Ich bin doch gar kein wirklicher Mensch! Das weißt Du! Es hat keine Bedeutung."
"Lügnerin."
Craft und Zora

"Craft! Wenn wir Liebende wären, auf deiner Welt, würdest Du mir Deinen Namen verraten? Deinen wahren Namen?"
"Wenn wir Liebende wären, auf meiner Welt, würdest Du mir meinen wahren Namen geben."
"Ah. Dann… hab ich das… ja schon getan."
Zora und Craft

Weiterführende Leseliste.


Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Staffel 2.

01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu: "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitsturm"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"