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Freitag, 26. Dezember 2014

Die Tafelrunde trifft den TOS-Gaststar David Hurst - Ein Rückblick

Es ist mitunter merkwürdig, an welche Gestade die Wogen des Lebens den ein oder anderen Menschen spülen. Konservative Dorfbewohner ziehen in pulsierende Millionenstädte, der frühere Klassenclown steht mittlerweile selbst als Lehrer vor einer Klasse voller kleiner Quälgeister oder heimatverbundene Bayern geraten plötzlich in die tiefste Zone oder gar ins sagenumwobene Bielefeld. Ein Stück weit kennt wohl jeder von uns dieses Gefühl, der Ping-Pong-Ball im Spiel eines manchmal recht zynischen Schicksals zu sein.
Aber wohl kaum jemand hat das Auf und Ab des Lebens und all den Wahnsinn, der mit der menschlichen Existenz einhergeht, so sehr am eigenen Leib erfahren wie Heinrich Theodor Hirsch, dessen Weg 1926 in Berlin begann und ihn über Wien, Belfast, Hamburg, London, New York, Los Angeles schließlich doch wieder nach Berlin führte. Eine kleine Rolle in der Originalserienfolge "Fast unsterblich", in der er vor sechsundvierzig Jahren im Oktober 1968 Botschafter Hodin auftrat, führte den Mann, der sich mittlerweile David Hurst nennt, am Nikolaus-Nachmittag des Jahres 2014 mit dreißig interessierten Star-Trek-Anhängern zusammen.



Vergleichsweise unaufgeregt begann der Nachmittag im gut versteckten "Club Spittelkolonnaden", den die Mitglieder der Euderion-Crew für ihr Joint-Venture mit der Star-Trek-Tafelrunde "Hermann Darnell" Potsdam-Babelsberg als Veranstaltungsort sichern konnten. In direkter Laufreichweite zum Potsdamer Platz, dem Gendarmenmarkt oder dem Checkpoint Charlie waren die fleißigen Nikoläuse bereits fast mit dem Aufbau fertig, als K'olbasa, Kalami und Turon47 gegen zwölf Uhr am vereinbarten Treffpunkt eintrafen. Auf einer Leinwand liefen TOS-Episoden, Stühle standen in Reih' und Glied und als Garnitur hatte Miri auf selbige nicht nur eine zum Datum passende Packung Weihnachtsplätzchen in TOS-Montur ausgelegt, sondern auch eine hilfreiche kleine Minibiografie zum angekündigten Stargast. An der Wand hingen neben den Bildern einer Fotoausstellung auch Wimpel und Banner aus dem Star-Trek-Universum. Kleine Schiffsmodelle der USS Enterprise bereicherten den Podiumstisch und allenthalben leuchteten Uniformen oder zumindest Star-Trek-bezogene Kleidungsstücke. Als um 13 Uhr die Veranstaltung begann, waren immerhin fünfundzwanzig Personen zugegen, deren Zahl sich im Verlaufe des Treffens noch auf dreißig erhöhen sollte.



Doch  bevor irgendjemand den 'Star' des noch jungen Nachmittags zu Gesicht bekam, hieß es erst einmal: Gemeinschaftlich Fernsehen. Wie in den 'guten, alten Zeiten' sah sich die Zuschauerschaft gebannt und gemeinsam die legendäre Episode "Fast Unsterblich" an, in der Hurst seinen Star-Trek-Auftritt beisteuerte und hätte es im Vorfeld nicht die Diskussion darüber gegeben, ob man sich die Folge nun auf Deutsch oder Englisch zu Gemüte führen sollte, hätte man sich problemlos in die späten Achtziger oder frühen Neunziger versetzt gefühlt.


"Mr. Spock, der Gentleman von Gideon ist angekommen!"
Scotty, "Fast unsterblich"

Ob der deutschen Synchronisation belustigt begann das eigentliche Hauptprogramm schließlich ab 13.54 Uhr mit einem denkwürdigen Eingang des mittlerweile achtundachtzigjährigen Schauspielers im Ruhestand, dessen Steckenpferd komödiantische Darstellungen waren mit einem ebenso markanten wie programmatischen (An-) Satz:

"Ich warne Sie, ich fange jetzt an!"

Unmittelbar nach dieser Einstimmung forderte er sich (zu Recht) mehr Begeisterung vom Publikum ein ("Das ist doch keine Reaktion!") und nachdem die allgemeine Reaktion im zweiten Anlauf weniger verhalten ausfiel bemerkte er unter dem Jubel der Menge mit Wehmut in der Stimme "Mein letzter Auftritt...", bevor er sich auf das besann, was er den Menschen sein Leben lang geboten hatte: humoristische Unterhaltung.
So improvisierte er aus dem Stegreif heraus drei Nachahmungen berühmter Künstler, für Amerikaner, die keine Zeit hatten, in Europa Museen zu besuchen. Die Einlagen brechen endgültig das Eis zwischen den Zuschauern und dem Schauspieler, auch wenn eine Mischung aus Begeisterung, Humor und Melancholie sich wie ein roter Faden durch das Treffen zog.



"Wir sind nicht zufällig hier – darüber müssen Sie sich im Klaren sein."
Kirk, "Fast unsterblich"

Natürlich hatte sich der Großteil der Anwesenden im Club Spittelkolonnaden eingefunden, um etwas über Hursts Schauspielerkarriere im Allgemeinen und seinen Star-Trek-Auftritt im Speziellen zu erfahren. Aus diesem reichhaltigen Nähkästchen konnte der Stargast schöpfen, auch wenn er immer wieder betonte, dass viele Erinnerungen aus seiner bunten Vita im Laufe seiner Lebensjahre verschüttet gegangen sind oder vom Mantel des Vergessens überdeckt werden. Oder wie er es selbst ausdrückte:

"Ich habe so viele Witze in meinem Leben gemacht. Wissen Sie, im Alter verschwinden zwei Sachen: Zuerst die Erinnerung, und als Zweites...
...das Zweite habe ich vergessen."

So konnte er auch mit den Vorwürfen, dass sein erster Bühnen- und Filmerfolg "The Perfect Woman" (der deutsche Titel lautete "Geliebte nach Maß") aus heutiger Sicht sexistisch sei, wenig anfangen.
Hurst hatte 1948 in London eine Rolle in dem Theaterstück übernommen, dass 1949 sogar verfilmt werden sollte. In der Verwechslungskomödie, in der ein Wissenschaftler versuchte, die 'perfekte' androide Frau zu erschaffen, verkörperte er Wolfgang Winkel und kann die Aufregung um dieses patriarchale Machwerk heute kaum mehr nachvollziehen, denn es stammt aus einer Zeit, in der die generelle Gesellschaftstendenz nur wenig Rücksicht auf die Gleichberechtigung der Frau nahm. Hurst selbst nahm sich selbstreferenziell von diesem allgemeinen Trend nicht aus: "Ich war bestimmt auch sexistisch! […] Ich war ein 'male chauvinistic pig"!"
Weil er für seine schauspielerischen Ambitionen in den Vereinigten Staaten von Amerika einen fruchtbareren Boden als auf den Britischen Inseln sah, kehrte er der Hauptstadt des zusammenbrechenden Empires den Rücken und begann, sich am Broadway einen Namen zu machen. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten kam er mit dem Alltagsrassismus in Berührung, spielte in Musicals mit und schloss Freundschaften mit Personen wie Peter Ustinov oder Richard Burton ("Ein guter Mann!"), der ihm die Lebensweisheit "Das Theater ist ein Bordell." mit auf den Weg gab.
Hurst engagierte sich unter anderem aktiv in der "Peace-and-Freedom"-Partei und erlebte im Zuge seiner Schauspiel-Karriere das riesige Land mit all seinen Sonnen- und Schattenseiten. Immer wieder war er in kleineren Serienrollen zu sehen, wobei der Druck und die Fließbandproduktionsweise bei solchen Dreharbeiten ihm nur wenig zusagten. So rief ihm der Regisseur einer Folge "Kobra – Übernehmen Sie!" ("Mission Impossible") an einem heißen Tag, als er bei laufender Kamera den Schweiß von seiner Stirn wischte, aufgeregt "David! No character acting!" zu, da Improvisationen häufig nur den engen Zeitplan solcher zeitlich knapp bemessenen Auftragsarbeiten gefährdeten.

Hurst bei seinen beiden "Mission Impossible" -Auftritten
Sehr viel anders sah sein Engagement bei Star Trek sicherlich nicht aus, denn in diesem Punkt unterschied sich auch die Serie Gene Roddenberrys in ihrer Produktion nicht wesentlich von ihren Konkurrenten. Dementsprechend unspektakulär verlief auch die Rekrutierung Hursts als Botschafter Hodin: Sein Agent regelte sämtliche Formalitäten, während der Schauspieler selbst einfach zum Dreh erschien und dort seine Arbeit verrichtete.
Die lief zumeist so ab, dass er die Hauptdarsteller kaum zu sehen bekam, denn besetzt wurde, wer "[...] nur einen Take benötigte.". Der Großteil seiner Szenen wurde mit Nahaufnahmen gedreht oder flackerte in der fertigen Folge über den Hauptbildschirm der USS Enterprise, so dass es gar nicht immer notwendig war, mit die Schauspielern selbst zu interagieren.
Zwar lässt sich anhand von Screenshots mittlerweile beweisen, dass Hurst und William Shatner (bzw. "Schattner", wie Hurst ihn aussprach), sehr wohl für kürzere Szenen gemeinsam vor der Kamera standen, doch dieser kleine Schönheitsfehler vermag den Ausführungen des Redners keinen Abbruch zu tun, denn der Gastdarsteller fand markige Worte für den Star der Serie:

"Aber mit Shatner habe ich nie gespielt und es war auch ganz gut so, denn wie ich gehört habe, war er ein...
Arsch."

Seltene Szene: Shatner und Hurst vereint
Freundlichere Worte hingegen fand Hurst für ein anderes Mitglied des Maincasts:

"Der den Spock gespielt hat, schien ein ziemlich gescheiter Mann zu sein."

Dass David Hurst es in seiner Karriere allerdings nicht nur mit 'gescheiten Männern' zu tun hatte, beweist die Antwort, die er auf eine Publikumsanfrage gab, in der er gefragt wurde, wie es war an der Seite Clint Eastwoods, Telly Savalas' oder Donald Sutherlands im Kriegsfilm "Stoßtrupp Gold" ("Kelly's Heroes") aufzutreten:

"Es ging.".

Hurst nutzte die Gelegenheit, nicht nur Eastwood als verhärmten, republikanischen Konservativen zu enttarnen, sondern auch die damaligen Bedingungen am Drehort im damaligen Jugoslawien anzuprangern. Dass etwa junge Studentinnen gegen ein paar Dollars zur Prostitution für die Filmcrew herangekarrt wurden. Oder dass der Tod eines Einheimischen ebenfalls mit ein paar Geldscheinen stillschweigend abbezahlt wurde.
Weniger Probleme bereite ihm als gebürtigen Juden hingegen, immer wieder Deutsche und vor allem Nazis zu spielen, denn "[...] die Schlimmen sind immer besser zu spielen.".


Wenig charmante Worte fand er ferner für die auch in Deutschland recht populäre Serie "Drei Engel für Charlie" ("Charlie's Angels"), die er wenig schmeichelhaft als "Tits and Asses Show" titulierte. Obwohl er selbst für eine Folge vor der Kamera stand, unterstellte er dem Konzept, dass die Friseure wichtiger waren, als jeder andere am Set.

Hurst in der "Tits and Asses Show"
"Hier hat es begonnen. Erinnerst Du Dich?"
Odona, "Fast unsterblich"

Neben seinen Erinnerungen an seine bewegte Schauspielerkarriere galten das besondere Augenmerk der Gesprächsrunde auch ddem privaten Lebensweg des gebürtigen Berliners.
Wie eingangs bereits erwähnt erblickte David Hurst am 8. Mai 1926 eigentlich als Heinrich Theodor Hirsch das Licht der Welt. Sein Vater Julius, ein "[...] nichtgläubiger, deutschnationaler Kaisertreuer [...]" war zu diesem Zeitpunkt zweiundfünfzig Jahre alt, während seine Mutter bereits vierzig war. Nicht selten hatte Hurst das Gefühl, dass seine Eltern mit den Kindern überfordert waren, obwohl der Vater bereits in einer vorherigen Ehe Erfahrungen mit seinen Söhnen Hans-Joachim (später ein bekannter Opernsänger) und Wolfgang (später ein bekannter Schauspieler und Regisseur) sammeln konnte.
Um die Familie herum brach derweil die Weimarer Republik zusammen. Ab 1933 gelangten die Nationalsozialisten an die Macht und die Situation für jüdische Familien erschwerte sich von Jahr zu Jahr.
Nachdem die Ehe der Hirschs 1933 in die Brüche gegangen war, verließ die Mutter mit ihren beiden Söhnen 1935 schließlich den Berliner Stadtteil Wilmersdorf und siedelte in die österreichische Hauptstadt Wien über. Doch die politischen Entwicklungen holten die jüdische Familie auch in der beschaulichen Donaumetropole ein. Im März 1938 annektierten die Nazis Österreich, um es ihrer Rhetorik nach "Heim ins Reich" zu holen und nachdem sich auch die österreichischen Juden immer mehr Repressalien ausgesetzt sahen, musste der zwölfjährige Hurst die Reichskristallnacht im November des selben Jahres am eigenen Leib erfahren. Er wurde Zeuge der Erniedrigungen seiner Bekannten und des Hasses ehemaliger Nachbarn, die sich tief in die Erinnerungen des sichtlich bewegten Redners eingegraben hatten.
Noch im selben Jahr gelang es den Eltern, ihr Kind auf dem Weg der Kindertransporte nach Großbritannien zu verschicken. Der kleine Heinrich Theodor musste Abschied von seiner Familie nehmen ohne zu ahnen, dass er sie nie wiedersehen würde.
Bis heute kann er sich den Holocaust, in dem ein Großteil seiner Familie den Tod fand, nicht begreifen. Doch trotz all dieser Erfahrungen vermag er auf Nachfrage aus dem gleichermaßen sichtlich bewegten Publikum nicht, heutige Deutsche dafür verantwortlich zu machen oder seine Entscheidung, nach Berlin zurückzukehren in Frage zu stellen:

"Sie haben doch keine Schuld daran."

Er hält den Deutschen sogar zugute, "[…] diesen ganzen Wahnsinn […]" ehrlich und schonungslos bearbeitet zu haben und stellt dies in einen Gegensatz zu den österreichischen Nachbarn, bei denen dieser Prozess der Aufarbeitung weniger fortgeschritten sei. Alles in allem könne er sich nur an eine unangenehme Begegnung mit einem deutschen Alt-Nazi 1947 in Hamburg erinnern und bereut noch heute, "[…] dem Mann nicht in die Eier getreten zu haben.".



Der zwölfjährige Hurst fand in Nordirland eine neue Bleibe, auch wenn die Zeit dort für den aus dem familiären Umfeld gerissenen Knaben nicht schön gewesen war. Doch immer wieder versuchte der frühere Komödiendarsteller auch komische Episoden aus dieser Zeit herauszukramen und erzählte so vom Besuch einer Nonne, die die Neuankömmlinge danach befragte, ob sie "jüdisch-protestantischen" oder "jüdisch-katholischen" Glaubens seien.
Im anglophonen Umfeld wechselte Heinrich Theodor Hirsch seinen Nachnamen in das für englische Zungen besser verständliche "David Hurst" und begann mit ersten Schritten auf die Theaterbühnen Belfasts, bevor er sich zum Militärdienst meldete.
Nur eine Halsentzündung verhinderte 1944 die Versetzung nach Frankreich sieben Tage nach dem D-Day und so fand sich Hurst an verschiedenen Schauplätzen des zweiten Weltkrieges wieder. Als er 1947 in seine Geburtsstadt Berlin zurückkehrte, erfüllte ihn weder die zerstörte Stadt, noch der Besuch in seiner von den Bombenangriffen verschonten ehemaligen Wohnung.


Doch Hurst sollte noch ein weiteres Mal nach Berlin zurückkehren. Auf Initiative seines Bruders Wolfgang, der in der DDR zum Präsidenten der deutschen Akademie der Künste sowie dem Verband der Theaterschaffenden aufgestiegen war, besuchte er 1973 die Weltfestspiele im Ostteil der Stadt. Mithilfe des prominenten Bruders sowie weiterer einflussreicher Befürworter wie Gregor Gysi oder Helene Weigel versuchten sie, den Sohn der Stadt in seine ursprüngliche Heimat zurückzuholen. Doch der Plan scheiterte nicht nur an der Engstirnigkeit und dem Misstrauen der Partei, die dem mittlerweile amerikanischen Staatsbürger David Hurst nicht über den Weg traute, sondern auch an der Tatsache, dass sich Hurst zu diesem Zeitpunkt selbst um seine Familie in den USA kümmern wollte. So führte sein Weg zurück nach Europa 1990 zuerst an der Seite seines Freundes George Tabori ans Wiener Burgtheater, bis er sich im Jahr 2000 zur Ruhe setzte und ins inzwischen wiedervereinigte Berlin zurückkehrte.



"Es wird nicht sehr lange dauern."
Kirk & Spock, "Fast unsterblich"

Als der Gesprächsteil sich um 15Uhr dem Ende zuneigte, beschloss ihn Hurst, wie er ihn ursprünglich begann: Mit einem Witz. Der ehemalige Komödien-Darsteller erzählte von zwei langjährigen Shakespeare-Schauspielern, die ihre Souffleuse in den Wahnsinn treiben und wurde schließlich von den Besuchern mit tosendem Applaus gefeiert.
Obgleich er nie zuvor auf einer Convention gewesen war, honorierte er das ernst gemeinte Interesse des Publikums mit seiner Geduld bei der folgenden Autogramm- und Fotosessions und stand bei den vielen kleinen Nachfragen bereitwillig Rede und Antwort.
Dabei ging das ganze Prozedere jedoch im Vergleich zu anderen Großveranstaltungen recht zügig vonstatten, da nicht nur hochglanzpolierte Autogrammfotos zur Verfügung standen, die vom Thomas Harriman (dem Designer, dessen Entwürfe es von Deviant Art bis in den Ships-of-the-Line-Kalender 2016 geschafft haben) entworfen wurden, sondern auch die Kamera professionell vom Euderion-Captain Sean McElroy geführt wurde.
Als sich David Hurst schließlich verabschiedete, hinterließ er ein zufriedenes Publikum, dass in den drei Gemütslagen schwebte, die Hurst selbst in seinen Ausführungen erzeugte. Begeisterung, Heiterkeit aber auch Mitgefühl schwangen in den Gesprächen der Anwesenden mit. Die Einblicke, die der TOS-Darsteller und gebürtige Berliner David Hurst in sein bewegtes Leben gegeben hatte, ließen jedenfalls niemanden unberührt zurück.




Mittwoch, 19. November 2014

Die Tafelrunde trifft... David Hurst!


Wenn man nach Star-Trek-Darstellern sucht, die im deutschsprachigen Raum wohnhaft sind, kommt man auf eine überschaubare Anzahl von Personen. Mark Allen Shepherd beispielsweise, der bei Deep Space Nine als Morn zu sehen war, lebt mit seiner deutschen Frau bei Hannover. Seinen Serienkollege Max Grodénchik (Rom) verschlug es aus ähnlichen Gründen in die Umgebung des österreichischen Linz'. Und dann gibt es natürlich noch den gebürtigen Fritzlarer Reiner Schöne, der in der TNG-Folge "Versuchskaninchen" als Esoqq auftrat.
Tatsächlich gibt es neben diesen und einigen wenigen anderen Schauspielern sogar noch jemanden, der bereits in der Originalserie eine Rolle spielte und mittlerweile in seine Geburtsstadt Berlin zurückgekehrt ist: Sein Name ist David Hurst und der ein oder andere könnte sich noch als Botschafter Hodin in "Fast unsterblich" an ihn erinnern erinnern.


Das Sensationelle an diesem Umstand ist, dass es Vertretern der Tafelrunde unter der freundlichen Vermittlung eines Euderion-Mitgliedes gelungen ist, diesen Zeitzeugen der Gene-Roddenberry-Ära zu überzeugen, sich am 6. Dezember 2014 den Fragen der Fans zu stellen.


David Hurst wurde am 8. Mai 1926 eigentlich unter dem Namen Heinrich Theodor Hirsch in Berlin geboren. Als Spross einer jüdischen Familie musste er bereits in jungen Jahren die Schrecken des Nationalsozialismus' erfahren und nach der Reichskristallnacht 1938 gelang es über einen Kindertransport den jungen Heinrich nach Großbritannien zu evakuieren. So wuchs er in Nordirland auf und begann, seinen Namen in das für englische Zungen zugänglichere "Hurst" zu ändern. Doch als junger Mann kehrte er wieder nach Deutschland zurück – in der Uniform der britischen Streitkräfte. Da er eine schauspielerischen Neigungen bereits in Nordirland und während seiner Militärdienstzeit verfeinern konnte, kehrte er nach seiner Entlassung in die britische Hauptstadt London zurück, wo er verschiedene Theater- und Filmrollen übernahm. Mitte der Fünfziger Jahre siedelte er dann in die USA über, wo er bessere berufliche Perspektive für sich sah. Zu seinen bekanntesten Rollen zählt sicherlich die des Oberkellners Rudolph in "Hello Dolly!" (an der Seite von Barbra Streisand und Walter Matthau), aber darüber hinaus wirkte er auch an zahlreichen Serienproduktionen wie "Quincy", "Drei Engel für Charly" oder "Kobra, übernehmen Sie!" mit. Bereits 1987 scheiterte ein erster Versuch, nach (Ost-) Berlin überzusiedeln an den Widerständen der DDR-Behörden und erst etwa zehn Jahre nach dem Mauerfall setzte er sich in Berlin zur Ruhe.


Diesen Ruhestand unterbricht Hurst am 6. Dezember, um Star-Trek-Fans und allen interessierten Zuhörern einen Einblick in sein bewegtes Leben zu bieten. Ganz ohne den Rummel, den FedCon, Trekgate oder andere kommerziell aufgezogene Conventions oder Begegnungsabende dabei auweisen, freut sich die Tafelrunde schlicht auf einen gemütlichen Nikolaus-Nachmittag in ihrem fünften Jubiläumsjahr, an dem nicht nur ein TOS-Darsteller zum Zuhören, Autogramme geben und Fotografieren zugegen sein wird, sondern auch ein Zeitzeuge der bewegten Geschichte unserer unmittelbaren Region. Mit diesem Großereignis zum Jahresausklang bietet David Hurst den perfekten Höhepunkt für unsere Reihe "Star Trek in Berlin und Brandenburg", denn wie kaum jemand anders stellt er mit seiner spannenden Biografie lebendig unter Beweis, wie sehr unsere Hauptstadtregion und die Brücke der Enterprise in Verbindung zueinander stehen.


Natürlich geht das Ganze nicht ohne eine kleine finanzielle Beteiligung. Zum einen gibt es eine überschaubare Saalmiete und zum anderen wollen wir natürlich auch David Hurst selbst zumindest eine Würdigung seiner Bereitschaft einen Nachmittag für uns zu opfern, zukommen lassen. Wer an "Die Tafelrunde trifft David Hurst" teilnehmen möchte, schreibt entweder eine Mail an hermann.darnell[add]gmail.com oder hinterlässt einen Kommentar hier auf unserer Seite.


Wir freuen uns auf die gemeinsamen Stunden mit Euch und natürlich mit David Hurst!

"Die Tafelrunde trifft David Hurst"

06. Dezember 2014

Club Spittelkolonnaden,
Leipziger Straße  47
10117 Berlin

13Uhr, Eintritt 5€
(inkl. Autogramm und Foto mit David Hurst)

Dienstag, 24. Juni 2014

Radio – Someone Still Loves You!


Spock: "Ein einfacher binärer Code. Ein wellenförmiges Medium überträgt ihn. Radio."
Kirk: "Radio?"

Im Wandel der Zeit mag es ein wenig vergessen erscheinen, doch tatsächlich ist die Region Berlin-Brandenburg der Geburtsort des deutschen Hörfunks: Im Jahr 1920 ging nämlich vom Sendemast im märkischen Königs Wusterhausen die erste Radioübertragung der Nation aus. Nur drei Jahre später wurde von Berlin aus die erste informelle Sendung der Weimarer Republik ausgestrahlt, womit der Siegeszug des Radios als Informations- und Unterhaltungsmedium endgültig eingeläutet wurde. Und für all jene, die sich über die überzogenen Rundfunkbeiträgen unserer Tage ärgern, kann an dieser Stelle ja einmal erwähnt werden, dass die damalige Gebühr nicht nur kein Fernsehen und Internet einschloss, sondern auch noch astronomische Höhen von 780 Millionen Reichsmark bzw. 60 Goldmark pro Gerät erreichte. Seit der Inflation sorgte das Radio besonders in und um Berlin für eine Vielzahl an weiteren denkwürdigen Momenten: RIAS, der Sender Freies Berlin, DT64 oder der Grimme-Preis für Radio Eins sind nur einige Beispiele für die Traditionslinien, die wohl nirgendwo sonst so eng mit der Region verwoben sind.


Im Star-Trek-Universum bietet die Rolle des Radios jedoch nur noch wenig von jenem Glanz, der ihm in seinen Kindertagen noch ungeteilt zugestanden wurde. Abgesehen von einigen wohlwollenden Erwähnungen innerhalb der Originalserie wurde Hörfunk mehr und mehr eingesetzt, um Zivilisationsferne und Rückständigkeit zu unterstreichen. Gelegentlich verfügen einige unterentwickelte Spezies über das Medium, wobei anzumerken bleibt, dass sie dieses Kommunikationsmittel vor allen nutzen, um unter Beweis zu stellen, wie groß die Lücke zwischen ihnen und der technologisch viel weiter fortgeschrittenen Crew der Enterprise tatsächlich ist. Ferner fanden Radios in Zeitreise- und Holodeck-Episoden einen freudigen Einsatz, wo es allerdings in erster Linie genutzt wurde, um einen "angestaubten" Flair vergangener Tage heraufzubeschwören. Immerhin wird dem Medium nicht unterstellt, wie das Fernsehen nur bis zum Jahr 2040 zu überdauern.


Im Spannungsfeld unserer Zeit, in der das Radio zwar keine herausgehobene Stellung mehr einnimmt, aber dennoch keine Existenzängste durchleben muss, hat sich die Situation etwas verschoben. Natürlich hat Hörfunk keine Relevanz mehr gegenüber moderneren Medien wie dem Fernsehen oder dem Internet (dazu muss man sich nur einmal Songs wie "Video Killed the RadioStar" oder "Radio GaGa" anhören), doch auch das Internet bedient sich des Prinzips: Internetradiostationen gibt es mittlerweile in Hülle und Fülle und vielleicht war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kommen würde, die Themenfelder "Star Trek" und "Internetradio" unter einen Hut zu bringen. 
Seit Dezember 2013 kann man auch in Deutschland ein von engagierten Fans liebevoll in ihrer Freizeit gepflegtes "Star Trek Radio" empfangen, das "[...] mutig dorthin vorstoßen will, wo nie zuvor ein Radio gewesen ist". Im Zuge dieses Anspruches gab es bereits Live-Übertragungen von der Star Trek Destination Germany oder der FedCon; Berichterstattungen von der Trekgate oder der DaedalusCon sind ebenfalls in Planung. Schon nach seiner recht kurzen Austrahlungszeit belegt das Star-Trek-Radio mit seiner Existenz die Vielfalt und Kreativität der deutschen Fanszene und ist bereits festen Bestandteil unserer heimischen Fankultur geworden.



Nun stammen die Urheber dieser längst überfälligen Idee überall aus Deutschland und es scheint nur folgerichtig, auch die Stimme der Hauptstadtregion in dieses Projekt miteinzubringen. Nicht nur, dass Berlin und Brandenburg wie eingangs ausgeführt die Traditionslandschaft des Radios schlechthin markiert; mit unserer Rubrik "Star Trek in Berlin und Brandenburg" konnten wir bereits mehr als einmal unter Beweis stellen, dass der Nabel der deutschen Fanlandschaft untrennbar mit der Spreemetropole und ihrem Umland verknüpft ist. Nirgendwo gibt es mehr Fangruppierungen an einem Ort und nirgendwo ist das Potential für interessierte Hörer größer.


Morgen, am Mittwoch den 25. Juni 2014 wird Turon 47 in der Gesprächsrunde "Trek Talk" zu hören sein, bei der es nicht nur um die Hauptstadtregion gehen wird, sondern auch um die Zukunft der Trekgate, deren unsicheren Fortbestand vor kurzem bei uns angesprochen wurde. Mit von der Partie sind aller Voraussicht nach auch die Convention-Organisatoren Alex und Roger, die sicherlich genauere Informationen zum aktuellen Stand geben können. Außerdem wird neben Turon auch unser alter Bekannter und Tafelrunden-Angehörige Tom (Marcus) Jones zu hören sein, da die Rollenspielgruppe der USS K'Ehleyr gerade Gegenstand einer Sondersendung war. Wer Interessen an diesem spannenden Projekt hat und auch einmal zuhören will, was Moderator Jesse und seine Gesprächspartner zu erzählen haben, sollte morgen abend ab 20Uhr unbedingt unter diesem Link einschalten (eine Anmeldung ist nicht notwendig, aber auf "Play" müsst ihr schon allein drücken)!

Montag, 3. März 2014

"Der Film als Element vergangener Zeiten ist eine extrem ergiebige historische Fundgrube"

Mit der Rubrik "Star Trek in Berlin und Brandenburg" möchte die Star Trek Tafelrunde "Hermann Darnell" in Potsdam-Babelsberg zeigen, dass die Hauptstadt mit ihrer unmittelbaren Umgebung noch immer ein Zentrum für Star Trek in ganz Deutschland ist. An Havel, Spree und Finow tummeln sich nämlich Spieleentwickler, Sammler, Verkleidungsexperten, Origami-Künstler, Webseitenbetreiber, Fan-Fiction-Autoren, Hörspielproduzenten, Rollenspieler, Leseratten, Ladenbesitzer und Trekdinner, die im Zusammenspiel einen einzigartigen, kreativen und spannenden Schmelztiegel ergeben, der landesweit seinesgleichen sucht. Dieser besonderen Vielfalt zollt die Tafelrunde daher mit einer Interview-Reihe Tribut, in der die spannendsten Projekte, Personen oder Gemeinschaften vorgestellt werden.


Professor Dr. Pröve unterrichtet an der Universität Potsdam das Fach Geschichte im Bereich Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt. Dabei handelt es sich um den Zeitraum des 15. Jahrhunderts, also der beginnenden Frühen Neuzeit bis zum Zweiten Weltkrieg. Untersucht werden hierbei 
Wechselwirkungen zu Staat, Gesellschaft, Kultur und Ökonomie. Herr Pröve ist ein Star Trek-Fan der ersten Stunde. Das war für uns Grund genug ein Interview mit ihm im April 2013, vor Veröffentlichung von Star Trek: Into Darkness, zu führen. Die Themen waren dabei breit gefächert. Lwaxana, Baldavez und Strifes redeten mit ihm über seine ersten visuellen Begegnungen mit dem Phänomen Star Trek, über den Regisseur J.J. Abrams und über Star Trek als Quelle für zukünftige Historiker.





Wo wohnen Sie?
Ich wohne in Berlin.

Welchen Beruf üben sie aus?
Ich bin Historiker und Hochschullehrer an der Universität Potsdam.

Welchen Hobbies gehen Sie neben Star Trek nach?
Kann man da überhaupt noch andere Hobbies haben? Aber im Ernst: Kulturelle Ausdrucksformen wie Filme, Musik, Literatur und Theater interessieren mich sehr, da diese jeweils aufschlussreiche Spiegelbilder der Zeit darstellen und es somit erlauben, die Wandlungen von Erzählmustern präziser zu verfolgen. Zudem schätze ich Sport im allgemeinen, Fußball im besonderen, als Spieler wie als Zuschauer.

War Star Trek Ihre erste Berührung mit Science-Fiction? 
Ich war ein großer Fan von Isaac Asimov und Stanislaw Lem. Ich mochte diese seichten amerikanischen Geschichten, die zum Teil stark von der PopArt geprägt waren und sich herrlich kreativ-abstrus und spielerisch gestalteten. Bei Lem hingegen überwogen, weitaus ernster, die philosophischen und technischen Fragen seiner Zeit. Beide Perspektiven haben sich wunderbar ergänzt. Science-Fiction war damals, in den neunzehnsiebziger Jahren nicht so beliebt. Dies hat sehr viel mit dem damaligen Zeitgeist zu tun; die politischen Bewegungen der späten Sechziger und der frühen Siebziger Jahren waren wenig spaßorientiert und auf die politischen Veränderungen der gesellschaftlichen und politischen Strukturen fokussiert. Erzeugnisse, die phantasievoll andere Welten kreierten, galten als nicht zielführend. Das Genre galt somit als „uncool“. Entsprechend gab es im Vergleich zu heute viel weniger Kinofilme. SciFi war in der Öffentlichkeit kein anerkanntes Gebiet. Wahrscheinlich bestand die Schwierigkeit in der Massenkompatibilität dieser Art von Film auch darin, dass diese letztlich auf Computer-Spezialeffekte angewiesen waren. Mit dem ersten „Star Wars“-Film im Jahr 1978 begann sich dann vieles zu ändern.
Auf Star Trek (TOS) bin ich in den frühen Siebziger Jahren im deutschen Fernsehen gestoßen. Das kam auf dem Zweiten samstags im Vorabendprogramm. Es wurden nicht alle Folgen ausgestrahlt und die Serie teilweise auch sehr abenteuerlich synchronisiert. Insofern hielt sich mein Interesse in Grenzen. Nach nur wenigen Monaten, es gab ja lediglich 50-60 Folgen, endete vorläufig meine Begegnung mit der Saga.
Deutlich mehr Aufmerksamkeit widmete ich dann der neuen Serie „The Next Generation“ (TNG). Die Erstausstrahlung begann 1987 ebenfalls im ZDF, bevor dann einige Jahre später die privaten Sender die Serie in ihr Programm aufnahmen. Das war dann auch der Zeitpunkt, an dem ich feststellte, dass es Kinofilme zur Serie gab. Die waren an mir zuvor komplett vorbei gegangen. Ich mochte die Ernsthaftigkeit bei TNG, während ich hingegen bei TOS manche Sachen als zu salopp, zu oberflächlich empfand. Bei TNG hatte ich eher den Eindruck, dass man versucht, sich um Wissenschaftlichkeit und eine gewisse Stringenz in der Handlung zu bemühen. Auch Lebensphilosophie und Vorstellungen gesellschaftlicher Ordnung traten hier stärker in den Vordergrund, wohl am deutlichsten ausgedrückt durch die Oberste Direktive. Die Schauspieler waren deutlich engagierter; zum Teil hatte man Charakterdarsteller wie Patrick Stewart und Brent Spiner verpflichten können.



Warum sind sie dann trotzdem in den 70ern bei TOS geblieben? Was hat sie bei der Serie gehalten?
Wie gesagt, zunächst war ich von TOS nur mäßig begeistert; überzeugt hat mich aber die Grundidee, die Gesamtsaga. Letztere konnte ich natürlich erst Jahre später, ab TNG erfassen. Zudem hatte sich ein grundsätzlicher Umschwung abgezeichnet. Anfang der Achtzier wurde eine Reihe sehr guter Science-Fiction-Filme (u.a. Blade Runner) in die Kinos gebracht und das Genre wurde populär. Als dann TNG kam, und bald darauf die beiden weiteren Ableger Deep Space Nine und Voyager hinzustießen, erhielten diese zu Recht breite Aufmerksamkeit.

Welche Reihe ist Ihre Lieblings-Star Trek-Serie? Welche ihre Lieblingsfigur innerhalb des Franchises? Welche Figuren fanden Sie unangenehm?
Ich fand Star Trek: Enterprise recht überzeugend. Auch Voyager hatte seine Spitzenmomente als die Figur Seven of Nine in die Crew integriert wurde. Bei Deep Space Nine fand ich besonders die letzten zwei bis drei Staffeln interessant, als versucht wurde, den Bogen zu Benjamin Sisko als Abgesandten der Propheten zu spannen und damit eine Metaerzählung zu konstruieren. Ich bin mir unsicher, welche ich davon jetzt genau favorisiere, aber ich tendiere zu ENT.
Ich finde jene Figuren interessant, die ihre Identitäts-Konflikte austragen müssen, weil sie sich verschiedenen Kulturen zugehörig fühlen. T'Pol halte ich für eine faszinierende Idee, an der man die Reflexion menschlicher Handlungsweisen sehr gut festmachen kann. Auch die Gespräche mit Dr. Phlox entstammen einem weitsichtigen Konzept. In jeder Serie ist mindestens eine derartige Figur angelegt: In Voyager ist es Seven of Nine, die mit ihrer Vergangenheit als Drohne im Borgkollektiv hadert und sich gleichzeitig versucht, an Bord des Schiffes zu integrieren. Bei DS9 wird ebenfalls immer wieder mit der Idee von Identität und Selbstreflexion gespielt.
Die Figuren, die ich unangenehm fand, waren zu eindimensional gezeichnete Charaktere wie etwa William Riker, der allerdings gegen Ende der Serie einige tiefere Facetten erhielt. Zudem fand ich einige Nebenfiguren wie Wesley Crusher nervig; offenbar hatten die Drehbuchautoren hier den Versuch unternommen, gezielt jüngeres Publikum zu gewinnen.

Wer war der beste Star Trek-Bösewicht? 
Mich hat immer wieder die Einfallslosigkeit gestört, dass nämlich viele negative Gegenspieler fast durchgängig Männer waren. In den ersten Star Trek-Episoden waren es Figuren wie Khan, die das Bild entscheidend prägten und die eben nur auf martialische Art und Weise ihre Rache verübten und das nervt irgendwann. Zu viel Klischee. Die Geschlechterpolarität wurde hier zunächst gar nicht aufgebrochen; erst später sollte sich daran etwas ändern.
Deswegen sage ich jetzt einfach mal Lursa und B'Etor aus Star Trek VII: Treffen der Generationen. Die Borg-Königin, gespielt von Alice Krige, fand ich ebenfalls faszinierend; „First Contact“ zähle ich zu den gelungensten Kinofilmen. Stark war auch die Figur der Seska, die ziemlich viele Facetten allein durch ihren kulturellen Hintergrund im Kontext der Cardassianer, dem Maquis und den Kazon aufweist.



Haben Sie einen Lieblingsaußerirdischen im Franchise?
Die vielschichtig gezeichneten Ethnien, wie Klingonen, Vulkanier und Ferengi rangieren bei mir ganz oben, zumal deutlich wird, dass die Autoren mehr Zeit in deren Entwicklung gesteckt haben. Es gibt eine TNG-Folge, die ich von der Sprachphilosophie her sehr interessant finde, und dass ist "Die Kinder von Tama". Das ist eine dieser Folgen, die vom Zuschauer eine Menge abverlangen und die bei Star Trek den Unterschied zu Star Wars ausmachen, dem man anmerkt, dass es sehr auf den Mainstream ausgerichtet ist. Die Kinder von Tama sprechen in historischen und mythischen Bezügen und das Gesagte ist meist eine Referenz auf zurückliegende Ereignisse, weswegen der Schiffscomputer das nicht adäquat übersetzen kann. Den Drehbuchautor würde ich gern fragen, wie er auf die Idee für diese Folge kam.

Gibt es Ihrerseits eine Lieblingsepisode?
Ich mochte die TNG-Episode "Ich bin Hugh". Das war einer der Episoden wo meiner Meinung nach alles gestimmt hat, vom Drehbuch bis zu den Darstellern.

Wie haben Sie den Wandel der Klassik-Serie hin zur The Next Generation erlebt und wie sehr den Bruch zwischen den eher utopischen Settings hin zur ENT-Serie? Wie bewerten sie den Austausch einiger Darsteller (Bsp. Kes und Seven of Nine)
Ich kann am wenigsten mit der Originalserie anfangen. Es gibt da sicher auch Glanzlichter, aber die begrenzte Logik der Sechziger Jahre lässt sich doch deutlich in dieser Serie erkennen. Die simplen Muster, wie das Sterben eines Redshirts bei einer Außenmission haben dazu geführt, dass ich mit der Serie nicht richtig warm wurde. Von daher gab es da für mich wohl keinen Bruch.

Was halten sie von der Darstellung des Themas „Tod“ in Star Trek?
Wenn wir vom Thema 'Tod in Star Trek' sprechen, muss ich auf eine Voyager-Folge verweisen, die ich für das Thema sehr treffend fand. Sie heißt „Asche zu Asche“ und es geht um ein Volk (die Kobali), das sich durch Wiederbelebung anderer Spezies reproduziert. In anderen Folgen wird die Frage nach den jeweils kulturell codierten Vorstellungen vom Jenseits aufgearbeitet - und damit viele gängige religiöse Muster relativiert. Erstaunlich, dass die strengen puritanischen Religionswächter in den USA derartigen Perspektiven keinen Riegel vorgeschoben hatten. Solche Drehbuchideen sind vielversprechend. Der Tod gehört bei Star Trek dazu, um die Gefahr zu vergegenwärtigen, in der man sich auf einer solchen Reise im Weltall, in einer extrem lebensfeindlichen Umgebung, befindet. Vielleicht hätte man sogar noch offensiver vorgehen und häufiger eine wichtige Figur sterben lassen sollen.

Was denken Sie über das Reboot von J.J. Abrams?
Er hat ja mehrfach betont, dass er die Serie gar nicht gesehen hat und eher eine Mischung aus Star Trek und Star Wars favorisiert. Wenigstens ist er ehrlich; aber das hätte ich ihm auch vorher im Hinblick auf den elften Film attestieren können. Jüngere Leute zu verpflichten und einen Schnitt mit dem alten Franchise zu machen, ist grundsätzlich nicht das Problem. Aber mit allem dagewesenen zu brechen und dann wirklich auch schwache Stories zu liefern, die letztlich nur auf Action beruhen, ist eine Konterkarierung des Fundaments von Star Trek. Natürlich sind die Effekte toll, aber damit spricht man nur den Sehnerv an, das Großhirn bleibt außen vor. Er wildert ja regelrecht mit ein paar Charakteren und zerstört damit den Mythos.

Finden Sie, dass die Charaktere der alten Serie im Film von 2009 getroffen wurden?
Ich verstehe die Wandlung der Figur Kirk nicht. Er ist ein 17-jähriger Spätpubertist aus Idaho [sic!], der sich grad noch in der Kneipe geprügelt hat und dann nach drei Jahren Kapitän eines Mega-Raumschiffs mit einer Besatzung von mehreren hundert Menschen wird. Das wirkt auf mich sehr gestellt und es stößt mir auch sauer auf, dass bis auf die Vulkanier keine anderen bekannteren Ethnien im elften Film auftauchen. Die kärglichen Romulaner im Film kann man getrost außer Acht lassen. Die Verständigung innerhalb der Föderation, das Philosophische und Moralische ist in diesem Film schlichtweg nicht vorhanden.

Nicht mal Pille und Spock haben sie überzeugt?
Pille hat ja zu diesem Zeitpunkt schon eine Geschichte (Scheidung) hinter sich und dem Schauspieler nimmt man seine Rolle auch ab. Erzähltechnisch kommt Spock leider ebenso wie Kirk sehr verknappt weg. Die Story finde ich hanebüchen.

Werden sie sich „Into Darkness“ trotzdem ansehen?
Muss ich ja, sonst gibt es ja nichts mehr über das man schimpfen könnte. Nein, im Ernst, ich werde „Into Darkness“ allein aufgrund des grandiosen Schauspielers Benedict Cumberbatch angucken. Den kennt man als Sherlock Holmes in der neuen BBC-Reihe „Sherlock“.

Was halten sie generell von der Tendenz zu Reboots?
Darin drückt sich die große Unsicherheit unserer Zeit aus. Man wagt nichts mehr, wählt den scheinbar sicheren Weg alter Erfolgstitel und verlässt sich eher auf Vergangenes anstatt das Wagnis des Neuen einzugehen. Das fängt beim Drehbuchautor an und geht bis über den Produzenten hin zum Direktor des Senders. Denen fehlt die Risikobereitschaft. Es ist derzeit ein grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft, das sich hier konkret am Star Trek-Reboot zeigt.




Wird sich daran in naher Zukunft irgendetwas ändern?
Dazu müsste ich einen Zeitreisenden befragen. Ich kann es nicht sagen. In der Regel verändert sich das sicher noch mal, aber die Frage ist eben: Wann?

Was macht für Sie die Faszination an Star Trek aus?
Die Grundidee der Völkerverständigung und allgemein die positive Zukunftserwartung, die in der Serie gezeichnet wurde. Es gibt immer wieder Bezüge zu Star Trek auch in anderen Serien oder im Kino oder auch der Literatur. Ich habe erst neulich „Die Nacht der lebenden Trekkies“ gelesen und musste herzhaft lachen. Ebenso ist die Persiflage in „Galaxy Quest“ wunderbar gelungen. Die Übertragung in Buchform und die Beschäftigung mit dem Thema "Star Trek" zeigt seine besondere Wirksamkeit. Ich finde es bemerkenswert, dass Physiker versuchen, etliche Ideen aus der Serie umzusetzen. Der Einfluss, den die Star Trek Saga auf unsere Lebenswirklichkeit, auf unsere Alltagskultur hat, ist erstaunlich ausgeprägt. „Beamen“ etwa gehört zum sprachlichen Standardrepertoire.
Manches haben wir auch schon ‚überholt‘: mittlerweile gibt es ja nicht wenige Gegenstände oder Errungenschaften aus der alten Serie, die bereits umgesetzt worden sind (Kommunikator vs. Handy).
Und zum Schluss: Es ist natürlich grundsätzlich und letztendlich sehr gut gemachte Unterhaltung.

Lesen Sie die Star Trek Romane? Oder vielleicht sogar Fan-fiction?
Gelesen habe ich vor vielen Jahren mal zwei Star Trek-Romane aus der DS9-Reihe. Welche das jetzt genau waren, weiß ich nicht mehr. Sie haben mir aber nicht gefallen. Ich sehe Star Trek lieber im bewegten Bild. Interessant wäre es vermutlich, wenn die Drehbuchautoren ihre nicht umsetzbaren Ideen in Buchform herausbringen würden. Meistens sind es ja ganze Teams von Drehbuchautoren, die für eine Serie arbeiten. Die Bücher konzentrieren sich auf einen Spannungsbogen, weswegen gewisse Sachen einfach raus fallen. Fan-Fiction habe ich noch nicht gelesen.

Betrachten Sie sich als Fan des Technogebabbels?
Ich finde, die Technik-Mensch-Interaktion gehört dazu. Natürlich kann man kritisieren, dass dieses stilistische Mittel ein recht simples Tool ist, um über Schwächen in der Handlung hinwegzuhelfen, um Alternativen für die Figuren aufzuzeigen, bzw. diese zu begrenzen. Wenn der Konflikt technischer Natur ist und nicht auf zwischenmenschlichen Handlungen basiert, kann das die Zuschauer vor Verständnisprobleme stellen. Ich finde dennoch, dass es den Drehbuchautoren durchaus gelingt, einzelnen zentralen Schlüsseltechnologien den Charakter eines Akteurs zuzubilligen und somit ihren ganzen Erzählschemata eine zwischenmenschliche Note zu verpassen, die aktuelle Bezüge aufweist.

Wie bewerten Sie den Umgang der Serie/ der Filme mit dem Thema Geschichte?
Ich antworte mal auf zwei Ebenen; einmal die Ebene des Betrachtenden und dann die des Betrachteten. Geschichte wird, wenig verwunderlich, nicht als akademische Disziplin, sondern als Geschichtskunde aufgefasst. Immerhin wird in einer TNG-Episode dezidiert ein Historiker eingesetzt („Der große Abschied“), der zu einem Ausflug in das Holodeckprogramm einer Story aus dem frühen 20. Jahrhundert mit genommen wird.
Interessant ist der Umgang mit der Erzählung „Zeit“, die in Star Trek nicht als kontinuierliche Fortführung gesehen wird, sondern eher als Kreis. Zeitreisen sind in Star Trek sehr populär, wenn man sich Episoden wie "Carbon Creek" (ENT), "Zeitschiff Relativity" (VOY) oder in "Gestern, Heute, Morgen" (TNG) ansieht.
Es werden immer wieder parallele Zeitlinien eingefügt und anschaulich mögliche Handlungs-Alternativen aufgezeigt. Damit wird ein Thema angeschnitten, dass uns alle bewegt. Hätte man anders entscheiden können? Gibt es einen freien Willen oder sind wir von unsichtbaren Gesetzmäßigkeiten umgeben? Damit werden letztlich auch Argumente geliefert, wie wir heute vergangene Zeiten beschreiben, erzählen, ob wir beispielsweise uns für einen Strukturzugriff oder ein kulturelles Konzept entschieden haben.

Mir persönlich fällt es schwer Zeitreise-Episoden nachzuvollziehen. Geht es Ihnen da ähnlich?
Das Thema der Zeitparadoxien ist recht verbreitet und schon vielfältig künstlerisch umgesetzt worden. Vor kurzem wurde die Idee in dem Film „Looper“ mit Bruce Willis in der Hauptrolle umgesetzt. Wenn also jemand in der Vergangenheit stirbt, erlischt natürlich auch das Licht des zukünftigen Ichs. Das ist nachvollziehbar umgesetzt. In "Zersplittert" (VOY) muss die Figur Chakotay durch die verschiedenen Zeitzonen innerhalb der USS Voyager eilen, um die Crew zu retten. Eine andere Voyager-Folge, "Endstation – Vergessenheit", beschäftigt sich wiederum mit einer Art alternativen Zeitlinie. Die Frage nach dem subjektiven und dem objektiven Realitätsbegriff steht bei diesen Episoden ganz weit vorn.

Ist Star Trek als Kulturgut eine lohnende Quelle für Historiker späterer Zeiten?
Der Film als Element vergangener Zeiten ist eine extrem ergiebige historische Fundgrube. Dabei ist es allerdings herausfordernd, die inhaltliche von der sachlichen Ebene zu trennen. Filmquellen sind für Historiker in erster Linie ein Spiegel, weil wir als Menschen zunächst einmal nur uns sehen können. Wir setzen Vergangenheit immer in Bezug zur Gegenwart, vergangene Handlungen immer in Bezug auf eigene Verhaltensweisen usw. Wir konstruieren also eine Form von Wirklichkeit für die damalige Zeit, die dieser vermutlich gar nicht gerecht wird.
Ich kann die Quelle Star Trek wie bei einer Zwiebel in mehreren Schichten untersuchen. Zunächst könnte man die Politik und Perspektive von Paramount und den Drehbuchautoren ausleuchten; ebenso die Eigengesetzlichkeiten des Genres SciFi, die Gattungsspezifika einer Fernsehserie und die Marktbedingungen von Film und Fernsehen. Dann gibt es die ganze Bandbreite der bewussten und unbewussten künstlerischen Umsetzung, also die Beleuchtung im Film, die Sicht des Kameramannes, Einstellungen, Schnitte, Einsatz der Darsteller, Kostüme, Requisiten usw.; um diese Kontexte sichtbar zu machen, müsste man eigene Sequenzprotokolle erstellen. Daher ist jeder Film eine einzigartige und vor allem sehr komplexe Quelle.
Hinzu kommt, dass wir aufgrund der über vierzigjährigen Geschichte der Saga immanent vorgehen und die einzelnen Episoden und Großerzählungen miteinander in Bezug setzen können. Nicht umsonst werden ja immer wieder von den Verantwortlichen mit viel Lust und Freude diverse Selbstverweise vorgenommen und auch einzelne Handlungsstränge miteinander verknüpft.

Haben sie die storytechnische Wandlung des Franchises in DS9 verfolgt? Von „ Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit“ hin zu „Paranoia“?
Es war kein plötzlicher Umbruch innerhalb der Serie, sondern die Veränderung erfolgte wesentlich feingliedriger und schleichender. Und dieser Prozess der Umwandlung ist wesentlich spannender zu beobachten, als ein plötzlicher Wechsel.

Gleiche Frage auch für ENT und den Nine-Eleven-Vergleich (Angriff auf Florida; Krieg gegen den Terror weit weg vom eigenen Land) ?
Es fällt schon auf, dass in „First Contact“ die Geschichte wesentlich düsterer gezeichnet wurde und in ENT scheint sich das auch zu bestätigen. Es ist mir schon fast zu offensichtlich zu sagen, es hat mit der Tagespolitik zu tun. Allerdings habe ich meinen Fokus bei Star Trek eher auf Themen wie kulturelle Alterität, Identität und Toleranz gelegt.



Halten sie Roddenberrys Vision für eine sozialistische Sichtweise?
Nicht unbedingt. Zu Beginn, in der Perspektive von Roddenberry, geht es eher um die Anbetung der Technik. Die Technik wird alles richten. Sobald die Technik zur richtigen Zeit vorhanden ist, können wir Umweltverschmutzung, Hungersnöte und Ressourcenarmut bekämpfen. Des Öfteren werden aber auch Kulturen in Star Trek entworfen, die genau das konterkarieren, und der Fortschritt eben nicht das entscheidende Kriterium für den Fortbestand darstellt.
Diese Sichtweisen hatten sich in den letzten Jahren der Saga verstärkt und es finden sich immer wieder Bemerkungen über eine Gesellschaft, die deutlich weniger kapitalistisch angehaucht ist.
In „First Contact“ fallen meiner Meinung nach die entscheidenden Sätze, in denen Picard über die Wirtschaft des 24. Jahrhunderts spricht. Geld spielt als treibende Kraft hinter allem keine Rolle mehr. Man strebt danach sich selbst und den Rest der Menschheit zu verbessern.
Abrams Filme legen auf diesen eminent wichtigen und zentralen Hintergrund keinen Wert. Es gibt einen festgelegten Bösewicht und die Handlung dreht sich darum, dass dieser zur Strecke gebracht wird. Das hat mit Roddenberrys Vision nichts mehr zu tun. Aber warten wir den nächsten Film ab, denn bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.

Glauben Sie, dass man von der Utopie einen moralischen Transfer auf gegenwärtige Positionen/Situationen machen kann? Als Beispiel hierfür dient die TNG-Folge "Wem gehört Data"?
Das ist eine ganz starke Folge, in der es um eine Gerichtsverhandlung geht und diese Folge kommt komplett ohne Action aus und dabei ist sie äußerst sehenswert. Riker hat hier einen sehr starken Moment, als er Data für einen kurzen Augenblick abschaltet, um zu verdeutlichen, dass der Android eben doch nur eine Maschine ist. Ich halte das für eine überaus intelligente Reflexion unserer aktuellen Moralvorstellung, die stets auf das Moment der Selbstbestimmung und Individualität hinausläuft.
Wie gesagt, die Serie wird als Spiegel genutzt, um heutige Probleme in andere Kontexte zu stellen, wie hier, in der Zukunft. Mit dieser Verfremdungstechnik gelingt es beim Publikum, viel gezielter und nachhaltiger Kritik an unseren aktuellen Verhältnissen zu üben.

Halten Sie Star Trek eher für eine Dystopie oder eine Utopie? Blade Runner wäre z.B. eine klassische Dystopie.
Blade Runner habe ich seinerzeit im Kino gesehen und halte es für fraglich, ob es sich dabei wirklich um eine Dystopie handelt. Das Setting des Films wirkt natürlich auf den ersten Blick dystopisch. Es bleibt aber offen, wie der Gesellschaftzustand im Film beschaffen ist. Die Replikanten ermöglichen den Menschen die Eroberung des Weltraums, man ist technisch schon bis zum Jupitermond Titan vorgedrungen. Ich bin skeptisch, ob das Setting und der Film wirklich so düster sind, wie es immer dargestellt wird, zumal der Ausgang der Handlung ja als positiv gewertet werden kann: Der Blade Runner fliegt mit dem geretteten Replikanten ins Grüne. Vielleicht ist ein Film wie "World War Z" als apokalyptisches Szenario eher eine Dystopie. Die Frage steht jetzt im Raum: Was ist demnach eine Dystopie?
Baldavez: Die klassische Dystopie wäre die „The Walking Dead“-Reihe, in der die Zombies die Hintergrundbedrohung darstellen und das eigentliche Augenmerk auf dem Zusammenspiel der noch verbleibenden Menschen liegt. Die Entwicklung der Handlung vor dem Spiegel der eigenen Angst und der allgegenwärtigen Bedrohung wird ja durchaus negativ postuliert.
Eine Dystopie wäre für mich z.B. „Waterworld“ oder „Postman“, gern auch „Mad Max“. Das sind Filme, die ganz bewusst mit Dystopien spielen.
Strifes: Da könnte man aber einwenden, dass auch diese Filme mit einem positiven Ende versehen sind.
Das sind aber fast alle Hollywood-Streifen.
Strifes: Also gibt es keine klassische Dystopie.
Das wäre dann wohl eine würdige Diskussion für ihre Internetseite.



Wie bewerten sie die Abhandlung des militärischen Komplexes in Star Trek? Wie wird ihrer Meinung nach das Thema Militär in Star Trek verhandelt? 
Gene Roddenberry war Pilot beim amerikanischen Militär. Das Militär in Star Trek spielt angesichts dieser Ausgangslage eine erstaunlich geringe Rolle. Selbst als in ENT Militär an Bord stationiert wird, um einer massiven Bedrohung der Erde zu begegnen, bleibt es beim Spannungsverhältnis zwischen der zivilen, forschenden Besatzung auf der einen und dem Militär auf der anderen Seite. Aber am Ende einigt man sich in Gegenwart der Bedrohung auf ein gemeinsames Ziel. Wieder ist also Kommunikation der Schlüssel. Selbst im Hinblick auf den Hintergrund vom Nine-Eleven-Anschlag ist die Lösung, die man letztendlich findet, ein diplomatischer Weg.

Baldavez: Dann nehmen wir einfach mal die Folge in der Deanna Troi ihre (militärische) Qualifikation zum Brückenoffizier machen möchte ("Radioaktiv"). Wo sehen sie da die Grenzen zwischen Militär und Zivilisten?
Es handelt sich um ein friedliches Forschungsschiff mit entsprechendem Auftrag, auch wenn ein gewisser unterschwelliger militärischer Ton durch die „Sternenflotte“ (Uniform, Dienstränge) stets gegeben ist. Allerdings trifft dieser Umstand beispielweise auch auf die heutige zivile Handelsmarine zu.
Es geht lange Zeit nicht um Krieg. Erst gegen Ende der Serie und kurz zwischendurch spielt das Thema eine Rolle. Die militärische Struktur bei Star Trek im Allgemeinen finde ich erstaunlich und erfreulich unterrepräsentiert. Es gibt wenig gewalttätige Auseinandersetzungen und die Waffen, die verwendet werden, sind oft bewusst nicht tödlich, nur betäubend. Das war bei TOS leider viel häufiger der Fall; den klassischen Anfangstoten, den namenlosen Crewman im roten Gewand, hatten wir ja schon angesprochen. Als Kontrast werden in einzelnen Episoden immer wieder Falken-Figuren kreiert, die nichts von Frieden und Verständigung halten und lieber kämpfen wollen. Und mit ihrem aggressiven Konzept stets scheitern.

Wie sehen sie die Rolle von Zivilisten im Star Trek-Universum? Beispiele wären hier Siskos Vater Joseph, Quark auf DS9 oder eben Guinan auf der Enterprise-D.
An diesen Personen merkt man z.B. bei TNG den Forschungsaspekt deutlich. O'Briens Frau ist Lehrerin auf DS9, vorher Botanikerin auf der Enterprise-D. Der Forschungsauftrag wird in der Serie sehr deutlich betont.

Lwaxana: Bevor ich die Frage jetzt gänzlich aufschiebe, stelle ich sie jetzt einfach mal. Was halten sie von Star Wars? Sie hatten ja mehrfach betont, dass die Reihe für sie nur ein riesiges Märchen sei.
Ich habe die Reihe natürlich gesehen. Ich fand das damals 1978 (Krieg der Sterne, heute offiziell als Vierter Teil bekannt) durchaus faszinierend, gerade aufgrund der Tricktechnik. Der Film war optisches Popcorn, die Reihe von vornherein als Unterhaltung ohne tieferes metaphysisches Gedankengut gekennzeichnet. Es ist auch weniger Science-Fiction, sondern eher Fantasy. Die Technik spielt letztendlich kaum eine Rolle. Es gibt geheime Kräfte und telepathische Überredungskünste. Es wirkt zum Teil sehr klamottig. Ich habe zuweilen im Kino herzlich gelacht, wenn es allzu holzschnittartig wurde. Die Geschichte von Gut und Böse und wie beides miteinander zusammenhängt, will ich gar nicht schlecht reden, aber es ist eben ein Märchen.
Lwaxana: Das würde bedeuten, sie mögen auch „Herr der Ringe“ nicht, weil es eben ein Märchen ist? 
Ich war immer ein Fan von Tolkien, noch mehr vom Buch als vom Film. Aber auch bei Tolkien geht es um die Verständigung zwischen den Völkern, um andere Kulturen. In einem Star Wars-Roman würde man sicher keine 100-seitige vergleichbare Beschreibung der Hobbits finden können.
Lwaxana: Glauben sie, dass Abrams Star Wars völlig verhunzen wird?
Ja.
Strifes: Aber das ist doch genau sein Metier. Da kann er dann abliefern, was er auch schon bei Star Trek gemacht hat. Action am Fließband. 
Baldavez: Oder zumindest ein durchstrukturiertes Gut gegen Böse.
Gut, da haben sie wohl recht. Er muss sich da kaum verstellen, sondern kann seine Linie durchziehen.
Lwaxana: Was halten sie davon, dass er dann beides machen wird, also Star Trek und Star Wars?
Ich halte es für ein Armutszeugnis. Man müsste mal jemanden wie die Coen-Brüder („True Grit“, „No Country for Old Men", „Fargo“) dazu bringen, einen Star Trek-Kinofilm zu drehen. Wenn man sich Abrams Star Trek ansieht, dann, so finde ich, hätte das selbst Peter Jackson („Herr der Ringe“-Trilogie) besser hinbekommen.
Baldavez: Das stelle ich mir auch interessant vor.
Der hätte die Ferengi geliebt. (schmunzelt)
Baldavez: Er hätte es vielleicht auch geschafft, Star Trek die würdige Langsamkeit zurückzugeben. Nicht unbedingt jene aus "Star Trek: Der Film", aber zumindest wäre es nicht die Hektik aus Star Trek XI geworden. 

Wenn Sie bei einer Zeitreise die zeitliche und örtliche Wahl hätten, wo bzw. wann würde es hingehen?
Wenn man konsequent genug ist, müsste man sich eigentlich selbst in der Zeit besuchen. Von der Geburt bis ins hohe Alter würde ich mein Leben mit genügend Abstand zu meinem früheren Ich begleiten. Es wäre für mich das größte Abenteuer überhaupt, das Ganze nochmal erleben zu dürfen.

Gibt es Momente in ihrem Leben, in denen Star Trek einen Einfluss auf ihr Handeln hat?
Ich setze in der Lehre gerne Zitate und Analogien aus alltagstauglichen kulturellen Genres ein. Manchmal aus der Literatur, häufig aus Filmen. Und eben auch aus Star Trek. Mit diesem Kunstgriff sorge ich nicht nur für eine gewisse Auflockerung, gute Stimmung, sondern auch dafür, keine künstliche Trennung von Elfenbeinturm und dem Leben ‚da draußen‘ entstehen zu lassen. Eine solche isolierte Betrachtung könnte nämlich dazu führen, dass wir nur in ritualisierten Bahnen denken. Es hängt aber alles zusammen, unsere Alltagskultur, unser Freizeitverhalten, die Untersuchung historischer Epochen und die Beschreibung fremdartig anmutender Kulturen in Vergangenheit und Gegenwart. Erst wenn wir lernen, weiter zu denken, offen zu sein, erschließen sich Kontexte und Wirkmechanismen nachhaltig.

Strifes: Wie reagieren die Studenten im Regelfall?
Ich habe gewisse Rezitationen derartiger Passagen schon in den Protokollen der Studierenden wiedergefunden. Die Reaktionen reichen von verhaltenem Lachen bis zum Outing der Seminarteilnehmer als Trekkies. Mit Filmen verbinden wir Emotionen, die einen Teil unserer Gedankenwelt ausmachen. Und in der Lehre kann das immer wieder abgerufen, thematisiert werden, sozusagen als verfremdeter „Verstehensschlüssel“. Etwa in dem Film „Hänsel und Gretel – Hexenjäger“: Hänsel ist zuckerkrank, weil er bei der Hexe so viel Süßes essen musste; er bricht das Ganze dann im Laufe des Films auf einen einfachen Satz herunter: "Dont eat the fucking candy". Der Film ist unfreiwillig komisch. Da wird ein Nürnberg im Mittelalter präsentiert, dass aus nicht viel mehr als ein paar zusammengenagelten Brettern besteht. Und als dann die Kinder entführt werden, zeigen sie deren Fahndungsfotos auf einer Milchflasche aus reinstem Industrieglas. Das war einfach nur großartig. Erzählung bricht sich mit Erzählung. Und wie viel sagt uns das über das bewusste und unbewusste Mittelalterbild aus?

Strifes: Da fällt mir spontan Starship Troopers ein. Ich weiß auch nicht, ob der Film ernst genommen werden möchte oder nur lustiger Trash ist. 
Diesen Film finde ich schon hart an der Kante.

Was würden Sie machen, wenn Sie einen Tag lang Zeit hätten, um das Holodeck auszuprobieren?
Wir würden das Holodeck nur mit Informationen beliefern, die wir bereits haben. Es wäre nur wieder ein Spiegel unseres eigenen Ichs. Ich würde mir diverse berühmte Fußballspiele gern nochmal ansehen. Vielleicht sogar das große Turnier, das Deutschland nach einem Nicht-Tor im Finale verloren hat (gemeint ist das berühmt-berüchtigte WM-Finale zwischen Deutschland und England von 1966 im Wembley-Stadion in London).



Wenn es eine neue Serie geben sollte, wann, wie, wo sollte diese spielen? Was erhoffen Sie sich von der Zukunft in Star Trek?
Ich hätte gern eine Serie, die 2063 direkt nach dem Start der Phoenix angesiedelt ist. Ich fände es spannend zu sehen, wie sich ausgehend vom Start der Phoenix und der entsprechenden Folgen die Menschheit bis zum Start der Archer-Enterprise entwickelt. Ich hoffe natürlich, das Star Trek weitergeführt wird, aber es kann natürlich auch sein, dass die Verantwortlichen jetzt einen Schlussstrich ziehen. Lassen wir uns überraschen.

Werden Sie sich den neuen Star Trek-Film Star Trek: Into Darkness ansehen?
Ja.

Ein Schlußwort, dass sie den Trekkies gern mit auf den Weg geben wollen?
Bleibt euch treu!

Dienstag, 7. Mai 2013

"Es kann sich kaum jemand vorstellen, in welcher Not diese Folgen entstanden sind"

 Mit der Rubrik "Star Trek in Berlin und Brandenburg" möchte die Star Trek Tafelrunde "Hermann Darnell" in Potsdam-Babelsberg zeigen, dass die Hauptstadt mit ihrer unmittelbaren Umgebung noch immer ein Zentrum für Star Trek in ganz Deutschland ist. An Havel, Spree und Finow tummeln sich nämlich Spieleentwickler, Sammler, Verkleidungsexperten, Origami-Künstler, Webseitenbetreiber, Fan-Fiction-Autoren, Hörspielproduzenten, Rollenspieler, Leseratten, Ladenbesitzer und Trekdinner, die im Zusammenspiel einen einzigartigen, kreativen und spannenden Schmelztiegel ergeben, der landesweit seinesgleichen sucht. Dieser besonderen Vielfalt zollt die Tafelrunde daher mit einer Interview-Reihe Tribut, in der die spannendsten Projekte, Personen oder Gemeinschaften vorgestellt werden.

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Heute genau vor vier Jahren begann die Hörspielserie 'Raumschiff Eberswalde' mit ihrem Flug durch die Galaxie. Pünktlich zum neuen Kinofilm erschien nun auch die letzte Episode der mittlerweile sieben Staffeln umfassenden Produktion. Die Tafelrundenmitglieder K'olbasa und Turon47 trafen sich daher im Rahmen der Interviewreihe "Star Trek in Berlin und Brandenburg" mit Benjamin Stöwe. Der 29jährige Journalist aus Eberswalde, dessen Gesicht man aus der RBB-Sendung "Brandenburg aktuell" oder dem "ZDF Morgenmagazin" kennen könnte, traf sich mit uns bei bayrisch-gemütlicher Atmosphäre im "Augustiner am Gendarmenmarkt" und diskutierte mit uns über Hörspielkassetten von Karussell, seine Arbeit als Synchronsprecher und die Lage der zukünftigen vulkanischen Botschaft in Berlin.



Turon47: Seit wann bist Du Star-Trek-Fan?
Benjamin: Wahrscheinlich seit 1990. Ich erzähle immer gern die Geschichte, dass es natürlich mit dem Fernsehen angefangen hätte: Einer Next-Generation-Folge im ZDF. Danach folgten bei mir jene Hörspielkassetten, die es damals zu den ersten zehn Episoden gab. In meiner Kindheit hatte ich sie jedoch nie komplett...
Turon47: Du nimmst mir jetzt natürlich meinen großen Höhepunkt vorweg. Eigentlich wollte ich Dich nämlich fragen, wie viele Du davon [zeigt TNG-Hörspielkassette] als Kind besessen hast...
Benjamin: Alle neun! Die zehnte mit dem Titel "Die Schlacht von Maxia" habe ich erst vor vier oder fünf Jahren gekauft. Die habe ich einfach nie bekommen! Aber es gibt ganz viele nette Menschen, die das wussten, was zum Beispiel dazu führte, dass ich Folge vier und acht mittlerweile doppelt habe – noch originalverpackt. Aber nie gelang es mir, der Folge zehn habhaft zu werden - das war so ärgerlich! Aber irgendwann habe ich dann auch die zehnte Kassette erworben und war beruhigt, als ich entdeckte, dass man nur die ersten zehn Episoden überhaupt als Hörspiel umgesetzt hat und nicht gleich alle 178. In einem der alten Limit-Hefte war eine Anzeige von Karussell, auf der diese zehn Kassetten abgebildet waren, woraufhin ich über Jahre diesen Teil ausgeschnitten habe, jedoch nie die zehnte Folge erhielt. Furchtbar, ich habe so gelitten!

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Turon47: Welche Star-Trek-Serie hast Du im Laufe der Zeit am meisten schätzen gelernt?
Benjamin: Ich trenne das gar nicht so, denn ich fasse das alles als eine große Geschichte auf. Natürlich bin ich hauptsächlich mit der Next Generation groß geworden. Aber auch die Classic-Folgen und -Filme fielen in diesen Zeitraum. Dennoch habe ich keine 'Lieblingsserie'.

Turon47: Was hälst Du von Reboot J.J. Abrams'?
Benjamin: Ich habe vor kurzem in einem anderen Zusammenhang zu jemandem etwas gesagt, was auch darauf zutrifft, was er da 2009 gemacht hat. Wenn man sich Star Trek wie eine Bäckerei oder vielmehr wie eine Konditorei vorstellt, hat er aus allem was es dort so an Sahnetorte und leckeren Zutaten gibt, die Kirschen und andere Highlights herausgepickt, sie in einen Mixer gepackt und einen Shake produziert. Der ist ganz süß. Der ist ganz fruchtig. Der ist nicht immer ganz logisch. Der macht Spaß und vielleicht auch dick. Aber unterm Strich ist das vielleicht kompatibler als würde man den Leuten fünfzig Torten hinstellen.

Turon47: Was schätzt Du an Star Trek am meisten?
Benjamin: Zu jeder Altersstufe, in der ich Star Trek miterlebt habe – und das sind ja jetzt schon einige – gab es andere Dinge. Ich habe ganz oft überlegt, was mich als Kind so fasziniert hat. Ich glaube heute, dass es das Große, dieses Epische und die Weite war. Ich liebte den Vorspann! Ich habe die Kassetten am Anfang unglaublich laut gedreht und war enttäuscht, dass es nicht der originale Sprecher war, sondern der Erzähler. Aber gut, da konnte man nichts machen. Danach habe ich auch den Fernseher zu Beginn einer jeden Folge ganz laut gedreht, weil mich eben diese unendliche Weite so faszinierte. Dann waren es die Geschichten und die Effekte. Heute sehe ich mir so mache Classic-Folge an und frage mich ernsthaft, wie ich da als Kind so mitfiebern konnte. Nicht, dass ich mich heute dabei langweile, doch manchmal denke ich schon 'Das kann man einem Kind heute gar nicht mehr zeigen'. Als Heranwachsender sieht so etwas wohl anders. Heute kenne ich viele, die es vielleicht noch kennen, aber sich nicht mehr bewusst ansehen.
Schließlich kam der Sprung dahinter. Vor Kurzem habe ich erst überlegt, wann mir das erste Mal klar wurde, dass das alles synchronisiert und nicht deutsch ist. Ich denke, dass sich diese Erkenntnis auch durch die Kassetten durchsetzte. Daraus ergab sich jene Phase, in der man durch Star Trek englisch lernte, denn irgendwann reichte das Taschengeld und die Neugier aus, um Videos aus Amerika zu bestellen. So konnte ich bereits viele Folgen vor ihrer deutschen Erstausstrahlung sehen. Natürlich wurden im Zuge der Argumentation, dass man dadurch so gut englisch lernen könnte, auch die Eltern entsprechend aufgeschlossen, denn es diente ja einem höheren Zweck. 
Nach dieser Englisch-Phase schloss sich auch schon die Kiste an, dass ich ergründete, wie Fernsehen eigentlich funktioniert, was schließlich wiederum in dem mündete, was ich heute mache. Von daher mag ich all die Ideale, die Star Trek verkörpert, auch wenn ich es mitunter schade finde, dass sie nicht konsequent bis zum Ende verfolgt werden. Wenn Du mich aber fragst, was ich daran am meisten schätze, dann muss ich doch sagen, dass es mich in all den unterschiedlichen Lebensphasen unterhalten und gebildet hat.

Turon47: Was hältst Du von anderen Science-Fiction-Serien wie Battlestar Galactica, Doctor Who oder Firefly?
Benjamin: Ich habe ganz vieles davon nie gesehen, weil ich keine Zeit habe. Heute merke ich erst, wie vorteilhaft es ist, jung zu sein und Zeit zu haben. Die Zeiten, in denen man aus der Schule kommt und so etwas sehen oder lesen kann, sind einfach vorbei. Allerdings gab es all diese Serien damals noch nicht. Ich habe gehört, dass es siebenhundert Stargate-Folgen gibt, die alle toll sein sollen, aber ich habe nicht eine davon gesehen.
Ich schaue mir das alles nicht mehr an. Vor ein paar Jahren habe ich 'Babylon 5' gesehen, weil es dazu eine Box gab und ich es einmal komplett von Anfang bis Ende durchgeguckt hab. Ich fand das okay. Aber dann muss ich auch schon überlegen, welche Science-Fiction-Serien ich noch gesehen habe.
Time Trax- das waren noch Zeiten! Ein Computer, genannt Selma – ich hab das geliebt! Aber wenn Du mich nach aktuellen Serien fragst, bekomme ich das meiste noch über meine Sprechertätigkeit mit, wenn wir so etwas gerade synchronisieren. Ich hab auch versucht, 'Fringe' zu sehen und dachte ab einem Punkt 'Das ist alles ganz nett, das ist alles ganz hübsch aber Akte X war besser und fünfzehn Jahre früher'. Ich hatte es vor allem wegen Leonard Nimoy versucht, der allerdings in nur einem kleinen Teil der Folgen überhaupt aufgetreten ist.

Turon47: Warst Du jemals bei einer Convention oder einem Trekdinner zugegen?
Benjamin: Nein, nie. Ich glaube, es hat mich auch nie gereizt. Die letzte Gelegenheit, zu einer Convention zu fahren, hatte ich 2009, als die Ausstellung lief. Damals gab es von Paramount Deutschland einen Wettbewerb, wer die beste Aktion rund um den Filmstart macht und das war im Zusammenspiel mit unserem Kino unser "Raumschiff Eberswalde". Da haben wir eine Reise zur FedCon nach Bonn gewonnen. Sie lag allerdings extrem ungünstig an dem Wochenende unmittelbar vor dem Filmstart. Für mich bedeutete das, dass ich nicht hinfahren konnte, weshalb meine Mutter und mein Bruder das übernommen haben. Schon nach zwei Tagen konnten sie einfach nicht mehr. Ich fand das ganz lustig.

Turon47: Wie fandet Ihr die klingonische Oper in Berlin?
Benjamin: Wir waren mit der ganzen Familie da, beziehungsweise meine Familie musste mitkommen. Es war auch so, wie wir es erwartet hatten und wir fanden es sehr interessant.
Turon47: Was habt Ihr erwartet?
Benjamin: Nun, wir kennen das Klingonische nun schon seit der Serie, die wir alle – vor allem wegen mir – schon immer gesehen haben. Meine Familie musste da mit durch. Sie fanden es ja auch nicht schlecht. Meine Mutter hat bereits Star Trek gesehen, als man das hier noch gar nicht offiziell sehen durfte. Daher passte es in das Bild, wie wir uns klingonische Opern vorgestellt haben. Es gibt ja so drei oder vier Momente, wo die auch in den Serien gesungen wird und in diesem Rahmen war das ganz toll. Schon erstaunlich, wie Menschen in dieser fiktiven, wenn auch sehr ausgeklügelten Sprache solcherlei gesangliche Leistungen vollbringen können. Zugegeben: Ich fand, es war mit einer Stunde gut bemessen. Ich hätte es wirklich nicht vier Stunden sehen wollen, aber in diesem Zeitrahmen hat es funktioniert. Ich dachte ja schon, dass es für mein Vater schwieriger werden könnte, aber wir sind sehr gut unterhalten wieder nach Hause gefahren.

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Turon47: Man merkt Deinen Raumschiff-Eberswalde-Hörspielen an, dass Du sehr viele Star-Trek-Bücher gelesen haben musst. Würdest Du einige herausheben, die für Deine Arbeit an 'Raumschiff Eberswalde' besonders wichtig waren?
Benjamin: Nein, das kann ich gar nicht. Natürlich habe ich viele Bücher gelesen, aber die Entstehungsgeschichte von 'Raumschiff Eberswalde' war eine, die mit sehr wenig Vorbereitungszeit auskommen musste. Ich hätte ganz oft viele Sachen gern noch einmal nachgeschlagen, aber ich hatte nie die Zeit, so dass ich jetzt kein bestimmtes Buch benennen könnte. Zudem gibt es eine Reihe von Dingen, von denen ich einmal gehört habe, bei denen ich herauszufinden versuchte, ob ich sie mir eingebildet habe oder ob sie stimmen und die dann schnell in so einer Folge gelandet sind. 
Es gibt natürlich Bücher, die ich toll finde. So war ich richtig gerührt von "Die Föderation", in dem sogar erklärt wurde, wie sich das Sternenflottendelta entwickelt hat. Einfach toll! Manchmal gleiten Bücher ja rasch in kitschige Sphären ab, es gibt zu viele Außerirdische oder wird zu kleinteilig. Das finde ich stets ein wenig schade.
K'olbasa: Du sprichst jetzt aber eher von den Heyne-Büchern, oder?
Benjamin: Ich hab das alles auf englisch gelesen. Von den neueren Büchern habe ich einige Titan-Romane und etwas vom DS9- und Voyager-Relaunch gelesen, aber auch das ist schon ewig her.
Turon47: Und wie ich gemerkt habe, fanden die Titan-Inhalte bei 'Raumschiff Eberswalde' keine Berücksichtigung...
Benjamin: Um Gottes Willen, nein!
K'olbasa: Hast Du auch Vanguard gelesen?
Benjamin: Ich habe es versucht. Aber nein...
K'olbasa: Mir sind einige deutliche Parallelen zwischen Vanguard und Eberswalde aufgefallen. Wenn man beide vulkanischen Hauptcharaktere betrachtet, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Du Dich dadurch hast inspirieren lassen.
Benjamin: Da gibt es vielleicht einen anderen Ansatz. Als wir das alles begonnen haben, war noch jemand anderes mit dabei, der das eventuell gelesen haben könnte. Aber das kann ich nicht genau sagen. Auf seinen Ideen basiert aber die Figur der T'Val.
Turon47: Wer wäre bei der Entstehung der 'Eberswalde' noch zu nennen?
Benjamin: Ganz zu Anfang waren wir zu dritt. Neben mir war das eine Kollegin sowie jemand, den ich über das Internet gefunden habe. Die Idee zum Raumschiff-Eberswalde-Hörspiel entstand zwei Wochen vor Ausstellungsstart, weil wir uns sagten, dass es noch irgendein interaktives Element geben müsste, das dem Event etwas mehr Aufmerksamkeit verschafft als die kleine Schau im Eberswalder Stadtmuseum und größere Publikumskreise anspricht. Es gab also nicht viel Zeit. Eigentlich hatte ich genug mit der Ausstellung zu tun, eine Einladung zur FedCon und noch tausend weitere Sachen, um die ich mich hätte kümmern müssen. Also habe ich gegooglet, wer Fan Fiction und ähnliches schreibt und so um die zwölf Personen kontaktiert, die ich fragte, ob sie nicht Lust hätten, so etwas zu machen. In dem und dem Format; immer in der Länge; kurz: So wie es heute immer noch ist. Tatsächlich meldete sich eine Person zurück und wir trafen uns einmal. Er kam eigentlich gar nicht aus der Region, aber wir trafen uns und sprachen alles ab. Schließlich schrieb er etwa zwanzig Folgen, die wir anschließend am Stück aufnahmen und uns freuten, dass wir mit dem Material bis zum 27. Mai zurechtkommen würden. Doch die eigentliche Idee war, dass wir für jeden der Ausstellungstage eine Folge parat hätten, also insgesamt 144. Es fehlte als noch eine ganze Menge. Einen Tag vor Ultimo saßen wir also wieder zusammen und er schickte wieder etwas, das wir wieder aufnahmen. Durch diese Begleitumstände und vor allem die fehlende Zeit war es unheimlich schwierig, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Wie es in so kreativen Prozessen manchmal üblich war, schickte er alles meist recht kurzfristig zu uns und weil wir schlichtweg nicht auf diese Weise arbeiten konnten, wie er es tat, hat es sich etwa ab Folge fünfzig ergeben, dass wir begannen, alles selbst zu verfassen. Erst ab diesem Punkt wurde es zum größten Teil das, was ich geschrieben habe.

Turon47: Fühlst Du Dich also nicht als Teil der deutschen Fanfiction-Szene?
Benjamin: Überhaupt nicht. Ich lese auch keine Fanfiction. Es gibt so wahnsinnig viel und ich habe schon oft gehört, dass vieles davon gut ist, aber es ist auch wahnsinnig lang. Auch wenn es heute vielleicht arrogant klingt: Ich finde, dass es sich total schwer konsumieren lässt. Zum einen ist dort die Menge an Texten. Zwar gibt es Seiten, die das recht gut sortieren, doch für mich war es einfach nie einfach zu verstehen, wo jetzt Star Trek: Antares beginnt und wo der Spinoff von irgendetwas anderem anfängt. Erst neulich habe ich auch etwas ähnliches über uns gelesen. In einem Forum schrieb jemand, es würde jetzt die siebente Staffel und 400 Folgen geben – das könne er gar nicht alles hören. Dabei ist es ja eigentlich gar nicht so viel. Wenn man sich das am Stück anhört, sind es vielleicht zwölf Stunden. Ich denke, dass das eher konsumiert wird, als achtundzwanzig zusammenhängende Star-Trek-Geschichten. Das war auch einer der Gründe für uns, akustisch an die Sache heranzugehen. Zudem lag es nahe, da ich aus diesem Bereich komme.

Turon47: Wie wichtig war Berlin als Standort für Euer Projekt?
Benjamin: Wir haben es in Eberswalde aufgenommen. Berlin war absolut unerheblich für dieses Projekt. Es war ein Nebeneffekt, der sich jetzt gegen Ende ergeben hat, aber am Anfang spielte die Hauptstadt keine Rolle. Der einzige Zusammenhang, der mir einfallen würde, waren die beteiligten Sprecherkollegen. Das war es aber auch schon.

Turon47: Wie seid Ihr denn mit den Originalsprechern in Kontakt gekommen?
Benjamin: Das war tatsächlich großes Berufsglück. Als ich nach dem Abitur vor der Wahl stand, was ich jetzt mit meinem Leben machen würde, gab es für mich unter anderem die Option, in die Richtung Film oder Schauspiel zu gehen. Aber mit dem Wissen, dass diese Richtung schwieriger sein könnte, als zum Beispiel journalistisch zu arbeiten, habe ich mich anders entschieden, auch wenn die Neigung dazu blieb. Bei erster Gelegenheit habe ich mich um die Synchronsprechergeschichte bemüht und betreibe das seit mittlerweile sechs, sieben Jahren. Schließlich gab es dort irgendwann den logischen Moment, dass man auf Personen traf, deren Stimmen man aus dem Fernsehen kennt. Viele von Ihnen kannte ich, seit sie in den Booklets der Hörspielkassetten aufgeführt wurden. Das war ein sehr toller Moment und für mich auch wertvoller, als auf irgend eine Convention zu gehen und zum fünfhunderttausendsten mal irgend jemanden irgend etwas zu fragen. Deshalb waren diese Veranstaltungen für mich auch nie wirklich reizvoll, weil ich abgesehen von der tollen Stimmung den Aufwand nicht betreiben will. Natürlich fand ich es auch schade, dass es so etwas auch hier in Berlin gab – allerdings nicht mehr zu dem Zeitpunkt, an dem ich bereit war, zu so etwas zu gehen.
Davon abgesehen kam es dazu, dass wir alle im Atelier standen und uns unterhielten. Besser gesagt: Ich habe mal den und mal den auch auf dem Flur oder in der Kantine getroffen. Wenn man sich dann mag und miteinander arbeitet, ist das dann wie bei allen anderen Verhältnissen auch: Man redet miteinander und fragt auch mal nach und irgendwann sagt auch mal tatsächlich jemand zu. Das war aber keine Sache, die wir kalkuliert oder erwartet hätten. Schließlich spielt das Raumschiff Eberswalde viel später als alles, was wir kennen und sollte absichtlich nie mit all diesen Leuten zu tun haben. Bestenfalls war das eine Idee, aber definitiv kein Muss. Dann tauchte in der einhundertsten Folge Michael Pan als Data auf und wir waren völlig aus dem Häuschen, dass er das gemacht hat. Und das auch noch in dieser schrecklichen Geschichte! Ich freu mich immer noch, wenn Leute sagen, sie würden in der ersten Staffel irgend einen Sinn erkennen.



Turon47: Wie kam Deine Zusammenarbeit mit Treknews zustande?
Benjamin: Vor vier Jahren, als Treknews wirklich noch Deutschlands größte Star-Trek-Seite war, habe ich Daniel Räbiger eine Email geschickt und einfach gefragt. Das kostete ja auch ziemlich viel Geld und Technik, mit der ich mich nicht unbedingt auskenne. Er hat gleich 'ja' gesagt. Damals gab es ja auch noch nicht die Vielfalt, die es heute gibt. Mittlerweile hat wohl 'Trekzone' 'Treknews' überholt. Der Verlust an Dynamik ist schon ein wenig traurig.

K'olbasa: Mir geht es immer so, dass ich Synchronsprecher oft nur in einer Rolle wiedererkenne und in anderen geflissentlich überhöre. Wie machst Du das? Gibt es da Tricks, dass man bestimmten Figuren eine bestimmte Stimme gibt?
Benjamin: Bei Michael Pan zum Beispiel liegen auch zwanzig Jahre zwischen seinen Auftritten als Data und seinem Engagement bei den Popsplits. Er klingt bei uns auch anders als in der Serie, weil er inzwischen damit ganz anders damit umgeht. Bei der Arbeit als Synchronsprecher ist man von Leuten umgeben, die den Input zu der Rolle geben. Es gibt zum Beispiel die Geschichte, die Dir verrät, was der Charakter durchgemacht hat und wie er dadurch klingen könnte. Dann ist da der Regisseur, der Dir Hinweise und Tipps dazu gibt, wie Du die Figur anlegen sollst und dann gibt es auch natürliche Beschränkungen, die man ebenfalls nicht unterschätzen darf: Wie viel Zeit bleibt, um das auf deutsch zu sagen, was der Charakter da auf englisch sagt. Auch das beeinflusst ja eine Stimme in der Geschwindigkeit, in der gesprochen wird und die ganz anders ist, als das, was wir uns im normalen Leben erzählen.
Natürlich verstellen wir auch mal unsere Stimmen. Ich habe im vergangenen Jahr eine TomTom-Kampagne gemacht, bei der wohl nie jemand darauf kommen wird, dass ich das bin, weil wir die Stimme 'chargieren', wie wir es nennen. Zuweilen recht es, höher oder tiefer zu sprechen, um eine Rolle anders klingen zu lassen.

Turon47: Wie genau sah denn die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Synchronsprechern aus?
Benjamin: Weil man sich untereinander kennt und unter Kollegen auch gern einmal hilft, hat keiner von Ihnen Geld dafür genommen. Anders, als das in so mancher geschriebenen Fan-Fiction-Serie vielleicht ist, spielen die bekannten Figuren, wie man vielleicht merken kann, keine große Rolle. Daher traten die verschiedenen Sprecher nur auf, wenn es irgendwie passte. Da ist also niemand, der dreißig Minuten über ein Thema monologisiert. Keiner meiner Kollegen hat eine Hauptrolle innerhalb des Hörspiels inne. Viel eher handelt es sich um nette Nebenfiguren, was den Aufwand überschaubar hält. Aufgrund dieser beiden Tatsachen machten viele dankenswerter Weise mit, weshalb meine Devise auch lautet, es ihnen so einfach wie möglich zu machen: Wir gehen dorthin, wo sie sind und nehmen es auch dort auf. Ich finde, dass das etwas Lustiges ist, denn es gibt bei 'Raumschiff Eberswalde' dadurch natürlich auch eine Menge Dialoge, von denen nicht einer mit den beteiligten Sprechern in einem Raum aufgenommen wurde. Neulich zum Beispiel sogar auf der Toilette vom Konzerthaus hier am Gendarmenmarkt. Grausig, denn dort hallt es sehr stark. Das alles zusammenzubringen, ist manchmal etwas abenteuerlich, doch meiner Meinung nach schließlich zumindest so gut gelungen, dass man es nicht bemerkt, wenn man es nicht weiß. Gut, wir als Produzenten wissen das natürlich, aber man kann es immerhin überhören.
Dadurch, dass Synchronsprecher häufiger miteinander arbeiten, ergeben sich einfach Schnittmengen, einfach weil man sich vor oder nach einem Termin ohnehin ständig wiedersieht. Für Leute, die das tagtäglich machen, ist es auch kein größerer Aufwand. Man benötigt zwei oder drei Minuten, die entsprechenden Passagen einzusprechen und dann ist es auch schon wieder vorbei. Zudem gibt es die Tradition, dass jeder anschließend eine Wurst aus Eberswalde bekommt. Da erschließt sich wunderbar, wer Vegetarier ist und wer nicht...

Turon47: Gibt es eigentlich jemanden, mit dem die Zusammenarbeit nicht funktioniert hat?
Benjamin: Deshalb ist jetzt ja auch Schluss: Es gibt keinen mehr, den wir noch fragen könnten [lacht].
K'olbasa: Und ich dachte schon, weil es die siebente Staffel ist und so...
Benjamin: Ja auch deshalb...
Turon47: Ich dachte, weil Du zu wenig Zeit hast...
Benjamin: Auch. Irgendwann ist so eine Geschichte auch zu Ende erzählt und ich denke, dass dieser Punkt jetzt erreicht ist. Ich habe jetzt in den fünfhundertundeins Folgen alles gemacht, was ich mir vorgestellt habe und verwirklichen wollte. Jetzt muss erst einmal Zeit ins Land ziehen, in der zum Beispiel alle, den der Titel zu obskur war, es hören können. 
Turon47: Stichwort! 'Eberswalde' als Name für ein Schiff der Sovereign-Klasse...
Benjamin: Toll, oder? [lacht]
Turon47: Ganz große Klasse...
Benjamin: Das war doch logisch! Es gab die Ausstellung in Eberswalde – da war die Frage, wie das Schiff heißen soll, auch gleich mit beantwortet. Es hätte auch schlimmer kommen können, denn ursprünglich hieß der Held 'Rudolph Schmid'...
K'olbasa: Hätte ich persönlich besser gefunden...
Benjamin: Es gibt noch drei erste Folgen, die man irgendwo herunterladen kann, in denen er der Hauptcharakter ist. Sein Name geht auf einen bekannten Lokalhistoriker aus Eberswalde zurück. Wir haben uns damals im Trio allerdings nach zähem Ringen für 'Robert Thomas' entschieden. Das ist aber so ein 'Luschen'-Name. Gerade am Anfang ist er noch so ein Weichei und als dann in Folge 25 immer noch der Replikator kaputt war, dachte ich wirklich: 'Mensch Junge, bleib' im Bett!'.
K'olbasa: Heißt das, dass Du Dich nicht sehr mit der Rolle identifizierst?
Benjamin: Das ist natürlich alles nur ein Spaß und die Figur auch ein klein wenig Mittel zum Zweck. Alle Begegnungen und Abenteuer macht er nämlich nicht ganz freiwillig durch. Selbstverständlich ist in ihm auch ganz viel von mir drin, aber solche Szenen wie die mit Odo oder Spock sind aus dem Grund der schönste Moment, weil man diese Stimmen, die man seit Jahrzehnten in diesen bestimmten Rollen und Situationen kennt, dafür gewinnen konnte. Wenn man bei ihnen zu Hause sitzt, sie über die Textpassagen gehen und plötzlich jene Dialoge einsprechen, die man selbst verfasst hat, wird es plötzlich absurd – absurd schön.

Turon47: Du hast natürlich auch einige Exoten unter den Sprechern wie die Antenne-Brandenburg-Moderatorin Inka Gluschke, Dietmar Fürst, den pädagogischen Leiter der Archenhold-Sternwarte in Berlin oder den Morgenmagazin-Meteorologen Ben Wettervogel. Warum hast Du Dich ausgerechnet für diese Personen entschieden?
Benjamin: Es kann sich kaum jemand vorstellen, in welcher Not diese Folgen entstanden sind! Das alles sind sehr geschätzte Kollegen, die allesamt Star-Trek-Fans sind und deshalb daran mitarbeiteten. Es ist aber auch keine Übertreibung zu gestehen, dass viele Folgen am Vorabend der Veröffentlichung produziert wurden. Diese Momente gab es eher häufiger als selten. In der ersten Staffel haben wir uns des Öfteren gefragt, was wir morgen denn wohl mit wem machen werden. So wurde so ziemlich jeder verpflichtet, der fähig und in der Nähe war. Vielleicht nicht immer fähig... [lacht]
In der ersten Staffel gibt es eine Episode, in der ein Crewman namens Bartlett auftaucht. Das war ein unglaublich netter Mensch, der in einem Büro, in dem ich an diesem Abend war, geputzt hat. Also fragte ich ihn, ob er denn kurz Zeit hätte und so etwas machen würde und er hat sich überreden lassen...
Turon47: Vielleicht solltest Du einmal zum Verständnis beschreiben, wie eine typische Folge 'Raumschiff Eberswalde' entstanden ist!
Benjamin: Nun, in der ersten Staffel reichten die Planungen von Tag zu Tag. Damals waren wir schon froh, wenn wir fünf Folgen am Stück aufgenommen haben, denn die eigentliche Aufnahme dauerte nicht lange und ist auch nicht allzu schwer. Schwieriger war es da, sich alles auszudenken und die Story logisch voranzutreiben. Aus diesem Grund schlägt die Handlung gerade am Anfang noch so viele Haken.
K'olbasa: Bist Du dafür mit einem Aufnahmegerät herumgelaufen, hast es Leuten vor die Nase gehalten und sie ihren Satz sprechen lassen?
Benjamin: Ja. Genauere Anweisung konnte ich nicht geben, denn gerade bei Leuten, die keine professionellen Schauspieler sind, klingt es oft übertrieben, wenn man ihnen zuvor vorschlägt, es eine bestimmte Art und Weise einzusprechen. Da ist es oft besser, leichte Andeutungen zu machen und einfach die erste oder zweite Aufnahme zu verwenden, denn danach wissen sie oft auch nicht weiter und fabrizieren etwas, was eventuell zu extrem erscheint. In solchen Situationen denke ich mir aber auch immer, dass es authentisch ist, denn wenn es in einer bestimmten Situation wirkt, als ließe den Sprecher kalt, spricht eigentlich nichts dagegen, dass es vielleicht sogar so ist. Vielleicht stammt er sogar von einer außerirdischen Welt, in der man in derlei Fällen anders reagiert.
Die erste Staffel war also bereits in ihrer gesamten Zusammenstellung abenteuerlich, weshalb es mitunter lange Strecken, wie zum Beispiel mit der 'anderen' T'Val gab. Das war eine Freundin von mir, die Sprecherin ist und zufällig Zeit hatte. Also haben wir 25 Folgen am Stück geschrieben und damit sind wir fast einen Monat über die Runden gekommen.
Daran war die siebente Staffel dann angelehnt. Ich fand es zu Beginn lustig, Logbucheinträge zu verwenden. Doch irgendwann kommt man davon weg, weil sich alles zu sehr ähnelt und man nicht jeden Tag diesen Sternzeitmist ertragen kann. Obwohl es dahingehend wiederum lustig war, dass es Personen gab, die im Treknews-Forum die Sternzeiten miteinander verglichen haben und feststellten, dass die überhaupt nicht gestimmt haben. So haben wir vieles erlebt, was auch echte Produktionen an Zwängen, Fehlern und Einschränkungen ertragen müssen: Denen fehlte ebenso die Zeit! Man muss ja irgendetwas produzieren, während man die Schauspieler, die Sets und das Produktionsteam vor Ort hat. So ging es uns auch.
Die anderen Staffeln waren nach den Erfahrungen mit der ersten geplanter und weniger knapp, so dass wir rechtzeitig zum Adventskalenderstart am 30. November mit allen Folgen fertig waren. Es ist dann echt entspannend zu wissen, dass jeden Tag Folgen erscheinen, ohne dass man sich weiter darum kümmern muss. Bei der siebenten Staffel haben wir sogar vor einem Jahr die ersten hundert Folgen aufgenommen. Danach folgten Schritte in Zwanziger und Dreißiger-Abständen; je nachdem, wie viel Zeit die beteiligten Personen hatten. Jetzt, wo der Filmstart vorverlegt wurde, konnten viele Leute nicht, weswegen nur noch eine finale Episode produziert wurde.

Turon47: Wir gelang es Dir eigentlich, Siegmund Jähn für das Projekt zu gewinnen?
Benjamin: Das war eine schöne Überschneidung mit meiner journalistischen Tätigkeit. Ich wurde gefragt, ob ich einen Abend mit Siegmund Jähn moderieren möchte und habe 'ja' gesagt. Anschließend haben wir uns dort getroffen, uns einen Abend lang sehr nett unterhalten und nachdem ich ihn zuvor schon gefragt hatte, ob er daran mitarbeiten würde, hat er es gemacht.

Turon47: Mit der fünften Staffel bist Du aus dem üblichen Rahmen herausgebrochen und hast Dich auf das Holodeck begeben. War die Arbeit an dieser Staffel ebenso nervenaufreibend wie die anden übrigen Staffeln?
Benjamin: Das war zum 45. Jubiläum Star Treks angedacht. Diese Folgen spielen auch alle zwischen dem Geburtstag Gene Roddenberrys und dem Jahrestag der Star-Trek-TV-Premiere. Es gab nie einen Plan, das alles in eine passendere Handlung einzubetten: Nach dem Vorbild der Popsplits wollten wir die Geschichte des Franchise erzählen. Nun sind die Popsplits ja ziemlich kurz; unsere Folgen hingegen recht lang. Das war recht aufwändig und in diesen Folgen stecken auch die Inhalte vieler Bücher. Es gibt nämlich so verdammt viele Dinge, die wir alle wissen, aber kaum eine Ahnung haben, wo sie niedergeschrieben zu finden sind. Schaut man anschließend nach, findet man plötzlich drei oder vier verschiedene Dinge und auf einmal sucht man danach, wo es zuerst zu lesen war. Oder wer es gesagt hat. Oder wo etwas ganz anderes steht. Aus der Sicht war es fast schwieriger, als sich irgendetwas auszudenken, da ja alles stimmen sollte und musste.

Turon47: Woher stammen die vielen kleinen Hintergrundinformationen, wie etwa über den vulkanischen Monat 'Tasmeen', die man immer wieder in die Geschichten eingeflochten findet? Ist das Wissen darum ein Resultat Deines jahrelangen Star-Trek-Konsums?
Benjamin: Alles steht in den Büchern und wenn man weiß, dass es vulkanische Monatsbezeichnungen gibt, kann man danach suchen. Den 'Tasmeen' haben wir aufgenommen, weil ich diese Zeichentrickfolge 'Das Zeitportal' sehr schön finde. Natürlich prüfe ich jeden dieser Begriffe nach, bevor ich ihn verwende. Allerdings nicht auf Memory Alpha, denn das dauert in meinen Augen zu lange. Man muss schon vorher eine Idee haben, schauen ob sie passt und es danach verifizieren. Nichtsdestotrotz finde ich es großartig, dass es all diese Seiten gibt, die selbst den Inhalt von Büchern erfassen.

Turon47: Die Stadt Eberswalde hat Euch ja bereits bei der Bereitstellung von Ausstellungräumen tatkräftig unterstützt. Wie kam es dazu?
Benjamin: Es waren ja nicht nur Ausstellungsräume, sondern sogar das ältesten Gebäude der Stadt! Ich fand es toll, in dieser Apotheke meinen ganzen Exponate zeigen zu können. Am besten fand ich persönlich das begehbare Sonnensystem. Ich habe Wochen darüber nachgedacht, wie man so etwas realistisch darstellen könnte, ohne etwas zu schaffen, dass drei Kilometer groß sein würde. Als ich auf die Idee kam, das über die Abstände der Treppenstufen zu machen, war ich begeistert. Ich weiß gar nicht, ob es den Leuten aufgefallen ist, aber selbst die Sonne war im richtigen Verhältnis zu den Planeten.
Die Zusammenarbeit war so ähnlich, wie es später noch einmal mit dem Podcast zustande kam: Eine realtive freundliche, aber naive Email an das Heimatmuseum. Ich habe ihnen erklärt, welche Bedeutung das Jahr 2009 für Star-Trek-Fans hätte: Das 45-jährige Jubiläum, der neue Film, die Mondlandung und die pädagogisch wertvolle Idee, einen Blick auf das Eberswalde der Zukunft werfen zu können. Die fanden die Idee wider Erwarten gut und sagten 'Ja, machen wir!'. Es blieb allerdings nur noch der Beginn des Jahres 2009, um alles zu organisieren. Viele Sachen waren unglaublich knapp. So gab es zum Beispiel zur Ausstellungseröffnung noch gar keine Beschriftungstafeln an den Objekten, weil uns die Zeit dafür gefehlt hat. Man kann so eine Ausstellung nämlich gut und gern ein halbes Jahr vorbereiten, ohne dass man sich eine Sekunde langweilt. 


Turon47: Wo wir schon beim Thema sind: Warst Du auch auf der Star-Trek-Ausstellung in Babelsberg?
Benjamin: Kurz bevor sie vorzeitig geschlossen wurde, war auch ich da. Ich finde es aber immer wieder schade, wenn man eine so große Marke hat, die den Fans so vieles bieten kann und diese Ausstellungen gefühlt gar nichts aus diesem Potential abschöpfen können. Man bekam den Eindruck, dass da nach dem Motto 'Friss oder stirb' Container mit Sachen aufgestellt wurden. Das ist schade, denn mir fehlte dabei die Magie des Ganzen. Da standen die Kostüme nebeneinander, dann kam ein Flur und dann die Brücke. Obwohl das alles für sich genommen tolle Sachen waren, hat sich in diesem Moment nichts von dem übertragen, was man erwartet hätte.
K'olbasa: Gab es in Deiner Ausstellung eigentlich auch Originalrequisiten zu sehen?
Benjamin: Ja, Die Masken. Ich habe sie bei Ebay erworben, allerdings weiß ich nicht mehr, wie viel ich dafür ausgegeben habe.
K'olbasa: Gibt es eine Möglichkeit, die Ausstellung noch einmal zu sehen?
Benjamin: Seit 2010 haben wir mehrfach versucht, unsere Ausstellung über Eberswalde und Morgenröthe-Rauthenkranz hinaus unterzubringen. Das hat leider nicht funktioniert, weil den Leuten das entweder zu profan war oder sie den Anlass nicht sahen. Manche fragten sogar, was man nach der größeren Ausstellung in Babelsberg mit meiner Ausstellung anfangen soll. Der einzige Ort, an dem das also ungezwungen stattfinden kann, ist daher mein Zuhause. Zum Glück ist meine Familie über Jahre hinweg mit diesem Thema sozialisiert worden, weshalb das alles für sie nicht ganz überraschend kommt.
Mir ging es tatsächlich so, dass die einzelnen Exponate seit zwei Jahren herumstanden und ich mich fragte, was das eigentlich soll. Ich konnte sie nicht gut sehen und niemand anderes hatte etwas davon. Stattdessen stapelte sich alles in irgendwelchen Kisten. Also habe ich beschlossen, eine kleine Abschlussausstellung auf die Beine zu stellen, die zwischen die Kinofilme und das Ende von 'Raumschiff Eberswalde' eingebettet liegt. Jeder, der sich vorher per Email anmeldet, kann sich diese mit 17,01m² kleinste Star-Trek-Schau Deutschlands ansehen.
Turon47: Warum hat das mit der Apotheke nicht noch einmal funktioniert?
Benjamin: Weil ich eine Lösung haben wollte, die auch von Dauer ist. Die Vorstellung, alles in drei oder sechs Monaten wieder auf und abzubauen, lag mir nicht sonderlich. Solange wir auf diese Mini-Ausstellung Lust haben, kann die auch an ihrem jetzigen Ort bleiben.
Allerdings habe ich auch versucht, mich auf das Zeigenswerte zu beschränken. Kein Mensch will tausende Actionfiguren sehen, denn das wird einfach zu viel. Wenn aber an einer Action-Figur exemplarisch festmachen kann, was es überhaupt alles gibt, dann ist das völlig ausreichend. Aus diesem Grund ist der Tenor dieser Ausstellung, dass ich dort alles präsentiere, was mir wichtig und was auch wirklich präsentierbar ist. Den Rest habe ich rigoros aussortiert. 
Beispielsweise hatte ich ein großes und schönes Modell der NX-01, doch solch ein sperriges Teil ist auf der begrenzten Fläche auch einfach kontraproduktiv, denn es kann nur eine Enterprise in dieser Größe untergebracht werden: Die allererste. Wenn dann die andere daneben steht, passt das auch gar nicht mehr. Daneben war es auch irgendwie befreiend, plötzlich wieder die Wände zu sehen und die ganzen Kisten rauszuräumen. Für mein Empfinden ist das, was übrig blieb, eine tolle Auswahl, die auch gelungen präsentiert werden kann.  
Das beste daran ist dann das Gefühl, jemanden damit zu erreichen. In der vorherigen Ausstellung war ein Generationen übergreifendes Publikum zu Besuch und wenn die dann vor dem Modell eines Phasers stehen und darüber erzählen, mag sich das vielleicht kitschig anhören, doch es ist einfach wunderschön. Definitiv schöner, als würden die Sachen nur in einer Kiste herumliegen.

Turon47: Hast Du eigentlich einen Überblick, wie viele Leute Deine letzte Star-Trek-Ausstellung in Eberswalde angesehen haben?
Benjamin: Für Eberswalde gibt es leider keine verlässlichen Zahlen, aber die damalige Ausstellung war ja anschließend noch in der Deutschen Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz und die haben mir eine Zahl schicken können: Rund fünfzigtausend. Ohnehin kann ich einen Besuch in dieser wirklich schönen Gegend nur empfehlen.



Turon47: Hast Du Dir für 'Raumschiff Eberswalde' das Konzept alternativer Zeitlinien eigentlich bei J.J. Abrams abgeguckt?
Benjamin: Es basiert eigentlich alles auf dem letzten Kinofilm. Der war unser Ausgangspunkt. Als der Film erschien und wir ihn alle zum ersten mal sahen, waren die ersten Folgen bereits aufgenommen. Da konnten wir also nicht mehr eingreifen, doch zum Glück waren sie ohnehin nicht sehr spezifisch. Die Idee, dass das Raumschiff Eberswalde in der Zukunft des Abramsverse unterwegs ist, kommt erst in der zweiten Staffel zum Tragen und wird von da an rückwirkend über alles andere gestülpt [lacht].
Von der Sache fand ich es sehr spannend, denn wir kennen ja die ganzen Romane, die Star Trek in der normalen Zeitlinie vorantreiben. Für die andere Zeitlinie gibt es hingegen noch keine Vision. Aus dieser Warte betrachtet ist das Spielfeld groß: Man kann die Titan-Romane ignorieren und Tasha Yar lebt noch.

Turon47: Warum genau gab es eigentlich diesen lange Pause vor der letzten Episode?
Benjamin: Die Folgen liefen bis zum siebenten Februar. Die Dramaturgie richtete sich in erster Linie daran aus, wann die Leute Zeit hatten, die ich gern dabei haben wollte. An einem bestimmten Punkt sollte eine spezielle Figur in einer speziellen Funktion auftauchen. Eine meiner Kolleginnen sicherte mir zu, dabei mitzumachen. Zwei Tage zuvor musste ich erfahren, dass sie nicht teilnehmen konnte. Ich wusste aber, dass ich spätestens am dritten Tag die Folge veröffentlichen musste. Also haben wir es irgendwie anders gemacht, so dass die Szene auch so funktioniert hat. Daher war die Figur plötzlich nicht mehr weiblich, sondern männlich; in einer alternativen Zeitlinie kann man so etwas ja machen. Am fünften Tag rief besagte Kollegin aber plötzlich an und hatte ab sofort Zeit, die Rolle einzusprechen. Zum Glück gibt es das Spiegeluniversum! Also ist sie im Abramsverse ein Mann, aber im Spiegeluniversum wieder eine Frau. Da überlegt man dann natürlich, was man jetzt sinnvolles schreiben könnte, das irgendwie mit dieser Entwicklung in Einklang zu bringen ist.

Turon47: Was erwartet den Hörer in der letzten Folge 'Raumschiff Eberswalde'?
Benjamin: Die ursprüngliche Idee der siebenten Staffel war eigentlich, ein Hörspielcountdown zum neuen Film zu schaffen. Das ist aus verschiedenen Gründen ins Stocken geraten, weswegen wir hundert Folgen vor dem Ziel, bei Nummer 265 stecken geblieben sind. Im Endeffekt glaube ich allerdings, dass das egal ist, denn der durchschnittliche 'Raumschiff Eberswalde'-Hörer ist jemand langfristiges oder eine Person, die das Ganze erst in Zukunft entdecken wird. Daher ist es ihm wurscht, ob wir jetzt noch hundert oder eine Episode produzieren.
Es gab natürlich eine Idee für die einhundert Folgen, die nun auf diese eine komprimiert wurde, deren Umfang in etwa zwanzig Minuten beträgt. Den Hörer erwartet dann natürlich der Abschluss von allem. Momentan sind wir ja gerade im Spiegeluniversum verhaftet...
Bei iTunes schrieb vor kurzem jemand, dass er die Geschichten sehr ansprechend und vor allem für Star-Trek-Verhältnisse glaubwürdig findet [lacht]. Diese Glaubwürdigkeit testen wir in der letzten Episode noch einmal, weil wir vom Zufall profitieren, dass wir durch die alternative Zeitlinie und das Spiegeluniversum Personen auftauchen lassen, die man aus anderen Konstellationen kennt.  Es gibt sogar eine wichtige Figur, die bislang noch keine große Rolle spielte und in dieser letzten Folge auftauchen wird.

Turon47. Wo wir gerade am Gendarmenmarkt sitzen: Wo befindet sich Deiner Meinung nach in Zukunft die vulkanische Botschaft, die in dem Hörspiel zeitweise eine wichtige Rolle spielt?
Benjamin: Das hat noch keiner gefragt [lacht].
Turon47: Deshalb sind wir hier...
Benjamin: Wo ist die vulkanische Botschaft... Wahrscheinlich irgendwo im Tiergarten. Ich glaube nicht, dass der das so unbebaut ins vierundzwanzigste Jahrhundert schafft. Die Frage ist natürlich, ob wir dann noch eine amerikanische Botschaft benötigen.
K'olbasa: Du hast jetzt die Möglichkeit, die vulkanische Botschaft genau zu verorten...
Benjamin: Gut, dann das Gebäude, dass gegenüber vom Adlon liegt.

Turon47: Und was war neben Robert Thomas Deine bislang bekannteste Synchronrolle?
Benjamin: Das war recht witzig. In einem Werbespot für adidas habe ich Lukas Podolski eingesprochen.
K'olbasa: Du synchronisierst Lukas Podolski?
Turon47: Also dass das nötig ist, habe ich schon gesehen. Er spricht wie er denkt...
Benjamin: Das hatte allerdings inhaltliche Gründe. Zur vorletzten EM hat adidas ein neues Trikot präsentiert und es gab eine Kampagne, bei der normale Leute in einem Park augenscheinlich gegen die Nationalmannschaft Fußball spielten. Irgendwann ist das Spiel zu Ende und es tritt eine Mutti mit Kind an den Spielfeldrand und sagt 'Florian! Florian!'. Lukas ist zu sehen, schaut nach irgendetwas, während sie ruft 'Wir müssen los!'. Als er sein T-Shirt auszieht, kommt Tim zum Vorschein. Deshalb ergab es auch inhaltlich Sinn, dass der Herr Podolski nicht wie Herr Podolski klingt. Ich hätte es nie gedacht, aber das haben tatsächlich Leute erkannt. 



Turon47: Was ist schwieriger: Schauspielern oder Synchronsprechen?
Benjamin: Das kann man gar nicht so einfach sagen. Ich finde schon, dass Synchronsprechen schwierig ist. Es macht natürlich Spaß, aber wenn ich es für jemanden beschreiben müsste, der mit dem Gedanken spielt, so etwas ebenfalls zu machen, muss ich sagen, dass es eben schwierig ist. Schwierig, überhaupt dort hinein zu gelangen. Schwierig, weil der Zeitdruck so groß ist und man in sehr kurzer Zeit sehr viel leisten muss. Wenn man ins Kino geht, kann man sich das sicherlich kaum vorstellen. Schwierig ist auch die ganze Vorbereitung.
Normalerweise läuft es so ab, dass man für eine bestimmte Zeit gebucht wird und man weiß oft noch nicht einmal, was für eine Produktion dort überhaupt synchronisiert wird. Das erfährt man erst, wenn man zum Termin am vereinbarten Ort eintrifft. Dann kann es passieren, dass man vierzig, sechzig oder gar zweihundert Takes hat. Man geht ins Atelier und redet mit den Menschen, die für die Produktion zuständig sind, wie dem Tonmeister, dem Regisseur oder die Cutterin. Dann tritt man mit der Dispo und dem Buch ans Pult, schlägt die erste Seite auf und fliegt über den dazugehörigen Text. Man sieht sich kurz die eigentliche Szene an. Manchmal handelt es sich um eine kleinere Spracheinheit; manchmal ein Satz, manchmal ein Halbsatz oder manchmal auch drei Sätze, wenn sie im Off sind. Wenn man es einmal im Original gesehen hat, kann man es vielleicht noch einmal sehen, wenn man sich sehr unsicher ist, ansonsten bedeutet das nächste Mal ansehen auch gleich die Aufnahme der deutschen Sprachspur. Wenn es gut war, geht es dann auch gleich weiter. Das geht also alles sehr schnell und es muss in kürzester Zeit sehr viel passieren, denn in dem Buch stehen neben dem Text andere Anweisungen wie Konter, On, Off, Anatmer, Pause, Zögerer und am Ende vielleicht noch irgendein Schmatzlaut. Das alles muss man erst einmal verinnerlichen und nebenbei auch noch den Text merken, da man bei Sprechen nicht ständig ins Buch sehen kann, sondern nach vorn schauen sollte. Dann kommen auch noch Anweisungen vom Cutter, der Dich bittet hinten etwas kürzer oder vorn etwas breiter zu sprechen. Ab und zu merken sie auch an, dass zum Beispiel der Atmer zu früh oder zu spät war. Oder der Regisseur ist der Meinung, dass das Spiel am Anfang gut, gegen Ende jedoch schlechter war. Vielleicht möchte er auch, dass man mit der Stimme ein wenig hoch oder runter geht. Dann kann auch noch der Tonmeister einwerfen, dass man beim Laut am Ende nicht so stark ins Mikrofon pusten soll. Und schon kommt der Take nochmal!
Abgesehen davon benötigt man einen langen Atem, bis man davon tatsächlich leben kann.

K'olbasa und Turon47: Wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview!
Benjamin: Ich danke ebenfalls.

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Wer mehr über das 'Raumschiff Eberswalde' erfahren möchte, kann sich auf der offiziellen Seite die Hörspiele kostenlos herunterladen. Mehr zu Benjamin Stöwe findet man auf seiner persönlichen Website. Wer sich die kleinste Star-Trek-Ausstellung Deutschlands in Eberswalde ansehen möchte, muss sich unter captain[add]raumschiff-eberswalde.de vorher anmelden.